BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Daniel Stoppe

1697 - 1747

 

Erste Sammlung von Daniel Stoppes Siles.

Teutschen Gedichten

 

1728

 

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S. 24

Neu-Jahrs-Gedancken im Namen

eines andern / an seine Phillis.

 

LIebstes Hertze! weine nicht,

Daß das alte Jahr vergangen:

Trockne die bethränten Wangen,

Laß das freundliche Gesicht

Nicht, wie sonst bey Monden-Schein,

Voll verblichener Minen seyn!

Selbst die Zeit hat ihre Zeit,

Jeder Monat sieht sein Ende,

Jedes Jahr zwingt seine Hände

In den Stock der Sterblichkeit;

Doch der Jahre Lebens-Lauf

Höret nicht deswegen auf.

Gehn die alten Ziffern ein,

Wenn uns nur die Kräfte bleiben,

Daß wir neue Zahlen schreiben,

Kan man schon zufrieden seyn.

Darum wirff den Kummer hin,

Aendre den betrübten Sinn.

Dencke nicht, du würdest itzt,

Wie man etwan möchte schlüssen,

Selbst Calender machen müssen,

Weil der vorge nichts mehr nützt.

Schreib mich ins Gedächtniß ein,

Ich will dein Calender seyn.

Freue dich auf dieses Jahr!

Denn vielleichte macht das Glücke

Unsre noch geheimen Blicke

Bald mit Ehren offenbahr,

Statt, daß itzt mein feiger Kuß

Wie im finstern tappen muß.

Kan dir diesesmahl mein Blat,

Wie die Seuffzer es begehren,

Keinen Neu-Jahrs Wunsch gewehren,

Welcher Händ und Füsse hat,

O so kan es künftig seyn,

Nur Gedult! Ich bleibe dein.