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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  Johann Gottfried Schnabel
vor 1692 - nach 1750

 
 
   
   



W u n d e r l i c h e
F a t a   e i n i g e r
S e e f a h r e r


1 .   T e i l   ( 1 7 3 1 )
S e i t e   2 2 4 - 2 7 7


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     [224] Diesemnach küssete die keusche Frau aus reiner Freundschafft meine Hand, versicherte mich, daß sie auf meine Redlichkeit ein vollkommenes Vertrauen setzte, und bat, daß ich aussen vor der Kammer ein Feuer anmachen, anbey so wohl kaltes als warmes Wasser bereit halten möchte, weil sie nechst Göttlicher Hülffe sich einer baldigen Entbindung vermuthete. Ich eilete, so viel mir menschlich und möglich, ihrem Verlangen ein Genügen zu leisten, so bald aber alles in völliger Bereitschafft, und ich wiederum nach meiner Kreissenden sehen wolte, fand ich dieselbe in gantz anderer Verfassung, indem sie allen Vorrath von ihren Betten in der Kammer herum gestreuet, sich mitten in der Kammer auf ein Unter=Bette gesetzt, die grosse Lampe darneben gestellet, und ihr neugebohrnes Töchterlein, in zwey Küssen eingehüllet, vor sich liegen hatte, welches seine jämmerliche Ankunfft mit ziemlichen Schreyen zu verstehen gab. Ich wurde vor Verwunderung und Freude gantz bestürtzt, muste aber auf Concordiens sehnliches Bitten allhier zum ersten mahle das Amt einer Bade=Mutter verrichten, welches mir auch sehr glücklich von der Hand gegangen war, indem ich die kleine wohlgebildete Creatur ihrer Mutter gantz rein und schön zurück lieferte.

     Mittlerweile war der Tag völlig angebrochen, weßwegen ich, nachdem Concordia auf ihr ordentliches Lager gebracht, und sich noch ziemlich bey Kräfften befand, ausgehen, ein Stücke Wild schiessen, und etliche gute Kräuter zum Zugemüse eintragen wolte, indem unser Speise=Vorrath [225] fast gäntzlich aufgezehret war. Doch selbige bat mich, noch eine Stunde zu verziehen, und erstlich das allernöthigste, nehmlich die heilige Tauffe ihres jungen Töchterleins zu besorgen, inmassen man nicht wüste, wie bald dergleichen zarte Creatur vom Tode übereilet werden könte. Ich konte diese ihre Sorge selbst nicht anders als vor höchst wichtig erkennen, nachdem wir uns also wegen dieser heiligen und christlichen Handlung hinlänglich unterredet, vertrat ich die Stelle eines Priesters, tauffte das Kindlein nach Anweisung der heiligen Schrifft, und legte ihm ihrer Mutter Nahmen Concordia bey.

     Hierauf ging ich mit meiner Flinte, wiewohl sehr taumelend, matt und krafftloß, aus, und da mir gleich über unsern gemachten Damme ein ziemlich starck und feister Hirsch begegnete, setzte ich vor dieses mahl meine sonst gewöhnliche Barmhertzigkeit bey seite, gab Feuer, und traff denselben so glücklich in die Brust hinein, daß er so gleich auf der Stelle liegen blieb. Allein, dieses grosse Thier trieb mir einen ziemlichen Schweiß aus, ehe ich selbiges an Ort und Stelle bringen konte. Jedoch da meine Wöchnerin und ich selbst gute Krafft=Suppen und andere gesunde Kräuter=Speisen höchst von nöthen hatte, muste mir alle Arbeit leicht werden, und weil ich also kein langes Federlesen machte, sondern alles aufs hurtigste, wiewohl nicht nach den Regeln der Sparsamkeit, einrichtete, war in der Mittags=Stunde schon eine gute stärckende Mahlzeit fertig, welche Con=[226]cordia und ich mit wunderwürdigen und ungewöhnlichen Appetite einnahmen.

     Jedoch, meine Freunde! sagte hier der Alt=Vater Albertus, ich mercke, daß ich mich diesen Abend etwas länger in Erzählung, als sonsten, aufgehalten habe, indem sich meine müden Augen nach dem Schlafe sehnen. Also brach er ab, mit dem Versprechen, morgendes Tages nach unserer Zurückkunfft von Johannis=Raum fortzufahren, und diesemnach legten wir uns, auf gehaltene Abend=Andacht, ingesammt, wie er, zur Ruhe.

     Die abermahls aufgehende und alles erfreuende Sonne gab selbigen Morgen einem jeden das gewöhnliche Zeichen aufzustehen. So bald wir uns nun versammlet, das Morgen=Gebet verrichtet, und das Früh=Stück eingenommen hatten, ging die Reise in gewöhnlicher Suite durch den grossen Garten über die Brücke des Westlichen Flusses, auf Johannis=Raum zu. Selbige Pflantz=Städte bestunde aus 10. Häusern, in welchen allen man wahrnehmen konte, daß die Eigenthums=Herrn denen andern, so wir bißhero besucht, an guter Wirthschafft nicht das geringste nachgaben. Sie hatten ein besseres Feld, als die in Jacobs=Raum, jedoch nicht so häuffigen Weinwachs, hergegen wegen des naheliegenden grossen Sees, den vortrefflichsten Fischfang, herrliche Waldung, Wildpret und Ziegen in starcker Menge. Die Bäche daselbst führeten ebenfalls häufige Gold=Körner, worvon uns eine starcke Quantität geschenckt wurde. Wir machten uns allhier das Vergnügen, in wohl ausgearbeiteten Kähnen auf der grossen [227] See herum zu fahren, und zugleich mit Angeln, auch artigen Netzen, die vom Bast gewisser Bäume gestrickt waren, zu fischen, durchstrichen hierauf den Wald, bestiegen die oberste Höhe des Felsens, und traffen daselbst bey einem wohlgebaueten Wach=Hause 2. Stücken Geschützes an. Etliche Schritt hiervon ersahen wir ein in den Felsen gehauenes grosses Creutze, worein eine zinnerne Platte gefügt war, die folgende Zeilen zu lesen gab:

     +   +    +
AUf dieser unglückseeligen Stelle
ist im Jahre Christi 1646.
am 11. Novembr.
der fromme Carl Franz van Leuven,
von dem gottlosen Schand=Buben Lemelie
meuchelmörderischer Weise
zum Felsen hinab gestürtzt und
elendiglich zerschmettert worden.
Doch seine Seele
wird ohne Zweiffel bey GOtt
in Gnaden seyn.
     +    +    +

     Unser guter Alt=Vater Albertus hatte sich mit grosser Mühe auch an diesen Ort bringen lassen, und zeigete uns die Stelle, wo er nunmehro vor 79. Jahren und etlichen Tagen den Cörper seines Vorwirths, zerschmettert liegend, angetroffen. Wir musten erstaunen, da wir die Gefahr betrach=[228]teten, in welche er sich gesetzt, denselben in die Höhe zu bringen. Voritzo aber war daselbst ein zwar sehr enger, doch bequemer Weg biß an die See gemacht, welchen wir hinunter stiegen, und in der Bucht, Sud=Westwärts, ein ziemlich starckes Fahrzeug antraffen, womit die Unserigen öffters nach einer kleinern Insul zu fahren pflegten, indem dieselbe nur etwa 2. Meilen von der Felsen=Insul entlegen war, in Umfange aber nicht vielmehr als 5. oder 6tehalb deutsche Meilen haben mochte.

     Es wurde beschlossen, daß wir nächstens das Fahrzeug ausbessern, und eine Spatzier=Fahrt nach besagter kleinen Insul, welche Albertus klein Felsen=Burg benennet hatte, vornehmen wolten. Vor dießmal aber nahmen wir unsern Rückweg durch Johannis=Raum, reichten den Einwohnern die gewöhnlichen Geschencke, wurden dagegen von ihnen mit einer vollkommenen guten Mahlzeit bewirthet, die uns, weil die Mittags=Mahlzeit nicht ordentlich gehalten worden, trefflich zu statten kam, nahmen hierauff danckbarlichen Abschied, und kamen diesen Abend etwas später als sonsten auf der Albertus=Burg an.

     Dem ohngeacht, und da zumalen niemand weiter etwas zu speisen verlangete, sondern wir uns mit etlichen Schaalen Coffeé, nebst einer Pfeiffe Toback zu behelffen beredet, setzte bey solcher Gelegenheit unser Altvater seine Geschichts=Erzehlung dergestalt fort:

     Ich habe gestern gemeldet, wie wir damahligen beyden Patienten die Mahlzeit mit guten Appetit verzehret, jedoch Concordia befand sich sehr übel [229] drauff, indem sie gegen Abend ein würckliches Fieber bekam, da denn der abwechselende Frost und Hitze die gantze Nacht hindurch währete, weßwegen mir von Hertzen angst und bange wurde, so daß ich meine eigenen Schmertzen noch lange nicht so hefftig, als der Concordiæ Zufall empfand.

