BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Jacob Burckhardt

1818 - 1897

 

Der Cicerone

 

Malerei

 

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Altchristliche und byzantinische Malerei.

 

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Die Catacombenbilder – Die altchristlichen Mosaiken – Der byzantinische Styl – Mosaiken des V. Jahrhunderts – Mosaiken des VI. Jahrhunderts – Mosaiken des VII. Jahrhunderts – Mosaiken des VIII. Jahrhunderts – Mosaiken des IX. Jahrhunderts – Mosaiken von S. Marco – Malerei des Mittelalters, Byzantinischer Styl – Tafelbilder, Email, Stickereien

 

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Die Geschichte der christlichen Malerei beginnt mit den Gemälden der Catacomben, welche theilweise bis ins III. Jahrhundert hinaufreichen. Allein bei der gegenwärtigen Lage der Sachen findet man sich wesentlich auf zum Theil alte und sehr freie Abbildungen beschränkt, wenn man sich den Gesammtcharakter dieser Gattung klar machen will. Vieles ist nämlich durch den Zutritt der Luft und des Fackeldampfes erloschen und unsichtbar geworden und existirt nur in den Sammelwerken fort; Anderes ist überhaupt nicht mehr zugänglich (durch Vermauerung) oder nur mit Schwierigkeiten. In dem einzigen Arme der Catacomben Roms, welcher Jedermann gezeigt wird (mit dem Eingang in S. Sebastiano) sind kaum noch einige dürftige Reste von Arabesken zu erkennen; diejenigen bei S. Agnese, welche in den letzten Jahren eine wichtige Ausbeute sollen geliefert haben, werden nur auf besondere Verwendung geöffnet. Zu einigem Ersatz dienen die ganz anders angelegten grossen unterirdischen Räume bei S. Gennaro de' Poveri in Neapel; hier sieht man noch beträchtliche Überreste von altchristlichen und auch heidnischen Malereien und Arabesken, doch nichts von derjenigen künstlerischen und religionsgeschichtlichen Bedeutung, welche einzelnen nicht mehr sichtbaren Catacombenbildern Roms innewohnte. Zudem überwiegt in Neapel nicht das Altchristliche, sondern die (schon byzantisirenden) Heiligenfiguren etwa vom VII. Jahrh. abwärts.

Auf den Styl von Kunstwerken, deren Besseres der Reisende nur im seltensten Fall zu Gesicht bekömmt, dürfen wir uns hier natürlich nicht einlassen. Genug, dass derselbe in Figuren und Arabesken eine mehr und mehr ins Starre und Formlose gehende Ausartung des antiken [728] Styles ist. Die Auffassung und Wahl der Gegenstände ist allerdings hochwichtig und charakteristisch für das ganze frühere Verhältniss des Christenthums zur Kunst; einen nicht geringen Ersatz bieten namentlich die altchristlichen Sarcophage (S. 554), obschon sie nicht denselben Ideenkreis darstellen; auch die figurirten Böden von Trinkgläsern (bes. im Museo Cristiano des Vaticans) mögen das Bild der ältesten christlichen Kunstübung vervollständigen helfen.

 

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Eine fast ununterbrochene, documentirte Reihe von christlichen Malereien gewähren jedenfalls erst die Mosaiken der Kirchen. Wir müssen die Voraussetzungen, unter welchen sie zu betrachten sind, kurz erörtern.

Die Kunst ist hier auf jede Weise gebundener als je seither. Nicht bloss ein kirchlicher Luxus, sondern die stärkste Absicht auf monumentale Wirkung und ewige Dauer nöthigt sie, in einem Material zu arbeiten, welches jede Theilnahme des Künstlers an der Ausführung vollkommen ausschliesst und denselben auf die Fertigung des Cartons und auf die Wahl der farbigen Glaspasten beschränkt. Sodann verlangt und gestattet die kirchliche Aufgabe hier streng nur soviel als zum kirchlichen Zwecke dient, dieses aber soll in der imposantesten Gestalt ans Licht treten; nur der Gegenstand herrscht, ohne räumliche Umgebung ausser was durchaus zur Verdeutlichung unentbehrlich ist; ohne den Reiz der sinnlichen Schönheit, denn die Kirche wirkt mit einem ganz andern Ausdruck auf die Phantasie; ohne Rücksicht auf die künstlerischen Gesetze des Contrastes in Bewegungen, Formen und Farben u. s. w., denn die Kirche hat ein ganz anderes Gefühl der Harmonie in Bereitschaft als das, welches aus schönen formellen Contrasten hervorgeht. Ja der Künstler darf nicht mehr erfinden; er hat nur zu redigiren, was die Kirche für ihn erfunden hat. Eine Zeitlang behauptet die Kunst hiebei noch einen Rest der vom Alterthum her ererbten Freudigkeit und schafft innerhalb der strengen Beschränkungen noch einzelnes Grosse und Lebendige. Allein allmälig dankt man ihr es nicht mehr und sie zieht sich endlich in die mechanische Wiederholung zurück.

