BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Bettine von Arnim

1785 - 1859

 

Armenbuch

 

Entwürfe

 

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< Das sogenannte Nachwort >

< Vierte Fassung >

 

Wenn Wir anerkennen es sei der Menschheit höchster Zweck in die Weisheit zu erblühen des Gemeingeistes, und seine Früchte zu reifen, so ist zu muthmaßen das Paradies sei die Stätte gewesen des freien Geistes. Wo sind nun seine Trümmer und wo der Abgrund der es verschlungen hat?

Die Bibel erwähnt eines zwiefachen Paradieses, eines himmlischen Aufenthalts der Seelen nach dem Tode; – Friedrich der Große nannte Schlesien sein Paradies; – Sollte dort der Untergang jenes irdischen Paradieses anzunehmen sein, in welchem nach der Bibel die ersten Menschen wohnten? – Diese Voraussetzung liegt im Feld der Wahrscheinlichkeiten. Hat das Paradies dort die Menschheit in seinem Naturschooß gehegt, so ist dem Stand der Dinge nach dies Lustgefild der Unschuld untergegangen. Die jezigen Bewohner sind gewahr worden daß ihr Waitzen dort nicht blüht ihrem Elend kann nur durch göttliche Eingebung gesteuert werden Darauf harren die armen Schlesier schon lange und sind vor Harren schier ganz vertrocknet; Woraus zu folgern daß sie von jenen Menschen abstammen die Gott mit eignen Händen aus Thon gemacht hat aus dem man Töpfe formt die im Verbrauch hin und hergestossen in nutzlose Scherben zerbrechen, auch ist Nachricht aus Schlesien der ganze Haufen Menschenelend sei dort nicht höher zu achten als ein Scherbenberg und nicht mehr zu benützen.

Die Nacktheit war im Paradies das Gewand der Unschuld wie Gott sie erschaffen hatte. Dem Alles durchschauenden Auge Gottes gilt keine Verhüllung, und am eignen Werke kann er nicht Ärgerniß genommen haben. – Nun geht aber der Schlesier heute noch so, daß noch andre Augen als der göttliche Scharfblick durch die Lumpen dringen die seine Blöse decken. Wie könnte dies der arme Hungerleider ertragen wärs nicht der eingeborne paradiesische Naturschlendrian der ihnen durchhilft. – Im vorigen Jahr kamen zwei Knaben über das Hochgebürg mit einem Schlitten voll Holz durch den Schnee, der eine zog den Schlitten der andre drückte ihn vorwärts, beide hatten keine Hemden an aber auch keinen Wamms und keine Hosen! – Was hatten sie denn sonst an? – Der eine war versehen mit den Stiefeln des Vaters der andre mit seiner Pelzmütze die ihm bis auf den Nacken ging. Fror der eine an den Füssen, so wechselten sie und der andre der an den Ohren fror nam die Mütze. So gings fort durch den Schnee ein paar Stunden weit, bis sie glücklich nach Hause kamen. Denselben Weg kam ein Vater mit seinem nackten Kind auf dem Arm auf dem andern den Hund der das Kind mit seinem dichten Pelz wärmte, waren seine Gliederchen auf der unbedeckten Seite erstarrt, so wechselte er ihren Platz. –

Es ist zwar nicht christlicher Gebrauch unbekleidet zu gehen, man sollte aber aus der Noth eine Tugend machen und 70 000 Seelen in Lumpen die der Wind ja doch auseinanderweht, erlauben nach Paradiesischer Art zu gehen um das Winterzeug zu sparen; da bei den Völkern der Nacktheit, auf den rauen Winterwind nicht gerechnet war, der jezt durch die Lücken des eingestürzten Paradieses eindringt und sein freches Spiel mit ihnen treibt. –

