Christoph Martin Wieland
1733 - 1813
Musarion oder die Philosophie der Grazien
1768
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)) 1 (( |
Musarion.
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Erstes Buch.
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)) 3 (( | In einem Hain, der einer Wildniß glichUnd nah' am Meer ein kleines Gut begrenzte,Ging Fanias mit seinem Gram und sichAllein umher; der Abendwind durchstrich |
5 | Sein fliegend Haar, das keine Ros' umkränzte;Verdrossenheit und Trübsinn mahlte sichIn Blick und Gang und Stellung sichtbarlich,Und was ihm noch zum Timon 1) fehlt', ergänzteEin Mantel, so entfasert, abgefärbt |
10 | Und ausgenützt, daß es Verdacht erweckte,Er hätte den, der einst den Krates deckte,Vom Aldermann der Cyniker geerbt. 2)
Gedankenvoll, mit halb geschloßnen Blicken,Den Kopf gesenkt, die Hände auf dem Rücken, |
15 | Ging er daher. Verwandelt wie er war,Mit langem Bart und ungeschmücktem Haar,Mit finstrer Stirn, in Cynischem Gewand,Wer hätt' in ihm den Fanias erkannt,Der kürzlich noch von Grazien und Scherzen |
20 | Umflattert war, den Sieger aller Herzen, |
)) 4 (( | Der an Geschmack und Aufwand keinem wich,Und zu Athen, wo auch Sokraten zechten, 3)Beym muntern Fest, in durchgescherzten NächtenDem Komus bald, und bald dem Amor glich?
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25 | Ermüdet wirft er sich auf einen Rasen nieder,Sieht ungerührt die reitzende NaturSo schön in ihrer Einfalt! hört die LiederDer Nachtigall, doch mit den Ohren nur.Ihr zärtlicher Gesang sagt seinem Herzen nichts; |
30 | Denn ihn beraubt des Grams umschattendes GefiederDes innern Ohrs, des geistigen Gesichts.Empfindungslos, wie einer der MedusenErblickt und starrt, erwägt er zweifelsvollNicht, wie vordem, wofür er seufzen soll, |
35 | Für welchen Mund, für welchen schönen Busen?Nein, Fanias spricht jetzt der Thorheit Hohn,Und ruft, seitdem aus seinem hohlen BeutelDie letzte Drachme flog, wie König Salomon:Was unterm Monde liegt, ist eitel! |
40 | Ja wohl, vergänglich ist und flüchtiger als WindDer Schönen Gunst, die Brudertreu der Zecher;So bald nicht mehr der goldne Regen rinnt,Ist keine Danae, so bald im trocknen Becher |
)) 5 (( | Der Wein versiegt, ist kein Patroklus mehr. |
45 | Was Fliegen lockt, das lockt auch Freunde her;Gold zieht magnetischer, als Schönheit, Witz und Jugend:Ist eure Hand, ist eure Tafel leer,So flieht der Näscher Schwarm, und Lais spricht von Tugend.
Der großen Wahrheit voll, daß alles eitel sey |
50 | Womit der Mensch in seinen Frühlingsjahren,Berauscht von süßer Raserey,Leichtsinnig, lüstern, rasch und unerfahren,In seinem Paradies von Rosen und SchasminEin kleiner Gott sich dünkt, setzt Fanias, der Weise, |
55 | Wie Herkules sich auf den Scheidweg hin,(Nur schon zu spät) und sinnt der schweren ReiseDes Lebens nach. Was soll, was kann er thun?Es ist so süß, auf Flaum und RosenblätternIm Arm der Wollust sich vergöttern, |
60 | Und nur vom Übermaß der Freuden auszuruhn!Es ist so unbequem, den Dornenpfad zu klettern!Was thätet ihr? – Hier ist, wie vielen däucht,Das Wählen schwer: dem Fanias war's leicht.Er sieht die schöne Ungetreue, |
)) 6 (( | |
65 | Die Wollust – schön, er fühlt's! – doch nicht mehr schön für ihn –Zu jüngern Günstlingen aus seinen Armen fliehn;Die Scherze mit den Amorinen fliehnDer Göttin nach, verlassen lachend ihn,Und schicken ihn zum Zeitvertreib die Reue: |
70 | Hingegen winken ihm aus ihrem HeiligthumDie Tugend, und ihr Sohn, der Ruhm,Und zeigen ihm den edlen Weg der Ehren.Der neue Herkules schickt seufzend einen BlickDen schon Entfloh'nen nach, ob sie nicht wiederkehren. |
75 | Sie kehren, leider! nicht zurück,Und nun entschließt er sich der Helden Zahl zu mehren!
Der Helden Zahl? – Hier steht er wieder an;Der kühne Vorsatz bleibt in neuen Zweifeln schweben.Zwar ist es schön, auf lorbernvoller Bahn |
80 | Zum Rang der Göttlichen die in der Nachwelt leben,Zu einem Platz im SternenplanUnd im Plutarch, sich zu erheben;Schön, sich der trägen Ruh entziehn, |
)) 7 (( | Gefahren suchen, keine fliehn, |
85 | Auf edle Abenteuer ziehn,Und die gerochne Welt mit Riesenblute färben;Schön, süß sogar – zum mindsten singet soEin Dichter, der zwar selbst beym ersten Anlaß floh, – 4)Süß ist's, und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben. |
90 | Doch auch die Weisheit kann Unsterblichkeit erwerben!Wie prächtig klingts, den fesselfreyen GeistIm reinsten Quell des Lichts von seinen Flecken waschen,Die Wahrheit, die sich sonst nie ohne Schleier weist,(Nie, oder Göttern nur) entkleidet überraschen; |
95 | Der Schöpfung Grundriß übersehn,Der Sfären mystischen verworrnen Tanz verstehn,Vermuthungen auf stolze Schlüsse häufen,Und bis ins Reich der reinen Geister streifen;Wie glorreich! welche Lust! – Nennt immer Den beglückt |
100 | Und frey und groß, den Mann der nie gezittert,Den der Trompete Ruf zur wilden Schlacht entzückt,Der lächelnd sieht was Menschen sonst erschüttert, |
)) 8 (( | Und selbst den Tod, der ihn mit Lorbern schmückt,Wie eine Braut an seinen Busen drükt: |
105 | Viel größer, glücklicher ist Der mit Recht zu nennen,Den, von Minervens Schild bedeckt,Kein nächtliches Fantom, kein Aberglaube schreckt;Den Flammen, die auf Leinwand brennen,Und Styx und Acheron nicht blässer machen können; |
110 | Der ohne Furcht Kometen brennen sieht,Die hohen Götter nicht mit Taschenspiel bemüht,Und, weil kein Wahn die Augen ihm verbindet,Stets die Natur sich gleich, stets regelmäßig findet.