Diese Wiederholung eines Auswendiggelernten ist dann der durchgehende Charakter des sog. byzantinischen Styles. In Constantinopel [729] nämlich, wo sich mit der Zeit die meiste und prachtvollste Kunstübung der christlichen Welt concentrirte, bildete sich etwa seit Justinian eine gewisse Anordnung der darzustellenden Scenen, eine bestimmte Bildung der einzelnen Gestalten nach Bedeutung und Rang, eine ganz besondere Behandlung alles Einzelnen zum System aus. Dieses System lernte dann Jeder auswendig soweit seine angeborene Fertigkeit es gestattete, und reproducirte es, meist ohne der Natur auch nur einen Blick zu gönnen. Daher findet man z. B. so viele fast identische Madonnen dieses Styles; daher gleichen sich die verschiedenen Darstellungen derselben Scene fast ganz, und die einzelnen heiligen Gestalten desselben Inhaltes durchaus. – Es ist ein Räthsel um dieses fast gänzliche Ersterben der Subjectivität 1), zu Gunsten eines bis in alles Detail durchgeführten gleichartigen Typus, und man muss schon die Kunst alter, stillestehender Culturvölker (der Ägypter, Chinesen etc.) zur Vergleichung herbeiziehen, um zu begreifen, wie das ganze Gebiet der Form einem durchgehenden geheiligten Recht unterthan werden konnte. – Die Grundlage des byzantinischen Systems bilden allerdings antike Reminiscenzen, aber in kaum mehr kenntlicher Erstarrung. Der Ausdruck der Heiligkeit wird durchgehends in der Morosität gesucht, da der Kunst der Weg abgeschnitten ist, durch freie Hoheit der Form den Gedanken an das Überirdische zu wecken; selbst die Madonna wird mürrisch, obschon die kleinen Lippen und die schmale Nase einen gewissen Anspruch auf Lieblichkeit zu machen scheinen; in männlichen Köpfen tritt oft noch eine ganz fatale Tücke hinzu. Die Gewandung, in einer bestimmten Anzahl von Motiven gehandhabt, hat eine bestimmte Art feiner, starrer Falten und Brüche; wo der Typus es verlangt, ist sie nichts als eine Fläche von Ornamenten, Gold und Juwelen; sonst dient das Gold in Tafelbildern durchgängig und in Mosaiken oft zur Darstellung der aufgehöhten Lichter. Die Bewegungen und Stellungen werden immer todter und haben bereits in Arbeiten des XI. Jahrh., [730] wie die ältern Mosaiken von S. Marco, kaum noch einen flüchtigen Anschein von Leben.