Auch hat es ein geschichtliches Intresse, im 19ten Jahrhundert nach Christus in mitten eines christlichen Staates, solch unbekleidet Volk zu haben, das während des Sonntaggeläutes, vor der Tempelwallenden Christenheit sich verkriechen muß, nach Art ihres Stammvaters Adam der seine Blöse vor dem Herrn verbarg. – Die Christliche Vollmacht der Bevorrechteten trit hier in die Rechte göttlicher – Inquisition: – Schlesier wo bist du! und der Schlesier reißt aus vor der drohenden Stimme des Patrimonialgerichts, wie Adam dem Fluch Gottes auswich, der noch heut zu Tage auf dem armen Schlesier lastet daß der Acker ihm nur Dorn und Distel trage. Und Gott rief dem fliehenden Adam nach, er solle sein Brod essen im Schweiß seines Angesichts. – Gern würde der arme Schlesier sich dem unterziehen, Allein – wo ist das Brod? – Im göttlichen Verhängniß ist also das Anrecht der vertriebnen Paradiesbewohner an das Tägliche Brod unwiederleglich beurkundet. Sollte nun der Schlesier wircklich der rechte Adamitische Abkömmling sein, wie ist es da zu rechtfertigen daß dies Gebot nicht in Erfüllung gehe? – Und wie soll der Schlesier es zum Schwitzen bringen? nackte frostige Leute so dürr wie Holz schwitzen nicht leicht. Gott wußte das und machte ihnen Röcke von Fellen, mit eignen Händen

Nach Art des ersten Elternpaares das nie versucht haben würde in der Welt sich umzusehen, hätte der Engel mit dem feurigen Schwerdt sie nicht auf die Beine gebracht, will auch der arme Schlesier von seiner Scholle sich nicht trennen Das Paradies hat anziehende Kraft so tief auch die Trümmer seiner Herrlichkeit einstürzten.

Eine beinah überzeugende Wahrscheinlichkeit liegt darin daß dem feurigen Schwerdt zu widerstehen auch des Schlesiers Sache nicht ist, da sie von dem Verwalter der Dominialvergnügten sich von Haus und Hof lassen jagen woraus zu schließen, daß jenes große feurige Schwerdt des Cherubim mit dem er den Weg zum Baum des Lebens bewahrte, Zweifelsohne bei dem Sturz des Paradieses zersplitterte und die Splitter zu Patrimonialgerichtswaffen seien umgeschmiedet, wofür abermals ein sprechender Beweiß, die ungeheure Willkühr mit der diese Waffe geführt wird.

Bei Naturumwälzungen ist nicht anzunehmen, daß sie total das Unterste zu Oberst kehren, vielmehr wird beim Zusammensturz mehrerer Brocken, einer den andern im Fallen aufgehalten haben, so daß die projectirte Umwälzung nicht ganz zu Stande kam, und also die Fruchtbare Seite theilweise noch oben geblieben sein mag, ganz übereinstimmend mit Schlesien wo die Trümmer fruchtbarster Üppigkeit mitten aus dem Elend hervorragen deren Benützung eben so jenen armen Schlesiern vorenthalten ist als ob der Fluch der Schlange auf ihnen Laste. Warum hätte auch damals die Schlange ihre Verführungskünste angewendet, wenn sie nicht wollte den Menschen seines göttlichen Erbes berauben und durch die Bannformel der Erbsünde ihn auch gerichtlich desselben als Verlustig erklären So ist also der Eden ein Göttliches Gnadengeschenk der Menschheit in den Hauptbesitz übergegangen der Schlangenbrut jener ersten Schlangen Mutter, welche die Mutter der Menschheit verführte, und dadurch ihren echten Sohn den armen Schlesier um sein Erbe gebracht, der es ihr düngen muß mit dem Schweiß seiner bitteren Mühen von denen erndet er nur die Frucht der Onmacht durch Krankheit und Hungersnoth die Schlangenbrut aber hat den Genuß davon. – Wie Gott wegen dem Biß in den wurmstichigen Apfel dies zulassen konnte das ist der Erbsünde unergründlichstes Mysterium. Im Kloster, wo ich erzogen bin, sind diese Religionsmysterien in ursprünglicher Einfalt zur Belehrung und Beschwichtigung etwanniger Religions und Kirchenzweifel an hohen Feiertagen aufgeführt worden. Am neuen Jahrestag fand die Exibition statt, vom Fall des ersten Menschen; ich hatte auch eine Rolle dabei, und weiß daher von der List des Teufels zu sagen, mit der er es dahin brachte, daß Gott den Fluch der Erbsünde über die Adamskinder aussprach. – Die Handlung geht vor am Ruhetag nach Erschaffung der Welten. Das feierlichste Fest an welchem Gott sich seiner Schöpfung freute und sah daß alles was er gemacht hatte gut war, mußte nun grade die Unwürdigkeit mit dem angebißnen Apfel vorgehen. Der Teufel agiert bei so feierlichen Gelegenheiten als Kammerdiener der höchsten himmlischen Herrschaften, so muß er den Gottvater auf dem Theater frisiren wobei er ihn sehr rupft (was ihn schon ärgerlich stimmt) und zugleich mit magischen Einflüstrungen ihm Gedanken eintrichtert auf die er von selbst nicht gekommen sein würde. So rührt die Flucht aus dem Paradies vom Teufel selbst her, dessen Großmutter einstweilen, die armen Erstgeschaffnen in Träumen göttlicher Allwissenheit wiegte die sie durch den Genoßnen Apfel gewinnen sollten. – Wie klug! – grade mit Vorspieglungen sie ins Elend zu stürzen, von dem einzigen Mittel ihres Heiles. Nemlich der Geist der Freiheit und des Bewußtseins. – Also vom Baum der Erkenntniß hast du Adamskind gespeißt? – Sieh wie dirs Bekommt und hüte dich! Ein geschlagnes Kind fürchtet die Ruthe, ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Der arme Fluchbeladne begiebt sich aller Gewalt sich selber zu helfen; So hat es die Schlange eingefädelt.