War Filipps Sohn ein Held, der sich der Lust entzog, |
115 | In welcher unberühmt die Ninias zerrannen, 5)Und auf zertrümmerten TyrannenVon Sieg zu Sieg bis an den Indus flog?Sein wälzender Triumf zermalmte tausend Städte,Zertrat die halbe Welt – warum? laßt's ihn gestehn! |
120 | «Damit der Pöbel von AthenBeym nassen Schmaus von ihm zu reden hätte.» 6)Um wie viel mehr, als solch ein Weltbezwinger, |
)) 9 (( | Ist Der ein Held, ein Halbgott, kaum geringerAls Jupiter, der tugendhaft zu seyn |
125 | Sich kühn entschließt; dem Lust kein Gut, und PeinKein Übel ist; zu groß, sich zu beklagen,Zu weise, sich zu freu'n; der jede LeidenschaftAls Sieger an der Tugend WagenGefesselt hat und im Triumfe führt; |
130 | Den alles Gold der Inder nicht verführt;Den nur sein eigener, kein fremder Beyfall rührt;Kurz, der in Falaris durchglühtem Stier verdärbeEh' er in Frynens Arm – ein Diadem erwärbe.
In solche schimmernde Betrachtungen vertieft |
135 | Lag Fanias, schon mehr als halb entschlossen;Als Amor unverhofft die neue Denkart prüft,Die Gram, Filosofie und Noth ihm eingegossenEr sah, und hätte gern den Augen nicht getraut,Die ein Gesicht, wovor ihm billig graut, |
140 | Zu sehn sich nicht erwehren können.Die Götter werden ihm den Ruhm doch nicht mißgönnen,Ein Xenokrat zu seyn? Was hilft Entschlossenheit?Im Augenblick der uns Minerven weihtKommt Cytherea selbst zur ungelegnen Zeit.
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)) 10 (( | Zwar diese war es nicht: doch hätteDie Schöne, welche kam, vielleicht vor jener Wette,Die Pallas einst verlor, gleich wenig sich gescheut.Schön, wenn der Schleier bloß ihr schwarzes Aug' entdeckte,Noch schöner, wenn er nichts versteckte; |
150 | Gefallend, wenn sie schwieg, bezaubernd, wenn sie sprach:Dann hätt' ihr Witz auch Wangen ohne RosenBeliebt gemacht; ein Witz, dems nie an Reitz gebrach,Zu stechen oder liebzukosenGleich aufgelegt, doch lächelnd wenn er stach |
155 | Und ohne Gift. Nie sahe man die MusenUnd Grazien in einem schönern Bund;Nie scherzte die Vernunft aus einem schönern Mund;Und Amor nie um einen schönern Busen.
So war, die ihm erschien, so war Musarion. |
160 | Sagt, Freunde, wenn mit einer solchen MieneIm wildsten Hain ein Mädchen euch erschiene,Die Hand aufs Herz! sagt, liefet ihr davon? |
)) 11 (( | «So lief denn Fanias?» – Das konntet ihr errathen!Er that was Wenige in seinem Falle thaten, |
165 | Allein, was jeder soll, der sicher gehen will.Er sprang vom Boden auf, und – hielt ein wenig still,Um recht gewiß zu sehn was ihm sein Auge sagte;Und da er sah, es sey Musarion,So lief er euch – der weise Mann! – davon |
170 | Als ob ein Arimasp ihn jagte. 7)
«Du fliehest, Fanias?» ruft sie ihm lachend nach:«Erkennest mich und fliehst? Gut, fliehe nur, du Spröder!Dein Kaltsinn macht Musarion nicht blöder;Du schmeichelst dir doch wohl, sie sey so schwach |
175 | Dir nachzufliehn?» – Durch ungebahnte PfadeWand er wie eine Schlange sich:So schlüpft die keusche OreadeDem Satyr aus der Hand, der sie im Bad erschlich.Die Schöne folgt mit leichten Zefyrfüßen, |
180 | Doch ohne Hast; denn (dachte sie) am Strand,Wohin er flieht, wird er wohl halten müssen. |
)) 12 (( | Es war ihr Glück, daß sich kein Nachen fand;Denn, der Versuchung zu entgehen,Was thät' ein Weiser nicht? Doch da er keinen fand, |
185 | Wohin entfliehn? – «Es ist um ihn geschehenWenn ihn sein Kopf verläßt!» – Seyd unbesorgt! Er bliebAm Ufer ganz gelassen stehen,Sah vor sich hin, schwang seinen Stab, beschriebFiguren in den Sand, als ob er überdächte |
190 | Wie viele Körner wohl der Erdball fassen möchte;Kurz, that als säh er nichts, und wandte sich nicht um.