     Von Artzeneyen war zwar annoch ein sehr weniges vorhanden, allein wie konte ich wagen ihr selbiges einzugeben? da ich nicht den geringsten Verstand oder Nachricht hatte, ob ich meiner Patientin damit helffen oder schaden könte. Gewiß es war ein starckes Versehen von Mons. van Leuven gewesen, daß er sich nicht mit einem bessern Vorrath von Artzeneyen versorgt hatte, doch es kan auch seyn, daß selbige mit verdorben waren, genung, ich wuste die gantze Nacht nichts zu thun, als auf den Knien bey der Concordia zu sitzen, ihr den kalten Schweiß von Gesicht und Händen zu wischen, dann und wann kühlende Blätter auf ihre Stirn und Arme zu binden, nächst dem den allerhöchsten Artzt um unmittelbare kräfftige Hülffe anzuflehen. Gegen Morgen hatte sie zwar, so wol als ich, etwa 3. Stunden schlaff, allein die vorige Hitze stellete sich Vormittags desto hefftiger wieder ein. Die arme kleine Concordia fieng nunmehro auch, wie ich glaube, vor Hunger und Durst, erbärmlich an zu schreyen, verdoppelte also unser Hertzeleyd auf jämmerliche Art, indem sie von ihrer Mutter nicht einen Tropffen Nahrungs=Safft erhalten konte. Es war mir allbereit in die Gedancken kommen, ein paar melckende Ziegen einzufangen, allein auch diese Thiere waren durch das öfftere schiessen dermassen wild [230] worden, daß sie sich allezeit auf 20. biß 50. Schritt von mir entfernt hielten, also meine 3. stündige Mühe vergeblich machten, also traf ich meine beyden Concordien, bey meiner Zurückkunfft, in noch weit elendern Zustande an, indem sie vor Mattigkeit kaum noch lechzen konten. Solchergestallt wuste ich kein ander Mittel, als allen beyden etwas von dem mit reinen Wasser vermischten Palm=Saffte einzuflössen, indem sie sich nun damit ein wenig erquickten, gab mir der Himmel einen noch glücklichern Einfall. Denn ich lieff alsobald wieder fort, und trug ein Körblein voll von der, den Europäischen Apricosen oder Morellen gleichförmigen, doch weit grössern Frucht ein, schlug die harten Kernen entzwey, und bereitete aus den inwendigen, welche an Annehmlich= und Süßigkeit die süssen Mandeln bey weiten übertreffen, auch noch viel gesünder seyn, eine unvergleichlich schöne Milch, so wol auch ein herrliches Gemüse, mit welchen beyden ich das kleine Würmlein ungemein kräfftig stärcken und ernehren konte.

     Concordia vergoß theils vor Schmertzen und Jammer, theils vor Freuden, daß sich einige Nahrung vor ihr Kind gefunden, die heissesten Thränen. Sie kostete auf mein Zureden die schöne Milch, und labete sich selbst recht hertzlich daran, ich aber, so bald ich dieses merckte: setzte alle unwichtige Arbeit bey seite, und that weiter fast nichts anders als dergleichen Früchte in grosser Menge einzutragen, und Kernen aufzuschlagen, jedoch durffte nicht mehr als auf einen Tag und Nacht Milch zubereiten, weil die Ubernächtige ihre schmackhaffte Krafft allezeit verlohr.

     [231] Solchergestalt befand sich nun nicht allein das Kind vollkommen befriediget, sondern die Mutter konte 4. Tage hernach selbiges, zu aller Freude, aus ihrer Brust stillen, und am 6ten Tage frisch und gesund das Bette verlassen, auch, wiewol wider meinen Rath, allerhand Arbeit mit verrichten. Wir danckten dem Allmächtigen hertzlich mit beten und singen vor dessen augenscheinliche Hülffe, und meineten nunmehro in so weit ausser aller Gefahr zu seyn; Allein die Reihe des kranckliegens war nun an mir, denn weil ich meine Haupt=Wunde nicht so wohl als die auf der Schulter warten können, gerieth dieselbe erstlich nach 12. Tagen dermassen schlimm, daß mir der Kopf hefftig auffschwoll, und die innerliche grosse Hitze den gantzen Cörper aufs grausamste überfiel.

     War mein Bezeugen bey Concordiens Unpäßlichkeit ängstlich und sorgfältig gewesen, so muß ich im gegentheil bekennen, daß ihre Bekümmerniß die meinige zu übertreffen schien, indem sie mich besser als sich und ihr Kind selbst pflegte und wartete. Meine Wunden wurden mit ihrer Milch ausgewaschen, und mit darein getauchten Tüchleins bedeckt, mein gantzes Gesichte, Hände und Füsse aber belegte sie mit dergleichen Blättern, welche ihr so gute Dienste gethan hatten, suchte mich anbey mit den kräfftigsten Speisen und Geträncke, so nur zu erfinden war, zu erquicken. Allein es wolte binnen 10. Tagen nicht das geringst anschlagen, sondern meine Kranckheit schien immer mehr zu, als ab zu nehmen, welches Concordia, ohngeacht ich mich stärcker stellete, als ich in der That war, dennoch merckte, [232] und derowegen vor Hertzeleyd fast vergehen wolte. Ich bat sie instandig, ihr Betrübniß zu mäßigen, weil ich das feste Vertrauen zu GOTT hätte, und fast gantz gewiß versichert wäre, daß er mich nicht so früh würde sterben lassen; Allein sie konte ihrem Klagen, Seufzen und Thränen, durchaus keinen Einhalt thun, wolte ich also haben, daß sie des Nachts nur etwas ruhen solte, so muste mich zwingen, stille zu liegen, und thun als ob ich feste schlieffe, obgleich öffters der grossen Schmertzen wegen in 2. mal 24. Stunden kein rechter Schlaf in meine Augen kam. Da ich aber einsmals gegen Morgen sehr sanfft eingeschlummert war, träumte mich, als ob Don Cyrillo de Valaro vor meinem Bette sässe, mich mit freundlichen Gebärden bey der rechten Hand anfassete und spräche: Ehrlicher Albert! sage mir doch, warum du meine hinterlassenen Schrifften zu deinem eigenen Wohlseyn nicht besser untersuchest. Gebrauche doch den Safft von diesem Kraut und Wurtzel, welches ich dir hiermit im Traume zeige, und welches häuffig vor dem Außgange der Höle wächset, glaube dabey sicher, daß dich GOtt erhalten und deine Wunden heilen wird, im übrigen aber erwege meine Schrifften in Zukunfft etwas genauer, weil sie dir und deinen Nachkommen ein herrliches Licht geben.

     Ich fuhr vor grossen Freuden im Schlafe auf, und streckte meine Hand nach der Pflantze aus, welche mir, meinen Gedancken nach, von Don Cyrillo vorgehalten wurde, merckte aber sogleich, daß es ein Traum gewesen. Concordia fragte mit weinenden Augen nach meinem Zustande. Ich bat, sie [233] solte einen frischen Muth fassen, weil mir GOTT bald helffen würde, nahm mir auch kein Bedencken, ihr meinen nachdencklichen Traum völlig zu erzehlen. Hierauff wischete sie augenblicklich ihre Thränen ab, und sagte: Mein Freund, dieses ist gewiß kein blosser Traum, sondern ohnfehlbar ein Göttliches Gesichte, hier habt ihr des Don Cyrillo Schriften, durchsuchet dieselben aufs fleißigste, ich will inzwischen hingehen und vielerley Kräuter abpflücken, findet ihr dasjenige darunter, welches ihr im schlafe gesehen zu haben euch erinnern könnet, so wollen wir solches in GOTTES Nahmen zu euerer Artzeney gebrauchen.

     Mein Zustand war ziemlich erleidlich, nachdem sie mir also des Don Cyrillo Schrifften, nebst einer brennenden Lampe vor mein Lager gebracht, und eilig fortgegangen war, fand ich ohne mühsames suchen diejenigen Blätter, welche van Leuven und ich wenig geachtet, in Lateinischer Sprache unter folgenden Titul:[[Verzeichniß, wie, und womit ich die, mir in meinen mühseeligen Leben gar öffters zugestossenen Leibes=Gebrechen und Schäden geheilet habe.]] lief dasselbe so hurtig durch, als es meine nicht allzuvollkommene Wissenschafft der Lateinischen Sprache zuließ, und fand die Gestalt, Tugend und Nutzbarkeit eines gewissen Wund=Krauts, so wol bey der Gelegenheit, da dem Don Cyrillo ein Stück Holtz auf dem Kopf gefallen war, als auch da er sich mit dem Beile eine gefährliche Wunde ins Bein versetzt, nicht weniger bey andern Beschädigungen, dermassen eigentlich und ausführlich beschrieben, daß fast nicht zweiffeln kon=[234]te, es müste eben selbiges Kraut und Wurtzel seyn, welches er mir im Traume vorgehalten. Unter diesem meinen Nachsinnen, kam Concordia mit einer gantzen Schürtze voll Kräuter von verschiedenen Arten und Gestalten herbey, ich erblickte hierunter nach wenigen herum werffen gar bald dasjenige, was mir Don Cyrillo so wol schrifftlich bezeichnet, als im Traume vorgehalten hatte. Derowegen richteten wir selbiges nebst der Wurtzel nach seiner Vorschrifft zu, machten anbey von etwas Wachs, Schiff=Pech und Hirsch=Unschlit ein Pflaster, verbanden damit meine Wunden, und legten das zerquetschte Kraut und Wurtzel nicht allein auf mein Gesicht, sondern fast über den gantzen Leib, worvon sich die schlimmen Zufälle binnen 4. oder 5. Tagen gäntzlich verlohren, und ich nach Verlauff zweyer Wochen vollkommen heil und gesund wurde.