zweifelt Ihr an dem Vorgang solcher Intriguen in den erhabensten Sphären so studiert die Geschichte, beobachtet das Treiben um irgend einen Weisheitsvollen Fürsten unserer Tage, wie der um seinen Willen betrogen wird, wie seine Stimmung erst gereizt dann benüzt und regiert wird durch falsche Einflüstrungen. Gerupft wird er ohnehin immer frisirt oder unfrisirt aber freilich unter dem Vorwand ihn schön zurecht zu frisiren für die himmlische Parade rupft ihn der Teufel am aller unverschämtesten, darüber braucht der Monarch nicht sich zu entsetzen, da ja der Teufel, den Gott selbst zum Spiel seiner Prellereien macht, und mit falschen Einflüstrungen, ihm mehr als eine Kabinetsorder seines Göttlichen Unwillens abgezwungen. Da, leider – ein göttlich Wort unwiederruflich ist, wie leider – ein königlich Wort auch, so war leider, bei der Gutmüthigkeit des Herrn Himmels und der Erden, auf nichts anders sich zu vertrösten, als nur auf den Engel der seine Befehle auszuführen hatte und wohl zu unterscheiden wußte was der Teufel den göttlichen Absichten und Befehlen für falsche Auslegungen untergeschoben hatte. Dieser Engel, der Genius der Menschheit, rief ihnen in ihre Verbannung nach: Mensch hilf dir selbst so hilft dir Gott. Ein Spruch himmlischer Weisheit, der des Teufels Verrath an der Menschheit vollkommen niederschlägt. Womit auch die Exibition im Kloster endigte. Der Teufel zog mit Gestank ab, was Gott an dem feierlichen Tag, wo er nur Weihrauch Duft einzuschlürfen gedachte emfindlich gegen ihn stimmte. Und der Engel behielt recht. – Hilft der Mensch sich selber, so ist die göttliche Allgewallt geborgen die der Teufel untergraben will. Eben so würde die Macht der Könige unerschütterlich feststehen hätte der Mensch so viel Luft sich selber zu helfen, denn nur weil er daran ersticken muß, das macht vor Angst ihn Tollkühn. Und das ist eben der Hacken daß an der Seite der Könige kein guter Genius aufkommen kann vor dem Teufel der ihn als Demagogen verschreit, oder als Narren oder Gimpel Pinsel Tropf mit überspannten Ideen, und aber mit dem gepanzerten Heere der Vorurtheile den Herrscher in Gefangenschaft hält, und so ihn den Zeitverhältnißen und der Tageshellen Wirklichkeit gänzlich entrückt. – Der Gott der Welten läßt den Teufel mit sich spielen; aus Kunstgenuß an seiner Pfiffigkeit der Selbsthülfe läßt er von ihm sich abgewinnen, was er der Mühseligkeit die sich nicht selbst helfen mag und immer nur auf ihn sich verläßt, nicht gewährt. – Und während der Gott vom Teufel Schach sich bieten läßt, wendet der Menschheit Genius, der Träger Göttlicher Großmuth des Teufels List zu ihrem Besten an, und trägt so in höherem Sinn den Sieg davon. Wenn aber der Teufel Schach bietet den Königen der Erde wenn da der gute Genius nicht Macht hat, dann hat die Schlechtigkeit und Boßheit gewonnen Spiel.

