Clemens Brentano
1778 - 1842
Der andere Brentano
Gedichte
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An einen imaginären Unbekannten,den Endes nicht Unterschriebener in derVorstellung von Klingemanns Faust sich alsseinen Sitznachbarn einbildete.
Merkwürdiger Fremder!Ich habe mit Verwunderung gesehen, daß das tragische Entsetzen in der Vorstellung des Faust ihren neuen schwarzen Felbel-Sommerhut, nach dem ihm die Haare zu Berge gestiegen, schneeweiß gebleicht hat, und hat mich ihr außerordentliches Gesichterschneiden dabei so in Erstaunen gesetzt, daß ich sie im Zwischenakte fragte, wie Ihnen zu Mute sei, worauf sie mir mit noch viel bedeutenderen Gesichtern geantwortet. Es ist kein Komma, kein Pünktchen, kein Apostroph, kein Fragezeichen, kein Parentesis noch Klaudatur ihrer Mimik verloren gegangen, ich habe alles richtig in Worte übersetzt, was sie mir vorfratzten. (Sie haben ein Gesicht wie ein Buchdruckerkasten, und so viel Züge darin als Lettern in jenem, und stellen sie sich vor, die bewegten sich wie ein Ameisenhaufen durcheinander, um in Reih und Glied zu kommen.) Das erste, was ich aus ihnen herauslas, war, daß sie eine Faust im Sack machten, sie dann und wann aber herauszogen, um (sich) ins Fäustchen zu lachen. Ihre Gesichter gingen ihnen nicht immer leicht von der Faust und reimten sich manchmal untereinander wie eine Faust aufs Aug, weil häufig ihr Pegasus ihnen zu schwer auf der Faust lag, übrigens bin ich versichert, daß sie wenigstens ein Wortmacher, wo nicht ein Sprachforscher sind, was sie alles in meiner getreuen Verwertung ihrer Fratzen wiederfinden werden, in welcher ich ihren ganzen Inhalt, nebst ihrer Gestalt samt ihrem Angstschweiß abgetrocknet habe. Ein einziges Mal während der Musik des Zwischenaktes saßen sie in ihrem blauen Mantel ohne Kopf; sie hatten ihn nämlich darunter gesteckt. Da klapperte es in ihnen, wie im Schauspielerkasten eines Puppenspielers, und ich vernahm mit Wehmut unter ihrem Mantel die Worte «Berlicke, Berlocke», und dann eine angenehme Stimme singen: «Fauste, Fauste, praepara te.» Als sie wieder hervorguckten, sagten sie mit ihren Gesichtern: Ich versteckte mich vor der Musik, weil ich gern Asa foetida schnupfe, um den Satan hernach desto wohlriechender zu finden, habe ich darunten meinen Faust auf meine eigne Faust angeführt. Ich hätte ihnen gern meine Übersetzungen mitgeteilt, aber sie sind mir abhanden gekommen, da ich mich dem Feuerregen, der am Schlüsse des Stücks mehr kühlend und erfrischend auf die Zuschauer, als glühend auf Faust fiel, mit zu großer Erquickung aussetzte, verlor ich sie aus dem Gesicht. Ich habe gleich, um sie aufzufinden, bei allen Hutmachern herumfragen lassen, ob ihnen niemand einen von Schreck gebleichten Felbelhut zum Auffärben zugeschickt habe, aber es war vergebens. Weswegen ich vermute, daß sie ihn etwa selbst als Andenken behalten, oder als Merkwürdigkeit in ein ästhetisches Zeughaus verkaufen wollen. Ich fordere Sie aber auf, ihn zu bewahren, bis das Trauerspiel Berthold Schwarz auf die Bühne kommt, welches sobald sein Verfasser das Pulver erfunden hat, gewiß erscheinen wird. Da dürfte der Hut vielleicht wieder schwarz werden, wenn der Dichter sich anders so aufs Lügen versteht, daß er schwarz wird. Aber ich ahne, sie wollen den Hut dem Dichter des Fausts als seine schönste Trophäe zusenden, damit er ihn zu der Schnupftabakdose lege, die ihm ein moderner Mäzen für seinen Moses gereicht und ihn in seiner Kunstkammer unter folgendem Reim vorzeige
Den weißen Hut hat Faust gebracht,Die goldne Dose Moses,Das heißt Gold und Weisgemacht,Ist das nicht was kurioses!
Ich schlage nun den Weg der Öffentlichkeit ein, Ihnen auf Deutsch wiederzusagen, was sie auf Grimassisch zu mir gesprochen. Sie werden verzeihen, wenn ich ihre ganz neuen oder weniger gebräuchlichen Worte und Wortbildungen hie und da in Noten erkläre, denn diese Noten hatten sie ja auch die Güte, mir immer unter ihre Fratzen zu blinzeln, und zwar so geschickt, daß der Text und die Noten sich abwechselnd kommentierten. Ich glaube, folgendes von ihnen verstanden zu haben.
Treue Übersetzung in Worte, der Gesichter, welche ein imaginärer Unbekannter vielleicht stummer Sprachforscher und Puppenspieler während der Aufführung von Klingemanns Faust zu schneiden geschienen hat.
