Clemens Brentano
1778 - 1842
Romanzenvom Rosenkranz
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Romanze IIIMeliore und Apone
Ruhig steht mit seinem BucheSchon Meliore auf der Straße,Vor dem Haus der hohen Schuleauf die Mitgenossen harrend.
Er bedenkt die tiefsten Punkte,Die Apone vorgetragen,Wünscht ihm eine leichtre ZungeUnd sich schärfere Gedanken.
Daß die Welt aus Gott entsprungen,Und doch nicht von ihm erschaffen;Daß Gott sei im Mittelpunkte,Wo auch nichts sei und doch alles –
Dieses scheint ihm höchstens dunkel;Aber da er Apo fragte,Sprach der Lehrer: «Es war dunkel,Da das Licht noch war im Schaffen.
Bildend in den Kreaturen,Hatte es nicht Zeit zu strahlen;Also sei es dir kein Wunder,Daß es noch bei dir nicht taget.
Fühlst du erst die Macht des Dunkels,Dann magst du nach Licht recht schmachten,Nur der Durstgen WünschelruteWird auf kühle Brunnen schlagen.
Ist es mir erst recht gelungenEuch ins Dunkle einzufangen,Dann zu sehn des Lichtes Wunder,Mögt ihr selbst ins Aug euch schlagen.» –
Und so gab er sich zur Ruhe,Wollte nicht mehr weiter fragen,Ließ ergeben sich hinunterIn der Weisheit Stollen fahren.
Harmoniam der Naturen,Welche auf smaragdner TafelNach der Sündflut aufgefundenZara, in Hermetis Grabe,
Und der Dinge SignaturenHat schon Apo vorgetragen,Und beinahe ists schon dunkel,Daß man sich ins Aug möcht schlagen.
Aber heute in der StundeWird er hohe Dinge sagen,Von der Töne Macht und WunderUnd der Kunst des Liebestrankes.
O, daß er die ganze StundeLehrte von dem Liebestranke,Denn Meliore kennt die WunderHarfenklanges und Gesanges.
Denn es schlug die LiebeswundenIhm Biondettas Wunderharfe,Die um Tanz und Sang und TugendMan die heilge Tänzrin nannte.
Doch nun hört an dem TurmeEine Viertelstunde schlagen,Und durchs Fenster in der SchuleApos Stimme lehrend schallen.
Da er so versäumt die StundeVon der Kunst des Liebestrankes,Will er eilen zu dem Brunnen,Wo der Trank lebendig wallet.
Trunken schlugen seine Pulse,Da er ihrer Wohnung nahet;Wie durch dunkle Grüfte, rufendSich, verwandte Quellen wandeln,
Sich in ewiger Unruh suchen,Aber fest in Stein gefangen,Murmelnd ungeduldig sprudeln,Können nicht zusammenfallen.
An Biondettens Fenster duftetEiner blühnden Linde Schatten,In den Zweigen gehn zur SchuleGern die süßen Nachtigallen.
Lauschen in den DämmerungenAuf der Jungfrau Sang und Harfe,Wenn die Meisterin verstummetWiederholen sie es lallend.
In Bewundrung ganz betrunkenSingt das Bölklein durcheinander,Die Studentlein ohne RuheMit dem Federmantel schlagen.
Oft auch mischt ein frecher KundeDrein den ungewaschnen Schnabel,Und die Sänger all im SturmeFassen, rupfen ihm den Kragen.
Und entflohn zum nahen TurmeLehrt der Star die andern StareEines höhern Standpunkts Schule,Gründend auf der Wetterfahne.
Klagt auch, daß die andern druntenSeine Hauptideen stahlen,Macht ein kunterbunt Gemunkel,Läßt in alle Welt es tragen.
Doch in den BegeisterungenWeiß die Jungfrau nichts von allem,Sie hat nur vor Gott gesungen,Lauschen gleich die Nachtigallen.
So vergleicht der hohen SchuleEr der hohen Linde Schatten,Wo in überflüssgen ZungenIhm Biondettens Sang verhallet.
Ach! er möchte hin zum GrundeStürzen dieses Baumes Schatten,Oder in den Zweigen ruhend,Die ihm bloß ertönt, betrachten.
Doch ein Bild von Gottes MutterSteht auf einsamen AltareBei der Linde, ihre KuppelWölbet ihm des Tempels Halle.
Ihm zur Seite steht ein BrunnenEinsam wie das Bild, es fallenLeis der Linde Blüten runterAuf den Spiegel seines Wassers.
Arm ist wohl das Bild an Schmucke,Handel-, wandellos die Straße,Aber nächtlich hört die MutterHell Biondettens süßes: Ave!
Und geht sie, im bunten PutzeSchimmernd, zu der Bühne abends,Teilt sie fromm die FlitterblumenMit Marien, voll der Gnaden.
Auf des Altars öder StufeKeimen Blümlein in dem Grase;Nahe ist das Tor, hier ruhenGern, sich ordnend, müde Wandrer.
Denn hier steht ein kühler BrunnenEinsam wie das Bild, es fallenLeis der Linde Blüten runterAuf den Spiegel seines Wassers.
Still an des Altares StufenKniet Meliore und betrachtetGlaubend, was mit DämmerungenIhm der Schule Geist umnachtet.