Dieses Formensystem gewann nun einen grossen Einfluss auch in Italien. Nicht nur waren viele und wichtige Gegenden und Städte, worunter z. B. Rom, das ganze erste Jahrtausend hindurch in einer wenigstens halben und scheinbaren Abhängigkeit vom griechischen Kaiserreich geblieben, sondern die byzantinische Kunst hatte bestimmte Eigenschaften, die ihr zeitweise die Herrschaft über die ganze italienische sicherten. Schon die kirchliche Empfindungsart war eine ähnliche hier wie dort; erst um die Mitte des XI. Jahrh. entschied sich der kirchliche Bruch zwischen Rom und Byzanz für immer. Somit war zunächst kein wesentliches Hinderniss vorhanden. Dann musste das gestörte und verarmte italienische Culturleben von dem (wenigstens in der Hauptstadt) ungestörten byzantinischen überflügelt werden, auch wenn letzteres nur die Tradition der künstlerischen Technik vorausgehabt hätte. Diese aber war in jener Zeit ein entscheidendes Element; die Kirche, die nur durch Prachtstoffe und möglichst reiche Behandlung derselben wirken zu können glaubte, fand ihre Rechnung besser bei den aus Constantinopel kommenden Künstlern und Kunstwerken, deren Art und Bedingungen man kannte, als bei den einheimischen. Und so ist vom VII. bis zum XIII. Jahrh. der italienische Maler entweder seiner eigenen Verwilderung bei kleinern Aufgaben überlassen, oder er hilft den Byzantinern bei der Ausführung dessen was sie vorschreiben. In einzelnen Städten, wie Venedig, siedeln sich ganze Colonien von Griechen um eine Kirche herum als Mosaicisten an, selbst für ein Jahrhundert und drüber. Es war ein erhabener Augenblick im italienischen Leben, als man sie verabschiedete, weil wieder eine einheimische Formenbildung erwacht war, weil man das Heilige wieder aus eigenen Kräften zu gestalten vermochte. Zerstreute byzantinische Einflüsse hielten sich indess noch lange (in Venedig, Unteritalien etc.) und sind noch zur Stunde nicht gänzlich ausgestorben, weil die byzant. Stylisirung sich mit den heiligen Typen im Volksbewusstsein zu eng verschwistert hatte.

Die italienischen Mosaiken zerfallen in zwei ziemlich scharf geschiedene Classen: die altchristlichen, bis zum VII. Jahrh., in welchen noch die antike Auffassung, mehr oder weniger absterbend, zu erkennen [731] ist, – und die unter dem Einfluss der Byzantiner vom VII. Jahrh. an entstandenen. Dieser Einfluss ist mehr oder weniger mächtig; es herrscht ein grosser Unterschied zwischen dem was herübergekommene Griechen in Person gearbeitet haben, und dem was ihnen etwa obenhin nachgemacht wird, aber Jahrhunderte hindurch erscheint keine einzige Figur der Kirchenmosaiken von dem byzantinischen Styl gänzlich unberührt.

 

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Die altchristlichen haben einen zwiefachen hohen historischen Werth. Sie zeigen, wie sich die biblischen Gestalten, hauptsächlich des neuen Testamentes in den Gedanken jener Zeit spiegelten. Bei dem Typus Christi mag eine alte Tradition mitgewirkt haben, doch nicht so bestimmend wie man wohl annimmt. Die Tracht Christi, seiner Angehörigen und Apostel ist eine ideale, im Ganzen aus der römischen Kunst übernommene. Die übrigen Personen werden durch eine oft prächtige Standestracht charakterisirt. In den Köpfen war ohne Zweifel ein Ideal beabsichtigt (wenn auch kein sinnlich schönes), allein die physische Durchschnittsbildung war so sehr gesunken, dass fast lauter eigenthümlich hässliche Gesichter zu Stande kamen. – Zweitens schafft hier (weniger die Kunst als) die Kirche ein System religiöser Ausdrucksweisen und Gedankenreihen, welche ein geschichtliches Denkmal ersten Ranges ausmachen. Und zwar ist es meist die Ecclesia triumphans, welche sich ausspricht; nicht das Erdenwallen Christi und der Heiligen, sondern ihre apocalyptische Verherrlichung ist das Hauptthema. Raumlos, im Unendlichen, daher auf blauem Grunde, häufiger (und später durchgängig) auf Goldgrund existiren diese Gestalten; der ihnen beigegebene Erdboden ist entweder eine schlichte Fläche oder durch Blumen, durch Zugabe des Jordanflusses, der Paradiesesströme etc. symbolisch geschmückt. Die Bewegungen sind mässig und feierlich; es ist mehr ein Sein als ein Thun. – Um den Gedankenkreis zu würdigen, der sich hier entwickelt, muss man die Anschauung jener Zeit entweder theilen oder sich hineinversetzen. Die einfache Gegenüberstellung z. B. von Propheten und Aposteln gilt hier schon als Parallele von Verheissung und Erfüllung; eine einfache schreitende Bewegung, ein Kniebeugen genügt als Symbol der Huldigung; das [ 732] Aufheben der Arme bedeutet Reden, Beten und Machtäusserung, je nach den Umständen; der Geist des Jahrtausends kömmt Allem so sehr entgegen, dass er die äusserlichste Andeutung an vollwichtige Zahlung nimmt und ihr bereitwillig nachdichtet, ohne irgend einen physiognomischen Ausdruck des Augenblickes, irgend eine äussere Verdeutlichung zu verlangen. Die Kunst ist, wie wir oben sagten, nie gebundener gewesen; die Zeitgenossen haben ihr aber auch nie so viel zu- und vorgegeben.

