Clemens Brentano
1778 - 1842
Gedichte 1820 - 1833
1830Die Cholera verbreitet sich in Europa. «Das Mosel-Eisgangs-Lied» entsteht.
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Das Mosel-Eisgangs-Liedvon einer wunderbar erhaltenen Familieund einem traurig untergegangenen Mägdleinin dem Dorfe Lay bei Koblenz,am 10. Februar 1830
Der Ertrag gehört dem Frauenverein zu Koblenz.
Zum Verständnis
Strophe 5. Die Mosel entspringt an der Grenze von Lothringen auf einem Berge der Vogesen, vom Volke Wetterhahn genannt. Durch die vielen Flüsse, welche sich in sie ergießen, ist ihr Eisgang in ihrem in Deutschland merkwürdig gewundenen Felsenbett mannigfach gehemmt und getrieben. – Str. 6. In der Kirche der ehemaligen Benediktinerabtei St. Matthias, eine halbe Stunde von Trier, ruhen die Gebeine des heil. Apostels Matthias, von dessen Festtag am 24. Februar die Bauernregel sagt: Mattheis bricht's Eis, findt er keins, so macht er eins. Zu seinem Feste zogen sonst aus dem Trierischen Lande die sogenannten Mattheisprozessionen nach Trier. – Str. 16 und 17. Breitbach aus Lay und Bonkirch aus dem Orte Dieblich wurden in öffentlichen Blättern als Retter genannt. – Str. 20. 21. Das Eis türmte einen hohen Damm um das eine halbe Stunde unter Koblenz am Rhein liegende Neuendorf und es drängte sich die Flut zurück auf die Moseldörfer Gülz und Weis. – Str. 22. 23. Es ist eine alte Sage bei Wassersnot: der Fluß ruhe nicht bis er sein Opfer habe. Die Flut nach Lay zurückgedrängt brach plötzlich in eine Hütte und riß ein Kind vom Arm des Vaters. – Str. 27. Die St.-Kastors-Pfarrei liegt nahe an dem Einfluß der Mosel in den Rhein. Die selige Ritza hat ihr Monument in derselben. Die Volkssage erzählt, sie sei einmal trocknen Fußes über den Rhein gegangen. – Str. 28. Die Flut ging nur bis zur Schwelle des Bürgerhospitales, welches der h. Elisabeth geweiht ist und von barmherzigen Schwestern bedient wird, deren Mutterhaus zu Nancy an der Meurthe ist, die sich in die Mosel ergießt. Auch aus den Gegenden der Saar, die ebenfalls in die Mosel fließt, sind Schwestern im Hospital. – Str. 29. Das deutsche Eck. So heißt der Winkel des Koblenzer Ufers wo Mosel und Rhein sich vereinigen. – Str. 30. Die Vermählung der beiden Flüsse war 1829 der Gegenstand des Fastnachtaufzuges. – Str. 31. Kanonenschüsse verkünden den stromab liegenden Städten den Eisgang. – Str. 35. 36. Der junge Tag in das bergumschloßne verwüstete Lay niedersteigend, ruft, wie dort zu Land arme Kinder, wenn sie niemand in der Hausflur treffen: Wo sein (sind) die Leut? – Str. 41. Zeile 22 heißt in rheinischer Mundart so viel, als: Je nun! wir haben eben gebetet. – Str. 43. Dem Frauenverein zu Koblenz gehört der Ertrag dieses Liedes, um dem armen Taglöhner, von dessen Rettung es handelt, sein beschädigtes Häuschen wieder herzustellen.
Geh betteln armes Lied,Geh um von Tür zu Tür,Sprich: Diesem Haus sei Fried'!Daß Gott die Herzen rühr'.Er war so stark und mild,Drum sang das Mitleid mich;Du Mensch, sein Ebenbild,Du auch erbarme dich.Kauf mich, so wird ein Stein,Der an der Hütte baut,Dem milden FraunvereinZu Koblenz anvertraut.