Eine Jungfrau kömmt zum Brunnen;Zu der Stadt trägt RosablankeEinen Korb mit Wachs und Blumen,Sprengt die Rosen an mit Wasser.
Sitzt zu ruhn dann auf die StufenBei dem Jüngling am Altare,Ihre züchtgen Augen wurzelnBang auf der Gestalt des Mannes.
Die erfrischten Rosen rufen,Und er blickt nach Rosablanken;Wie der Born geweckt die Blumen,Weckt sein Blick die Rosenwange.
Von geheimer Macht bezwungenSpricht die Jungfrau: «Herr, im GartenBot ich heut dir diese Blumen,Und du hast sie ausgeschlagen.
Grubst dir emsig eine Grube,Und empor schoß eine Schlange;Du gingst in der Grube unter,Ach in mir ist dieser Garten!
Es erschien mir Gottes MutterUnd zertrat die böse Schlange,Und doch fühl ich mich verwundet,Da ich lebend dich betrachte!»
Und Meliore spricht verwundert:«Du klagst einem kranken Arzte,Rettung müßte ich sonst suchenVor der Schönheit meiner Kranken.
Du sagst wahr: Längst ging ich unterIn der Wangen Rosengarten,Der Gesang des süßten MundesWar mir eine bunte Schlange.
Aber hier steht Gottes Mutter.Daß sie unser sich erbarme,Lasse um die Stirn ihr duftendEinen Kranz von Rosen prangen!»
Und er sitzet auf den Stufen,Flichten den Kranz mit Rosablanken;Da bricht durch der Linde DunkelZu dem Bild Biondettens: Ave!
Und es krönet Gottes MutterSchon Meliore mit dem Kranze,Und Biondettens Lied verstummet,Bitter weinet Rosablanke.
Ihr zum Herzen hingedrungenSind die Fluten des Gesanges,Ihr im Busen ist entsprungenEine Quelle des Verlangens.
Und der Tränen Flut wird suchenStets die Fluten des Gesanges,Bis sie einst durch Gottes WunderSelig ineinander fallen.
Doch nun eilet mit den BlumenNach dem Kloster Rosablanke,Weil von Schülern dicht umrungenApo sich der Linde nahet.
Er mag gern mit seinem ZugeDurch Biondettens Straße prangen,Und sie bei dem nahen Turme,Wo er hauset, stolz enlassen.
Ernsthaft mit gezogenem HuteFolgt die Schar dem finstern Manne;Vom Altare springt herunterSchnell Meliore, ihn erwartend.
Nahet nach demütgem GrußeRuhig dann dem finstern Manne.«Daß ich heut versäumt die Schule» –Spricht er – «muß ich leider klagen.
Ungeduldig, ohne Ruhe,Konnt ich nicht die Zeit erwarten,Und ging aus, sie aufzusuchen,Aber ich bin irr gegangen.»
Zu ihm spricht mit höhnscher ZungeApo, scharf ins Aug ihm fassend:«Und der Irrgang scheint gelungen,Angenehm ist dieser Schatten.
Dieser Baum hegt geistge Zungen.Einen Vogel zu erhaschen,Bist du zum Altar gesprungen,Und doch führst du leere Taschen.» –
«Meister, nein! das Haupt der MutterKrönt ich mit dem Rosenkranze,Während ich, bis du zum TurmeKehretest, deiner hier geharret.
Denn ich wollte dich ersuchen,In der Kürze mir zu sagen,Was in der versäumten StundeMir vom Liebestrank entgangen.
Denn der Töne Macht und WunderKann ich mir schon deutlich machen;Dieses Baumes geistge ZungenÜber mich sind ausgegangen.»
Apo spricht: «Der Töne WunderLehrte dich der Linde Schatten,Lerne nun von diesem BrunnenAuch die Kunst des Liebestrankes.» –
«Meister, höchlich ich bewundre,Wie du fein mich höhnend strafest;Ach! zu tief ist mir der Bunnen,Und der Eimer schöpft nur Wasser.
Auf des Glanzes Spiegel untenSah ich oft ein Antlitz strahlendDurch die grünen Zweige funkeln,Aber nimmer steigts zum Rande.
Treulos immer ists verschwunden,Wenn ich weisheitsdurstig nahte.Nur das Bild von Gottes MutterWeilte ruhig meinen Klagen.
Und so krönt ich sie mit Blumen,Daß, nach gleichem Preis verlangend,Auch das schönre Bild des BrunnensGütger meiner Andacht achte.
Doch noch immer muß im DursteIch am kalten Rande schmachten,Möcht hinab zu einem KusseStürzend mich im Tode baden.» –
«Trage Wasser in den Brunnen.» –Spricht der Meister – «bis zum Rande,Dann magst du die durstge ZungeBald im kühlen Spiegel laben.» –
«Meister, was dir nie gelungen»,Spricht Meliore, «soll ich wagen?Seit dem Teufel hat die SchuleWasser in den Born getragen.
Doch des Himmels Spiegel untenIst noch nie heraufgewallet;Von der Schule zu gesundenWill den Blick ich aufwärts schlagen.»
So sprach er im Jugendmute,Als er fühlt der Rede Stachel.Apo spricht: «Ich sag dem Kruge:Gehe, bis du brichst, zum Wasser!
Kühner Knabe, willst du Funken,Fange eh du streichst die Katze!»Zornig geht er dann zum Turme,Und Meliore steht verlachet. |