Denkt Euch den Vorhang zwischen Volk und Fürst Etikettenmässig herabgelassen wodurch die allein seeligmachende Unmittelbarkeit zwischen beiden aufgehoben ist, und denkt Euch jene allzeit fertigen Ausleger welche die Kunst des Weißmachens treiben, alle Bewegung Geschrei und Lärm hinter dem Vorhang gut motivirt in wechselnden Erscheinungen eilfertigst hinpinseln.

 

Ihr sollt den Teufel an die Wand nicht malen

Aus Furcht daß er das Licht Euch dazu halte

Und statt Euch Eure Teufelsmüh zu zahlen

Mit listcher Blendung Euch selbst an die Wand was malte

 

Zum Beispiel: Wie wenn einer jezt auf des Königs Frage: Herr President wie steht es mit meinen armen Adamiten? – ihr Elend über alle Beschreibung groß, gänzlich wollte läugnen, als eine erfundne Fabel als falschen Lärm an den Vorhang hinpinselte, mit etlichen starken Schraffirungen von plausibeln Beweißgründen seine Pinselei hervorhöbe als zum Beispiel: «Weil die Steuern unbeigetrieben einkommen, weil sie im vorigen Jahr schon eben so arm waren, weil sie im vorvorigen noch ärmer; und haben ja immer sich durchgeschlagen.» Könnte nun der gute Genius das Regiment des Teufels bändigen, die Fackel zünden und hinter den Vorhang leuchten so würde bald erhellen, daß die Steuern unbeigetrieben einkommen aus furcht vor den Gerichtskosten und aus Furcht vor Gefängnißschmach. Daß der Mann der mit Frau und Kind will leben die Woche drei Groschen sechs Pfennige verdient und 3 groschen 9 Pfennige Abgaben hat daß dieser um die Wette mit den seinen betteln geht um den fehlenden Dreier noch hinzuzuthun, nun das geht, er bettelt den Wucherern ab was er ihm tausendfältig wieder verdienen muß. – hier geht der Seegen des Bettlers Vergelts Gott tausendfach durch ihn selbst auf eigne Kosten in Erfüllung, denn daß er sein darbendes Leben so fortschleppt und nicht ganz verschmachtet, daß muß er tausendfach durch seiner Hände Arbeit dem Wucher einbringen, der zieht seine Berechnung zwischen Gewinn und Verlust, und bringt dabei sein himmlisches Verdienst in Anschlag das kein Teufel ihm bestreiten wird, der macht ihm noch eine Auslegung dazu wie sie zum Handhaben des Regiments dort paßt, denn wollte man Gehör geben dem Jammergeschrei von 70 000 Kehlen, man wär seiner Sinne nicht mächtig. So werden Angelegenheiten und Ungelegenheiten der Zeit im Bette des Procrustes zurecht gerückt und mit Trost und Beweißgründen an die Wand gemalt und alle Cabinetsordern gehen aus dem Kabinet der Schildereien hervor wozu der Teufel das Licht gehalten, sie verbreiten ein narkotisches Helldunkel mit gemalten Ansichten träumerisch hinhaltend, aber einmal wenn das Blendwerck verlöscht ist und die Wahrheit durch den entzauberten Vorhang dringen wird, wie wird dann der Teufel, Euch seinen Malergesellen Lohnen? – als nur, womit Ihr wuchert, mit der Macht seines Betrugs.

