Clemens Brentano
1778 - 1842
Gedichte 1816 - 1819
1816Januar: Mit Freunden gründet er in Berlin die »Maikäferei«, eine politisch-literarische Abendgesellschaft. 4. Februar: Brentano erhält erste Nachrichten von der stigmatisierten ehemaligen Nonne Anna Katharina Emmerick in Dülmen. Mai - Juni: Zusammen mit Wilhelm Grimm bei Arnim in Wiepersdorf. 10. Oktober: Begegnung mit Luise Hensel. Beginn der Hensel-Lyrik. Ende Dezember: Brentano hält um Luises Hand an und wird abgewiesen.
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Wenn es stürmet auf den Wogen,Sitzt die Schifferin zu Haus,Doch ihr Herz ist hingezogenAuf die weite See hinaus,
Bei jeder Welle, die brandetSchäumend an Ufers Rand,Denkt sie, er strandet, er strandet, er strandet,Er kehret mir nimmer zum Land.
Bei des Donners wildem TobenSitzt die Schäferin zu Haus,Doch ihr Herz, das schwebet obenIn des Wetters wildem Saus.
Bei jedem Strahle, der klirrteSchmetternd durch Donners Groll,Denkt sie, mein Hirte, mein Hirte, mein HirteMir nimmermehr kehren soll.
Wenn es in dem Abgrund bebet,Sitzt des Bergmanns Weib zu Haus,Doch ihr treues Herz, das schwebetIn des Schachtes dunklem Graus.
Bei jedem Stoße, der rüttetHallend im dunkelem Schacht,Denkt sie, verschüttet, verschüttet, verschüttetIst mein Knapp in der Erde Nacht.
Wenn die Feldschlacht tost und klirret,Sitzt des Kriegers Weib zu Haus,Doch ihr banges Herz, das irretIn des Kampfes wilden Strauß.
Bei jedem Knall, jedem HallenDer Stücke an BergeswandDenkt sie gefallen, gefallen, gefallenIst mein Held nun fürs Vaterland.
Aber fern schon über die Berge,Zogen die Wetter, der Donner verhallt,Horch wie die jubelnde, trunkene Lerche,Tireli, Tireli, siegreich erschallt.
Raben zieht weiter!Himmel wird heiter,Dringe mir, dringe mir,Sonne hervor!
Jubelnde Lerche,Über die Berge,Singe mir, singe mir,Wonne ins Ohr.
Mit Zipreß und Lorbeer kränzetSieg das freudig ernste Haupt,Herr! wenn er mir niederglänzetMit dem Trauergrün umlaubt!
Dann sternlose Nacht sei willkommen,Der Herr hat gegeben den Stern,Der Herr hat genommen, genommen, genommen,Gelobt sei der Wille des Herrn!
24. Januar 1816 (Schultz 1995)
*Draus bei Schleswig vor der PforteWohnen armer Leute viel,Ach des Feindes wilder HordeWerden sie das erste Ziel.Waffenstillstand ist gekündetDänen ziehen ab zur Nacht,Russen, Schweden stark verbündet,Brechen her mit wilder Macht.Draus bei Schleswig steht vor allenWeit ein Häuslein ausgesetzt.Draus bei Schleswig in der HütteSingt ein frommes Mütterlein,Herr, in deinen Schoß ich schütteAlle meine Angst und Pein.Doch ihr Enkel ohn' Vertrauen,Zwanzigjährig neuster Zeit,Hat den Bräutigam zu schauenSeine Lampe nicht bereit.Draus bei Schleswig in der HütteSingt ein frommes Mütterlein.Eine Mauer um uns baueSingt das fromme Mütterlein,Daß dem Feinde vor uns graueHüll' in deine Burg uns ein.Mutter, spricht der Weltgesinnte,Eine Mauer uns ums HausKriegt unmöglich so geschwindeEuer lieber Gott heraus.Eine Mauer um uns baue:Singt das fromme Mütterlein.Enkel fest ist mein Vertrauen,Wenn's dem lieben Gott gefällt,Kann er uns die Mauer bauen,Was er will ist wohl bestellt.Trommeln rommdidomm rings prasselnDie Trompeten schmettern drein,Rosse wiehern, Wagen rasseln,Ach nun bricht der Feind herein,Eine Mauer um uns baueSingt das fromme Mütterlein.Rings in alle Hütten brechenSchwed' und Russe mit Geschrei,Lärmen, fluchen, drängen, zechen.Doch dies Haus ziehn sie vorbei.Und der Enkel spricht in SorgenMutter, uns verrät das Lied.Aber sieh, das Heer vom MorgenBis zur Nacht vorüberzieht.Eine Mauer um uns baueSingt das fromme Mütterlein.Und am Abend tobt der WinterAn das Fenster schlägt der NordSchließt den Laden, liebe Kinder,Spricht die Alte und singt fortAber mit den Flocken fliegenVier Kosakenpulke an.Rings in allen Hütten liegenSechzig, auch wohl achtzig Mann.Eine Mauer um uns baueSingt das fromme Mütterlein.Bange Nacht voll Kriegsgetöse,Wie es wiehert, brüllet, schwirrt,Kantschuhhiebe, Kolbenstöße.Weh, des Nachbars Fenster klirrtHurrah, Stupai, Boschkai, Kurba,Vinu, Gleba, Biba, RackSchreit und flucht und plackt die Turba.Erst am Morgen zieht der Pack.Eine Mauer um uns baueSingt das fromme Mütterlein.Eine Mauer um uns baueSingt sie fort die ganze Nacht.Morgens ward es still, o schaueEnkel, was der Nachbar macht!Auf nach innen geht die Türe,Nimmer käm' er sonst hinaus.Daß er Gottes Allmacht spüre,Lag der Schnee wohl mannshoch draus.Eine Mauer um uns baue,Sang das fromme Mütterlein!Ja der Herr kann Mauern bauen.Liebe fromme Mutter komm,Gottes Mauer anzuschauen,Sprach der Enkel und ward fromm.Achtzehnhundertvierzehn war es,Als der Herr die Mauer baut,In der fünften Nacht des JahresHat's dem Feind vor ihr gegraut.Eine Mauer um uns baue.Sing' ich mit dem Mütterlein.