Es würde sehr weit führen, wenn wir diesen Bilderkreis hier schildern wollten; für die römischen Mosaiken giebt Platners Beschreibung Roms den Inhalt genau; die ravennatischen haben allerdings Vieles, das in Rom nicht vorkommt, doch kann man auch hier den Inhalt errathen. – Unsere Aufzählung umfasst nur die bedeutendern Arbeiten.

Nächst den Mosaiken von S. Costanza bei Rom, aus constantinischer Zeit, welche oben (S. 65) noch bei Anlass der antiken Ornamentik genannt wurden, sind diejenigen des orthodoxen Baptisteriums in Ravenna das frühste Hauptwerk (vor 430), ja das einzige in welchem noch die volle decorative Pracht (Einfassungen, Zierfiguren, Abwechselung von Stuccorelief und Mosaik) spätrömischer Arbeiten sich mit einer noch immer bedeutenden und belebten Zeichnung verbindet; zugleich eines der prachtvollsten Farben-Ensemble's der ganzen Kunst.

Die biblischen Geschichten, welche in S. Maria maggiore zu Rom an den Obermauern des Mittelschiffes und am Triumphbogen (S. 74) angebracht sind (vor 450, manche stark umgearbeitet oder ganz modern), können als Specimen der damals üblichen Bilderbibel gelten.

In der Grabcapelle der Galla Placidia zu Ravenna sind die herrlichen farbigen Ornamente auf dunkelblauem Grunde bedeutender als das Figürliche. (Gegen 450.)

Aus derselben Zeit (432–440?) stammt das schon oben (S. 89) erwähnte Mosaikornament in der Vorhalle des lateranensischen Baptisteriums.

Unter Leo dem Grossen (440–462) entstanden die vordern Mosaiken des Triumphbogens in S. Paul bei Rom, welche wahrscheinlich [733] gegenwärtig (aus Fragmenten und Abbildungen restaurirt) wieder enthüllt sein werden. Sie sind das frühste erweisliche Prototyp jener in der Folge üblich gewordenen Darstellung der 24 Ältesten (aus der Apocalypse); auch das riesige Brustbild Christi in der Mitte war eines der wichtigsten der altchristlichen Kunst. Die Mosaiken der Tribuna scheinen im XIII. Jahrh. nach einem Vorbilde des V. Jahrh. gearbeitet; sie enthalten wie fast alle Tribunenmosaiken, den thronenden Christus mit mehrern Heiligen, worunter der Kirchenheilige, auch wohl die Stifter. Anderswo wird Christus auch auf einem Hügel oder auf Wolken stehend (nicht nach neuerer Art schwebend) dargestellt.

Letzteres z. B. in dem schönsten Mosaik Roms, demjenigen von SS. Cosma e Damiano am Forum (526–530). Stark restaurirt, zumal in der Partie links, gewährt dieses grandiose Werk in bereits etwas erstarrenden Formen den Eindruck einer der letzten freien Inspirationen altchristlicher Kunst. Die Ausführung ist noch glänzend und sorgfältig.

In Ravenna sind die Mosaiken des Baptisteriums der Arianer (oder S. Maria in Cosmedin, um 550?) eine blosse Nachahmung des Kuppelbildes im andern Baptisterium. – Aus derselben Zeit (gegen 547) stammen diejenigen der Chornische in S. Vitale, welche u. a. die glänzenden Ceremonienbilder mit dem Kirchgang Justinians und Theodora's enthalten; Werke deren sachliche Merkwürdigkeit den Kunstgehalt weit übertrifft; an den Wänden zunächst davor die blutigen und unblutigen Opfer des alten Bundes (Abels Opfer, Abrahams Bewirthung der drei Männer, Isaaks Opfer, Melchisedeks Empfang); Geschichten des Moses; Propheten. – An Masse das bedeutendste Mosaikwerk des italischen Festlandes mit Ausnahme der Marcuskirche: die beiden grossen Friese mit Processionen von Heiligen in S. Apollinare nuovo, an den Obermauern des Mittelschiffes (553–566). Von den Städten Ravenna und Classis (der alten Hafenstadt Ravenna's), aus welchen sie hervorschreiten, ist die erstere repräsentirt durch jene hochmerkwürdige Darstellung des damaligen, jetzt bis auf einen geringen Rest (S. 56, S. 92) verschwundenen Palastes der ostgothischen Könige. – Wahrscheinlich noch aus dem VI. Jahrh.: die Mosaiken der Capelle des erzbischöflichen Palastes. [734]