Red ich zur Armuth so red ich zum Volk, denn keiner ist Arm der nicht zum Volk gehöre. Ihr vielen Armen wo ist der Rathgeber, der die Chimäre Eures Elendes wie trägen Nebel zertheile der Euch aus Eurem Arbeitsschacht heraufbeschwöre ans Licht, und aus dem Darrofen des Leibes Euch hervorziehe aus der Spinnschule der Lachesis die Euren Lebensfaden abreißt wenn er zu dünn wird für das grausame Staatsgewebe des Wuchers. Denn das Paradies des freien Geistes der allein es zu lösen vermöchte das ist nicht mehr! – Denn die Sinnenbetäubte Armut die Tag und Nacht den Dornenpfad wandelt der Erbitterung über ihr Elend, und mit überreizter Spannkraft sich durchzureissen arbeitet,die kann nicht frei denken, sie hängt stöhnend am Vaterlandsboden der ihr keine Frucht bringt aber sie fluchet ihm nicht, sie stürzt schuldlos in den Abgrund. Über den hinüber fragt Ihr Behörden Gemeinnütziger Wissenschaften, Ihr Autoritäten des Vaterlands.

 

Ob die Klage über zunehmende Armuth gegründet sei

Was die Ursachen und Kennzeichen sind der Verarmung

Durch welche Mittel einer zunehmenden Armuth könne

gesteuert <werd>en?

 

Diese Fragen welche die Noth des Augenblicks gleich Hirngespinsten übergehen werden eben so blöde eben so schnöde von einer unterthänigen Antwort übergangen. Durch die Nebel ihrer Vorurtheile ihrer hochmüthigen Philosophie bricht keine Spur lebendiger Geisteswirkung hervor, und zulezt entsteht noch die Frage ob nicht dies Verhängniß des Armen eigne Schuld sei! – Ein Beweiß wie Unnütz Ihr fragt.

Die Schuld von sich abwälzen, Und was zu verbieten ist, das versteht sogar der Teufel, aber das Elend auf sich nehmen, und das rechte Gebot thun, das bekundet die reine Gewalt des Genie's. Der Teufel vertheidigt selbst, und verwahrt sich gegen alles Mißlingen. Dem Hochmenschen, sobald er andre zu schützen hat wie sich selbst wächst der Vertheidigungsmuth, und er steht auf seiner eignen Magna Carta Denn wer die Kraft besitzt, hat das Gefühl derselben

Wer ist des Staates Unterthan? Der Arme ists! – Nicht der Reiche auch? – Nein denn seine Basis ist Selbstbesitz, und seine Überzeugung daß er nur sich angehöre! – Den Armen fesseln die Schwäche die gebundnen Kräfte an seine Stelle. – Die Unersättlichkeit, der Hochmuth, die Usurpation fesseln den Reichen an die seine. Sollten die gerechten Ansprüche des Armen anerkannt werden, dann wird er mit unzerreißbaren Banden der Blutsverwandschaft am Vaterlandsboden hängen der seine Kräfte der Selbsterhaltung weckt und nährt, denn die Armen sind ein gemeinsam Volk, aber die Reichen sind nicht ein gemeinsam Volk, da ist jeder für sich, und nur dann sind sie gemeinsam wenn sie eine Beute theilen auf Kosten des Volkes. –