Anfang Februar 1816 (Kemp 1978) vgl. die späte Fassung von 1832: Die Gottesmauer
*
Frühlingsschrei eines Knechtesaus der Tiefe
1.
Meister, ohne dein ErbarmenMuß im Abgrund ich verzagen,Willst du nicht mit starken ArmenWieder mich zum Lichte tragen
2.
Jährlich greifet deine Güte,In die Erde, in die Herzen,Jährlich weckest du die Blüte,Weckst in mir die alten Schmerzen.
3.
Einmal nur zum Licht geboren,Aber tausendmal gestorben,Bin ich ohne dich verloren,Ohne dich in mir verdorben
4.
Wenn sich so die Erde reget,Wenn die Luft so sonnig wehet,Dann wird auch die Flut beweget,Die in Todesbanden stehet.
5.
Und in meinem Herzen schauertEin betrübter bittrer Bronnen,Wenn der Frühling draußen lauert,Kömmt die Angstflut angeronnen.
6.
Weh! durch giftge Erdenlagen,Wie [die] Zeit sie angeschwemmet,Habe ich den Schacht geschlagen,Und er ist nur schwach verdämmet.
7.
Wenn nun rings die Quellen schwellen,Wenn der Grund gebärend ringet,Brechen her die giftgen Wellen,Die kein Fluch, kein Witz mir zwänget.
8.
Andern ruf ich, schwimme, schwimme,Mir kann solcher Ruf nicht taugen,Denn in mir ja steigt die grimmeSündflut, bricht aus meinen Augen.
9.
Und dann scheinen bös GezüchteMir die bunten Lämmer alle,Die ich grüßte, süße Früchte,Die mir reiften, bittre Galle.
10.
Herr, erbarme du dich meiner,Daß mein Herz neu blühend werde,Mein erbarmte sich noch keinerVon den Frühlingen der Erde.
11.
Meister, wenn dir alle HändeNahn mit süßerfüllten Schalen,Kann ich mit der bittern SpendeMeine Schuld dir nimmer zahlen
12.
Ach, wie ich auch tiefer wühle,Wie ich schöpfe, wie ich weine,Nimmer ich den Schwall erspüleZum Kristallgrund fest und reine.
13.
Immer stürzen mir die Wände,Jede Schicht hat mich belogen,Und die arbeitblutgen HändeBrennen in den bittern Wogen.
14.
Weh! der Raum wird immer enger,Wilder, wüster stets die Wogen,Herr, o Herr! ich treib's nicht länger,Schlage deinen Regenbogen.
15.
Herr, ich mahne dich, verschone,Herr! ich hört in jungen Tagen,Wunderbare Rettung wohneAch, in deinem Blute, sagen.
16.
Und so muß ich zu dir schreien,Schreien aus der bittern Tiefe,Könntest du auch nicht verzeihen,Daß dein Knecht so kühnlich riefe!
17.
Daß des Lichtes Quelle wiederRein und heilig in mir flute,Träufle einen Tropfen nieder,Jesus, mir, von deinem Blute!
Frühjahr 1816 (Schultz 1995)
*
O wie so oftHab ich ein Zeichen erhofft,ZogenSterne den schimmernden BogenDurch die himmlische Leere,Durch die himmlische Tiefe,Daß ich der irdischen SchwereEndlich auf immer entschliefe.Aber der MorgenLöschte die Sterne aus,Weckte die Sorgen,Weckte des Herzens Haus;Und des Alltäglichen MachtZwang die Ahndung der Nacht.
O wie so vielNahte der Sehnsucht das Ziel!SankenDürstende müde GedankenHin an brennender SchwelleSelig kühlender Ferne,Ach da stürzte zum Herzen die WelleUnd das lachende Licht in die finsteren Sterne!Aber die EbbeKehrte, die Flut wich;Heißer die SteppeUmgürtet mit Glut mich,Und den brennenden PfeilMahnte das fliehende Ziel zur Eil.