Im Dom von Triest enthält die Seitentribune links unten im Halbrund ein paar gute Apostelfiguren in der Art der eben genannten. (Die Madonna in der Halbkuppel und die sämmtlichen Mosaiken der Seitentribune rechts gehören schon dem vorgerückten byzantinischen Styl an.)

In Mailand enthält die Cap. S. Aquilino, ein achteckiger Anbau von S. Lorenzo, zwei Nischen-Halbkuppeln mit Mosaiken, welche Christus zwischen den Aposteln und die auf Abrahams Opfer wartenden Hirten (?) vorstellen, leidliche Werke des VI. oder noch des V. Jahrh.

Streitig ist der Ursprung des Mosaiks in S. Pudenziana zu Rom, welches in unbekannter Zeit nach einem Original etwa des IV. Jahrh. gearbeitet sein muss und noch in seiner starken Überarbeitung immerhin eine Composition der constantinischen Zeit repräsentiren mag. – Die Tribuna in S. Teodoro zu Rom (VII. Jahrh.) zeigt eine theilweise Wiederholung des Mosaiks von SS. Cosma e Damiano. – Die Mosaiken in der hintern Kirche von S. Lorenzo fuori (578–590), über dem Triumphbogen, sind in jüngster Zeit so viel als neu gemacht worden.

 

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Der Übergang in das Byzantinische war begreiflicher Weise ein allmäliger; das Erstarren in den bisherigen Typen war eben der Byzantinismus.

In Ravenna bezeichnet diesen Übergang das grosse, sachlich sehr merkwürdige Mosaik der Tribuna von S. Apollinare in Classe (671–677); ausser der Wiederholung der alttestamentlichen Opfer (aus S. Vitale) findet sich auch hier ein kaiserliches Ceremonienbild. Die Bogenfüllungen über den Säulen des Mittelschiffes sind mit der vollständigsten Sammlung altchristlicher Embleme, theils in altem Mosaik, theils in moderner Copie (?) geschmückt; die Reihe von Bildnissen der Erzbischöfe, welche als Fries darüber hingehen, ist fast das einzige (wenigstens in Copie erhaltene) Beispiel jener Porträtfolgen frühmittelalterlicher Kirchen 2). [735]

In Rom gehören hieher die Tribunenmosaiken in S. Agnese fuori (625–638), und in einer der Nebencapellen des lateranischen Baptisteriums, dem sog. Oratorio di S. Venanzio (640–642). Letztere Ar- beit zeigt schon deutlich, dass der letzte Gluthfunke von Freiheit, von Theilnahme und Freude des Künstlers am eigenen Werk erloschen ist. Kein Wunder, dass derselbe bereits das nicht mehr versteht, was er wiederholt. – Einzelne kleinere Reste: in der kleinen Tribuna von S. Stefano rotondo (642–649); – auf einem der Altäre links in S. Pietro in Vincoli (S. Sebastian als Votivbild der Pest von 680, hier noch bekleidet und als Greis gebildet) u. a. m.

Ein letztes, obwohl erfolgloses Aufraffen gegen den Byzantinismus kann man etwa in den (stark restaurirten) Chormosaiken von S. Ambrogio in Mailand (832) anerkennen, obwohl auch hier die Inschriften zum Theil griechisch sind. Die Gesichtszüge sind schon in rohen Umrissen, die Gewänder in einem schroffen Changeant (von weiss, grün und roth) gegeben, die Vertheilung der an Grösse sehr ungleichen Gestalten im Raum schon ganz ungeschickt, und doch ist noch viel mehr Leben darin, als in den gleichzeitigen römischen Arbeiten 3).