«Vortrefflich!» rief sie aus: «das nenn ich HeldenthumUnd etwas mehr! Die alte Ordnung wollte,Daß Dafne jüngferlich mit kurzen Schritten fliehn, |
195 | Apollo keuchend folgen sollte;Du kehrst es um. – Fliehst du, mich nachzuziehn?Den kleinen Stolz will ich dir gerne gönnen!»
«Du irrest dich», antwortet unser HeldMit Mienen, welche nicht, wie sehr sie ihm mißfällt, |
)) 13 (( | Verbergen wollen oder können:«Ein rascher meilenbreiter Spalt,Der plötzlich zwischen uns den Boden gähnen machte,Ist alles, glaube mir, wonach ich sehnlich schmachte,Seitdem ich dich erblickt.» – «Der Gruß ist etwas kalt, |
205 | Erwiedert sie: du denkest, wie ich sehe,Die Reihe sey nunmehr an dir,Und weichst zurück so wie ich vorwärts gehe.Doch spiele nicht den Grausamen mit mir!Was willst du mehr, als daß ich dir gestehe |
210 | Du zürnst mit Recht? Ja, ich mißkannte dich:Doch, war ich damahls mein? Jetzt bin ich, was du mich,Zu seyn, so oft zu meinen Füßen batest.»
«Wie? (unterbrach er sie) du, die mit kaltem BlutMein zärtlich Herz mit Füßen tratest, |
215 | Mich lächelnd leiden sahst – du hast den ÜbermuthUnd suchst mich auf, mich noch durch Spott zu quälen? |
)) 14 (( | Zwey Jahre liebt' ich dich, Undankbare, so schön,Wie keine Sterbliche sich je geliebt gesehn.Dein Blick, dein Athem schien allein mich zu beseelen. |
220 | Thor, der ich war! von einem Blick entzücktDer sich an mir für Nebenbuhler übte;Durch falsche Hoffnungen berückt,Womit mein krankes Herz getäuscht zu werden liebte!Du botst verführerisch das süße Gift mir dar, |
225 | Und machtest dann mit einem andern wahrWas dein Sirenenmund mir zugelächelt hatte.Und, o! mit wem? – Dieß brachte mich zur Wuth!(Nur der Gedank' empört noch itzt mein Blut)Ein Knabe war's, – erröthe nicht, gestatte |
230 | Daß ich ihn mahlen darf, gelblockig, zefyrlich,Ein bunter Schmetterling, so glatt wie eine Schlange,Mit Gänseflaum ums Kinn, mit rothgeschminkter Wange,Ein Ding, das einer Puppe glich,Wie kleine Töchterchen mit sich zu Bette nehmen: |
235 | Dem gabst du, ohne dich zu schämen,Den Busen preis, um den der Hirt von Ilion |
)) 15 (( | Helenen untreu worden wäre;Dieß Äffchen machte den AdonDer Nebenbuhlerin der Göttin von Cythere. |
240 | Und Fanias, indeß so ein InsektAuf deinen Rosen kriecht, liegt Nächte durch gestreckt,Mit Thränen, die den May von seinen Wangen ätzen,Die Schwelle deiner Thür, Undankbare, zu netzen!Nein! der versöhnt sich nie, der so beleidigt ward! |
245 | Hinweg! die Luft, in der du Athem ziehest,Ist Pest für mich – Verlaß mich! du bemühestDich fruchtlos! – unsre DenkungsartStimmt minder überein als ehmahls unsre Herzen.»
«Mich däucht (erwiedert sie) du rächest dich zu hart |
250 | Für selbst gemachte Liebesschmerzen.Sey wahr, und sprich, ist's stets in unserer GewaltZu lieben wie und wen wir sollen?Oft fragt der Liebesgott uns nur nicht ob wir wollen?Wir finden ohne Grund uns zärtlich oder kalt, |
)) 16 (( | Itzt dem Apollo spröd, itzt schwach für einen Faunen.Was weiß ich's selbst? Wer zählet Amors Launen?lhr, die ihr über uns so bitter euch beschwert,Laßt euer eignes Herz für unsers Antwort geben!lhr bleibt oft an der Stange kleben, |
260 | Und was euch angelockt war kaum der Mühe werth.Ein Halstuch öffnet sich, ein Ärmel fällt zurücke,Und weg ist euer Herz! Oft braucht es nicht so viel;Ein Lächeln fängt euch schon, ihr fallt von einem Blicke.Ein flüchtiger Geschmack, ein Nichts, ein eitles Spiel |
265 | Der Fantasie, regiert uns oft im Wählen;Das Schöne selbst verliert auf kurze ZeitDen Reitz für uns; wir wissen daß wir fehlen,Und finden Grazien bis in der Häßlichkeit.Hat die Erfahrung, wie ich glaube, |
270 | Von dieser Wahrheit dich belehrt;So ist mein Irrthum auch vielleicht verzeihenswerth.Wer suchet unter einer HaubeSo viel Vernunft als Zenons Bart verheißt? |
)) 17 (( | Und wie? mein Freund, wenn ich sogar zu sagen |
275 | Mich untersteh', daß wirklich mein BetragenFür meine Klugheit mehr als wider sie beweist?Ich schätzt' an dir, wofür dich jeder preist,Ein edles Herz und einen schönen Geist:Was ich für dich empfand, war auf Verdienst gegründet; |