O wie so tiefOft aus den Wogen mich's rief!Fielen,Um nach den Sternen zu zielen,Tränen zu spiegelnden Seen,Die zwischen blumigten Wiesen,Augen der Erde, aufsehen,Himmlische Kinder zu grüßen.Aber die FlächeRingelt, das Bild bricht. –Bittere Bäche,Rinnet so wild nicht!Freudig ja springet ein Fisch;Und ich mord ihn, decke den Tisch.
O wie so reinWächst in der Schönheit der Schein,ScheinetSie aus der Einfalt und einetRecht in der lauteren KlarheitStrahlen der himmlischen GüteZum sehenden sichtbaren Auge der Wahrheit,Das da schaffet und selbst ist die Frucht und die Blüte!Aber die DichterMachen die Glieder zum Leibe gern,Schneiden GesichterIn einen KirschenkernTraurig und lachend; o gebeLieber der Erde ihn, daß er lebe,BlütenvollFrüchtevollDir und den Deinen himmlischen SegenGebeAuf irdischen Wegen.
Vermutlich Frühjahr 1816 (Frühwald 1968)
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Ich kenn' ein Haus, ein Freudenhaus,Es hat geschminkte Wangen,Es hängt ein bunter Kranz heraus,Drin liegt der Tod gefangen.
In meinem Mantel trag ich hinBiskuit und süße Weine;Der Himmel weiß wohl, wer ich bin,Die Welt schimpft, was ich scheine.
Die eine liest mir in der Hand,Sie will mein Unglück lesen,Die andre malt mich an die WandUnd nennt mich holdes Wesen.
Die dritte weiß sich flink zu drehn,Es schwindeln mir die Sinne,Und jede dieser bösen FeenSucht, wie sie mich umspinne.
Doch dorten auf den Arm gelehnt,Sitzt eine stumm und weinet,Sie hat sich längst mit Gott versöhnt,Und sitzet doch und weinet.
Was will sie noch in diesem Haus?Sie muß den Spott erleiden,Es zischt der freche Chor sie aus:«Du kannst uns doch nicht meiden!»
Sie schweigt und weint und trägt den Hohn,Den schweren Büßerorden;Man zuckt die Achseln, kennt sie schon:Sie ist zur Närrin worden.
Doch ich berühr' um sie alleinDie himmelschreinde Schwelle,Bei ihr, tret' ich zum Saal herein,Ist meine feste Stelle.
Sie achtet's nicht, sie blickt nicht auf;Wenn alle tanzend fliegen,Seh' ich mit stetem TränenlaufDas bleiche Haupt sie wiegen.
So hundert Tage ohne Ruh'Sah ich sie wanken, weinenUnd sprach: «O Weib, welch Kind wiegst du?Will denn kein Schlaf erscheinen? –
Du hast dem Leid genuggetan,Gib mir's, ich will dir's tragen.»Da schrie ihr Blick mich schneidend an,Doch konnt' ihr Mund nichts sagen,
Und neulich nachts, um MitternachtKam ich mit meiner Laute;Die Pforte hat sie aufgemacht,Die noch am Fenster schaute.
Sie zieht mich in den Garten fort,Sitzt auf ein Hüglein nieder,Gibt keinen Blick und gibt kein WortUnd weinet stille wieder.
Zu ihren Füßen saß ich hinUnd ehrte ihren Kummer;Da hat mir Gott ein Lied verliehn,Ich sang sie in den Schlummer.
Ich sang so kindlich, sang so fromm,Ach säng' ich je so wieder!«O Ruhe, komm, ach Friede, komm,Küß' ihre Augenlider!»
Und da sie schlief, da stieg so holdEin Kindlein aus dem Hügel,Trug einen Kranz von FlittergoldUnd einen Taschenspiegel,
Und brach ein Zweiglein Rosmarin,Das ihm am Herzen grünet,Und legt' es auf die Mutter hin,Und sprach: «Gott ist versühnet».
Und wo den Rosmarin es brach,Da bluteten zwei Wunden,Und als es kaum die Worte sprach,Ist es vor mir verschwunden.
Die Mutter ist nicht mehr erwacht,Noch schläft sie in dem Garten,Ich steh und sing' die ganze Nacht,Kann wohl den Tag erwarten.
Da ruft mich Zucht und Ehr' und PflichtAus diesem Haus der Sünde,Doch von der Mutter laß' ich nicht,Ob ihrem armen Kinde.
Es winkt zurück, wenn ich will gehn,Sitzt an des Hügels Schwelle,Und kann nicht aus dem Spiegel sehn,Sein Flitterkranz glänzt helle. –
Es brach das Haus, der Kranz fiel ab,Fiel auf den Sarg der Frauen,Ich blieb getreu, tät bei dem GrabMir eine Hütte bauen.
Und daß die Schuld nicht mehr erwacht,Will ich da ewig singen,Bis Jesus richtend bricht die Nacht,Bis die Posaunen klingen.
Oft mit dem Kind in Sturm und Wind,Sing' ich auf meinen Knieen:«O Jesus! du gemordet Kind,Du hast ja auch verziehen!
Ein Tröpflein deines Blutes nurLaß auf die Mutter fallen1Das macht uns rein und klar und pur,Daß wir zum Lichte wallen.»