Diese versinken nämlich, vom Beginn des IX. Jahrh. an, in eine ganz barbarische Rohheit, welche kulturgeschichtlich nicht ganz leicht zu erklären ist; die byzantinische Kunst nämlich, deren Auffassungsweise hier vollkommen durchgedrungen erscheint, tritt uns sonst überall mit einer viel zierlicheren Ausführung entgegen als gerade hier.

Das sachlich merkwürdigste dieser Mosaiken, dasjenige aus dem Triclinium Leo's III (um 800), ist bei seiner Übertragung an die Capelle [736] Sancta Sanctorum (oder Scala sancta) einer ganz neuen, wenn auch genau dem alten Zustand nachgeahmten Zusammensetzung unterlegen. (Die beiden Belehnungen zu den Seiten der Halbkuppel: Christus giebt dem heil. Sylvester die Schlüssel, dem grossen Constantin eine Fahne; S. Petrus giebt Leo III eine Stola, Carl dem Gr. eine Fahne; die Porträts der letztern haben noch einen Schimmer von Authenticität, sind aber übel gerathen.) – In den nächsten Pontificaten wird von Mosaik zu Mosaik die Arbeit roher und lebloser bis zu unglaublicher Missgestalt. – Man findet sie in und über den Tribunen von SS. Nereo ed Achilleo, – S. Maria della navicella (817–824), – S. Cecilia, – und S. Prassede; die drei letztern Bauten aus der Zeit Paschalis I (817–824); S. Prassede hat auch noch den mosaicirten Triumphbogen mit der merkwürdigen Darstellung des himmlischen Jerusalems und die kleine Capelle (rechts) „orto del paradiso“, deren Inneres völlig mosaicirt ist. – Schon reine Caricaturen: in der Halbkuppel der Tribuna von S. Marco (827–844). – (Das Mosaik in S. Francesca romana, angeblich 858–867, würde eher ins XI. oder XII. Jahrh. passen.)

In Venedig, wo ein stärkerer Verkehr mit Byzanz und ein grösserer Reichthum herrschte als im damaligen Rom, offenbart auch die Mosaikarbeit nicht bloss die Auffassung, sondern auch die zier- liche und saubere Ausführung der Byzantiner. Die Marcuskirche mit ihren mindestens 40,000 Quadratfuss Mosaiken ist bei Weitem das reichste occidentalische Denkmal dieser Gattung.

Sachlich merkwürdig: die stehend gewordenen, rituellen Darstel­lungen der heiligen Geschichte im byzantinischen Sinn (hauptsächlich an den Tonnengewölben und mehrern Wandflächen des Innern); – die Sammlung von zahlreichen einzelnen byzantinischen Heiligen (hauptsächlich an den Pfeilern und in den Bogenleibungen); – die legendarische Erzählungsweise (in der Cap. Zeno, mit der Geschichte des Marcus, und in einer der fünf halbrunden Wandnischen der Fassade, mit der Geschichte der Leiche desselben; hier u. a. die S. 115 erwähnte Abbildung der Kirche; eine andere Geschichte des heil. Leichnams im rechten Querschiff, Wand rechts); – die Taufen der Apostel und die nach besondern Geschäften charakterisirten Engel verschiedenen Ranges (Flachkuppeln der Taufcapelle); – endlich in [737] den Hauptkuppeln der Kirche: das Pfingstfest, wobei die Anwesenden der fremden Nationen nach Tracht und Aussehen charakterisirt sind (vordere Kuppel); – Christus mit vier Erzengeln, umgeben von Maria und den Aposteln, ringsum die einzige vollständige Mosaikreihe christlicher Tugenden (mittlere Kuppel); – die Wunder der Apostel etc. (Kuppel links).

