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In der Nacht des 23. Juni 1833 um 5 Uhr morgens wird Berthold Auerbach in München vom Brigadier Staringer verhaftet und bei Neuturmpfleger Vogl eingeliefert.
Polizeiliches Signalement
vom 23. Juni 1833
Geburtsort:
Northstädten.
Stand und Gewerbe:
Studirender.
Wohnort:
Burggasse (bei Weinhändler Stern).
Alter:
20 Jahre.
Gestalt:
klein.
Maß:
5 Schuh 4 Zoll.
Gesichtsfarbe:
gesunde.
Bart:
braun.
Haare:
braune.
Augen:
graue.
Nase:
gewondliche.
Zähne:
gute.
Mund:
gewondlichen.
Sprache:
Wirdenbergische.
Kleidung:
1 brauner Gehrock, 1 Roth Seidenes Schille, 1 Schwarz Beinkleid,
1 Schwarz Seidenes Halsduch, 1 paar Halbstiefel, 1 schwarzer Hut.
Summarisches Verhör
mit dem wegen der Tübinger Burschenschaft inhaftirten Studirenden Bertold Auerbach, abgehalten d. 23. Juni 1833. im Neuthurme Nachmittags 3. Uhr, in Gegenwart des K. Kreis- und Stadtgerichts-Raths v. Steinsdorf und des ad criminalia verpflichteten Aktuars Hörmann.
Den Angeschuldigten hat man zuvörderst ermahnt, in allem die Wahrheit zu sagen und auf die ihm vorzulegenden Fragen bestimmt und deutlich zu antworten.
Persönliche Fragen:
1. Vor- und Zuname?
ad 1. Bertold Auerbach
2. Alter?
ad 2. 20. Jahre seit 28. Februar d. J.
3. Religion?
ad 3. israelitischer Religion
4. Eltern u. Geburtsort?
ad 4. Meine Eltern leben noch und der Vater ist Handelsmann zu
Nordstetten, OA-Gerichts Horb, wo ich auch geboren bin.
5. Stand?
6. Gewerbe?
ad 5. & 6. Ich habe bisher Philosophie und Philologie studirt
und kam hieher, um Theologie zu studiren.
7. Vermögen?
8. Ob und mit wem verheirathet?
9. Ob und wieviele Kinder?
10. Ob schon einmal verhaftet, oder in Untersuchung gewesen, wo
und warum?
ad 7-10. Verneinend.
11. Wohnort?
ad 11. Dahier in der Burg-Gasse Nr. 9.
bei Weinhändler Stern wohnhaft.
12. Wo sich zuletzt aufgehalten?
ad 12. Ich wurde heute Morgens nach 5. Uhr
aus meiner Wohnung abgeholt.
Specialia:
13. Verhafts-Ursache?
Ich kann mir gar keine denken.
14. Seit wann und wo haben Sie studirt?
Ich habe zwei Jahre am Gymnasium in Stuttgart zugebracht und
bin im Monat Mai 1832. an die Universtät Tübingen. Von da kam
ich am 29. April d. J. direct von Tübingen an hiesige Universität.
15. Haben Sie sich zu Tübingen zu irgend einer Gesellschaft gehalten
und zu welcher?
Ich habe mich niemals um Studentensachen bekümmert, hatte nur
mit einigen Wenigen meist Glaubensgenossen von mir z. B. den
Dr. Philos. Frankfurter aus Oberdorf und Jude Hänlein aus
Lerensteinsfeld, damals noch zu Tübingen, Umgang gehabt.
Da ich sowohl in Tübingen als hier mittels eines
württemberg'schen Staats-Stipendiums studire, so war
schon dieses ein Grund, warum ich mich von allen
Studenten-Gesellschaften entfernt hielt.
Ich kann auch wirklich von dem Bestehen von
Studenten-Gesellschaften nicht einmal die Namen angeben,
da ich in dem eine Stunde von Tübingen entfernten
Orte Wankheim bei Israeliten Kost nahm, um mir in
ritueller Beziehung einen guten Namen zu machen.
16. Was haben Sie hier für Umgang gehabt?
Hier gieng ich meistens mit meinem Vetter Emil Auerbach,
auch aus Nordstetten, Umgang gehabt. Er wohnt in der
LandwehrStraße. Ausser ihm gieng ich mit Landauer,
Berliner und dem bei Berliner wohnenden Wertheimer, lauter
israelitische Studenten.
17. Was haben Sie in Tübingen und hier gewöhnlich für
Gasthäuser besucht?
Hier besuchte ich gewöhnlich das Kaffeehaus von
Baumgarten, in Tübingen kam ich überall herum.
18. Hat sich Ihr Vetter Emil zu einer Studenten-Gesellschaft gehalten
und zu welcher?
Ich glaube nicht.
19. Kennen Sie die Studenten Kaula, Arnold, Stirner, Frasinelli und
Mögling und Böhringer?