1.Es lief im engen TalAm armen Dorfe LayViel hunderttausendmalDie Mosel fromm vorbei,Wie Gott den Weg gezeigt:Links steile Rebenwand,Rechts Flur, bequem geneigt,Dann Lay, dann Felsenstrand.Stromauf am Dorf zuletztNächst manchem NachbardachSteht, fluthoch ausgesetzt,Ein Hüttchen schlecht und schwach.
2.Da lebt ein Vater armVom Tagelohn mit NotSo hin, daß Gott erbarm'!Viel Kinder, wenig Brot.Sechs Wochen sind's, da bracht'Sein Weib das neunt' zur Welt,Kalt, kalt! hat nicht gelacht,Der Tod bestellt sein Feld.Am Taufstein klirrt das Eis,Da man das Kindlein tauft,Gott es zu finden weiß,Von Jesu Blut erkauft.
3.Vom Mutterschoß zum Schoß,Von Mutterbrust zur BrustDer kalten Erde, bloßUnd nackt, hat's heim gemußt.Der Kirchhof ist so hart,Die Leichen deckt nur Schnee;Man denkt: da eingescharrtEs grün sich aufersteh'!Ein Kreuzlein steht beim Grab,Daß es kein Wolf berührt;Es heißt, die Schildwach hab'Bei Koblenz ihn gespürt.
4.Er hungert, heult herum,Das Tal ist tot und eng,Das Echo taub und stumm,Die Bergwand steil und streng.Der Winter ist so kalt,So stark das Moseleis,Wie keiner, noch so alt,Sich zu erinnern weiß.«Ach Gott im Himmelreich,Halt uns in Deiner Hut,Wird schnell das Wetter weich,Geht's heuer uns nicht gut.
5.Man sieht's der Mosel an,An ihrer Quelle stehtEin Berg, heißt Wetterhahn,Sie tut, wie der ihr kräht.Die Meurth', die Om', die Saur,Die Saar und dann die KyllStehn all ihr auf der Laur,Sie kann nicht, wie sie will.Im Schlangenbett gestemmtMuß sie doch los zuletzt,Aus jeder Schlucht ja kömmtEin Hündlein, das sie hetzt.
6.Zu Trier von Sankt MattheisHeißt's: Mattheis bricht das Eis,Und findet Mattheis keins,So macht uns Mattheis eins.Dies Jahr macht er es nicht,Wenn er nur fein drauf siehtDaß es zu früh nicht bricht,Ich trau' nicht mehr dem Fried';Mir ist's, als hört' ich schon,Sind's gleich noch vierzehn Tag',Die MattheisprozessionVoll Jammer und voll Klag'.» –
7.Schon weht ein lauer Wind,Die Raben ziehn ins Feld.Zur Sonne Mann und KindSich vor die Hütte stellt.Es tröpfelt schon das Dach,Noch steht der Rhein wie Stein,Die Mosel geht schon schwach,Weiß nicht wo aus und ein:«Schnell Hannes, guter Sohn,Die Kuh führ' hoch ins Ort,Es schwillt das Wasser schon.»Der Knabe eilet fort.
8.Bang brüllt das treue Tier,Die Wogen sausen laut,Der Knabe kehret schier,Ringsum er Wasser schaut,Steigt in ein stärkres Haus,Wo auch die Nachbarn sind,Und ruft zum Vater aus:«Ich bleib' bis ab es rinnt!»Die Flut steigt, horch, ein Krach!Es klirren Ziegel ab,Der Vater schaut durchs Dach,Sieht rings ein Wassergrab.
9.Mann, Weib und sieben Kind,Seht, achtzehn Hände arm.Emporgestrecket sind:«Helft, helft, daß Gott erbarm'!»Es hebet sich das Eis,Es wälzt und braust heran,Knickt Bäume wie ein Reis,Zerschmettert Schiff und Kahn;Hilf Gott! Weh! Angst und Not!Die Hütte hebt sich schon,Rigs tobt der grimme Tod:Das hört, das sieht der Sohn.
