Charlotte von Stein
1742 - 1827
Dido, ein Trauerspielin fünf Aufzügen.
Vierter Aufzug.
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Vierzehnte Scene.
Königin (allein).Willig und ergeben dem uns widrigsten Befehl der Natur, vor dem selbst der Unglücklichste doch noch zurückschaudert, hat der wunderbare Alte sich mit Ehrfurcht, Freundlichkeit und Dank geneigt; sein letzter Händedruck hörte so leise auf wie sein Athemzug. – – Ach! so sanft ward meinem Acerbas der Abschied nicht gegönnt; seine Mörder übereilten die Natur. Und immer schwebt noch das Bild vor meinem Angesicht, wie er mir im Traum mit einem Ausdruck von Verzweiflung erschien, mir seine Wunden wies und die ihm von dem Ungeheuer Pygmalion unwürdig zubereitete Grabstätte entdeckte. – Bruder kann ich ihn nicht mehr nennen. – – O mein Acerbas, erscheine mir noch einmal in einer glücklichern Gestalt und gib Friede 1) meiner Seele! – Nie erhob sich seitdem ein freier Athemzug aus meiner Brust. – – – Du, mein lang getragner Schmerz, scheinst ein Verbündeter der Ewigkeit. (Sie sieht sich nach der Hütte um.) Von dieser Hütte will ich nun Besitz nehmen, und in dieser ungekünstelten Wohnung meine Elissa erwarten, die einzige, die meinen Gram versteht. (Sie geht hinein.)
――――― 1) Wie auch Schiller und Goethe oft «Friede» im vierten Falle statt «Frieden» schreiben. |