Den Kaulla kenne ich, er ist aus Stuttgart, auch Frasinelli ist
mir bekannt, er hat einmal bei mir im nämlichen Hause logirt;
wir kamen aber wenig in Berührung, da er viel Geld zu Suiten
hatte, ich aber nicht.
Einen Behringer, der früher hier studirt hatte, kenne ich auch,
weil ich ihm, ehe ich hieher gieng, Schuberts und Baders Werke
abkaufen wollte, die er mir aber zu theuer bot. Er ist evangelischer
Theolog. Es ist übrigens noch ein Behringer in Tübingen
gewesen, den ich öfters nennen hörte, der aber nicht mehr
in Tübingen seyn wird.
20. Wenn Sie sich auch nicht um Studenten-Verhältnisse
bekümmerten, haben Sie nicht doch die Namen der bestehenden
Studenten-Gesellschaften oder die Farben kennen gelernt,
welche sie trugen?
Namen weiß ich nicht, aber Bänder habe ich von allen
Farben gesehen, nämlich schwarz, weiß, roth,
grün-roth-gold und andere.
21. Waren Sie während der letzten Weihnachtsferien in Tübingen?
Ich war mit Ausnahme des Neujahrstages in Tübingen, den
NeujahrsTag selbst war ich in Stuttgart, weil mir Dr. Weil,
Sekretär der israelitischen Kirchenbehörde schrieb,
daß ich meines Stipendiums wegen, um das ich damals
eben nachgesucht hatte, nach Stuttgart kommen solle.
Den Tag vor Neujahr gieng ich von Tübingen nach Stuttgart
und den 2. Jänner gieng ich wieder dahin zurück.
Am Neujahrtag selbst war ich bei O-Regierungs-Rath
Schmidlin und hielt mich gröstentheils hei Dr. Weil auf.
22. Waren im December v. J. Studenten fremder Universitäten
in Tübingen und welche?
Ich habe nichts von solchen fremden Studenten gehört oder gesehen.
23. Haben Sie in Tübingen nichts von einer sogenannten
Burschenschaft gehört?
In Tübingen selbst habe ich nicht davon gehört, aber
unlängst habe ich in der allgemeinen Zeitung gelesen, daß
eine solche dort existire.
24. Haben Sie in Tübingen Studentenfarben am Band oder
Mütze getragen?
Nein.
25. Auch Ihr Vetter Emil nicht?
Ich weiß es nicht, da in Tübingen weniger mit ihm
zusammenkam, als hier, theils weil er Mediziner ist, theils weil ich
dort mehrere gute Bekannte hatte, als hier.
26. Wie haben diejenigen, welche die Vornamen von Ihnen und
Ihrem Vetter nicht wußten, Sie unterschieden?
Man unterschied uns durch die Prädikate der große u. der kleine.
27. Wer ist der Ältere oder Jüngere von Ihnen beiden?
Ich bin im Februar und er ist im October 1812 geboren, wenigstens
glaube ich so, jedenfalls ist er einige Monate jünger als ich.
28. Hat man Sie auch den Ältern und ihn den Jüngern genannt?
Nein, denn weil ich der Kleinere war, so ließ ich es immer
nicht gerne wissen, daß ich älter sey.
29. Haben Sie sonst nichts rnehr anzugeben?
Nein; nur weiß ich nicht, wie ich zu einem Arrest komme.
Vorgelesen, bestätigt und unterschrieben mit dem Beisatze:
Ich glaube, daß die Studenten, welche schwarz, weiß-rothe-Bänder
trugen Schwaben – und die mit grün roth goldnen Franken
genannt wurden.
Ich glaube auch eine Zeit lang schwarz roth goldene
Bänder gesehen zu haben, ich erinnere mich aber keines Namens,
den sie gehabt hätten, sondern man hielt sie nur für die
liberalen Studenten. Ein Näheres weiß ich aber hierüber
nicht anzugeben.
30. Können Sie keine Studenten nennen, welche zu den sog.
Liberalen gehörten?
Diejenigen, welche ich kannte, waren meines Wissens nicht
darunter, wenigstens trugen sie keine Bänder; ich [sah]
auch nur ganz kurze Zeit im vorjährigen Sommer solche
Bänder tragen.
31. Haben auch Frasinelli, Ihr Vetter Emil und Behringer keine
solche Bänder getragen?
Ich kann mich nicht erinnern, diese Farben an Bändern
oder Mützen bei ihnen gesehen zu haben.
32. Haben Sie nichts weiter mehr anzugeben, auch in Beziehung auf
Behandlung und Verpflegung?
Ich habe nichts mehr beizusetzen und bitte nur, daß ich
Bücher erhalte.
Vorgelesen und zur Bestätigung unterzeichnet
Berthold Auerbach th. std.
Geberden:
Deponirte ganz erschrocken und timid, ist sehr klein
und unansehnlichen Körperbaues, hat auch gar kein
studentenhaftes Aussehen.
K. Kreis- u. Stadt-Gericht . . .
München
v. Steinsdorf.
Hörmann.
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