10.Vom Nachbardache schalltEin ernster Christenchor:«Nur Gott hat hier Gewalt,Zu dem nur schrei empor.Jesu, der helfen kann,Dich, Weib und Kind befehl',Du bist des Todes, Mann,Denk deiner armen Seel'.Adies, o Nachbar gut!Du mußt zu Grunde gehn,Es kommt das Eis mit Wut,Auf dich ist's abgesehn.» –
11.Der Sohn tut einen Schrei,Der Vater zu ihm spricht:«Mit uns ist's nun vorbei,Der Herr geht ins Gericht.Du warst ein frommer Sohn,O Hannes! all dein Tag,Halt, was vor Gottes ThronSo nah, ich sterbend sag'.Vor allem hoch alleinLieb deinen Gott und Herrn,Und dann den Nächsten dein,Arbeit' und helfe gern.
12.Den Priester ehre hoch,Folg treu der Obrigkeit,Dank Gott für leichtes JochIn einer schweren Zeit.An Vater, Mutter denkUnd die Geschwister dein,Manch Vaterunser schenkIns Eisgrab uns hinein.Halt unser Kühchen gut,Es bringt dir seinen Lohn,Adies, mein Fleisch und Blut!» –Da segnet er den Sohn.
13.Hell schreit die Mutter Weh!Hell schrein die Kinder auf,Der starre WogenseeFrißt ihre Stimmen auf.Nun beten Mann und WeibUnd Kinder, Herz an Herz,Ein angstbeseelter Leib,Viel Hände himmelwärts:«Ach Herr Dein Will' gescheh',Herr hab' mit uns Geduld!Auf Jesu Wunden seh',Und nicht auf unsre Schuld!» –
14.Die Eisflut saust und kracht,Das Haus schwankt wie ein Kahn,Und weh! schon zieht die NachtUnd kalt der Mond heran.Die Nachbarn sehn nicht mehrDas eisumtürmte Haus,Von Trümmern, Bäumen schwerSieht kaum das Dach heraus.Hierher geht all der Drang,Dort schreit es, hier wird's stumm,Von hier dem Strand entlangWirft's Haus und Hütte um.
15.Hier reißet hin, dort sprießtDas starre Wogengrab,Und auch den Nachbarn schließtEs alle Zuflucht ab.Ist Mosel dies dein Dank;Des Rheins berauschte BrautZerschlägst du Tisch und BankDem, der den Wein dir baut.Weh Lay, mühselig Lay!Dich hat sie in der Hand,Bricht Haus und Hof entzweiUnd streut dich auf den Strand.
16.Dein Pfarrer hilft voll Mut,Flieht dann zum Haus hinaufUnd schließt, so folgt die Flut,Es unterm Wasser auf.Breitbach! es bricht dein Kahn,Der Retter merkt es kaum,Da hebt ihn Gott hinanAuf einen Pflaumenbaum.Die Flut steigt zu ihm hin,Und sieh! zu sicherm OrtSchwingt bald sein Engel ihnVon Scholl' zu Scholle fort.
17.Bonkirch von Diebelich!Oft dringst du durch die Flut,Wagst dich christbrüderlichFür unser Gut und Blut.Du frommer Fuhrmann hastDir heut das nicht gedacht,Du kömmst zu uns als GastUnd holst dir Gottes Fracht.Gevatter! manches KindHebst du aus Todes Tauf,All ihre Engel sindVor Gott und schreiben's auf.
18.Der Mond mit bleichem ScheinSieht in die Jammernacht,Noch steht der starre RheinUnd Haus und Schiff erkracht.Die Mosel drängt sich auf,Eis wild auf Eis sie türmt,Als ob um TodeskaufVerzweiflung Notwehr stürmt.Vom Brückengurt geschnürtWächst noch ihr Ungestüm,Der Rhein steht ungerührtUnd horcht auf ihren Grimm.