280 | Du warst mein Freund, und fodertest nicht mehr;Vergnügt mit einem Band das nur die Seelen bindet,Sahst du mich Tage lang, und fandest gar nicht schwerMich, wenn der Abendstern dir winkte, zu verlassen,Um an Glycerens Thür die halbe Nacht zu passen. |
285 | So ging es gut, bis dich ein UngefährAn einem Sommertag in eine Laube führte,Worin die Freundin schlief, die wachend dich bisherSo ruhig ließ. Ich weiß nicht was dich rührte:Der Schlaf nach einem Bad, wenn man allein sich meint, |
290 | Muß was verschönerndes in euren Augen haben:Genug, du fandst an ihr sonst unerkannte Gaben, |
)) 18 (( | Und sie verlor den angenehmen Freund.Nichts ahnend wacht' ich auf; da lag zu meinen FüßenEin Mittelding von Faun und Liebesgott! |
295 | In dithyrambische Begeist'rung hingerissenWas sagtest du mir nicht! was hätt'st du wagen müssen,Hätt' ich, der Schwärmerey die Lippen zu verschließen,Das Mittel nicht gekannt! Ein Strom von kaltem SpottNahm deinem Brand die Luft. Mit triefendem Gefieder |
300 | Flog Amor zürnend fort: doch freut' ich mich zu früh;Denn eh' ich mir's versah, so kam er seufzend wieder.Mit Seufzen, ich gesteh's, erobert man mich nie;Der feierliche Schwung erhitzter FantasieSchlägt mir die Lebensgeister nieder. |
305 | Ich machte den Versuch, durch Fröhlichkeit und ScherzDen Dämon, der dich plagte, zu verjagen:Doch diese Geisterart kann keinen Scherz ertragen.Ich änderte die Kur. Allein mein eignes Herz |
)) 19 (( | Kam in Gefahr dabei; es wurde mir verdächtig; |
310 | Denn Schwärmerey steckt wie der Schnupfen an:Man fühlt ich weiß nicht was, und eh' man wehren kannIst unser Kopf des Herzens nicht mehr mächtig.Auf meine Sicherheit bedachtFand ich zuletzt ich müsse mich zerstreuen. |
315 | Mir schien ein Geck dazu ganz eigentlich gemacht.Für Schönen, die den Zwang der ernsten Liebe scheuen,Taugt eine Puppe nur, die trillert, hüpft und lacht;Ein bunter Thor, der tändelnd uns umflattert,Die Zähne weißt, nie denkt, und ewig schnattert; |
320 | Der, schwülstiger je weniger er fühlt,Von Flammen schwatzt die unser Fächer kühlt,Und, unterdeß er sich im Spiegel selbst belächelt,Studierte Seufzerchen mit schaler Anmuth fächelt.»
«Das alles was du sagst, (fiel unser Timon ein) |
325 | Soll wie es scheint, ein kleines Beyspiel seyn,Kein Handel sey so schlimm, den nicht der Witz vertheidigt.Nur Schade, daß die Ausflucht mehr beleidigtAls was dadurch verbessert werden soll. |
)) 20 (( | Doch, laß es seyn! mein Thorheitsmaß ist voll, |
330 | Wir wollen uns mit Zanken nicht ermüden.Ich liebte dich; vergieb! ich war ein wenig toll:Dir selbst gefiel ein Geck, und ich – ich bin zufrieden;Erfreut sogar. Denn ständ' es itzt bey mir,Durch einen Wunsch an seinen Platz zu fliegen, |
335 | Bathyll zu seyn – um dir im Arm zu liegen;Bey deiner Augen Macht! – ich bliebe hier.Du hörst, ich schmeichle nicht. Genießt Ihr das VergnügenDurch falsche Zärtlichkeit einander zu betrügen:Mich fängt kein Lächeln mehr! – Ich seh' ein Blumenfeld |
340 | Mit mehr Empfindung an als eure schöne Welt:Und wenn zum zweyten Mahl ein Weib von mir erhält,Durch einen strengen Blick, durch ein gefällig LachenMich bald zum Gott und bald zum Wurm zu machen,Wenn ich, so klein zu seyn, noch einmahl fähig bin; |
345 | Dann, holde Venus, dann verwirre meinen Sinn,Verdamme mich zur lächerlichsten Flamme,Und mache mich – verliebt in meine Amme.»
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)) 21 (( | «Wie lange denkst du so?» versetzt Musarion:«Der Abstich ist zu stark, den dieser neue Ton |
350 | Mit deinem ersten macht! Doch, lieber Freund, erlaube,Ich fordre mehr Beweis eh' ich ein Wunder glaube.Du, welcher ohne Lieb' und ScherzVor kurzem noch kein glücklich Leben kannte;Du, dessen leicht gerührtes Herz |
355 | Von jedem schönen Blick entbrannte,Und der, (erröthe nicht, der Irrthum war nicht groß)Wenn ihm Musarion die spröde Thür verschloß,Zu Lind'rung seiner Qual – nach Tänzerinnen sandte;Du, sprichst von kaltem Blut? du, bietest Amorn Trutz? |
360 | Vermuthlich hast du dich, noch glücklicher zu leben,In einer andern Gottheit SchutzUnd in die Brüderschaft der Fröhlichen begeben,Die sich von Leidenschaft und Fantasie befrey'n,Um desto ruhiger der Freude sich zu weih'n? |