     Nunmehro hatte so wol ich als Concordia recht erkennen lernen, was es vor ein edles thun um die Gesundheit sey. Als wir derowegen unser Te Deum laudamus abgesungen und gebetet hatten, wurde Rath gehalten, was wir in Zukunfft täglich vor Arbeit vornehmen müsten, um unsere kleine Wirthschafft in guten Stand zu setzen, damit wir im fall der Noth sogleich alles, was wir brauchten, bey der Hand haben könten. Tag und Nacht in der unterirrdischen, ob zwar sehr beqvemen Höle zu wohnen, wolte Concordien durchaus nicht gefallen, derowegen fieng ich an, oben auf dem Hügel, neben der schönen Lauber=Hütte, ein bequemes Häußlein nebst einer kleinen Küche zu bauen, auch [235] einen kleinen Keller zu graben, in welchen letztern wir unser Geträncke, so wol als das frische Fleisch und andere Sachen, vor der grossen Hitze verbergen könten. Hiernechst machte ich vor die kleine Tochter zum Feyerabende, an einem abgelegenen Orte, eine bequeme, wiewol nicht eben allzu zierliche Wiege, worüber meine Haußwirthin, da ich ihr dieselbe unverhofft brachte, eine ungemeine Freude bezeigte, und dieselbe um den allergrösten Gold=Klumpen nicht vertauscht hätte, denn das Wiegen gefiel den kleinen Mägdelein dermassen wohl, daß wir selbst unsere eintzige Freude daran sahen.

     Unser gantzer Geträyde=Vorrath, welchen wir auf dieser Insul unter den wilden Gewächsen aufgesammlet hatten, bestund etwa in drey Hütten voll Europäischen Korns, 1. Hut voll Weitzen, 4. Hütten Gerste, und zwey ziemlich grossen Säcken voll Reiß, als von welchem letztern wir Mehl stampften, solches durchsiebeten und das Kind darmit nehreten, einen Sack Reiß aber, nebst dem andern Geträyde, zur Außsaat spareten. Uber dieses alles, fanden sich auch bey nahe 2. Hüte voll Erbsen, sonsten aber nichts von bekandten Früchten, desto mehr aber von unbekandten, deren wir uns zwar nach und nach zur Leibes=Nahrung, in Ermangelung des Brodtes gebrauchen lerneten, doch ihre Nahmen als Plantains, James, Patates, Bananes und dergleichen mehr, nebst deren bessern und angenehmern Nutzung, erfuhren wir erstlich in vielen Jahren hernach von Robert Hülter, der kleinen Concordia nachherigem Ehe=Manne.

     [236] Inzwischen wandte ich damaliger Zeit, jedes Morgens frühe 3. Stunden, und gegen Abend eben so viel, zu Bestellung meiner Aecker an, und zwar in der Gegend wo voritzo der grosse Garten ist, weil ich selbigen Platz, wegen seiner Nähe und Sicherheit vor dem Wilde, am geschicktesten darzu hielt. Die übrigen Tages=Stunden aber, ausser den Mittags=Stunden, in der grösten Hitze, welche ich zum Lesen und aufschreiben aller Dinge die uns begegneten, anwandte, machte ich mir andern Zeitvertreib, indem ich einige kleine Plätze starck verzäunete, und die auf listige Art gefangenen Ziegen, nebst andern jungen Wildpret hinein sperrete, welches alles Concordia täglich mit gröster Lust speisete und tränckte, die Milchtragenden Ziegen aber, nach und nach, so zahm machte, daß sie sich ihre Milch gutwillig nehmen liessen, die wir nicht allein an sich selbst zur Speise vor klein und grosse gebrauchen, sondern auch bald einen ziemlichen Vorrath von Butter und Käse bereiten konten, indem ich binnen Monats=Frist etliche 20. Stück melckende, halb so viel andere, und 9. Stück jung Wildpret eingefangen hatte.

     Wir ergötzten uns gantz besonders, wenn wir an unsere zukünfftige Saat und Erndte gedachten, weil der Appetit nach ordentlichen Brodte gantz ungemein war, gebrauchten aber mittlerweile an dessen statt öffters die gekochten Wildprets=Lebern, als worzu wir unsere Käse und Butter vortrefflich geniessen konten.

     Solchergestalt wurden die heissesten Sommer=Monate ziemlich vergnügt hingebracht, ausgenommen, wenn uns die erlittenen Trauer=Fälle ein be=[237]trübtes Zurückdencken erweckten, welches wir aber immer eines dem andern zu gefallen, so viel möglich, verbargen, um unsere in etwas verharrschten Hertzens=Wunden nicht von neuen aufzureissen, mithin das ohne dem einsame Leben zu verbittern, oder solche Leute zu heissen, die wider das Verhängniß und Straff=Gerichte GOttes murren wolten.

     Der gütige Himmel schenckte uns mittler Zeit einen angenehmen Zeit=Vertreib mit der Wein=Erndte, indem wir ohne die Trauben, deren wir täglich viel verzehreten, wider alles Vermuthen ohngefähr 200. Kannen Most ausdrücken, und 2. ziemlich grosse Säcke voll aufgetrocknete Trauben sammlen konten, welches gewiß eine herrliche Sache zu unserer Wirthschafft war. Unsere Unterthanen, die Affen, schienen hierüber sehr verdrüßlich zu seyn, indem sie vielleicht selbst grosse Liebhaber dieser edlen Frucht waren, hatten auch aus Leichtfertigkeit viel zu Schanden gemacht, doch, da ich mit der Flinte etliche mahl blind Feuer gegeben, geriethen sie in ziemlichen Gehorsam und Furcht.

     Ich weiß nicht, wie es kommen war, daß Concordia eines Tages einen mittelmäßigen Affen, unter einem Baum liegend, angetroffen, welcher das rechte Hinterbein zerbrochen, und sich jämmerlich geberdet hatte. Ihr gewöhnliches weichhertziges Gemüth treibt sie so weit, daß, ohngeacht dergleichen Thiere ihre Gnade sonsten eben nicht sonderlich hatten, sie diesen verunglückten allerhand Liebkosungen machet, sein zerbrochenes Bein mit einem Tuche umwindet, ja so gar den armen Patienten [238] in ihren Schooß nimmt, und so lange sitzen bleibt, biß ich darzu kam, und die gantze Begebenheit vernahm. Wir trugen also denselben in unser Wohn=Hauß, verbunden sein Bein mit Pflastern, Schindeln und Binden, und legten ihn hin auf ein bequemes Lager, deckten auch eins von unsern Haupt=Küssen über seinen Cörper, und gingen wieder an unsere Arbeit. Gegen Mittag aber, da wir zurück kamen, erschrack ich anfänglich einiger massen, da sich 2. alte Affen, welche ohne Zweiffel des Patienten Eltern seyn mochten, bey demselben aufhielten. Ich wuste anfänglich nicht, ob ich trauen durffte oder nicht? Doch da sie sich ungemein betrübt und demüthig stelleten, nahete ich mich hinzu, strich den Patienten sanfft auf das Haupt, sahe nach seinem Beine, und befand, daß er unverrückt liegen geblieben war, weßwegen er noch ferner von mir gestreichelt und mit etlichen guten Früchten gespeiset wurde. Die 2. Alten so wohl als der Patient selbst, liessen mich hierauf ihre Danckbarkeit mit Leckung meiner Hände spüren, streichelten auch mit ihren Vorder=Pfoten meine Kleider und Füsse sehr sanffte, und bezeugten sich im übrigen dermassen unterthänig und klug, daß ich fast nichts als den Mangel der Sprache bey ihnen auszusetzen hatte. Concordia kam auch darzu, und hatte nunmehro ein besonderes Vergnügen an der Treuhertzigkeit dieser unvernünfftigen Thiere, der Krancke streckte seine Pfote gegen dieselbe aus, so, daß es das Ansehen hatte, als ob er sie willkommen heissen wolte, und da sie sich zu ihm nahete, schmeichelte er ihr mit Leckung der Hände und andern Liebkosungen auf [239] solche verbindliche Art, daß es mit Lust anzusehen war. Die zwey Alten lieffen hierauf fort, kamen aber gegen Abend wieder, und brachten uns zum Geschenck 2. grosse Nüsse mit, deren jede 5. bis 6. Pfund wog, sie zerschlugen dieselben recht behutsam mit Steinen, so, daß die Kernen nicht zerstückt wurden, welche sie uns auf eine recht liebreiche Art præsentirten, und sich erfreuten, da sie aus unsern Gebärden vermerckten, daß wir deren Annehmlichkeit rühmeten. Ob ich nun gleich damahls noch nicht wuste, daß diese Früchte Cocos=Nüsse hiessen, sondern es nachhero erst von Robert Hülter erfuhr, so reitzte mich doch deren Vortrefflichkeit an, den beyden alten Affen so lange nachzuschleichen, biß ich endlich an den Ort kam, wo in einem kleinen Bezirck etwa 15. biß 18. Bäume stunden, die dergleichen Früchte trugen, allein Concordia und ich waren nicht so näschig, alle Nüsse aufzuzehren, sondern steckten dieselben an vielen Orten in die Erde, woher denn kommt, daß nunmehro auf dieser Insul etliche 1000. Cocos=Bäume anzutreffen sind, welches gewiß eine gantz besondere Nutz= und Kostbarkeit ist. Jedoch wiederum auf unsere Affen zu kommen, so muß ich ferner erzehlen, daß ohngeacht der Patient binnen 5. oder 6. Wochen völlig gerade und glücklich curirt war, jedennoch weder derselbe noch die zwey Alten von uns zu weichen begehreten, im Gegentheil noch 2. junge mitbrachten, mithin diese fünffe sich gäntzlich von ihrer andern Cameradschafft absonderten, und also anstelleten, als ob sie würcklich bey uns zu Hause gehöreten.

