Daniel Stoppe
1697 - 1747
Georg Philipp Telemann,Sechs Moralische Cantatennach Texten von Daniel Stoppe
TWV 20:23-281736/37
|
|
_______________________________________________________________________
|
|
1. Die Zeit (TWV 20:23) 2. Hoffnung (TWV 20:24) 3. Das Glück (TWV 20:25) 4. Der Geiz (TWV 20:26) 5. Die Falschheit (TWV 20:27) 6. Großmut (TWV 20:28)
Die von Telemann vertonten Texte haben z.T. einen anderen Wortlaut als die von Stoppe in seinem «Parnaß im Sättler» 1735 publizierten.
―――――― 1.Die Zeit
Aria.
Die Zeit verzehrt die eignen Kinderviel geschwinderals sie dieselbigen zur Welt geboren hat.Jahr, Monat, Wochen, Tag und Stundensind, wenn sie sind, verschwunden;der Leib, der sie gebiert, ist ihr gewisses Grab;die Mutter würgt sie selber abund hört nicht auf und frißtund wird doch niemals satt.
Rezitativ.
Der Anfang lieget stets beim Ende.Kaum bricht der lichte Tag hervor,so zieht die Nacht den braunen Florden heitern Lüften an;sie nimmt den Schatten in die Hände,der auch sogar den Mittag selbst verdunkeln kann,und kehrt das Licht in Finsternis.Ach, braucht den Tag!Die Nacht folgt bald, und daß gewiß.
Aria.
Fahrt, reitet, spielt Karten,trinkt Koffee, raucht Knaster,sucht Scherz und Vergnügen,singt, tanzet und lacht!Macht euch lustig, aber wisset,daß ihr einst von euer LustRed' und Antwort geben müsset!Darum bleibet in den Schranken,nehmt die Grenzen wohl in acht!
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen) Textversion in Stoppes «Parnaß im Sättler» 1735
―――――― 2.Hoffnung
Aria.
Hoffe nur, geplagtes Herze,daß der Himmel nach dem Schmerzedich auch einst erfreuen kann!Weg mit ängstichen Gebärden!Der Verhängnis lässt mich nichtmeiner Feinde Hohnlied werden,und ich höre, daß es spricht:Dir wird nächstens wohlgetan.
Rezitativ.
Die Hoffnung stützt mich noch,sonst läg ich wirklich schon;ihr angenehmer Tonverstopft mein Ohrvor jener bittern Melodie,mit der die Grillenbei der verdrüßlichen Melancholieso Kopf als Herze füllen.
Laß sein, mein Glücke wankt;draus folgt nicht, daß es fällt;die Hoffnung, die mich stetsmit starken Armen hält,entreißt mich der Gefahr,von der ich ohne sienicht zu befreien war.
Aria.
Mein Glücke nimmt sich Zeit,drum laß ich mir's gefallen;es komme, wenn es kommt,so nehm ich's freudig an.Kommt es nicht heute,so kommt es doch morgen;der Himmel wird mich doch versorgen;er weiß schon, daß ich warten kann.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen) Textversion in Stoppes «Parnaß im Sättler» 1735
―――――― 3.Das Glück
Aria.
Guten Morgen, faules Glücke,steh auf und zieh dich an,es wird bald Mittag sein!Doch, ach, du bleibstbei deiner Modeund schläfst dich ganz gewißnoch endlich gar zur Tode;erwachst du gleich manchmal,so schlummerst du doch stetszu meiner größten Qualwider mein Verhoffen ein.
Rezitativ.
Erwache dochund reiß mich heute nochaus meinen vielen Sorgen!Warum verschiebest duden Abschnitt meiner Notbis morgen?Ich bin vielleicht wohl morgen tot.Doch, ihr Gedanken, still!Wenn ihr geduldig seid,wird euch zu seiner Zeitdie Hoffnung fröhlich machen.Sie predigt mir bereitswas Angenehmes vorund ruft und schreit mir in das Ohr:In kurzem wirst du glücklich sein.
Aria.