19.Sie ruft: «Entfeßle mich!Ich türme Schanz auf Schanz,Sieh, zürnend schaut auf dichDer steilen Festen Kranz.Ich habe jüngst gehört,Bis in das Meer sei frei,Das ist was mich empört:Brich auf, laß mich vorbei!» –Wild ob dem WiderstandNimmt rheinauf sie den Lauf,Wirft auf des Ufers RandHaushoch die Blöcke auf.
20.«O Rhein! erbarme dich,Ist deine Brust von Erz?Brich, harter Nacken, brich,Die Braut muß an dein Herz.All die KranzjungfräuleinDie Meurth', die Saar, die KyllSie toben auf mich ein,Die das, die jenes will,Die rechts bald gehn bald stehn,Sie sind nicht einig ganz,Die links vor Grimm vergehn,Und wollen an den Tanz.
21.Die Thran, die Elz schon stürmtAm Eisdamm hoch hinanUm Neuendorf getürmt;Rhein! sieh den Jammer an.Bedenk, hinab hinauf,Mit Kehr und Wiederkehr,Ging ich von Jugend aufIm Schlangenbett zur Lehr'.Du schweigst? die Schuld ist dein!» –Scheu blickt sie um im Kreis,Rast in sich selbst hinein,Weh Gülz dir! weh dir Weis!
22.«Du schweigst, hemmst meinen LaufBis alles hingerafft!» –So schreit die Mosel aufIn banger Leidenschaft.«Ich kenne» – murrt sie hohl –«Den Schlüssel deiner Brust,Ein Opfer find' ich wohl,Dann weiß ich, daß du mußt.» –«Weh!» schreit vom EisesdammDie Thran und Elz ihr zu:«In Lay würgst du das Lamm,Vogesenwölfin du!» –
23.Nach Lay kehrt nun ihr Lauf,Bricht in ein Hüttchen ein,Die Eltern fliehn treppaufMit den zwei Töchterlein.Der Vater flutbedrängtAuf Bett und Faß sich stellt,Am Hals das Weib ihm hängt,Sein Arm die Kinder hält,Sein Haupt am Dach schon streift,Zur Brust die Flut ihm springt,Die nach dem jüngsten greiftUnd ihm sein Kind verschlingt.
24.Er steht, hält Kind und Weib,Ach, und kann helfen nicht!Steht, wie ein Martyrleib,Dem man das Herz ausbricht.Dann hebet sich das Haus,Schwimmt wohl zehn Schritte weit,Und steht. O Nacht voll Graus!Nacht die zum Himmel schreit!Als deine Flut abrinnt,Kömmt eine Tränenflut,Weckt nicht das liebste Kind,Das tot am Boden ruht.
25.Da klagen Meurth' und Saar:«Weh, Lotharingerin!Weh, daß ich mit dir war!Du Kindesmörderin!» –Die hört's und wendet sichNochmals zum Rhein mit Wut,Schreit: «Weh! auf dich, auf dichKomm das unschuld'ge Blut!» –Sie bäumt sich, stürmt ans Tor:«Tu auf! noch heut, noch heut!» –Und an des Rheines OhrSchlägt Sturm und Notgeläut.
26.Da seufzt der alte Rhein:«Nun hör' ich andern Ton,Dein Toben und dein SchreinKlang nur wie blanker Hohn.Sitzt doch wie ich so starr,So leichtsinnig wie du,Noch mancher FastnachtsnarrBei deinem Wein in Ruh'.Gleich dir so klagt sein Weib,Er sitzt in Saus und Braus,Die Herrn nach Haus erst treib',Und dann komm selbst nach Haus!» –
27.Die Mosel hört beschämtDes Rheins gerechtes Wort,Und stürmet ungezähmt,Schwemmt all die Toren fort.Und wasserscheu, weinsatt,Wird mancher heimgekahnt,Die Flut ersteigt die StadtVon Mauern eingezahnt.Sankt Castor! brich den Weg!Sankt Ritza! fleh zum Rhein!Er liebt dich, war ein StegJa einst den Füßen dein.