     [240] Wir hatten aber von den 3. erwachsenen weder Verdruß noch Schaden, denn alles was wir thaten, afften sie nach, wurden uns auch nach und nach ungemein nützlich, indem von ihnen eine ungemeine Menge der vortrefflichsten Früchte eingetragen wurden, so offt wir ihnen nur ordentlich darzu gemachte Säcke anhingen, ausser dem trugen sie das von mir klein gespaltete Holtz öffters von weiten Orten her zur Küche, wiegten eins um das andere unser Kind, langeten die angehängten Gefässe voll Wasser, in Summa, sie thaten ohne den geringsten Verdruß fast alle Arbeit mit, die wir verrichteten, und ihnen zu verrichten lehreten, so, daß uns dieses unser Hauß=Gesinde, welches sich zumahlen selbst beköstigte, nicht allein viele Erleichterung in der Arbeit, sondern auch ausser derselben mit ihren poßirlichen Streichen manche vergnügte Stunde machten. Nur die 2. jüngsten richteten zuweilen aus Frevel mancherley Schaden und Unheil an, da wir aber mit der allergrösten Verwunderung merckten, daß sie dieserwegen von den 2. Alten recht ordentlicher Weise mit Gebärden und Schreyen gestrafft, ja öffters so gar geschlagen wurden, vergriffen wir uns sehr selten an ihnen, wenn es aber ja geschahe, demüthigten sich die jungen wie die zahmen Hunde, bey den Alten aber war dieserwegen nicht der geringste Eiffer zu spüren.

     Dem allen ohngeacht war doch bey mir immer ein geheimes Mißtrauen gegen dieses sich so getreu anstellende halb vernünfftige Gesinde, derowegen bauete ich vor dieselben einen geraumlichen festen Stall mit einer starcken Thüre, machte vor jedwe=[241] den Affen eine bequeme Lager=Stätte, nebst einem Tische, Bäncken, ingleichen allerhand Spielwerck hinein, und verschloß unsere Bedienten in selbigen, nicht allein des Nachts, sondern auch bey Tage, so offt es uns beliebte.

     Immittelst da ich vermerckte, daß die Sonne mit ihren hitzigen Strahlen einiger massen von uns abzuweichen begunte, und mehr Regen=Wetter, als bißhero, einfiel, bestellete ich mit Concordiens treulicher Hülffe unser Feld, nach des Don Cyrillo schrifftlicher Anweisung, aufs allersorgfältigste, und behielt an jeder Sorte des Getreydes auf den äusersten Nothfall, wenn ja alles ausgesäete verderben solte, nur etwas weniges zurücke. Vom Reiß aber, als wormit ich 2. grosse Aecker bestellet, behielten wir dennoch bey nahe zwey gute Scheffel überley.

     Hierauf hielten wir vor rathsam, uns auf den Winter gefast zu machen, derowegen schoß ich einiges Wildpret, und saltzten dasselbe, wie auch das ausgeschlachtete Ziegen=Fleisch ein, wobey uns so wohl die alten als jungen Affen gute Dienste thaten, indem sie das in den Stephans=Raumer Saltz=Bergen ausgehauene Saltz auf ihren Rücken biß in unsere unter=irrdische Höle tragen musten. Hiernächst schleppten wir einen grossen Hauffen Brenn=Holtz zusammen, baueten einen Camin in unserem Wohnhause auf dem Hügel, trugen zu den allbereits eingesammleten Früchten noch viel Kräuter und Wurtzeln ein, die theils eingemacht, theils in Sand verscharret wurden, und kurtz zu sagen, wir hatten uns dergestalt ange=[242]schickt, als ob wir den allerhärtesten Winter in Holland, oder anderen noch viel kältern Ländern abzuwarten hätten.

     Allein, wie befanden sich doch unsere vielen Sorgen, grosse Bemühungen und furchtsame Vorstellungen, wo nicht gäntzlich, doch meistentheils vergeblich? Denn unser Herbst, welcher dem Holländischen Sommer bey nahe gleich kam, war kaum verstrichen, als ein solcher Winter einfiel, welchen man mit gutem Recht einen warmen und angenehmen Herbst nennen konte, offtermahls fiel zwar ein ziemlicher Nebel und Regen=Wetter ein, allein von durchdringender Kälte, Schnee oder Eis, spüreten wir so wenig als gar nichts, der grasigte Boden blieb immer grün, und der guten Concordia zusammen getragene grosse Heu=Hauffen dieneten zu nichts, als daß wir sie hernach den Affen zum Lust=Spiele Preiß gaben, da sie doch nebst vielen aufgetrockneten Baum=Blättern unserem eingestalleten Viehe zur Winter=Nahrung bestimmt waren. Unsere Saat war nach Hertzens=Lust aufgegangen, und die meisten Bäume veränderten sich fast nicht, diejenigen aber, so ihre Blätter verlohren, waren noch nicht einmahl völlig entblösset, da sie schon frische Blätter und Blüthen austrieben. Solchergestalt wurde es wieder Frühling, da wir noch immer auf den Winter hofften, weßwegen wir die Wunder=Hand GOttes in diesem schönen Revier mit erstaunender Verwunderung erkandten und verehreten.

     Es war uns aber in der That ein wunderbarer Wechsel gewesen, da wir das heilige Weyhnacht=[243]Fest fast mitten im Sommer, Ostern im Herbst, wenig Wochen nach der Weinlese, und Pfingsten in dem so genannten Winter gefeyert hatten. Doch weil ich in meinen Schul=Jahren etwas weniges in den Land=Charten und auf dem Globo gelernet, auch unter Mons. van Leuvens hinterlassenen wenigen Land=Charten und Büchern eins fand, welches mir meinen natürlichen Verstand ziemlicher massen schärffte, so konte ich mich nicht allein bald in diese Veränderung schicken, sondern auch die Concordia dessen belehren, und meine Tage=Bücher oder Calender auf viele Jahre in Voraus machen, damit wir doch wissen möchten, wie wir uns in die Zeit schicken, und unsern Gottesdienst gleich andern Christen in der weiten Welt anstellen solten.

     Hierbey kan unberühret nicht lassen, daß ich nach der, mit der Concordia genommenen Abrede, gleich in meinen zu erst verfertigten Calender auf das Jahr 1647. drey besondere Fest= Bet= und Fast=Tage anzeichnete, als erstlich den 10. Sept. an welchen wir zusammen in diese schöne Insul eingestiegen waren, und derowegen GOtt, vor die sonderbare Lebens=Erhaltung, so wohl im Sturme als Kranckheit und andern Unglücks=Fällen, den schuldigen Danck abstatten wolten. Zum andern den 11. Novembr. an welchen wir jährlich den erbärmlichen Verlust unsers lieben van Leuvens zu beklagen verbunden. Und drittens den 11. Dec. der Concordiens glücklicher Entbindung, hiernächst der Errettung von des Lemelie Schand= und Mord=Streichen, auch unser bey=[244]derseits wieder erlangter Gesundheit wegen angestellet war. Diese drey Fest, Bet= und Fast=Tage, nebst andern besondern Feyertagen, die ich Gedächtnisses wegen noch ferner hinzu gefüget, sind biß auf gegenwärtige Zeit von mir und den Meinen allezeit unverbrüchlich gefeyert worden, und werdet ihr, meine Lieben, kommenden Dienstag über 14. Tage, da der 11. Dec. einfällt, dessen Zeugen seyn.

     Jedoch, fuhr unser Alt=Vater Albertus fort, ich kehre wieder zu den Geschichten des 1647. Jahres, und erinnere mich noch immer, daß wir mit dem neuen Früh=Jahre, so zu sagen, fast von neuen anfingen lebhafft zu werden, da wir uns nehmlich der verdrüßlichen Winters=Noth allhier auf dieser Insul entübriget sahen.

     Wiewohl nun bey uns nicht der geringste Mangel, weder an Lebens=Mitteln, noch andern Bedürffnissen und Bequemlichkeiten vorhanden war, so konte doch ich nicht müßig sitzen, sondern legte einen geraumlichen Küchen=Garten an, und versetzte verschiedene Pflantzen und Wurtzeln hinein, die wir theils aus des Don Cyrillo Beschreibung, theils aus eigener Erfahrung vor die annehmlichsten und nützlichsten befunden hatten, um selbige nach unsern Verlangen gleich bey der Hand zu haben. Hiernächst legte ich mich starck auf das Pfropffen und Fortsetzen junger Bäume, brachte die Wein=Reben in bessere Ordnung, machte etliche Fisch=Kästen, setzte allerhand Arten von Fischen hinein, um selbige, so offt wir Lust darzu hatten, gleich heraus zu nehmen, bauete Schuppen und Ställe vor das eingefangene Wildpret und Ziegen, zim=[245]merte Freß=Tröge, Wasser=Rinnen und Saltz=Lecken vor selbige Thiere, und mit wenig Worten zu sagen, ich führete mich auf als ein solcher guter Hauß=Wirth, der Zeit Lebens auf dieser Insul zu verbleiben sich vorgesetzet hätte.