Schlaf indessen,wertes Glücke,aber schlaf auchnicht zu lange!Denk doch einstan mich zurückeund vergnüge meine Qual,endlich doch einmal!Wo du mir's zu lange machstund nicht bald, nicht bald erwachst,macht mir endlich mit der Zeitdeiner Blicke Schläfrigkeitdas Leben feil, die Welt gedrange.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen) Textversion in Stoppes «Parnaß im Sättler» 1735
―――――― 4.Der Geiz
Aria.
Ihr Hungerleider, ruht einmalvon eurer selbstgemachten Qualund höret auf zu fasten!Ihr seid zwar reich,doch auch dem ärmsten Bettler gleichbei euren vollen Kasten.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Rezitativ.
Wem hebt ihr alles auf?Wem soll das große Gut,von dem ihr euch doch nichts zugute tut?Wißt ihr es nicht, so dürft ihr mich nur fragen;hört her! Ich will's euch sagen:Ihr sammlet für lachende Erben,die mit der Zeit, nach eurem Sterben,auf euren Federn prächtig ruhnund alles auf einmal vertun.
Ihr lebet arm und sterbet reich;ihr friert, damit sich andre einstan euren Kohlen wärmen können.Ach, sterbt nur!Das ersparte Holz wird einmaldesto heller brennen.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Aria.
Ihr Taler, laßt euch nicht verlangen!Wißt, der Erlösungstagbricht endlich doch herein!Der Henker, der euch in der Weltgefänglich eingebrachtund in Verwahrung hält,sperrt, weil er sterben kann,euch nicht auf ewig ein.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen) Textversion in Stoppes «Parnaß im Sättler» 1735
―――――― 5.Die FalschheitDer Autor dieses Textes ist bisher nicht identifiziert, da Telemann aber auch unpublizierte Texte Stoppes benutzte, spricht einiges für diesen als Autor.
Aria.
Laßt mich über Falschheit klagen,die bis in die Seele kränkt.Höflich Bücken, glatte Wortespürt man an so manchem Orte,wo die Lippen trüglich sagen,was man heimlich anders denkt.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Rezitativ.
Man sehe doch, mit welcher Freundlichkeitdort Philidor dem Stax den guten Abend beut:Sie küssen, sie umarmen sich,und mancher sollte schwören,daß sie ein ander Ich,ein einzig Herz in zweien Leibern wären.Geduld! Wir werden sie bald besser kennen.Schaut, wie sie sich so zärtlich trennen.Schleicht beiden nach!O weh, was hört man nicht!Stax schreit den Philidor von Haus zu Hausals einen Erzbetrüger aus,Da der von jenem spricht,er sei der größte Bösewicht.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Aria.
Entweich von mir, verstellte Tücke!Du sollst von mir verbannet sein!Ich will mit treuem Herzen wandelnund gegen jeden redlich handeln;gereicht mir's gleich zum Ungelücke,so bleibt doch mein Gewissen rein.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
―――――― 6.Großmut
Aria.
Furchtsam weinen, ängstlich schweigen,wenn sich Donnerwolken zeigen,ist des Pöbels Eigenschaft.Feige Seelen martern sichdurch ein niederträchtigs Zagen;aber wen die Großmut stürzt,den kann nichts zu Boden schlagen,den erhebt der Fall von außendurch die innerliche Kraft.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Rezitativ.
Ein Mann, der Raum im Herzen hat,wird von der Not gebeugt,doch niemals ganz zerbrochen;er hält sein Osterfestoft mitten in der Marterwochen;er murret nicht,wenn sich das Schicksal grausam stellt.Warum? Er kennt den Unbestanddes Glückes in der Welt.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen)
Aria.
Der Himmel führt die Seinen oftdurch Schmerzen und Kummer,durch dünne, durch dicke.Bald zerrt uns sein Eiferdie Treppen hinab,bald reicht uns die Hoffnungden tröstlichen Stabund lenkt uns und zieht unsdie Stufen zurücke.
Telemanns Vertonung des Textes (die von YouTube eventuell eingeblendete Werbung überspringen) |