1816 (Frühwald 1968)
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Ich bin durch die Wüste gezogen,Des Sandes glühende WogenVerbrannten mir den Fuß,Es haben die Wolken gelogen,Es kam kein Regenguß.
Die Sonne trank mir im ZorneDas Wasser aus jeglichem BorneAn dem die Reise geruht,Ich dürste, es leckten die DorneMeiner brennenden Wunden Blut.
Ich nahm den erschlagnen KamelenDas Wasser und Blut aus den KehlenZu retten mein Weib und Kind,Die Schätze an Gold und JuwelenBegrub im Sande der Wind.
Da wühlt ich mit glühendem SchwerdeDen Kindern manch Grab in die ErdeErwühlte mir keinen Quell,Ob Gott sie wohl finden werde,Die Hyänen heulten grell.
Ein Kind unterm MutterherzenBrach mit ihm, in schreienden SchmerzenGebar sie es sterbend dem Tod,Es goß gleich glühenden ErzenDie Sonne mir Licht in die Not.
Gern hätte ich Tränen getrunken,Die Augen weinten nur Funken,Ich wühlt noch ein Grab in den Sand,Und bin in Verzweiflung gesunken,Ach weil ich kein Wasser fand.
Da ward ich zur wandelnden Leiche,Auf daß ich den Brunnen erreiche,Den letzten auf glühender Bahn,Und wie ich so lechzend hinschleiche,Da brüllen die Tiger mich an
Des Tages glühende SchwelleVerbrannte, da kam ich zur Stelle,Der Brunnen war trocken und totEs glühte zur Mitternacht helleDer Mond wie Kupfer so rot
Der Tod flog auf aus der Wüste,Und schauderte, da ich ihn grüßte,Und floh, da rief ich ihm zu,Daß einer hier sterben müßte,Er schrie mir: Erst lebe du!
Denn sterben heißt Ruhe erwerbenDrum kannst du nicht leben nicht sterbenDer Durst ist unendlich in dir,Dein Erbteil, das will ich nicht erbenSo schrie er, und eilte von mir
Und heulend flog der GeselleWüsteinwärts mit PfeilesschnelleDer Sand schlug rasselnd um ihn,Da traf mich die glühende WelleAch, daß ich erblindet bin.
O Nacht ohn Anfang und Ende!Kein Stern, wohin ich mich wende,Kein Bogen, kein Pfeil kein Ziel,Da rang ich betend die Hände,Bis die Decke mir niederfiel
Da fühlt ich das Ziel mir gekommenDie glühende Leiter erklommen,Ich schrie zu dem bitteren SternDer Herr hat gegeben, genommenGelobt sei der Wille des Herrn!
Da hört ich ein Flügelpaar klingenDa hört ich ein Schwanenlied singen,Und fühlte ein kühlendes WehnUnd sah mit tauschweren SchwingenEinen Engel in der Wüste gehn.
Und als ich ihn fragend begrüßte,Sag an, du Engel der WüsteWie find ich den Wasserquell?Sprach er: wer treulich büßte,Der steht an der Brunnenschwell.
Sag an, du Engel der Wüste,Und find ich den Quell, da ich büßte,Wo find ich JerusalemDa sprach er: so ich das nicht wüßte,Käm ich nicht von Bethlehem
So folge nun meinem Gleise,Blind wandeltest du im Kreise,Nach Jerusalem wolltest du,Reich mir die Hand auf der Reise,Du zogst nach Babylon zu.
Der Herr trieb tausend MeilenMich her, um dich zu heilen,Zu brechen mein Brod mit dir,Den Becher mit dir auch zu teilen,Wohlauf, nun folge du mir.
Und vor ihm kniete ich nieder,Er legte sein tauicht GefiederMir kühl um das glühende Haupt,Und sang mir die PilgerliederDa hab ich geliebt und geglaubt.
Da sah ich den Himmel wohl offen,Ach Gott! Kühl hernieder getroffenKam die Gnade, die Segensflut,Da konnte ich endlich auch hoffen,Auf meines Erlösers Blut.
Da sang ich, reich treulich die Hände,Die Augen nicht vor meinem Ende,O Schwesterlein von mirNur nimmer, nimmermehr wende,Du, ich, wir sind nun ein Wir
Ein Tempel sei wo wir knien,Ein Glück sei, für das wir glühenEin Streit, ein SiegespanierEin Ort sei, wohin wir ziehenEin Himmel sei dir und mir.
So haben wir da wohl gesungen,Und Hand in Hand da geschlungenUnd Flügel in FlügelpaarUns über die Wüste geschwungen,Die ein Garten voll Segen war.
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Dies war wohl ein innerlich SehenEin innerlich AuferstehenIn mir selber erwachte der GeistDie Wüste, das waren die WehenIn denen mein Leben gekreißt.
All was ich verloren, begraben,All was ich allein, um zu habenIn der heißen Wüste gesucht,Das soll mich im Geiste nun laben,In unverbotener Frucht.
O Schimmer, o Lichter, o Farben,O Alle ihr goldenen Garben,In Duft, in Sonne, im Tau,Ich schwelge, ich kann nicht mehr darben,Gott grüß dich mein geistlicher Pfau!