     Inzwischen, ob gleich bey diesem allen Concordia mir wenig helffen durffte, so saß sie doch in dem Hause niemahls müßig, sondern nehete vor sich, die kleine Tochter und mich allerhand nöthige Kleidungs=Stücke, denn wir hatten in denen, auf den Sand=Bäncken angeländeten Ballen, vieles Tuch, Seyden=Zeug und Leinwand gefunden, so, daß wir vor unsere und wohl noch 20. Personen auf Lebens=Zeit nothdürfftige Kleider daraus verfertigen konten. Es war zwar an vielen Tüchern und seydenen Zeugen durch das eingedrungene See=Wasser die Farbe ziemlich verändert worden, jedoch weil wir alles in der Sonne zeitlich abgetrucknet hatten, ging ihm an der Haltbarkeit ein weniges ab, und um die Zierlichkeit bekümmerten wir uns noch weniger, weil Concordia das schlimmste zuerst verarbeitete, und das beste biß auf künfftige Zeiten versparen wolte, wir aber der Mode wegen einander nichts vor übel hielten.

     Unsere Saat=Felder stunden zu gehöriger Zeit in erwünschter Blüthe, so, daß wir unsere besondere Freude daran sahen, allein, die frembden Affen gewöhneten sich starck dahin, rammelten darinnen herum, und machten vieles zu schanden, da nun unsere Hauß=Affen merckten, daß mich dieses gewaltig verdroß, indem ich solche Freveler mit Steinen und Prügeln verfolgte, waren sie täglich auf [246] guter Hut, und unterstunden sich, ihre eigenen Anverwandten und Cameraden mit Steinwerffen zu verjagen. Diese wichen zwar anfänglich etliche mahl, kamen aber eines Tages etliche 20. starck wieder, und fingen mit unsern getreuen Hauß=Bedienten einen ordentlichen Krieg an. lch ersahe dieses von ferne, lieff geschwinde zurück, und langete aus unserer Wohnung zwey geladene Flinten, kehrete mich etwas näher zum Kampff=Platze, und wurde gewahr, daß einer von den unsern, die mit rothen Halß=Bändern gezeichnet waren, starck verwundet zu Boden lag, gab derowegen 2. mahl auf einander Feuer, und legte darmit 3. Feinde darnieder, weßwegen sich die gantze feindliche Parthey auf die Flucht begab, meine 4. unbeschädigten siegend zurück kehreten, und den beschädigten Alten mit traurigen Gebärden mir entgegen getragen brachten, der aber, noch ehe wir unsere Wohnung erreichten, an seiner tödlichen Haupt=Wunde starb.

     Es war das Weiblein von den 2. Aeltesten, und ich kan nicht sagen, wie sehr der Wittber und die vermuthlichen Kinder sich über diesen Todes=Fall betrübt bezeugten. Ich ging nach unserer Behausung, erzehlete der Concordia, was vorgegangen war, und diese ergriff nebst mir ein Werckzeug, um ein Loch zu machen, worein wir die auf dem Helden=Bette verstorbene Aeffin begraben wolten; allein, wir traffen bey unserer Dahinkunfft niemand an, sondern erblickten von ferne, daß die Leiche von den 4. Leidtragenden in den West=Fluß geworffen wurde, kehreten derowegen zurück, und [247] sahen bald hernach unsere noch übrigen 4. Bedienten gantz betrübt in ihren Stall gehen, worinnen sie bey nahe zweymahl 24. Stunden ohne Essen und Trincken stille liegen blieben, nachhero aber gantz freudig wieder heraus kamen, und nachdem sie tapffer gefressen und gesoffen, ihre vorige Arbeit verrichteten. Mich ärgerte diese Begebenheit dermassen, daß ich alle frembden Affen täglich mit Feuer und Schwerdt verfolgte, und dieselben binnen Monats=Frist in die Waldung hinter der grossen See vertrieb, so, daß sich gar kein eintziger mehr in unserer Gegend sehen ließ, mithin konten wir nebst unsern Hauß=Dienern in guter Ruh leben, wiewohl der alte Wittber sich in wenig Tagen verlohr, doch aber nebst einer jungen Gemahlin nach 6. Wochen wiederum bey uns einkehrete, und den lächerlichsten Fleiß anwandte, biß er dieselbe nach und nach in unsere Haußhaltung ordentlich gewöhnete, so, daß wir sie mit der Zeit so aufrichtig als die verstorbene erkandten, und ihr, das besondere Gnaden=Zeichen eines rothen Halß=Bandes umzulegen, kein Bedencken trugen.

     Mittlerzeit war nunmehro ein gantzes Jahr verflossen, welches wir auf dieser lnsul zugebracht, derowegen auch der erste Fest= Bet= und Fast=Tag gefeyret wurde, der andere, als unser besonderer Trauer=Tag, lieff ebenfalls vorbey, und ich muß gestehen, daß, da wir wenig oder nichts zu arbeiten hatten, unsere Sinnen wegen der erneuerten Betrübniß gantz niedergeschlagen waren. Dieselben, um wiederum in etwas aufzumuntern, ging ich fast täglich mit der Concordia, die ihr Kind im [248] Mantel trug, durch den Felsen=Gang an die See spatziren, wohin wir seit etlichen Monaten nicht gekommen, erblickten aber mit nicht geringer Verwunderung, daß uns die Wellen einen starcken Vorrath von allerhand eingepackten Waaren und zerscheiterten Schiffs=Stücken zugeführet hatten. Ich fassete so gleich den Vorsatz, alles auf unsere Insul zu schaffen, allein, da mir ohnverhofft ein in ziemlicher Weite vorbey fahrendes Schiff in die Augen kam, gerieth ich auf einmahl gantz ausser mir selbst, so bald aber mein Geist sich wieder erholte, fing ich an zu schreyen, zu schiessen, und mit einem Tuche zu wincken, trieb auch solche mühsame, wiewohl vergebliche Bemühung so lange, biß sich gegen Abend so wohl das vorbey fahrende Schiff als die Sonne aus unsern Gesichte verlohr, da ich denn meines Theils gantz verdrüßlich und betrübt zurück kehrete, in lauter verwirrten Gedancken aber unterweges mit Concordien kein Wort redete, biß wir wieder in unserer Behausung anlangten, allwo sich die 5. Affen als Wächter vor die Thür gelagert hatten.

     Concordia bereitete die Abend=Mahlzeit, wir speiseten, und hielten hierauf zusammen ein Gespräch, in welchem ich vermerckte, daß sich dieselbe wenig oder nichts um das vorbey gefahrne Schiff bekümmerte, auch grössere Lust auf dieser Insul zu sterben bezeugte, als sich in den Schutz frembder und vielleicht barbarischer Leute zu begeben. Ich hielte ihr zwar dergleichen Gedancken, als einer furchtsamen und schwachen Weibs=Person, die zumahlen ihres unglücklichen Schicksals halber ei=[249]nen Eckel gegen fernere Lust gefasset, zu gute, aber mit mir hatte es eine gantz andere Beschaffenheit. Und was habe ich eben Ursach, meine damahligen natürlichen Affecten zu verleugnen: Ich war ein junger, starcker, und fast 20.jähriger Mensch, der Geld, Gold, Edelsteine und andere Güter im grösten Uberfluß besaß, also gar wohl eine Frau ernehren konte, allein, der Concordia hatte ich einen würcklichen Eid geschworen, ihr mit Vorstellung meiner verliebten Begierden keinen Verdruß zu erwecken, verspürete über dieses die stärcksten Merckmahle, daß sie ihren seel. Ehe=Mann noch nach dessen Tode hertzlich liebte, auf die kleine Concordia aber zu warten, schien mir gar zu langweilig, obgleich dieselbe ihrer schönen Mutter vollkommenes Ebenbild vorstellete. Wer kan mich also verdencken, daß meine Sehnsucht so hefftig nach der Gesellschafft anderer ehrlichen Leute anckerte, um mich unter ihnen in guten Stand zu setzen, und eine tugendhaffte Ehegattin auszulesen.

     Es verging mir demnach damahls fast alle Lust zur Arbeit, verrichtete auch die allernöthigste, so zu sagen, fast gezwungener Weise, hergegen brachte ich täglich die meisten Stunden auf der Felsen=Höhe gegen Norden zu, machte daselbst ein Feuer an, welches bey Tage starck rauchen und des Nachts helle brennen muste, damit ein oder anderes vorbey fahrendes Schiff bey uns anzuländen gereitzet würde, wandte dabey meine Augen beständig auf die offenbare See, und versuchte zum Zeitvertreibe, ob ich auf der von Lemelie hinterlassenen Zitter von mir selbst ein oder ander Lied könte [250] spielen lernen, welches mir denn in weniger Zeit dermassen glückte, daß ich fast alles, was ich singen, auch zugleich gantz wohlstimmig mit spielen konte.

     Concordia wurde über dergleichen Aufführung ziemlich verwirrt und niedergeschlagen, allein ich konte meine Sehnsucht unmöglich verbannen, vielweniger über das Hertze bringen, derselben meine Gedancken zu offenbaren, also lebten wir beyderseits in einem heimlichen Mißvergnügen und verdeckten Kummer, begegneten aber dennoch einander nach wie vor, mit aller ehrerbiethigen, tugendhafften Freundschafft und Dienstgeflissenheit, ohne zu fragen, was uns beyderseits auf dem Hertzen läge.