365 | Du fliehst den Zwang von ernsten Liebeshändeln,Und findest sicherer, mit Amorn nur zu tändeln; |
)) 22 (( | Vermählst die Mäßigung der Lust,Geschmack mit Unbestand, den Kuß mit Nektarzügen,Studierst die Kunst dich immer zu vergnügen, |
370 | Genießest wenn du kannst, und leidest wenn du mußt?Ich finde wenigstens in einem solchen LebenUnendlichmahl mehr Wahrheit und Vernunft,Als von der freudescheuen ZunftGeschwollner Stoiker ein Mitglied abzugeben. |
375 | Und denkst du so, dann lächle sorgenlosZum Tadel von Athen, das deiner Änd'rung spottetNicht, wo die schöne Welt, aus langer Weile bloß,Zu Freuden sich zusammen rottetAn denen nur der Nahme fröhlich tönt, |
380 | Die, stets gehofft, doch niemahls kommen wollen,Wobey man künstlich lacht und ungezwungen gähnt,Und mitten im Genuß sich schon nach andern sehntDie da und dort uns gähnen machen sollen:Nicht im Getümmel, nein, im Schooße der Natur, |
385 | Am stillen Bach, in unbelauschten Schatten,Besuchet uns die holde Freude nur, |
)) 23 (( | Und überrascht uns oft auf einer Spur,Wo wir sie nicht vermuthet hatten.Doch, Fanias, ist's diese Denkungsart, |
390 | Die dich der Stadt entzog, wozu die AußenseiteVon einem Diogen? wozu ein wilder Bart?Mich däucht, ein weiser Mann trägt sich wie andre Leute?»«Mein Ansehn, schöne Spötterin,Ist wie es sich zu meinem Glücke schicket. |
395 | Wie? ist dir unbekannt in welcher Lag' ich bin?Daß jenes Dach, von faulem Moos gedrücket,Und so viel Land als jener Zaun umschließt,Der ganze Rest von meinem Erbgut ist?Was jeder weiß kann dir allein unmöglich |
400 | Verborgen seyn: dein Scherz ist unerträglich,Musarion, wie deine Gegenwart.Mit wem sprichst du von einer Denkungsart,Die von den Günstlingen des lachenden GeschickesDas Vorrecht ist?» – «Freund, du vergissest dich: |
405 | Ein Sklave trägt die Farbe seines Glückes,Kein edles Herz. Im Schauspiel stimmen sichDie Flöten nach dem Ton des Stückes:Allein ein weiser Mann denkt niemahls weinerlich.Wie, Fanias? Die Farbe deiner Seelen |
)) 24 (( | Ist nur der Wiederschein der Dinge um dich her?Und dir die Fröhlichkeit, des Lebens Reitz, zu stehlen,Bedarf es nur ein widrig Ungefähr?Ich weiß, mein Freund, wohin uns mißverstandne Güte |
415 | Ein Herz, das Freude liebt, die Klugheit leicht vergißt,Und niemand, als sich selbst, zu schaden fähig ist,Ich weiß wohin sie bringen können.Doch, alles recht geschätzt, gewinnst du mehr dabeyAls du verlierst. Was Thoren uns mißgönnenBeweist nicht stets wie sehr man glücklich sey. |
420 | Das wahre Glück, das Eigenthum der Weisen,Steht fest, indeß Fortunens Kugel rollt.Dem Reichen muß die Pracht, die ihm der Indus zolltErst, daß er glücklich sey, beweisen:Der Weise fühlt er ist's. Ihm schmecken schlechte Speisen |
425 | Aus Thon so gut als aus getriebnem Gold.Wenn um ihn her die muntern Lämmer springen,Indem er sorgenfrey in eignem Schatten sitzt, |
)) 25 (( | Und Zefyrn, untermischt mit bunten Schmetterlingen,Gemähter Wiesen Duft ihm frisch entgegen bringen, |
430 | Die Vögel um ihn her aus tausend Zweigen singen,Und alles, was er sieht, zugleich ergetzt und nützt:Wie leicht vergißt er da, er, der so viel besitzt,Daß sich sein Landhaus nicht auf Marmorsäulen stützt,Nicht Sklaven ohne Zahl in seinem Vorhof lärmen, |
435 | Und Fliegen nur, wenn er zu Tische sitzt,Die Parasiten sind, die seinen Kohl umschwärmen!Kein Schmeichler-Heer belagert seine Thür,Kein Hof umschimmert ihn! – Er freue sich! dafürBesitzt er was das jedem Midas fehlet, |
440 | Was der Monarch mit Gold zu kaufen fälschlich meint,Was, wer es kennt, vor einer Krone wählet,Das höchste Gut des Lebens, einen Freund.»
«Du schwärmst, Musarion! – Er, dem das Glück den RückenGewiesen, einen Freund?» – «Ein Beyspiel siehst du hier» |
)) 26 (( | Erwiedert sie: «mich, die von freyen StückenAthen verließ, dich sucht', und, da du mirEntflohest, dir (der mütterlichen LehrenUneingedenk) so eifrig nachgejagt,Wie andre meiner Art vor dir geflohen wären. |
450 | Ich dächte, das beweist, wenn einem Mann zu EhrenEin Mädchen – sich – und seinen Kopfputz wagt!»
