Daniel Stoppe
1697 - 1747
Neue Fabeln oder Moralische Gedichte,der deutschen Jugend zu einemerbaulichen Zeitvertreibe aufgesetzt.
Theil II1740/45
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Die Wintersaaten.
Zwo nachbarliche Wintersaaten,Die auf ihr grünes Kleid sich viel zu gute thaten,Empörten sich zugleich mit heftigem Geschrey,Als itzt der späte Herbst die Winterliberey,Den warmen Rock aus Schnee, dem Felde liefern wollte,Damit es nicht erfrieren sollte.Was? sprach die jüngste Saat, geh weg! du bist nicht klug;Wir haben, wie du siehst, vorhin schon Kleider gnug,Behalt dir deinen Pelz; wir mögen ihn nicht haben,Indem wir gar nicht Willens sind,Uns unter Schnee und Eis lebendig zu begraben;Man stirbt nicht gleich von Frost und Wind.Ihr Kinder! sprach der Herbst, ich rath euch, haltet stille!Ihr kennt den Frost noch nicht; ihr seyd zu zart und weich,Und müßt erfrieren, wenn ich euchNicht in die weisse Bärhaut hülle;Fragt nur das Erdbeerkraut, das dort am Rande grünet,Dem dieses Winterkleid schon in das vierte JahrZur Brustwehr vor den Frost und zur Erhaltung dienet.Inzwischen, wenn ihr wollt, so rennt in die Gefahr;Machts mit dem Schöpfer aus! will der euch frey erklären;Will ders zufrieden seyn, daß euch der Schnee verschont.Gut! so geschehe sein Begehren!Und seht! Gott, der im Himmel wohnt,Der auch der Narren Wunsch manchmal im Zorne stilletUnd ihr Gebeth zur Straf erfüllet,Ertheilte den bethörten SaatenDen Freybrief, weil sie ihn so sehnlich darum bathen,Das Winterkleid nicht anzuziehn.So bald nun kurz hierauf der erste Schnee erschien:So ließ Gott einen Westwind kommen,Der beyde Backen voll genommen;Der alles auf die Seite bließ,Und nicht ein Flöckchen Schnee, von unten an bis oben,Auf unsre Saaten fallen ließ.Sie fiengen auch schon an, sich und ihr Glück zu loben,Und höhnten ihre Nachbarn aus,Die nur noch durch den Schnee mit ihren Spitzen stachen;Wo steckt ihr? fragten sie, wagts nur, und steigt heraus!Doch eben als sie dieß mit vielem Hochmuth sprachen,Versengte sie der Frost, der, nach gewohnter Art,Itzt mit den lang-gewordnen Nächten,Die auch den Mittag selbst in seiner Wärme schwächten,Beständig größer wuchs und immer strenger ward.Ach! weh uns! riefen sie, wir sind so gut als hin;Ach! itzt geschieht uns recht, daß wir erfrieren müssen,Dieweil wir uns aus Eigensinn,Die Ordnung nicht belieben liessen,Die Gott mit Laub und Gras so weislich unterhält.Wem dessen Wirthschaft nicht gefällt,Der hat wohl ganz gewiß den rechten Witz verlohren;Wir wollten klüger seyn, und sterben nun als Thoren. |