Dem Armen kommt es nicht drauf an ob Saturn regiere oder Mars oder Jupiter, aus dessen Haupt die geharnischte Minerva sprang; er fügt sich dem regierenden Planeten, der am unerreichbaren Himmel über ihm aufgeht, wie er der Witterung sich fügen muß. Stürme Überschwemmung Dürre, alles fällt auf des Armen Haupt, sie stählen seinen Muth, wenn er fühlt daß er auf seine Kräfte sich verlassen darf. Giebts Pest und Hungersnoth, er arbeitet sich durch, er ist der Ausdauer gewohnt. Giebts Krieg so ist er der schützende Wall, er läßt sich berauben seiner Mühen und Fähigkeiten zu Gunsten der Reichen. Sein Wille ist unterjocht die Rechtspflege ist ihm mit Dornen verhackt, er kann sich nicht erwehren ihrer Willkühr, die Aegide der Gesetze hält ihm ihr grauenhaftes Antlitz entgegen vor dem die Unschuld wie die Schuld sich entsezt; seine Menschenrechte sind dem Staat Illusionen, seine Hoffnungen sind erschöpft längst erstorben er lebt aus mechanischem Naturtrieb, nicht aus Geist und Bewußtsein, seine Anlagen sind erstickt, was sich durcharbeitet an Verstand und Begriff das wird von jener Aegide gleich versteinert! – Doch soll der Mensch nicht allein sich selbst emporschwingen sondern somit der ganzen Menschheit emporhelfen Dazu liegen die Keime in ihm er hat es bewiesen an seinem Vaterland, er hat seinem Herrscher sich gelobt, wollte er nicht sich fügen wollte er murren er würde zum Richtplatz geführt. Daß er aber die Vaterlandsgeschicke trägt mit seltner Ausdauer, daß er dies undanckbare Vaterland schüzt, aus Gefahren es rettet, daß er sein Leben seine Gesundheit dem Gemeinen Besten hingab, ohne eigennützige Sorge der Zukunft, wer von denen die des Vaterlandes Crisen miterlebten wird es läugnen. Die Dotationen der Dankbarkeit fielen nicht dem Armen zu. beraubt des unentbehrlichen stürzt er ins Elend.

Aus dem plaunischen Grund wollte ein mitleidiger Vicepresident die Armen lezt herübernehmen um an der Eisenbahn zu arbeiten, zwischen Leipzig und Hof, sie hatten die Wegsteuer nicht, die 3 Meilen herüber mußten sie transportirt werden, sie konnten keinen Spaten in die Erde bringen der Vicepresident wollte sie ausfüttern, aber die Actionairs, fragten Herr Vizepresident wo bleiben unsre Actien? – so wurden sie wieder hinübertransportirt ins Elend. Ja wie kann auch so ein Ritter vom eisernen Kreuz, den Spaten in die Erde bringen dessen Spinnfinger so dünn ist daß der Knochen wie am Grippe sich zeigt, was nicht ohne Schauder anzusehen ist sagte mir der Fürst Karulath der eben mit mir über das Schlesische Elend sprach. – Wie ist das doch? – Der Arm der mit dem Säbel die Vaterlandsgeschicke wenden half, der hat einen so dünnen Spinnfinger, alle Kraft verschwunden und kein Brodt! – Ritter vom Eisernen Kreuz du stehst so elend da! – Du bist Ritter du bist kein Eximirter! Der Verwalter des Dominiums kann dich züchtigen wenn du mit deinem Spinnfinger nicht das Schutzgeld mehr erspinnen kannst! – Wie heisest du? – «Ach unserer sind Viele; Wir heißen Alle, Arme Leute! – Menschen des Elends. Unsre Blüthe war als Wir für das Vaterland dienten und durften für unsern König das Leben aufs Spiel setzen und für seine Nachkommen und konnten jubeln wenn der feindliche Kugelregen durch unsre Glieder fuhr und die er weg riß die riefen noch im Tode Victoria.» Hier zu Waldenburg in der Kaufhalle sitzen die armen Leute mit ihrem Gespinnst, da kommt der Kaufherr aus Mitleid hat er sie herbestellt er heißt Kramsdard; er möchte gerne es ihnen abnehmen aber der unhaltbare ungleiche Faden giebt keine brauchbare Leinewand. Wie kommt es daß Ihr so schlecht arbeitet; Das ist die Liederlichkeit und der Müssiggang hättet Ihr eben so gut gearbeitet wie sonst, so konnte Euere Waare nicht so herabkommen. Er kann Euer Gespinst nicht brauchen er will es nicht. Da jammert Ihr, da flehet Ihr die Angst ohne Mittel nach Hause zu kommen, wo so viel Verschmachtende auf Euch harren, aus Mitleid will er es denn abnehmen. Da habt Ihr einen viel zu hohen Preiß aus Mitleid! nur da all Eure Arbeit Mist ist! – Die Leute schreien auf sie wollen die Arbeit nicht hergeben für gar kein Verdienst, sie müssen wohl, ein Zeichen in der Leinwand von der Hand des ersten Bieters weist die Käufer auf das erste Gebot an. sie bleiben alle dabei. Also all Eure Arbeit vor anbrechendem Tag und spät in die Nacht und Eure Glieder abgezehrt und konntet Euren Hunger nicht stillen. Es hat den Pfennig zum Oel auf die Lampe Euch nicht eingetragen! – Eure Glieder vertrocknet aus Mangel, und man wirft Euch Liederlichkeit und Müssiggang vor; daß ein vertrocknetes Glied untauchlich ist zu guter Arbeit! der geschwächte Arm des Kriegers mit dem eisernen Kreuz den faden nicht mehr gleich und haltbar drehen kann aus Hungersschwäche aus Nerven Reitz des abgezehrten Fingers das fällt Euch nicht ein Ihr mitleidigen Käufer! Aber was macht Ihr mit diesen Arbeiten der Noth und des Mangels. Düngt Ihr Euer Feld damit? – Ja wohl ein Feld wo Milionen drauf anwachsen

