Clemens Brentano
1778 - 1842
Der andere Brentano
Gedichte
|
|
_______________________________________________________________________
| |
Dann spannt sies auf die WiesenIm Sonnenbrand,Mit Tränen ichs begießeBis sie es bleicher fand.
Dann hat sie es zerschnitten,Die grimme PeinMein Gott, was ich erlittenDas weißt nur du allein
Und hat mir angemessenEin TotenhemdUnd hat mich dann vergessen,Und Weh ich war ihr fremd.
Und ist zu mir gekommenIn Kerkers Nacht,Und hat mir Maß genommenund hat mich angelacht.
Da hab ich sie umfangen,Ans Herz gedrückt,Und alle Engel sangen,Doch sie hat stumm geblickt.
An sich wollt sie nur messenMein Totenhemd. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dann hat sie es genähet,So Stich vor Stich –Und alle Stiche, sehet,Durchbohren blutig mich.
Denn was sie leidet, tuet,Erleide ich,Nur wenn sie schlafend ruhetDa wein und wache ich
Dort seht sie bei der Linde,Ach Gott erbarm!Mein Totenhemd im WindeWeht weiß von ihrem Arm.
O Jammerzug halt stille,An diesem Ort,Des Armen letzter Wille,Ist auch ein heilig Wort.
Süß Lieb schwarzlaubge Linde,Nun hör mich anDu Herz so hart, so lindeNun schau mein Elend an.
Das Weib so hingegeben,Und so erstarrtDu heiß ergoßnes LebenDu glühend Eis, so hart.
Das Herz so ganz vermauert,Du stummer Mund,Du Blick, der starrend lauert,Du Hand in Hand ohn Bund.
Du Seel in Dichter HülleDu Schulter blank,Du Hungers ÜberfülleDu Leib so schlank und krank
Du fast erstarrtes Hüpfen,Du flammend EisDu schnellerstarrtes ZückenDu Wünschelrutenreis –
Du Stunden Schwindelspule,Die stets den Faden suchtDu in der Lehrer SchuleVerblühend ohne Frucht.
Streng rechnende VerschwendungDu WechseltreuUmarmende AbwendungVerwundung ewig neu.
Du bettelarme FülleDu trunkne NüchternheitDu mutternackte HülleTollkühner Schüchternheit
Du plauderhaftes SchweigenDu Rätsel, offenbar,Noch dir, noch andern eigen –Noch Opfer am Altar.
Du Mandelkern der LiebeDu bittre SüßigkeitDu Wandelstern der TriebeGeschäftger Müßigkeit.
Sprich starre Sturmeswelle,Wo ist mein golden VliesBewegte FelsenschwelleVor meinem Paradies?
Süß Lieb, schwarzlaubge LindeSie führen mich hinausStreu säusle in dem WindeNoch einge Blüten aus.
Blüh sinnendes GestirneIn finsterm WolkensaumUnd nimm mir von der StirneDen armen reichen Traum.
Den Traum, daß ich geboren,Durch dich zu sterben binUnd das was ich verlorenDurch dich allein gewinn.
Den Traum, den ewige WahrheitGeb Zeugnis in dem Leib,Es hab des Lichtes KlarheitVerkörpert sich im Weib.
Der Traum, der sei verfluchetDer deines Zaubers BannGefunden, ungesuchetUnd ihn verlassen kann.
Wahrlich bin ich wohl armseligArme Seele, o erbarmDir im Arm bin ich so seligAls die in der Seele arm.
Und als ich so gesprochenWard ihre Lippe stummEs blei . . . . . . . . gebrochenDa dreht ihr Haupt sich um
Zog zuckend mit den HändenDen Pfeil aus ihrem Haar,Ich glaubt, sie wollte endenUnd bot mein Herz ihr dar.
Da hängt sie hoch im BaumeDen Pfeil wohl an ein Haar,Aus meines Himmels RäumeSchwebt ewig die Gefahr.
Entstanden Mitte der dreißiger Jahre |