Ach alles, was je ich gewesenKann dir in dem Spiegel ich lesenKann vor dir in Tränen vergehn,Kann vor dir in Reue genesen,Kann mit dir dann auferstehn.
Und will dieser Abend verglimmenLaß höher und höher uns klimmen,Auf Golgatha sinkt keine Nacht,Es singen da ewige StimmenAm Kreuze, nun hab ich vollbracht.
Clemens.
Herbst 1816 (Frühwald 1968)
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Ich bin durch die Wüste gezogen,Des Sandes glühende WogenVerbrannten mir den Fuß.Die Sonne sog mir im ZorneDas Wasser aus jedem Borne,Es folgte kein Regenguß.Ich dürste, es leckten die DorneMein siedendes Blut in Fluß.
Aus zog ich mit sieben Kamelen,Es lechzen unsere Kehlen,Wie rette ich Weib und Kind.Wo finde ich frische Quellen,Die Schätze von Gold und JuwelenBegrub im Sande der Wind.Soll uns da Leben nicht fehlen,O Himmel, regne geschwind!
Ich wühlte mit glühendem SchwerteDen Kindern ihr Grab in die Erde,Bis auf das letzte fürwahr!Das ruht unter Mutter HerzenBis sie es in Jammer und SchmerzenHinsterbend dem Tode gebar.Es heult die Hyäne, doch erzenStellt mir sich das Schicksal dar.
Gern hätte ich Tränen getrunken,Der Augen Quell ist gesunken,Oase, wie liegst du fern!Vor Glut ist das Herz mir verglommen,Das Ziel, ich fühl' es gekommen,Ich rufe zum sinkenden Stern:Der Herr hat gegeben, genommenGelobt sei der Name des Herrn!
1816, Kurzfassung (Frühwald 1968)
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Wie so leis die Blätter wehnIn dem lieben, stillen Hain,Sonne will schon schlafen gehn,Läßt ihr goldnes HemdeleinSinken auf den grünen Rasen,Wo die schlanken Hirsche grasenIn dem roten Abendschein.Gute Nacht, Heiapopeia!Singt Gockel, Hinkel und Gackeleia.
In der Quellen klarer FlutTreibt kein Fischlein mehr sein Spiel,Jedes suchet, wo es ruht,Sein gewöhnlich Ort und Ziel,Und entschlummert überm LauschenAuf der Wellen leises RauschenZwischen bunten Kieseln kühl.Gute Nacht, Heiapopeia!Singt Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Schlank schaut auf der FelsenwandSich die Glockenblume um,Denn verspätet über LandWill ein Bienchen mit GesummSich zur Nachtherberge meldenIn den blauen zarten Zelten,Schlüpft hinein und wird ganz stumm.Gute Nacht, Heiapopeia!Singt Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Vöglein, euer schwaches Nest,Ist das Abendlied vollbracht,Wird wie eine Burg so fest;Fromme Vöglein schützt zur NachtGegen Katz und Marderkrallen,Die im Schlaf sie überfallen,Gott, der über alle wacht.Gute Nacht, Heiapopeia!Singt Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Treuer Gott, du bist nicht weit,Und so ziehn wir ohne HarmIn die wilde EinsamkeitAus des Hofes eitelm Schwarm.Du wirst uns die Hütte bauen,Daß wir fromm und voll VertrauenSicher ruhn in deinem Arm.Gute Nacht, Heiapopeia!Singt Gockel, Hinkel und Gackeleia.
Entstanden 1816, aus Gockel und Hinkel (Frühwald 1968)
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Kein Tierlein ist auf ErdenDir, lieber Gott, zu klein,Du ließt sie alle werden,Und alle sind sie dein.Zu dir, zu dirRuft Mensch und Tier.Der Vogel dir singt,Das Fischlein dir springt,Die Biene dir brummt,Der Käfer dir summt,Auch pfeifet dir das Mäuslein klein:Herr Gott, du sollst gelobet sein!
Das Vöglein in den LüftenSingt dir aus voller Brust,Die Schlange in den KlüftenZischt dir in Lebenslust.Zu dir, zu dirRuft Mensch und Tier u.s.w.
Die Fischlein, die da schwimmen,Sind, Herr, vor dir nicht stumm,Du hörest ihre Stimmen,Ohn dich kommt keines um.Zu dir, zu dir u.s.w.
Vor dir tanzt in der SonneDer kleinen Mücken Schwarm,Zum Dank für LebenswonneIst keins zu klein und arm.Zu dir, zu dir u.s.w.
Sonn, Mond gehn auf und unterIn deinem Gnadenreich,Und alle deine WunderSind sich an Größe gleich.Zu dir, zu dir u.s.w.
Zu dir muß jedes ringen,Wenn es in Nöten schwebt,Nur du kannst Hülfe bringen,Durch den das Ganze lebt.Zu dir, zu dir u.s.w.
In starker Hand die ErdeTrägst du mit Mann und Maus,Es ruft dein Odem: Werde!Und bläst das Lichtlein aus.Zu dir, zu dir u.s.w.