«Ich weiß die Zeit – ich trug noch deine Kette –(Hier seufzte Fanias) da, mich entzückt zu sehnDir weniger gekostet hätte. |
455 | Du durftest, statt mir nachzugehn,Dich damahls nur nach Art der Nymfen sträuben,Die gern an einem Busch im Fliehen hangen bleiben,Mit leiser Stimme dräun und lächelnd widerstehn:Allein, wer kann dafür, daß ungeneigte Winde |
460 | Von unsern Wünschen stets den besten Theil verwehn?Dieß ist vorbey! Jetzt, wenn es bey mir stünde,Wünscht'ich mir nichts als ein gelaßnes Blut. |
)) 27 (( | Man nennt mich zu Athen unglücklich – doch, ich finde,Zu etwas, wie man sagt, ist stets das Unglück gut; |
465 | Durch ein bezaubertes GewindeVon süßem Irrthum hat zuletztDie Thorheit selbst mich auf den Weg gesetzt,Zu werden was ich schien als man mich glücklich nannte.Gesegnet seyst du mir, Geburtstag meines Glücks! |
470 | Tag, der mich aus Athen in diese Wildniß sandte!Nicht Fanias, der Günstling des Geschicks,Nein, Fanias, der Nackte, der Verbannte,Ist neidenswerth! Da war er wirklich arm,Unglücklicher als Irus, gleich dem Kranken |
475 | Der sich zu Tode tanzt, als Schmeichler, Schwarm an SchwarmSein Herzensblut aus goldnen Bechern tranken:Beym nächtlichen Gelag, an feiler Frynen Brust,Da war er elend, da! ein Sklave, fest gebundenVon jeder Leidenschaft! ein Opferthier der Lust! |
480 | Wie? Der, der siebenfach von einer Schlang' umwundenAuf Blumen schläft und träumt er sitz' auf einem Thron, |
)) 28 (( | Der sollte glücklich seyn? – Und wenn Endymion(Dem Luna, daß sie ilm bequemer küssen möge,So schöne Träume gab) durch eine Million |
485 | Von Sonnenaltern stets in süßen Träumen läge,Und träumt' er schmaus' am GöttertischMit Jupitern und buhle mit Göttinnen,Ein süß betäubendes GemischVon allem was ergetzt berausche seine Sinnen, |
490 | Mit Einem Wort, er schwimme wie ein FischIn einem Ocean von Wonne –Sprich, wer geständ' uns, unerröthend, ein,Er wünsche sich Endymion zu seyn?Diogenes, der Hund, in seiner Tonne |
495 | War glücklicher! – In unsrer eignen Brust.Da, oder nirgends, fließt die Quelle wahrer Lust,Der Freuden, welche nie versiegen,Des Zustands dauernder Vergnügen,Den nichts von außen stört! Wie elend hätte mich |
500 | Ein Wechsel, der mir alles raubteWodurch ich mich vor diesem glücklich glaubte,Fortunens ganzen Kram, – wie elend hätte michGemacht, wenn mir aus ihrer lichten Sfäre |
)) 29 (( | Die Weisheit nicht zu Hülf' erschienen wäre, |
505 | Die aus den Wolken mir die Arme reicht, zu sichHinauf mich zieht, und mich dahin versetzet,Wo ihre Lieblinge, frey von Begier und Wahn,Von keiner Lust gereitzt, von keinem Schmerz verletzet,Sich den Olympiern und ihrer Wonne nahn.»
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510 | Hier ward der hohe Schwung, den Fanias zu nehmenBegriffen war, gehemmt. Schon schwanden Raum und ZeitAus seinem Blick, schon fühlt' er sich entkleidtVom niederziehenden Gewand der Sterblichkeit,Schon war er halb ein Gott; – als eine Kleinigkeit, |
515 | Die wir uns fast zu sagen schämen,Ihm plötzlich in die UnterweltZurücke zog. – Ihr mächtigen BesiegerDer Menschlichkeit, die ihr dem SternenfeldEuch nahe glaubt – das Herz ist ein Betrüger! |
520 | Erkennet euer Bild in Fanias und bebt!Der Weise, der so kühn sich zum Olymp erhebt,Der schon so hoch empor gestiegen,Daß er (wie Sancho dort auf Magellonens Pferd) |
)) 30 (( | Die purpurnen und himmelblauen Ziegen |
525 | Des Himmels grasen sieht, 8) die Sfären singen hört,Und aus der Gluth, die sein Gehirn verzehrt,Des Feuerhimmels Nähe schließet,Ihn, der nichts Sterblich's mehr mit seinem Blick beehrt,Den stolzen Gast des Äthers, schießet |
530 | Musarion mit einem – Blick herab.Doch freylich war's ein Blick, nur jenem zu vergleichenDen Koypel seinem Amor gab;Der, euer Herz gewisser zu beschleichen,Euch schalkhaft warnt, als spräch' er: Seht ihr mich? |
535 | Ihr denkt, ich sey ein Kind voll süßer Unschuld, ich?Verlaßt euch drauf! Seht ihr an meiner SeiteDen Köcher hier? Wenn euch zu rathen ist,So flieht! – Und doch, was hilft die kleine Frist?Es sey nun morgen oder heute, |
540 | Ihr habt ein Herz, und das ist meine Beute!
So, oder doch in diesem Ton,So etwas sprach der Blick, womit Musarion |
)) 31 (( | Den weisen Fanias aus seiner Fassung brachte.Er sah, er stockt', er schwieg; die alte Flamm' erwachte, |
545 | Und seine Augen füllt' ein unfreywillig Naß.Die Schöne stellte sich sie sehe nichts, und lachteNur innerlich. Drauf sprach sie: «Fanias,Es dämmert schon. Ich habe mich zu langeBey dir verweilt. Athen ist weit von hier; |
550 | In dieser Gegend kenn' ich niemand außer dir,Und hier im Hain, gesteh ich, wäre mirDie Nacht hindurch vor Ziegenfüßlern bange.Was ist zu thun? – Ich denk' ich folge dir?»