     Mittlerweile war die Ernte=Zeit heran gerückt, und unser Geträyde vollkommen reiff worden. Wir machten uns derowegen dran, schnitten es ab, und brachten solches mit Hülffe unserer getreuen Affen, bald in grosse Hauffen. Eben dieselben musten auch fleißig dreschen helffen, ohngeacht aber viele Zeit vergieng, ehe wir die reinen Körner in Säcke und Gefässe einschütten konten, so habe doch nachhero ausgerechnet, daß wir von dieser unserer ersten Außsaat ohngefähr erhalten hatten, 35. Scheffel Reiß, 10. biß 11. Scheffel Korn, 3. Scheffel Weitzen, 12. biß 14. Scheffel Gersten, und 4. Scheffel Erbsen.

     Wie groß nun dieser Seegen war, und wie sehr wir uns verbunden sahen, dem, der uns denselben angedeyhen lassen, schuldigen Danck abzustatten, so konte doch meine schwermüthige Sehnsucht nach [251] demjenigen was mir einmal im Hertzen Wurtzel gefasset hatte, dadurch nicht vermindert werden, sondern ich blieb einmal wie das andere tieffsinnig, und Concordiens liebreiche und freundliche, jedoch tugendhaffte Reden und Stellungen, machten meinen Zustand allem Ansehen nach nur immer gefährlicher. Doch blieb ich bey dem Vorsatze, ihr den gethanen Eyd unverbrüchlich zu halten, und ehe zu sterben als meine keusche Liebe gegen ihre schöne Person zu entdecken.

     Unterdessen wurde uns zur selbigen Zeit ein grausames Schrecken zugezogen, denn da eines Tages Concordia so wol als ich nebst den Affen beschäfftiget waren, etwas Korn zu stossen, und eine Probe von Mehl zu machen, gieng erstgemeldte in die Wohnung, um nach dem Kinde zu sehen, welches wir in seiner Wiege schlaffend verlassen hatten, kam aber bald mit erbärmlichen Geschrey zurück gelauffen und berichtete, daß das Kind nicht mehr vorhanden, sondern aus der Wiege gestohlen sey, indem sie die mit einem höltzernen Schlosse verwahrte Thüre eröffnet gefunden, sonsten aber in der Wohnung nichts vermissete, als das Kind und dessen Kleider. Meine Erstaunung war dieserwegen ebenfalls fast unaussprechlich, ich lieff selbst mit dahin, und empfand unsern kostbaren Verlust leyder mehr als zu wahr. Demnach schlugen wir die Hände über den Köpffen zusammen, und stelleten uns mit einem Worte, nicht anders als verzweiffelte Menschen an, heuleten, schryen und rieffen das Kind bey seinem Nahmen, allein da war weder Stimme noch Antwort zu hören, das eiffrigste Suchen auf [252] und um den Hügel unserer Wohnung herum war fast 3. Stunden lang vergebens, doch endlich, da ich von ferne die Spitze eines grossen Heu=Hauffens sich bewegen sahe, gerieth ich plötzlich auf die Gedancken: Ob vielleicht der eine von den jüngsten Affen unser Töchterlein da hinauff getragen hätte, und fand, nachdem ich auf einer angelegten Leiter hinauf gestiegen, mich nicht betrogen. Denn das Kind und der Affe machten unterdessen, da sie zusammen ein frisches Obst speiseten, allerhand lächerliche Possen. Allein da das verzweiffelte Thier meiner gewahr wurde, nahm es das Kind zwischen seine Vorder=Pfoten, und rutschte mit selbigem auf jener Seite des Hauffens herunter, worüber ich Schreckens wegen fast von der Leiter gestürtzt wäre, allein es war glücklich abgegangen. Denn da ich mich umsahe, lieff der Kinder=Dieb mit seinem Raube aufs eiligste nach unserer Behausung, hatte, als ich ihn daselbst antraff, das fromme Kind so geschickt aus= als angezogen, selbiges in seine Wiege gelegt, saß auch darbey und wiegte es so ernsthafftig ein, als hätte er kein Wasser betrübt.

     Ich wuste theils vor Freuden, theils vor Grimm gegen diesen Freveler nicht gleich was ich machen solte, mitlerweile aber kam Concordia, so die gantze Comœdie ebenfalls von ferne mit angesehen hatte, mit Zittern und Zagen herbey, indem sie nicht anders vermeynte, es würde dem Kinde ein Unglück oder Schaden zugefügt seyn, da sie es aber besichtigte, und nicht allein frisch und gesund, sondern über dieses ausserordentlich gutes Muths befand, gaben wir uns endlich zufrieden, wiewol ich aber be=[253]schloß, daß dieser allerleichtfertigste Affe seinen Frevel durchaus mit dem Leben büssen solte, so wolte doch Concordia aus Barmhertzigkeit hierein nicht willigen, sondern bath: Daß ich es bey einer harten Leibes=Züchtigung bewenden lassen möchte, welches denn auch geschahe, indem ich ihn mit einer grossen Ruthe von oben biß unten dermassen peitschte, daß er sich in etlichen Tagen nicht rühren konte, welches so viel fruchtete, daß er in künfftigen Zeiten seine freveln Streiche ziemlicher massen unterließ.

     Von nun an schien es, als ob uns die, zwar jederzeit hertzlich lieb gewesene kleine Concordia, dennoch um ein merckliches lieber wäre, zumahlen da sie anfieng allein zu lauffen, und verschiedene Worte auf eine angenehme Art her zu lallen, ja dieses kleine Kind war öffters vermögend meinen innerlichen Kummer ziemlicher massen zu unterbrechen, wiewol nicht gäntzlich aufzuheben.

     Nachdem wir aber einen ziemlichen Vorrath von Rocken= Reiß= und Weitzen=Mehle durchgesiebt und zum Backen tüchtig gemacht, ich auch einen kleinen Back=Ofen erbauet, worinnen auf einmal 10. oder 12. drey biß 4. Pfündige Brodte gebacken werden konten, und Concordia die erste Probe ihrer Beckerey, zu unserer grösten Erquickung und Freude glücklich abgeleget hatte; Konten wir uns an dieser allerbesten Speise, so über Jahr und Tag nunmehro nicht vor unser Maul kommen war, kaum satt sehen und essen.

     Dem ohngeacht aber, verfiel ich doch fast gantz von neuen in meine angewöhnte Melancholey, ließ [254] viele Arbeits=Stücken liegen, die ich sonsten mit Lust vorzunehmen gewohnt gewesen, nahm an dessen statt in den Nachmittags=Stunden meine Flinte und Zitter, und stieg auf die Nord=Felsen=Höhe, als wohin ich mir einen gantz ungefährlichen Weg gehauen hatte.

     Am Heil. 3. Königs=Tage des 1648ten Jahres, Mittags nach verrichteten Gottesdienste, war ich ebenfalls im Begriff dahin zu steigen, Concordia aber, die solches gewahr wurde, sagte lächelnd: Mons. Albert, ich sehe daß ihr spatzieren gehen wollet, nehmet mir nicht übel, wenn ich euch bitte, eure kleine Pflege=Tochter mit zu nehmen, denn ich habe mir eine kleine nöthige Arbeit vorgenommen, worbey ich von ihr nicht gern verhindert seyn wolte, saget mir aber, wo ihr gegen Abend anzutreffen seyd, damit ich euch nachfolgen und selbige zurück tragen kan. Ich erfüllete ihr Begehren mit gröster Gefälligkeit, nahm meine kleine Schmeichlerin, die so gern bey mir, als ihrer Mutter blieb, auf den Arm, versorgte mich mit einer Flasche Palmen=Safft, und etwas übrig gebliebenen Weyhnachts=Kuchen, hängte meine Zitter und Flinte auf den Rücken, und stieg also beladen den Nord=Felß hinauf. Daselbst gab ich dem Kinde einige tändeleyen zu spielen, stützte einen Arm unter den Kopf, sahe auf die See, und hieng den unruhigen Gedancken wegen meines Schicksals ziemlich lange nach. Endlich ergriff ich die Zitter und sang etliche Lieder drein, welche ich theils zu Ausschüttung meiner Klagen, theils zur Gemüths=Beruhigung aufgesetzt hatte. Da aber die kleine Schmeichlerin über dieser Mu=[255]sic sanfft eingeschlaffen war, legte ich, um selbige nicht zu verstöhren, die Zitter beyseite, zog eine Bley=Feder und Pappier aus meiner Tasche, und setzte mir ein neues Lied folgenden Innhalts auf:

     1.
ACh! hätt' ich nur kein Schiff erblickt,
So wär ich länger ruhig blieben
Mein Unglück hat es her geschickt,
Und mir zur Qvaal zurück getrieben, Verhängniß wilstu dich denn eines reichen Armen,
Und freyen Sclavens nicht zu rechter Zeit erbarmen?

     2.
Soll meiner Jugend beste Krafft
In dieser Einsamkeit ersterben ?
Ist das der Keuschheit Eigenschafft?
Will mich die Tugend selbst verderben?
So weiß ich nicht wie man die lasterhafften Seelen
Mit größrer Grausamkeit und Marter solte quälen.