28.Am Hospital zur FlutSpricht Sankt Elisabeth:«Kehr' um, es geh' dir gut!Frei haben wir kein Bett.» –Da plätschert's an der Schwell:«Von Nancy ging ich aus,Bin eine Meurthewell,Ein Gruß vom Mutterhaus!» –«Und ich von Finsting komm',Ein Wellchen aus der Saar,Gut Zeit! ihr Schwestern fromm,s'ist nur, daß da ich war.» –
29.Noch stürmt das Eis am StrandRings um die Mauern keck,Da steigt zur EisblockwandDie Mosel am Deutsch-Eck,Und klagt: «Ein Mägdlein rot,O Rhein, starb mir im Schoß!» –Da jammert ihn die Not,Er macht die Riegel los,Er senkt sein blankes SchildUnd nimmt die Mosel auf,Das kühne HeldenbildBraust ihm ans Herz hinauf.
30.Der Brücke Gurt erbebt,Ein Brautschmuck in dem Tanz,Sie rast, sie stürmt, sie schwebt,Und blitzt im Mondesglanz.Die Fesseln, das GeschmeidStreut sie im Feld umher,Nie war ihr WinterkleidSo kalt, so blank, so schwer.Die Fastnacht hat vorm JahrRhein, Mosel hier vermählt,Heut hat das RiesenpaarDen Tanzplatz sich erwählt.
31.Stumm hat mit ehrnem MundDie Festung, mißgelaunt,Eisschanzend in die RundIhr Stürmen angestaunt;Nun donnert das GeschützVorrollend vor der Flut;Daß Mühl' und Schiff man schütz',Flammt Pech- und Fackelglut.Die Ufer schimmern weit,Ein Feur- und Glutspalier,Not, Jammer, Angst und StreitGab Pracht der Nacht und Zier.
32.Das Weh, das all geschah,Deckt schier die Mitternacht,Als rettend niedersahDer Herr, der ob uns wacht,Als rings sich DankgeschreiAus Angst und Not erhob;Im Nachbarhaus zu LayErklang auch Dank und Lob,Und mit dem Hannes armFlehn alle brünstiglich:«Ach Herr und Gott erbarm'Der Eltern Seele dich! »
33.Und stiller wird's Gebraus:«Horch, horch, hörst du den Schrei?Ach Jesus, dort vom Haus,Als ob's der Vater sei?» –«Gelobt sei Jesus Christ!» –«In alle Ewigkeit!» –«Amen.» – «Es ist, es istDie Mutter, die so schreit!» –«Helft, helft wie naß und kalt!» –«Das ist der Kinder Stimm'.» –«Auf! Nachbarn braucht Gewalt!Auf! Hannes schwimm' und klimm'!»
34.Sie brechen eine BahnDurch Eis und Trümmer kraus,Und klettern kühn hinanIns gottumschirmte Haus,Und ziehen einen SchatzVon Jesu Treu hervor:«Der Vater ist's, macht Platz,Die Mutter zieht empor,Und lebend Kind vor Kind»:Wo drei zum Vater meinVereint im Beten sindWill ich bei ihnen sein. –
35.Wer klimmt herab vom WaldMit seinem Bündelein?So klar, ich meinte baldEs könnt' ein Engel sein.Vielleicht ein frommes Kind,Das Holz den Eltern schleift,Das Wetter ist ganz lind,Doch scheint sein Haar bereift.Es ist der junge Tag,Tritt scheu ins Dorf hinein,Schaut um, als ob er frag':Wer kauft hier Sonnenschein?
36.«Sagt, bin ich recht? ist's Lay?Ich ruf: Wo sein die Leut'?Mich grüßt nur WehgeschreiAus Trümmern wild zerstreut.Auch fehlt ein Töchterlein,Heut nickt es mir nicht zuDurch das Eisfensterlein,Heut hält es lange Ruh'!» –Da rief der Mond ganz krank:«Suchst du das Mägdlein rot?Schau von dem Eisblock blankIns Stübchen, drin liegt's tot.