«Mir?» stottert Fanias: «gewiß sehr viele Ehre! |
555 | Allein, mein Haus ist klein» – «Und wenn es kleiner wäre,Für eine Freundin hat die kleinste Hütte Raum.» –«Du wirst an allem Mangel haben;Ein wenig Milch, ein Ey, und dieses kaum» –«Mich hungert nicht.» – «Nur einen Hirtenknaben, |
560 | Dich zu bedienen» – «Nur? Es ist an Dem zu viel.Wir wollen gehn, mein Freund! die Luft wird kühl» –«Vergieb, Musarion; ich muß dir alles sagen: |
)) 32 (( | Mein Häuschen ist besetzt; ich habe seit acht TagenZwey Freunde, die bey mir» – «Zwey Freunde?» – «Ja, und zwar |
565 | Die, däucht mir, nicht zu deinem Umgang taugen.»«Was sagst du? – Filosofen gar?Sie haben doch noch ihre Augen?Gut, Fanias, ich will sie kennen, ich –»«Du scherzest.» – «Nein, mein Herr; ich hatte, wie ihr mich |
570 | Hier seht, von ihrer Art wohl eherUm meinen Nachttisch stehn.» – «Vergieb, ich zweifle sehr:Der stoische Kleanth –» «O Ceres! und wer mehr?»«Theofron, der Pythagoräer,Sind schwerlich von so blödem Geist» |
575 | «O Fanias, ist alles Gold was gleißt?Allein, gesetzt, sie wären lauter Geist,Was hindert dieß? Nur desto mehr Vergnügen!» –«Kurz, wir sind drey, Madam, und auf den MannEin kleines Ruhebett –» «Man hilft sich wie man kann; |
)) 33 (( | Und können wir den Schlaf durch Schwatzen nicht betrügen?Wir gehn, mein Lieber – deinen Arm!Nun, Fanias? macht dir mein Antrag warm?Man dächt' es wäre hier wer weiß wie viel zu wagen.Drey Weise werden mir doch wohl gewachsen seyn? |
585 | Ich fürchte nichts bey euch, und bin allein.»
Was soll er thun? – Wo WiderstrebenVorm Untergang das Schiff nicht retten kann,Da wird ein weiser SteuermannMit guter Art sich in den Wind ergeben. |
590 | Mein Fanias, der nur aus blöder ScheuVor seinen Mentorn sich so lange widersetzte,Schwor, daß er seine EinsiedleyDem Musentempel ähnlich schätzte,Weil ihr das Glück beschieden sey |
595 | Die liebenswürdigste der Musen zu beschatten.Schon zeigte sich, daß ihre Reitze nochNicht alle Macht auf ihn verloren hatten.Der ausgetriebne Amor kroch,So leise, wie auf Blumenspitzen, |
)) 34 (( | Aus ihren Augen in sein Herz.Des Gottes Ankunft kündt ein fliegendes ErhitzenDer blassen Wang'; ein wollustvoller SchmerzMit Thränen an, die wider seinen WillenIn runden Tropfen ihm die Augenwinkel füllen. |
605 | Er meint er athme nur, und seufzt; starrt unverwandt(Indeß sie schwatzt und scherzt) sie an, als ob er höre,Und hört doch nichts; drückt ihr die runde HandUnd denkt', indem durchs steigende GewandDie schöne Brust sich bläht, ob diese halbe Sfäre |
610 | Der Pythagorischen nicht vorzuziehen wäre??
Die Schöne wurde die GefahrWorin der Ruhm der Stoa schwebteDen Kampf in seiner Brust und ihren Sieg gewahr,Und wie vergebens er der Macht entgegen strebte, |
615 | Wovon (so lispelt ihr der Liebesgott ins Ohr)Die Filosofen selbst, sie wolltenNun oder wollten nicht, bald Zeugen werden sollten.Sie sah, wie nach und nach sein Trübsinn sich verlor,Und wie beredt, wie stark sein Auge sagte, |
)) 35 (( | Was er sich selbst kaum zu gestehen wagte:Allein, sie fand für gut, (und that sehr klug daran)Ihm, was sie sah, und ihrer beider SeelenGeheime Sympathie zur Zeit noch zu verhehlen.Nur sah sie ihn mit solchen Blicken an, |
625 | Die er berechtigt war so günstig auszulegenAls ihm gefiel. Allein, macht die Begier verwegen,So macht die Liebe blöd. Er sah in ihrem BIickSonst jeden Reitz, nur nicht sein nahes Glück.
So langten sie, da schon die letzten Strahlen schwanden, |
630 | Bey seinem Landgut an, wo sie das weise Paar,Von Linden die im Vorhof standenUmduftet, unverhofft in einer Stellung fanden,Die der Filosofie nicht allzu rühmlich war.
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)) 36 (( | ――――――――Anmerkungen.
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1) Und was ihm noch zum Timon fehlt – Eine Anspielung auf den armseligen Aufzug, worin Lucian in einem seiner dramatischen Dialogen den berüchtigten Timon, den Menschenhasser, aufführt. – «Wer ist denn (fragte der auf die Erde herabschauende Jupiter den Merkur) da unten am Fuße des Hymettus der lumpige schmutzige Kerl in dem Ziegenpelze, der ihm kaum bis über die Hüften reicht?» u.s.w. S. Lucians sämmtl. Werke, I. Theil, S. 60 der neuen Deutschen Übersetzung. 2) Als hätt' er den, der einst den Krates dekte, Vom Aldermann der Cyniker geerbt. )) 37 (( In der Ausgabe von 1769 lautete der letzte Vers so: (Ihr wißt ja wo?) vom Diogen geerbt Nun wußten aber die meisten Leser nicht wo? Man hat also für besser gehalten, den Vers abzuändern, und dem Leser, dem die Anekdote, auf welche hier angespielt wird, unbekannt oder entfallen seyn könnte, durch eine kleine Anmerkung zu dienen. Der Sinn dieser Stelle ist also: Der Mantel des aus seinem ehmahligen Wohlstande, gleich dem Timon, herunter gekommenen Fanias, der seine ganze Kleidung ausmachte, habe so abgenützt ausgesehen, als ob es eben derselbe wäre, welchen Diogenes über seinen Freund und Schüler Krates ausgebreitet haben soll, als dieser (aus einem kleinen Übermaß von Eifer, die Cynische Lehre, «daß nichts natürliches schändlich sey,» durch eine auffallende That zu bekräftigen) sich die Freyheit nahm, sein Beylager mit der schönen Hipparchia in der großen Halle (Stoa) zu Athen öffentlich zu vollziehen. – Daß dem Diogenes die Benennung eines Aldermanns der Cyniker zukomme, bedarf wohl keines Beweises, und man hat sie in dieser Ausgabe der in einigen vorgehenden, wo es, dem Aldermann der Stoiker, d. i. dem Zeno, hieß, vorgezogen, weil )) 38 (( von einem Mantel, der vom Diogenes bis auf den Zeno, und sodann weiter von einem filosofischen Bettler zum andern, endlich bis auf den Fanias fortgeerbt worden wäre, wahrscheinlich gar nichts mehr als Fetzen übrig geblieben seyn müßten. 