Kein Sperling fällt vom DacheOhn dich, vom Haupt kein Haar,O teurer Vater, wacheBei uns in der Gefahr!Zu dir, zu dir u.s.w.
Behüt uns vor der FalleUnd vor dem süßen GiftUnd vor der Katzenkralle,Die gar unfehlbar trifft!Zu dir, zu dir u.s.w.
Daß unsre Fahrt gelinge,Schütz uns vor aller Not,Und helf uns zu dem RingeUnd zu dem Zuckerbrot!Zu dir, zu dir u.s.w.
Entstanden 1816, aus Gockel und Hinkel (Frühwald 1968)
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Des toten Bräutigams Lied
Ich ging auf grünen WegenUnd trug den Hochzeitskranz,Treu Lieb ging mir entgegenGeschmückt mit gleichem Glanz.O wie blinkte ihr Krönlein schön,Eh die Sonne wollt untergehn!
Und als die lichte WonneSich unter Wolken barg,Da spielt die letzte SonneIm Kranz auf meinen Sarg.O wie blinkte etc.
Es ging im WitwenschleierTreu Lieb mit mir zu Grab,Und schwur, mein einzger FreierSinkt mir mit dir hinab.O wie blinkte etc.
Sie steckt die MyrtenkroneAuf meinen Totenkranz,Die Weiber sprachen: SchoneIhn für den neuen Hans.O wie blinkte etc.
Sie wollt ihn mir nur geben,Wollt keines andern sein,Da lacht das volle LebenMir in das Grab hinein.O wie blinkte etc.
Wer meine Kron erblickteUnd ihre Myrte drauf,Zu seinem Nachbar nickte:Der wacht einst selig auf.O wie blinkte etc.
Doch als neun Monde gingenStets müder durch den Sand,Den Strohkranz sie ihr hingenAns Haus ob ihrer Schand.O wie blinkte etc.
Und die ihr Häcksel streuenZur Nacht vor ihre Tür,Die hören's Kindlein schreien,Ich kann ja nichts dafür.O wie blinkte etc.
Auf meiner Krone wehenNoch ihre Myrten stets,Doch die sie schimmern sehen,Die sprechen: ja so geht's!O wie blinkte etc.
Dem Tode hingegebenHat sie ihr Kränzlein leicht,Da hat das schlechte LebenDen Strohkranz ihr gereicht,O wie blinkte etc.
Ihr Kind am Kirchhof spielet,Und mit dem AbendlichtHin nach dem Kränzlein schielet,Und recht unschuldig spricht,O wie blinkte etc.
Da hatt ich keine RuheUnd mußte auferstehn,Und ging aus meiner TruheDas Kränzlein einzusehn,O wie blinkte etc.
Ich wollt den Kranz mir holen,Ins Grab mir auf das Herz,Das Kind hat ihn gestohlen,Da fühlt ich wieder Schmerz,O wie blinkte etc.
Konnt nicht die Stimm erheben,Nicht schreien: Den Kranz gib her,Das Totsein wie das LebenWar mir unendlich schwer.O wie blinkte etc.
Da half mir das Gewissen,Es nahm dem Kind den Kranz,Ich hab ihn unzerrissen,Ich hab ihn rein und ganz.O wie blinkte etc.
Um einen guten NamenFreit sie den ärmsten Mann,Da sie zur Kirche kamen,Sah sie die Kron nicht an,O wie blinkte etc.
Da sprach ich aus der Truhe:Hab Dank für Lust und Schmerz,Dein Kranz mit ewger RuheKühlt mir das treue Herz,O wie blinkte etc.
Wohl mir, daß ich gestorben,Als er im vollen Glanz,Mir bist du nicht verdorben,Ich habe deinen Kranz.O wie blinkte etc.
Treu will ich ihn aufheben,Wenn wir uns wiedersehn,Sollst du im bessern LebenMit ihm gezieret gehn.O wie blinkte etc.
Denn eine einzge TreueIst aller Liebe wert,Und eine einzge ReueZerbricht das Richterschwert,O wie blinkte etc.
Dies hört sie, ist gegangenStill mit dem armen Mann,Und sah nun ohne BangenMein einsam Krönlein an!O wie blinkte etc.
Und wenn die AbendwindeLeis durch die Kronen ziehn,Spricht sie zu ihrem Kinde,Gottlob, die Zeit geht hin.O wie blinkte mein Krönlein schön,Eh die Sonne wollt untergehn!
Entstanden1816 oder 1817 (Schultz 1995)
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An einen imaginären Unbekannten,den Endes nicht Unterschriebener in derVorstellung von Klingemanns Faust sich alsseinen Sitznachbarn einbildete.