Dem Styl nach sind es Arbeiten sehr verschiedener Zeit; der Übersicht zu Gefallen mögen sie hier, wie oben S. 579 ff. die Sculpturen im Zusammenhang genannt werden. Den streng byzantinischen völlig erstorbenen Styl repräsentiren die Mosaiken der sämmtlichen Kuppeln (XI. und XII. Jahrh.) mit Ausnahme derjenigen rechts; als das älteste, noch dem X. Jahrh. angehörende Stück gilt der Christus zwischen Maria und Johannes, innen über der innern Thür. – Einen wieder etwas gemilderten und belebten byzantinischen Styl zeigen mit zierlichster Ausführung verbunden: die erwähnten Mosaiken der Cap. Zeno, auch jene eine Wandnische der Fassade, u. m. a. Theile. – Bedeutungsvoller Gegensatz hiezu: die Mosaiken der Vorhalle, so- wohl vor den drei Thüren als auf der linken Seite der Kirche, wichtige Werke des abendländisch-romanischen Styles etwa aus dem XIII. Jahrh. (mit Ausnahme einiger offenbar moderner Zuthaten), die Geschichten von der Weltschöpfung bis auf Moses, in ganz naiv-lebendiger Erzählung. – Wiederum mehr byzantinisch, obwohl erst vom Ende des XIII. und aus dem XIV. Jahrh.: die genannten u. a. Mosaiken der Taufcapelle. – Ungeschickt giottesk: diejenigen der Capella S. Isi- doro beim linken Querschiff (um 1350). – Um 1430 diejenigen in der Capella de' mascoli, von Michiel Giambono, d. h. doch wohl nur die linke Hälfte des Tonnengewölbes; die rechte verräth eine viel vorzüglichere (vielleicht nicht-venezianische) Hand vom Ende des XV. Jahrh. – Durch die ganze Kirche zerstreut: Compositionen der Vi- varini, des Tizian, auch viel Späterer. (Die Kuppel rechts; das Paradies am vordern Tonnengewölbe; die meisten Halbrunde der Fassade etc.) – Ein geistiges Ganzes, mit strengen Bezügen, mit poetischdogmatischer Entwicklung bieten diese Mosaiken nicht dar, auch wenn man nur die ältesten zusammennimmt. Selbst die Umgebung des Hochaltars hat von jenem System alttestamentlicher Beziehungen auf das [738] Messopfer, die wir im Chor von S. Vitale fanden, nur das Opfer Kains und Abels aufzuweisen.

Von der ganz byzantinischen, ja hauptsächlich von Griechen geüb­ten Mosaikmalerei des Normannenreiches kenne ich auf dem italischen Festland ausser einigen unbedeutenden Einzelfiguren nur die Mosaiken der einen Seitentribuna im Dom von Salerno (nach 1080); S. Marcus mit vier Heiligen. Bei weitem massenhafter tritt dieser Kunstzweig in den Kirchen Palermo's und der Umgegend, hauptsächlich im Dom von Monreale auf.

Alles in Allem genommen geben gerade diese sorgfältigen spätby­zantinischen Mosaiken Venedigs und Unteritaliens ein merkwürdiges Zeugniss für diejenigen Bedingungen, welche die Kirche Gregors VII an die Kunst stellte. Die Körperlichkeit Christi und der Heiligen ist zur blossen Andeutung eingeschrumpft, aber diese Andeutung wird mit dem grössten Aufwand des Stoffes und mit der emsigsten Sauberkeit zur Darstellung gebracht. Es soll dem Heiligen die möglichste Ehre geschehen; ihm aber Persönlichkeit oder gar Schönheit zu geben wäre überflüssig, da es auch ohne dieses stark genug auf die Andacht wirkt.

 

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Wahrhaft unzählig sind noch jetzt in Italien die Tafelbilder byzantinischen Styles, hauptsächlich die Madonnen. Die wenigsten freilich stammen aus dem ersten Jahrtausend; weit das Meiste sind Copien nach besonders wunderkräftigen Madonnenbildern und theils erst gegen Ende des Mittelalters, theils auch in ganz neuer Zeit verfertigt; ausserdem ist zu erwägen, dass es noch hin und wieder griechische Gemeinden in Italien giebt, bei welchen die byzantinische Darstellungsweise rituell geblieben ist. – Die eigenthümlichen Lackfar­ben, die grünen Fleischschatten, das aufgehöhte Gold der Schraffi­rungen machen diese Malereien sehr kenntlich. Ich weiss nicht näher anzugeben, ob man im Typus der Madonna verschiedene Abarten unterscheidet; schwerlich wird man denselben auf so alte Grundlagen zurückführen können, wie diess beim Christustypus gelungen ist. Die sog. schwarze Mutter Gottes ist kein eigener Typus, sondern aus missverstandener Wiederholung altersgebräunter Madonnen entsprun­gen. [739] Das Bild in S. Maria maggiore (Cap. Pauls V) war einst (IX. Jahrh. gewiss hell gemalt; neuere Copien aber, zumal wenn sie noch von sich aus nachdunkeln, werden die Vorstellung der tiefsten braunen Hautfarbe erwecken.