3) Wo auch Sokraten zechten – Daß Sokrates bey Gelegenheit ein strenger Zecher gewesen sey, erhellet aus verschiedenen Stellen des Platonischen Symposion. So rühmt es ihm zum Beyspiel Agathon, der Wirth in diesem berühmten Gastmahl, als keinen geringen Vorzug vor den übrigen Anwesenden nach, daß er den Wein besser ertragen könne als die stärksten Trinker unter ihnen; und der junge Alcibiades, da er, um die Gesellschaft zum Trinken einzuladen, dem Sokrates einen großen Becher voll Wein zubringt, setzt hinzu: «Gegen den Sokrates, meine Herren, wird mir dieser Pfiff nichts helfen; denn der trinkt so viel als man will, und ist doch in seinem Leben nie betrunken gewesen.» – Auch leert Sokrates den voll geschenkten Becher nicht nur rein aus, sondern, nachdem, auf eine ziemlich lange Pause, das Trinken wegen einiger noch von ungefähr hinzu gekommenen Bacchusbrüder von neuem angegangen war, und, unter mehrern andern, die es nicht länger aushalten )) 39 (( konnten, auch Aristodemus sich in irgend einen Winkel zurück gezogen hatte und eingeschlafen war, fand dieser, als er um Tagesanbruch wieder erwachte und ins Tafelzimmer zurückkam, daß alle andern weggegangen, und nur Agathon, Aristofanes und Sokrates allein noch auf waren, und aus einem großen Becher tranken. Sokrates dialogierte noch immer mit ihnen fort, und fühlte sich durch allen Wein, den er die ganze Nacht durch zu sich genommen hatte, so wenig verändert, daß er, als es Tag geworden war, mit besagtem Aristodemus ins Lyceon baden ging, und, nachdem er den ganzen Tag nach seiner gewöhnlichen Weise zugebracht, erst gegen Abend sich nach Hause zur Ruhe begab. – Ein Zug seines Temperamentes welcher (däucht uns) bey Schätzung seines sittlichen Karakters nicht aus der Acht zu lassen ist. Denn mit einem solchen Temperamente kann es, bey einem einmahl fest gefaßten Vorsatz, eben nicht sehr schwer seyn, immer Herr von seinen Leidenschaften zu bleiben. 4) Ein Dichter, der zwar selbst beym ersten Anlaß floh – Horaz, der, ungeachtet seines «Süß ist's und edel sterben fürs Vaterland,» in einem )) 40 (( andern Gesang offenherzig genug ist zu gestehen, daß er in der Schlacht bey Filippi sogar seinen kleinen runden Schild von sich geworfen habe, um dem schönen Tod fürs Vaterland desto hurtiger entlaufen zu können. – Wiewohl nicht zu verschweigen ist, daß unser Autor selbst an einem andern Orte nicht ganz unerhebliche Gründe, den Dichter gegen sich selbst zu rechtfertigen, vorgebracht zu haben scheint. S. die erste Erläuterung zur zweyten Epistel des Horaz an Julius Florus. 5) Filipps Sohn – Alexander der Große. Ninias, Sohn des Ninus und der Semiramis, ein Assyrischer König, von welchem die Geschichte nichts zu sagen hat, als daß er die acht und zwanzig Jahre seiner Regierung (wie man bey seines gleichen das divino far niente nennt) in der üppigsten Unthätigkeit in seinem Harem zwischen Weibern und Höflingen verträumt habe. 6) Damit der Pöbel von Athen – «O ihr Athener, (soll Alexander, als er in einem äußerst mühseligen und gefährlichen Abenteuer am Flusse Hydaspes in Indien begriffen war, )) 41 (( ausgerufen haben) werdet ihr jemahls glauben können, was für Gefahren ich laufe, um mir euere gute Meinung zu erwerben?» 7) Als ob ein Arimasp ihn jagte – Die Arimaspen sind (wie uns Plinius unter der Gewährleistung der berühmten Geschichtschreiber Herodot und Aristeas meldet) ein Skythisches Volk, das im äußersten Norden, unweit der Höhle des Nordwindes wohnt, nur Ein Auge mitten auf der Stirne hat, und in ewigem Kriege mit den Greifen lebt, um ihnen das Gold zu rauben, welches diese ungeheuren Vögel mit unersättlicher Begierde aus den Adern der Erde hervor scharren, bloß um das Vergnügen zu haben, ihre Goldhaufen Tag und Nacht zu bewachen und gegen die Arimaspen zu vertheidigen. Das, was an diesem Mährchen historisch wahr ist, gehört nicht hieher. 8) Daß er, wie Sancho dort auf Magellonens Pferd – Unter andern Wunderdingen, welche Sancho Pansa auf dieser eingebildeten Luftreise gesehen haben wollte, waren auch die sieben himmlischen Ziegen )) 42 (( (das Siebengestirn), mit denen er sehr gute Bekanntschaft gemacht zu haben vorgab, und von welchen, wie er getrost versicherte, zwey grün, zwey fleischfarben, zwey himmelblau, und eine von gemischter Farbe sind. |