37.Ich hab' mich krank und bleichBei ihm verweint, verwacht,Es ist 'ne schöne Leich,Den Sarg hat Gott gemacht.Ist wie Krystall so weiß,Vom Kreuze an der WandFiel auch ein Palmenreis,Liegt bei des Kindes HandUnd sein GebetbüchleinLiegt auch nicht gar zu fern,Lang las ich drin allein,Gab's dann dem Morgenstern.» –
38.Da sah der junge TagHinein ins Kämmerlein,Gar lieb das Mägdlein lagIm ersten Sonnenschein,«s'ist alles was ich hab',Wart nur noch Wochen vier,Dann auf ein grünes GrabBring ich die Veilchen dir.» –Dann schleicht er still aufs Haus,Das eisgestützt draus steht,Und kniet und weint sich aus,Und singt sein Frühgebet.
39.«Lob Gott du Wassersnot,Lob Gott du Eisgang wild,Ein Schwert auf sein Gebot,Auf sein Gebot ein Schild.Lob Gott du armes Haus,Lob Gott du Mann und Kind,Er hört in FlutgebrausDie zu ihm betend sind.Lob Gott du armes Lay,Lobt Gott ihr Trümmer kraus,Er bricht das Haus entzwei,Und bauet auch das Haus.» –
40.Der Tag zog heim ins Land,Da stieg ein Freund nach LayHerab die steile Wand:Weh welche Wüstenei!Da füllt manch starre Hand,Der nichts mehr übrig bliebAls Trümmer an dem Strand,Die Hand, die dann mir schrieb:«Ich sah draus ungeschütztDas Haus weit ausgesetzt,Gebrochen, eisgestütztHielt Gott es bis zuletzt.
41.Ich sah den guten MannUnd mit ihm Weib und Kind,Er zählt sie, schaut sie an,Ob all beisammen sind.Im Rathaus einquartiertGeht selig er umher,Und weint und triumphiert,Als ob er Kaiser wär'.Sagt, Freund, wie wunderlich,Wie ging's dann nur? – Ei seht,Mein Weib, die Kinder, ich,Wir haben halt gebet't! –
42.Und wer es nicht gesehn,Wer schüttelt mit dem Haupt,Wer's nicht will zugestehn,Wer ans Gebet nicht glaubt:Der gehe stolz nach LayUnd seh' die Hütte an,Und rufe frank und frei:Nur Gott hat dies getan!Und dann ans Herz er poch',Vielleicht sein HerzenseisSchmilzt vor dem Eise nochZu Lay. Glück auf die Reis'» –
43.Geh betteln armes Lied,Geh um von Tür zu Tür,Sprich: «Diesem Haus sei Fried'!Daß Gott die Herzen rühr'.Er war so stark und mild,Drum sang das Mitleid mich;Du Mensch, sein Ebenbild,Du auch erbarme dich.Kauf mich, so wird ein Stein,Der an der Hütte baut,Dem milden FraunvereinZu Koblenz anvertraut.
1830 (Kemp 1978)
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Herr, dir sei Lob und Dank,Um immer mich zu finden,Willst du mich müd und krankHier an mein liebes Schmerzensbettlein binden,Ach, Herr! viel tausend Lob und Dank!
Dein Will geschah' an mir,Gib nur Geduld, dann strafe,Ich bin verschuldet dir,Sei ich dein freies Kind, sei ich dein Sklave,Ach, nur dein Will gescheh' an mir!
Herr! wie es dir gefälltWillst du aufs Kreuz mich legen,Sei ich ans Kreuz gestellt,Geh kreuzbeladen, Herr, ich dir entgegen,Ach alles, wie es dir gefällt.
Treu hast du mich geliebt,Denn, könnt ich dir entfliehen,Ich hätt dich oft betrübt,So konntest du mich besser dir erziehen,Wie treu, Herr, hast du mich geliebt.