Einige besonders instructive byzantinische Tafelbilder finden sich in der Gemäldesammlung beim Museo cristiano des Vaticans, welche von dem verstorbenen Msgr. Laureani angelegt worden ist und ausserdem eine grosse Menge zum Theil werthvoller kleiner Bilder aus Giotto's Schule und aus dem Anfang des XV. Jahrh. enthält. Da Rom gerade für diese Perioden nur wenig Monumentales aufzuweisen hat, so nimmt man eine solche Ergänzung gerne an. – Daselbst u. a. der Tod des heil. Ephrem, im XI. Jahrh. gemalt von dem Griechen Emanuel Tzanfurnari. – Viele byzant. Tafelbilder auch im Museum von Neapel.

 

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Schliesslich sind noch zwei Kunstwerke zu nennen, von welchen das eine gewiss, das andere wahrscheinlich in Constantinopel selbst gefertigt wurde. Die Altartafel (Pala d'oro, S. 556) im Schatz von S. Marco 4) zu Venedig (bestellt 976?) zeigt auf ihren seit dem XIV. Jahrh. neu zusammengesetzten Goldplättchen eine ziemliche Anzahl Figuren und ganze Scenen in Email; der Styl ist ungefähr derselbe wie in den zuletzt genannten Mosaiken, die Ausführung prächtig delicat; in Ermanglung der Farbennuancen, welche dem damaligen Email nicht zu Gebote standen, sind Lichter und Gewandfalten durch die feinsten Gold-Schraffirungen ausgedrückt. – Sodann sicht man im Schatz von S. Peter zu Rom die sog. Dalmatica Carls des Grossen, d. h. ein Diaconenkleid wahrscheinlich des XII. Jahrh., welches wenigstens spätern Kaisern bei der Krönung diente. Auf dunkelblauer Seide sind in Gold, Silber und einigen Farben figurenreiche Darstellungen gestickt, vorn Christus in einer Glorie mit Engeln und Heiligen, hinten die Verklärung auf Tabor, [740] auf den Ermeln Christus als Spender der Sacramente. Ein merkwürdiger Überrest aus der Zeit, da nicht bloss die Kirche, sondern auch der Officiant ganz Symbol, ganz Programm unter der Hülle möglichst kostbarer Stoffe sein musste.

 

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1) Sie flüchtet sich z. B. in die Miniaturen, oder äussert sich darin wenigstens durch Reproduction besserer alter Originale. Allmälig stirbt sie aber wirklich ab und löst, wo sie muss, neue Aufgaben, z. B. Martergeschichten etc. durch blosse neue Combination der sonst angelernten Elemente. 

2) In S. Paul bei Rom wird eben an einer Reihe von Mosaikbildnissen gearbeit et, welche die Stelle der alten einnehmen soll. Vgl. die Papstköpfe als Consolen im Dom von Siena, S. 134. 

3) Zugleich interessant als Inbegriff sämmtlicher damaligen Schutzpatrone von Mailand. Christus unter einer Glorie thronend, umgeben von Michael und Gabriel, weiter S. Gervasius und S. Protasius, unten in runden Einfassungen S. Candida, S. Satyrus und S. Marcellina; links die Stadt Tours und S. Ambrosius bei der Bestattung des h. Martin; rechts die Stadt Mailand und S. Ambrosius und S. Augustin an Pulten sitzend. – Es dauerte lange, bis aus solchen Elementen Bilder wie Rafaels Madonna di Foligno und heil. Cäcilia oder wie die sante conversazioni Tizians entstanden. In einer Nebencapelle rechts von der Kirche enthält die Kuppel das Brustbild des heil. Satyrus auf Goldgrund, etwas älter als die Mosaiken der Tribuna.  

4) Wo ich sie 1846 sah. Im Jahr 1854 stand eine verdeckte Tafel auf dem Hochaltar selbst, mit einer im Jahr 1344 (von unbedeutenden venezianischen Künstlern der Richtung Giotto's) bemalten Rückseite; ob sie die Pala d'oro enthielt, ist mir nicht bekannt. Letztere gehört eigentlich vor den Altartisch.