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1 | O hohe Kunst, die du dich kühn ertraustMit bleiernem Rapier Kernphrasen haustMit Sprachrohr, Weingeist, Geigenharz wauwaustAus transparenten Höllenspiegeln schaust, |
5 | Geripp und Sündenfleisch succubisch traust,Jetzt schafromantisch klönst, parforce dann zaust.Und Hetz, Hetz, Hetz mit Fluch und Greul hinsaust.Hierauf mit Knalleffekt die Sündflut staust,Und daß der Greul, einsiedlerisch verklaust, |
10 | Zu neuer Hetze Luft sich erkahlmaust,Theaterrühreirührend drein miaust,Das steife Höllenleder schabend rauhstKirchhöfelst, mettenierest und karthaußst,Alpliedeist, Heimwehmirest, leichenzügelst, paust, |
15 | Schinkst, Sodest, Lessingst, Göthest, Müllerst, Klingertst, daß es flaußtMathisonirest, Schillerst, Shäkspearst, pfaust,Der Krähe gleich, als Phönix sich gemaust,Schmückst du dein Haupt, daß du nicht ganz erglaust,Ich fürcht', daß du den letzten Trumpf verlauß'st |
20 | Weil du zu sehr mit Flüchen um dich dauß'stBedenke, da du edlen Teig durchpaust,Was jüngst von Bückeburg der Doktor FaustGen Hungersnot und drohn'den schlechten AustIm Reichsanzeiger bieder ausbackbaust; |
25 | «Denk' Vaterland, daß, wenn du langsam kaust,und wiederkaust, viel besser du verdaust,An einer Malzeit zweie dir erknaust.»O hohe Kunst, sag mir, ob du getraust,Den Felbel, den mit Greul du mir ergraust, |
30 | Zu bleichen, wenn die Windmaschin' nicht baust,Die Uhr nicht dröhnt, der Donner hohl nicht saust,Nicht Krisch, Greul, Grimm das Haar zu Berg mir kraust,Nicht devrient, zinnobern, fluchgestraußt,Hohnstarr den (Gott hüt ihn vor ihm) abbaußt, |
35 | So daß Pardon er bat, als man applaust,Zwar juckt den Feind es stets, wo du ihn kraust,Zwar schreiet Weh die Kunst, wo du sie zaust,Doch eine Katze, die so blind dir maust,Gibt Funken nicht, wenn du sie boshaft klaust; |
40 | Sie haut dich wieder. Hohe Kunst, wie schaustZerkrallt du aus, daß es mir vor dir graust,Erröt', wie du vergelbst, vergrünst, verblaust,Gefällst du, sag ich doch, o klinge Mann! Dein Faust,Den du, daß Gift er mische, nur befraust, |
45 | Und also grob gen seinen Pakt verhaust,In dem Unehelichkeit stark war verklaust,Paßt wie die Faust aufs Aug zu Faust genaust.Zwar geht der Faust so leicht dir von der Faust,Wenn du ihn mit Theaterstrick betaust, |
50 | Als alles, was bisher du dir erfaust't,Doch hungr' ich lieber, wo die Weisheit knaust,Und eß ich lieber, wo der Kasperl jaust,Als wo du hohle Kunst im Hautgout schmaust,Und als hätt'st du dein Gut gefunden, baußst |
55 | Ja deine Gäste also bös erbaust,Daß du mit Ekels Angstschweiß sie betaust,Mit Sodbrand kotzebuhlrisch sie benaust,Weil du braunschweiger Mummerei schlecht braust,Wo deutsch der Wittenberger Guckuck braußt, |
60 | Gut Nacht, o Faust, geh' heim, wo du behaust,Hier sei dir heimgegeigt, und gekehraust,Auf jede Antwort aber wird gepaust.
6. Wie ein Schäferroman klönen, langweilig reden. Zauen, eilen. 7. Husauen, den Jagdruf auf der Schweinshetze ausrufen. 8. Stauen, hemmen, stocken machen beim Wasser. 9. Verklaust, in eine Klause verschlossen. 10. erkahlmausen, etwas durch Kahlmäuserei erlangen. 11. rauhen, das Leder durch Aufkratzen erweichen. 14. pauen, wie Kinder weinen, unzufrieden sein. 15. flaussen, Flausen machen. 16. Pfauen, wie ein Pfau stolzieren. 18. erglauen, einen Glaukopf, Glatzkopf kriegen. 19. daußen, den Kartendauß ausspielen. 21. durchpauen, durchkneten. 22. Faust hat vor etwa vier Deutschland im Reichsanzeiger wirklich zu langsamem Kauen aufgefordert. 23. Aust, Augst, von August, in manchen Gegenden soviel als Ernte. 24. Ausbackbausen, mit Bausbacken verkünden. 27. Knauen, nagen. 30. Bausen, blasen. 34. Abbausen, eine Zeichnung, deren Umrisse ausgeschnitten oder durchstochen sind, durch Kohlenstaub, der in einem Bausch ist, auf eine andere Fläche abstauben. 34. Applausen, Applaus geben. 44. Befrauen, einem eine Frau geben. 46. Verklaust, verklausuliert. 49. Betauen, mit Tauwerk, Seilen versehen. 50. erfausten, etwas ergreifen. 53. Jausen, Vieruhrbrot essen. 54. Bausen, saufen, schlemmen. Er baust, als hätte er sein Gut gefunden. Altdeutsches Sprichwort. 57. Sodbrand, Sodbrennen, eine Art Magenübel. Benauen, einem die Luft nehmen. 59. Das Wittenberger Bier hat den Namen Guckuck, Faust wurde in Wittenberg vom Teufel, den man auch Guckuck nennt, geholt. 61. Kehrausen, den Kehraus, letzten Tanz tanzen, oder spielen. 62. Pausen, soviel als Pause machen, schweigen.
Entstanden nach der Aufführung von Klingemanns «Faust» am 12. September 1816 |