Merkwürdiger Fremder!Ich habe mit Verwunderung gesehen, daß das tragische Entsetzen in der Vorstellung des Faust ihren neuen schwarzen Felbel-Sommerhut, nach dem ihm die Haare zu Berge gestiegen, schneeweiß gebleicht hat, und hat mich ihr außerordentliches Gesichterschneiden dabei so in Erstaunen gesetzt, daß ich sie im Zwischenakte fragte, wie Ihnen zu Mute sei, worauf sie mir mit noch viel bedeutenderen Gesichtern geantwortet. Es ist kein Komma, kein Pünktchen, kein Apostroph, kein Fragezeichen, kein Parentesis noch Klaudatur ihrer Mimik verloren gegangen, ich habe alles richtig in Worte übersetzt, was sie mir vorfratzten. (Sie haben ein Gesicht wie ein Buchdruckerkasten, und so viel Züge darin als Lettern in jenem, und stellen sie sich vor, die bewegten sich wie ein Ameisenhaufen durcheinander, um in Reih und Glied zu kommen.) Das erste, was ich aus ihnen herauslas, war, daß sie eine Faust im Sack machten, sie dann und wann aber herauszogen, um (sich) ins Fäustchen zu lachen. Ihre Gesichter gingen ihnen nicht immer leicht von der Faust und reimten sich manchmal untereinander wie eine Faust aufs Aug, weil häufig ihr Pegasus ihnen zu schwer auf der Faust lag, übrigens bin ich versichert, daß sie wenigstens ein Wortmacher, wo nicht ein Sprachforscher sind, was sie alles in meiner getreuen Verwertung ihrer Fratzen wiederfinden werden, in welcher ich ihren ganzen Inhalt, nebst ihrer Gestalt samt ihrem Angstschweiß abgetrocknet habe. Ein einziges Mal während der Musik des Zwischenaktes saßen sie in ihrem blauen Mantel ohne Kopf; sie hatten ihn nämlich darunter gesteckt. Da klapperte es in ihnen, wie im Schauspielerkasten eines Puppenspielers, und ich vernahm mit Wehmut unter ihrem Mantel die Worte «Berlicke, Berlocke», und dann eine angenehme Stimme singen: «Fauste, Fauste, praepara te.» Als sie wieder hervorguckten, sagten sie mit ihren Gesichtern: Ich versteckte mich vor der Musik, weil ich gern Asa foetida schnupfe, um den Satan hernach desto wohlriechender zu finden, habe ich darunten meinen Faust auf meine eigne Faust angeführt. Ich hätte ihnen gern meine Übersetzungen mitgeteilt, aber sie sind mir abhanden gekommen, da ich mich dem Feuerregen, der am Schlüsse des Stücks mehr kühlend und erfrischend auf die Zuschauer, als glühend auf Faust fiel, mit zu großer Erquickung aussetzte, verlor ich sie aus dem Gesicht. Ich habe gleich, um sie aufzufinden, bei allen Hutmachern herumfragen lassen, ob ihnen niemand einen von Schreck gebleichten Felbelhut zum Auffärben zugeschickt habe, aber es war vergebens. Weswegen ich vermute, daß sie ihn etwa selbst als Andenken behalten, oder als Merkwürdigkeit in ein ästhetisches Zeughaus verkaufen wollen. Ich fordere Sie aber auf, ihn zu bewahren, bis das Trauerspiel Berthold Schwarz auf die Bühne kommt, welches sobald sein Verfasser das Pulver erfunden hat, gewiß erscheinen wird. Da dürfte der Hut vielleicht wieder schwarz werden, wenn der Dichter sich anders so aufs Lügen versteht, daß er schwarz wird. Aber ich ahne, sie wollen den Hut dem Dichter des Fausts als seine schönste Trophäe zusenden, damit er ihn zu der Schnupftabakdose lege, die ihm ein moderner Mäzen für seinen Moses gereicht und ihn in seiner Kunstkammer unter folgendem Reim vorzeige
Den weißen Hut hat Faust gebracht,Die goldne Dose Moses,Das heißt Gold und Weisgemacht,Ist das nicht was kurioses!
Ich schlage nun den Weg der Öffentlichkeit ein, Ihnen auf Deutsch wiederzusagen, was sie auf Grimassisch zu mir gesprochen. Sie werden verzeihen, wenn ich ihre ganz neuen oder weniger gebräuchlichen Worte und Wortbildungen hie und da in Noten erkläre, denn diese Noten hatten sie ja auch die Güte, mir immer unter ihre Fratzen zu blinzeln, und zwar so geschickt, daß der Text und die Noten sich abwechselnd kommentierten. Ich glaube, folgendes von ihnen verstanden zu haben.
Treue Übersetzung in Worte, der Gesichter, welche ein imaginärer Unbekannter vielleicht stummer Sprachforscher und Puppenspieler während der Aufführung von Klingemanns Faust zu schneiden geschienen hat.