     3.
Ich liebe was und sag' es nicht,
Denn Eid und Tugend heist mich schweigen,
Mein gantz verdecktes Liebes=Licht
Darf seine Flamme gar nicht zeigen,
Dem Himmel selbsten ist mein Lieben nicht zuwieder,
Doch Schwur und Treue schlägt den Hofnungs=Bau darnieder.

     [256]
     4.
Concordia du Wunder=Bild,
Man lernt an dir die Eintracht kennen,
Doch was in meinem Hertzen qvillt
Muß ich in Wahrheit Zwietracht nennen,
Ach! liesse mich das Glück mit dir vereinigt leben,
Wir würden nimmermehr in Haß und Zwietracht schweben.

     5.
Doch bleib in deiner stillen Ruh,
Ich suche solche nicht zu stöhren;
Mein eintzigs Wohl und Weh bist du,
Allein ich will der Sehnsucht wehren,
Weil deiner Schönheit Pracht vor mich zu Kostbar scheinet,
Und weil des Schicksaals Schluß mein Wünschen glatt verneinet.

     6.
Ich gönne dir ein beßres Glück,
Verknüpfft mit noch viel höhern Stande.
Führt uns der Himmel nur zurück
Nach unserm werthen Vater=Lande,
So wirstu letzlich noch dis harte Schicksal loben,
Ist gleich vor deinen Freund was schlechters aufgehoben.

     Nachdem aber meine kleine Pflege=Tochter aufgewacht, und von mir mit etwas Palm=Safft und Kuchen gestärckt war, bezeigte dieselbe ein unschuldiges Belieben, den Klang meiner Zitter ferner zu hören, derowegen nahm ich dieselbe wieder auf, studirte eine Melodey auf mein gemachtes Lied aus, [257] und wiederholte diesen Gesang binnen etlichen Stunden so ofte, biß ich alles fertig auswendig singen und spielen konte.

     Hierauff nahm ich das kleine angenehme Kind in die Arme vor mich, drückte es an meine Brust, küssete dasselbe viele mal, und sagte im grösten Liebes=Affect ohngefehr folgende laute Worte: Ach du allerliebster kleiner Engel, wolte doch der Himmel daß du allbereit noch ein Mandel Jahre zurück gelegt hättest, vielleicht wäre meine hefftige Liebe bey dir glücklicher als bey deiner Mutter, aber so lange Zeit zwischen Furcht und Hoffnung zu warten, ist eine würckliche Marter zu nennen. Ach wie vergnügt wolte ich, als ein anderer Adam, meine gantze Lebens=Zeit in diesem Paradiese zubringen, wenn nur nicht meine besten Jugend=Jahre, ohne eine geliebte Eva zu umarmen, verrauchen solten. Gerechter Himmel, warum schenckestu mir nicht auch die Krafft, den von Natur allen Menschen eingepflantzten Trieb zum Ehestande gäntzlich zu ersticken und in diesem Stücke so unempfindlich als van Leuvens Wittbe zu seyn? Oder warum lenckestu ihr Hertze nicht, sich vor deinen allwissenden Augen mit mir zu vereheligen, denn mein Hertze kennest du ja, und weist, daß meine sehnliche Liebe keine geile Brunst, sondern deine heilige Ordnung zum Grunde hat. Ach was vor einer harten Probe unterwirffstu meine Keuschheit und Tugend, indem ich bey einer solchen vollkommen schönen Wittfrau Tag und Nacht unentzündet leben soll. Doch ich habe dir und ihr einen theuren Eyd geschworen, welches Gelübde ich denn ehe mit meinem Leben bezah=[258]len, und mich nach und nach von der brennenden Liebes=Gluth gantz verzehren lassen, als selbiges leichtsinniger Weise brechen will.

     Einige hierbey aus meinen Augen rollende Thränen hemmeten das fernere Reden, die kleine Concordia aber, welche kein Auge von meinem Gesichte verwand hatte, fieng dieserwegen kläglich und bitterlich an zu weinen, also drückte ich selbige aufs neue an meine Brust, küssete den mitleydigen Engel, und stund kurtz hernach mein und ihrer Gemüths=Veränderung wegen auf, um noch ein wenig auf der Felsen=Höhe herum zu spatzieren. Doch wenig Minuten hierauff kam die 3te Person unserer hiesigen menschlichen Gesellschafft herzu, und fragte auf eine zwar sehr freundliche, doch auch etwas tieffsinnige Art: Wie es uns gienge, und ob wir heute kein Schiff erblickt hätten? Ich fand mich auf diese unvermuthete Frage ziemlich betroffen, so daß die Röthe mir, wie ich glaube, ziemlich ins Gesichte trat, sagte aber: Daß wir heute so glücklich nicht gewesen wären. Mons. Albert! gab Concordia darauff: Ich bitte euch sehr, sehet nicht so oft nach vorbey fahrenden Schiffen, denn selbige werden solchergestalt nur desto länger ausbleiben. Ihr habt seit einem Jahre vieles entdeckt und erfahren, was ihr kurtz vorhero nicht vermeynet habt, bedencket diese schöne Paradieß=Insul, bedencket wiewol uns der Himmel mit Nahrung und Kleidern versorgt, bedencket noch dabey den fast unschätzbaren Schatz, welchen ihr ohne ängstliches Suchen und ungedultiges Hoffen gefunden. Ist euch nun von dem Himmel eine noch fernere gewünschte Glückselig=[259]keit zugedacht, so habt doch nebst mir das feste Vertrauen, daß selbige zu seiner Zeit uns unverhoft erfreuen werde.

     Mein gantzes Hertze fand sich durch diese nachdencklichen Reden gantz ungemein gerühret, jedoch war ich nicht vermögend eine eintzige Sylbe darauff zu antworten, derowegen Concordia das Gespräch auf andere Dinge wendete, und endlich sagte: Kommet mein lieber Freund, daß wir noch vor Sonnen Untergang unsere Wohnung erreichen, ich habe einen gantz besonders schönen Fisch gefangen, welcher euch so gut als mir schmecken wird, denn ich glaube, daß ihr so starcken appetit als ich zum Essen habt.

     Ich war froh, daß sie den vorigen ernsthafften discours unterlassen hatte, folgte ihren Willen und zwang mich einiger massen zu einer aufgeräumtern Stellung. Es war würcklich ein gantz besonders rarer Fisch, den sie selbigen Mittag in ihren ausgesteckten Angeln gefangen hatte, dieser wurde nebst zweyen Rebhünern zur Abend=Mahlzeit aufgetragen, worbey mir denn Concordia, um mich etwas lustiger zu machen, etliche Becher Wein mehr, als sonst gewöhnlich einnöthigte, und endlich fragte: Habe ich auch recht gemerckt Mons. Albert, daß ihr übermorgen euer zwantzigstes Jahr zurück legen werdet. Ja Madame, war meine Antwort, ich habe schon seit etlichen Tagen daran gedacht. GOTT gebe, versetzte sie, daß eure zukünfftige Lebens=Zeit vergnügter sey, allein darff ich euch wol bitten, mir euren ausführlichen Lebens=Lauff zu erzehlen, denn mein seel. Ehe=Herr hat mir einmals [260] gesagt, daß derselbige theils kläglich, theils lustig anzuhören sey.

     Ich war hierzu sogleich willig, und vermerckte, daß bey Erwehnung meiner Kinderjährigen Unglücks=Fälle Concordien zum öfftern die Augen voller Thränen stunden, doch da ich nachhero die Geschichten von der Ammtmanns Frau, der verwechselten Hosen, und den mir gespielten Spitzbuben=Streich, mit offt untermengten Schertz=Reden erzehlete, konte sie sich fast nicht satt lachen. Nachdem ich aber aufs Ende kommen, sagte sie: Glaubet mir sicher Mons. Albert, weil eure Jugend=Jahre sehr kläglich gewesen, so wird euch GOTT in künfftiger Zeit um so viel desto mehr erfreuen, wo ihr anders fortfahret ihm zu dienen, euren Beruff fleißig abzuwarten, geduldig zu seyn, und euch der unnöthigen und verbothenen Sorgen zu entschlagen. Ich versprach ihrer löblichen Vermahnung eiffrigst nachzuleben, wünschte anbey, daß ihre gute Propheceyung eintreffen möchte, worauff wir unsere Abend=Beth=Stunde hielten, und uns zur Ruhe legten.