Wie ständ es wohl mit mir?Könnt ich wie andre KinderMich tummeln voll Begier.Sind andre blind, ach Herr, ich wär noch blinder,Ach Herr, wie ständ es dann mit mir.
O Herr, wie lieb und gut,Um viele Liebe zu erwecken,Wollt'st du mich junges BlutAls Quell des Mitleids auf das Lager strecken,O Herr, wie bist du lieb und gut.
Du hast mich heimgesucht,Gott Dank, daß ich hier liege,Herr, meiner Leiden FruchtLehrt mich mein Engel an der Schmerzenswiege.Willkomm, Herr, der mich heimgesucht.
Herr! du bedienst dich mein;Gar manche Trostesworte,Worin der Name deinDas Süßste mir, erklingen hier am Orte,O Freude, du bedienst dich mein!
Wie's ist, so ist es recht,So schwach, mühselig, schwankendVon Epheu ein GeflechtVom Kreuz gestützt, zum Licht sehnsüchtig rankend.Herr, wie es ist, ist's recht!
Herr, wär ich fromm und reichAn Demut und an Schmerzen,Ich wucherte sogleich,Gäb allen Trost dir hin und litt von Herzen,Und litt mich fromm und reich.
O himmlische Geduld,Du kannst mit Schmerzen zahlen,Nimm auf mein Leid mit Huld,Ich opfre es vereint mit deinen Qualen.Sei bei mir, himmlische Geduld.
Die lieben Röschen allUnd große süße Rosen,Des Freundes SeufzerschallSchneid ich für Dornen mir aus deinen Rosen,Nimm dir dein Röschen ganz und all!
Wie wär ich doch so armUnd könnte nichts verdienen,Wär mir an deinem ArmNicht Lieb und Schmerz und die Geduld erschienen.Ach, Herr! wie wär ich dann so arm!
Das Röschen, Herr, ist dein;Könnt laufen ich und hüpfen,Manch Rosenblättchen feinKönnt in den Wind hinwehend dir entschlüpfen.Allein jetzt ist das Röschen dein.
Berührt von Gottes HandTreibt mich ein still EntzückenAm Kreuz empor; zum PfandDer Liebe will vielleicht mein Herr mich pflücken.Dann blüh ich neu in Jesu Hand.
Dir will das Röschen blühn,Du Haupt voll Blut und Wunden,Wie seh ich dich erglühn,Du Bräutigam, von Dornen ganz umwunden,Dir will das Dornenröschen blühn.
Du hast dein Röschen scharfMit Dornen rings versehen,Daß keiner nahen darfAls du, der weiß mit Dornen umzugehen,Du hütest, Herr, dein Röschen scharf.
So ließ ein Pilger einstDich Dornenröschen reden,Wenn du so leiden lernst,Dann kannst du zu den Wunden Jesu betenFür alle und den Pilger ernst!
1830 (Schultz 1995)
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Weihnachtlied
Kein Sternchen mehr funkelt,Tief nächtlich umdunkeltLag Erde so bang,Rang seufzend mit KlagenNach leuchtenden Tagen,Ach! Harren ist lang.
Als plötzlich erschlossen,Vom Glanze durchgossen,Den Himmel sie sieht;Es sangen die Chöre:Gott Preis und Gott Ehre!Erlösung war da.
Es sangen die Chöre:Den Höhen sei Ehre,Dem Vater sei Preis,Und Frieden hienieden,Ja Frieden, ja Frieden,Dem ganzen Erdkreis.
Wir waren verloren,Nun ist uns geboren,Was Gott uns verhieß,Ein Kindlein zum Lieben,Und nie zu betrüben,Ach, Lieb ist ja süß!
O segne die Zungen,Die mit mir gesungen,Du himmlisches Kind!Und laß dir das LallenDer Kinder gefallen,So lieblich und lind.
O Friede dem Zorne,O Röschen, dem DorneSo lieblich erblüht;Süß lallende LippeDes Kinds in der Krippe,Dir gleicht wohl dies Lied.
Entstanden vermutlich 1830 (Schultz 1995) |