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1 | O hohe Kunst, die du dich kühn ertraustMit bleiernem Rapier Kernphrasen haustMit Sprachrohr, Weingeist, Geigenharz wauwaustAus transparenten Höllenspiegeln schaust, |
5 | Geripp und Sündenfleisch succubisch traust,Jetzt schafromantisch klönst, parforce dann zaust.Und Hetz, Hetz, Hetz mit Fluch und Greul hinsaust.Hierauf mit Knalleffekt die Sündflut staust,Und daß der Greul, einsiedlerisch verklaust, |
10 | Zu neuer Hetze Luft sich erkahlmaust,Theaterrühreirührend drein miaust,Das steife Höllenleder schabend rauhstKirchhöfelst, mettenierest und karthaußst,Alpliedeist, Heimwehmirest, leichenzügelst, paust, |
15 | Schinkst, Sodest, Lessingst, Göthest, Müllerst, Klingertst, daß es flaußtMathisonirest, Schillerst, Shäkspearst, pfaust,Der Krähe gleich, als Phönix sich gemaust,Schmückst du dein Haupt, daß du nicht ganz erglaust,Ich fürcht', daß du den letzten Trumpf verlauß'st |
20 | Weil du zu sehr mit Flüchen um dich dauß'stBedenke, da du edlen Teig durchpaust,Was jüngst von Bückeburg der Doktor FaustGen Hungersnot und drohn'den schlechten AustIm Reichsanzeiger bieder ausbackbaust; |
25 | «Denk' Vaterland, daß, wenn du langsam kaust,und wiederkaust, viel besser du verdaust,An einer Malzeit zweie dir erknaust.»O hohe Kunst, sag mir, ob du getraust,Den Felbel, den mit Greul du mir ergraust, |
30 | Zu bleichen, wenn die Windmaschin' nicht baust,Die Uhr nicht dröhnt, der Donner hohl nicht saust,Nicht Krisch, Greul, Grimm das Haar zu Berg mir kraust,Nicht devrient, zinnobern, fluchgestraußt,Hohnstarr den (Gott hüt ihn vor ihm) abbaußt, |
35 | So daß Pardon er bat, als man applaust,Zwar juckt den Feind es stets, wo du ihn kraust,Zwar schreiet Weh die Kunst, wo du sie zaust,Doch eine Katze, die so blind dir maust,Gibt Funken nicht, wenn du sie boshaft klaust; |
40 | Sie haut dich wieder. Hohe Kunst, wie schaustZerkrallt du aus, daß es mir vor dir graust,Erröt', wie du vergelbst, vergrünst, verblaust,Gefällst du, sag ich doch, o klinge Mann! Dein Faust,Den du, daß Gift er mische, nur befraust, |
45 | Und also grob gen seinen Pakt verhaust,In dem Unehelichkeit stark war verklaust,Paßt wie die Faust aufs Aug zu Faust genaust.Zwar geht der Faust so leicht dir von der Faust,Wenn du ihn mit Theaterstrick betaust, |
50 | Als alles, was bisher du dir erfaust't,Doch hungr' ich lieber, wo die Weisheit knaust,Und eß ich lieber, wo der Kasperl jaust,Als wo du hohle Kunst im Hautgout schmaust,Und als hätt'st du dein Gut gefunden, baußst |
55 | Ja deine Gäste also bös erbaust,Daß du mit Ekels Angstschweiß sie betaust,Mit Sodbrand kotzebuhlrisch sie benaust,Weil du braunschweiger Mummerei schlecht braust,Wo deutsch der Wittenberger Guckuck braußt, |
60 | Gut Nacht, o Faust, geh' heim, wo du behaust,Hier sei dir heimgegeigt, und gekehraust,Auf jede Antwort aber wird gepaust.
6. Wie ein Schäferroman klönen, langweilig reden. Zauen, eilen. 7. Husauen, den Jagdruf auf der Schweinshetze ausrufen. 8. Stauen, hemmen, stocken machen beim Wasser. 9. Verklaust, in eine Klause verschlossen. 10. erkahlmausen, etwas durch Kahlmäuserei erlangen. 11. rauhen, das Leder durch Aufkratzen erweichen. 14. pauen, wie Kinder weinen, unzufrieden sein. 15. flaussen, Flausen machen. 16. Pfauen, wie ein Pfau stolzieren. 18. erglauen, einen Glaukopf, Glatzkopf kriegen. 19. daußen, den Kartendauß ausspielen. 21. durchpauen, durchkneten. 22. Faust hat vor etwa vier Deutschland im Reichsanzeiger wirklich zu langsamem Kauen aufgefordert. 23. Aust, Augst, von August, in manchen Gegenden soviel als Ernte. 24. Ausbackbausen, mit Bausbacken verkünden. 27. Knauen, nagen. 30. Bausen, blasen. 34. Abbausen, eine Zeichnung, deren Umrisse ausgeschnitten oder durchstochen sind, durch Kohlenstaub, der in einem Bausch ist, auf eine andere Fläche abstauben. 34. Applausen, Applaus geben. 44. Befrauen, einem eine Frau geben. 46. Verklaust, verklausuliert. 49. Betauen, mit Tauwerk, Seilen versehen. 50. erfausten, etwas ergreifen. 53. Jausen, Vieruhrbrot essen. 54. Bausen, saufen, schlemmen. Er baust, als hätte er sein Gut gefunden. Altdeutsches Sprichwort. 57. Sodbrand, Sodbrennen, eine Art Magenübel. Benauen, einem die Luft nehmen. 59. Das Wittenberger Bier hat den Namen Guckuck, Faust wurde in Wittenberg vom Teufel, den man auch Guckuck nennt, geholt. 61. Kehrausen, den Kehraus, letzten Tanz tanzen, oder spielen. 62. Pausen, soviel als Pause machen, schweigen.
Entstanden nach der Aufführung von Klingemanns «Faust» am 12. September 1816 (Boëtius 1985) |