Der vornehme Mann der mir dies erzählte sezte hinzu, «ich möchte den Jammer nicht noch einmal mit ansehen als Kramsdart sein Gebot that und alles die Hände rang und laut jammerte, noch herzzerreissender als da er ihnen erst es abgeschlagen hatte, jezt war's ausgesprochen mit dem Gebot, keine Hülfe mehr für die Zukunft als nur langsamer verschmachten, der Vater mit den Kindern. – Ein freund der Armen trit in die Hütte wie der eben das Brod austheilt die Kinder umringen ihn sie haben den kleinen Theil schon verzehrt, sie langen nach dem andern Theil, aber das Brod ist ja schon zur Hälfte verzehrt, er darf nichts mehr geben sonst haben sie Morgen nichts, sie weinen der Reitz des Hungers ist so groß sie wollen gern Morgen fasten wenn er ihnen nur heute das andre auch noch giebt der Vater kann nicht er darf nicht, denn wenn sie Morgen nichts zu essen haben so können sie nicht arbeiten das Weifen und Spulen und Weben zehrt ab. er wird zornig daß er ihnen versagen muß und daß es ihm das Herz zerreißt! – aber der Freund der Armen sagt: gebt ihnen das Brod noch, ich will Euch für Morgen ein anderes kaufen. Da weinen sie alle und essen das Brod unter Thränen bis auf den lezten Bissen! – Was ists daß sie Weinen mußten, um der Mildthat willen? – Ach das Mitgefühl hatte sie angesteckt, sie mußten darum weinen daß einer Mitleid mit ihnen hatte. Diese Menschen alle. Gott hat ihnen kein geistig Organ versagt. Was man mit den Sinnen ergreifen kann, als Nahrung der Geistes Entwicklung dazu sind sie geeignet! sie sind nicht schwach von Sinnen sie hören fühlen und sehen wohl. Und doch sind sie so dumpf so unwissend, sie lassen sich ängstigen! Ach die Hungerwüsten des Leibes erzeugen Verwesung des Geistes und böse Giftpflanzen der Unsittlichkeit wo die Hoffnung ausgerottet ist da kann keine Tugend mehr aufkommen! Unbesiegliches Geschick erstickt den Muth. so verwesen Anlagen Begriffe und Energie. Und alle höheren Geisteskräfte die aus dem Selbstgefühl entsprießen und aus der Geistesmacht? – wo bleiben diese? Nemlich der Enthusiasmus und seine Offenbarungen ungehemmt vom Gesetz! Der Instinckt diese frei schwebende Magnetnadel, ein sicherer Kompaß! Aber gehemmt vom Gesetz muß sie falsch zeigen, bousole affolée, bethörter Wegweiser! Also Ihr Armen Euer Begriffsvermögen Eure Anlagen sind ein Ort der Verwesung! – Blödsinnigkeit das ist Geistesverwesung Blendwerk dies macht Euch zu Sclaven der Lüge und Heuchelei! –