     Weiln mir nun Concordiens vergangenes Tages geführten Reden so christlich als vernünfftig vorkamen, beschloß ich, so viel möglich, alle Ungedult zu verbannen, und mit aller Gelassenheit die fernere Hülffe des Himmels zu erwarten. Folgendes Tages arbeitete ich solchergestalt mehr, als seit etlichen Tagen geschehen war, und legte mich von aushauung etlicher Höltzerner Gefässe, ziemlich ermüdet, abermals zur Ruhe, da ich aber am drauff folgenden Morgen, nemlich den 8ten Jan. 1648. aus [261] meiner abgesonderten Kammer in die so genannte Wohn=Stube kam, fand ich auf dem Tische nebst einem grünen seydenen Schlaf=Rocke, und verschiedenen andern neuen Kleidungs=Stücken, auch vieler weisser Wäsche, ein zusammen gelegtes Pappier folgendes Innhalts:

     Liebster Hertzens Freund!
ICh habe fast alles mit angehöret, was ihr gestern auf dem Nord=Felsen, in Gesellschaft meiner kleinen Tochter, oft wiederholt gesungen und geredet habt. Euer Verlangen ist dem Triebe der Natur, der Vernunfft, auch Göttl. und Menschl. Gesetzen gemäß; Ich hingegen bin eine Wittbe, welcher der Himmel ein hartes erzeiget hat. Allein ich weiß, daß Glück und Unglück von der Hand des HERRN kömmt, welche ich bey allen Fällen in Demuth küsse. Meinem seel. Mann habe ich die geschworne Treu redlich gehalten, dessen GOTT und mein Gewissen Zeugniß giebt. Ich habe seinen jämmerlichen Tod nunmehro ein Jahr und zwey Monath aus auffrichtigen Hertzen beweint und beklagt, werde auch denselben Zeit lebens, so offt ich dran gedencke, schmertzlich beklagen, weil unser Ehe=Band auf GOTTES Zulassung durch einen Meuchel=Mörder vor der Zeit zerrissen worden. Ohngeacht ich aber solchergestalt wieder frey und mein eigen bin, so würde mich doch schwerlich zu einer anderwei=[262]tigen Ehe entschlossen haben, wenn nicht eure reine und hertzliche Liebe mein Hertz aufs neue empfindlich gemacht, und in Erwegung eurer bißherigen tugendhafften Aufführung dahin gereitzet hätte, mich selbst zu eurer künfftigen Gemahlin anzutragen. Es stehet derowegen in eurem Gefallen, ob wir sogleich Morgen an eurem Geburts=Tage uns, in Ermangelung eines Priesters und anderer Zeugen, in GOTTES und der Heil. Engel erbethener Gegenwart selbst zusammen trauen, und hinführo einander als eheliche Christen=Leute beywohnen wollen. Denn weil ich eurer zu mir tragenden Liebe und Treue völlig versichert bin, so könnet ihr im Gegentheil vollkommen glauben, daß ich euch in diesen Stücken nichts schuldig bleiben werde. Eure Frömmigkeit, Tugend und Auffrichtigkeit dienen mir zu Bürgen, daß ihr mir dergleichen selbst eigenen Antrag meiner Person vor keine leichtfertige Geilheit und ärgerliche Brunst auslegen werdet, denn da ihr aus Ubereilung mehr gelobet habt, als GOTT und Menschen von euch forderten, doch aber ehe löblich zu sterben, als solches zu brechen gesonnen waret; Habe ich in dieser Einsamkeit, uns beyde zu vergnügen, den Außspruch zu thun mich gezwungen gesehen. Nehmet demnach die von euch so sehr geliebte Wittbe des seel. van Leuvens, und lebet nach euren Versprechen führohin mit derselben nim=[263]mermehr in Haß und Zwietracht. GOTT sey mit uns allezeit. Nach Verlesung dieses, werdet ihr mich bey dem Damme des Flusses ziemlich beschämt finden, und ein mehreres mündlich mit mir überlegen können, allwo zugleich den Glück Wunsch zu eurem Geburts=Tage abstatten wird, die euch auffrichtig ergebene

     Concordia van Leuvens.
     Geschrieben
     den 7. Jan.
     1648.

     Ich blieb nach Verlesung dieses Briefes dergestalt entzückt stehen, daß ich mich in langer Zeit wegen der unverhofften frölichen Nachricht nicht begreiffen konte, wolte auch fast auf die Gedancken gerathen, als suchte mich Concordia nur in Versuchung zu führen, da aber ihre bißherige aufrichtige Gemüths= und Lebens=Art in etwas genauere Betrachtung gezogen hatte, ließ ich allen Zweifel fahren, fassete ein besonders frisch Hertze, machte mich auf den Weg, und fand meinen allerangenehmsten Schatz, mit ihrer kleinen Tochter, beym Damme in Grase sitzend. Sie stund, so bald sie mich von ferne kommen sahe, auf, mir entgegen zu gehen, nachdem ich ihr aber einen glückseeligen Morgen gewünschet, erwiederte sie solchen mit einem wohlersonnenen Glück=Wunsche wegen meines Geburts=Tages. Ich stattete dieserwegen meine Dancksagung ab, und wünschte ihr im gegentheil, ein beständiges Leibes= und Seelen=Vergnügen. Da sie sich aber nach diesen auf einen daselbst liegenden Baum=Schafft [264] gesetzt, und mich, neben ihr Platz zu nehmen, gebeten hatte, brach mein Mund in folgende Worte aus: Madame! eure schönen Hände haben sich gestern bemühet an meine schlechte Person einen Brieff zu schreiben, und wo dasjenige, was mich angehet, keine Versuchung, sondern eures keuschen Hertzens aufrichtige Meynung ist, so werde ich heute durch des Himmels und eure Gnade, zum allerglückseeligsten Menschen auf der gantzen Welt gemacht werden. Es würde mir schwer fallen gnungsame Worte zu ersinnen, um damit den unschätzbaren Werth eurer vollkommen tugendhafften und Liebens würdigsten Person einiger massen auszudrücken, darum will ich nur sagen: Daß ihr würdig wäret, eines grossen Fürsten Gemahlin zu seyn. Was aber bin ich dargegen? Ein schlechter geringer Mensch, der ===

     Hier fiel mir Concordia in die Rede, und sagte, indem sie mich sanfft auf die Hand schlug: Liebster Julius, ich bitte fanget nunmehro nicht erstlich an, viele unnöthige Schmeicheleyen und ungewöhnliches Wort=Gepränge zu machen, sondern seyd fein aufrichtig wie ich in meinem Schreiben gewesen bin. Eure Tugend, Frömmigkeit und mir geleisteten treuen Dienste, weiß ich mit nichts besser zu vergelten, als wenn ich euch mich selbst zur Belohnung anbiete, und versichere, daß eure Person bey mir in höhern Werthe stehet, als des grösten Fürsten oder andern Herrn, wenn ich auch gleich das Außlesen unter tausenden haben solte. Ist euch nun damit gedienet, so erkläret euch, damit wir uns nachhero fernerer Anstallten wegen vertraulich unter=[265]reden, und auf alle etwa bevorstehende Glücks= und Unglücks=Fälle gefast machen können.

     Ich nahm hierauff ihre Hand, küssete und schloß dieselbe zwischen meine beyden Hände, konte aber vor übermäßigen Vergnügen kaum so viel Worte vorbringen, als nöthig waren, sie meiner ewig währenden getreuen Liebe zu versichern, anbey mich gäntzlich eigen zu geben, und in allen Stücken nach dero Rath und Willen zu leben. Nein mein Schatz! versetzte hierauff Concordia, das Letztere verlange ich nicht, sondern ich werde euch nach Gottes Ausspruche jederzeit als meinen Herrn zu ehren und als meinen werthen Ehe=Mann beständig zu lieben wissen. Ihr sollet durchaus meinem Rath und Willen keine Folge leisten, in so ferne derselbe von euren, Gottlob gesunden, Verstande nicht vor gut und billig erkannt wird, weil ich mich als ein schwaches Werckzeug zuweilen gar leicht übereilen kan.

     Unter diesen ihren klugen Reden küssete ich zum öfftern dero schönen Hände, und nahm mir endlich die Kühnheit, einen feurigen Kuß auf ihre Rosen=Lippen zu drücken, welchen sie mit einem andern ersetzte. Nachhero stunden wir auf, um zu unsern heutigen Hochzeit=Feste Anstalten zu machen. Ich schlachtete ein jung Reh, eine junge Ziege, schoß ein paar Rebhüner, schaffte Fische herbey, steckte die Braten an die Spiesse, welche unsere Affen wenden musten, setzte das Koch=Fleisch zum Feuer, und laß das Beste frische Obst aus, mittlerweile meine Braut, Kuchen, Brod und allerley Gebackens zurichtete, und unsere Wohnstube aufs herrlichste aus=[266]zierete, so daß gegen Abend alles in schönster Ordnung war.

     Demnach führeten wir, genommener Abrede nach, einander in meine Schlaf=Kammer, allwo auf einen reinlich gedeckten Tische ein Crucifix stunde, welches wir mit unter des Don Cyrillo Schätzen gefunden hatten. Vor selbigen lag eine aufgeschlagene Bibel. Wir knieten beyde vor diesem kleinen Altare nieder, und ich verlaß die 3. ersten Capitel aus dem 1. Buch Mose. Hierauff redete ich meine Braut also an: Liebste Concordia, ich frage euch allhier vor dem Angesicht GOTTES und seiner Heil. Engel, ob ihr mich Albert Julium zu einem ehelichen Gemahl haben wollet? gleich wie ich euch zu meiner ehelichen Gemahlin nach Göttlicher Ordnung aus reinem und keuschen Hertzen innigst begehre? Concordia antwortete nicht allein mit einem lauten Ja, sondern reichte mir auch ihre rechte Hand, welche ich nach verwechselten Trau=Ringen in die meinige fügte, und also betete:

     «Du heiliger wunderbarer GOTT, wir glauben gantz gewiß, daß deine Vorsicht an diesem, von aller andern menschlichen Gesellschafft entlegenen Orte, unsere Seelen vereiniget hat, und in dieser Stunde auch die Leiber mit dem heiligen Bande der Ehe zusammen füget, darum soll unter deinem Schutze nichts als der Tod vermögend seyn dieses Band zu brechen, und solte ja auf dein Zulassen ein oder anderer Unglücks=Fall die Leiber von einander scheiden, so sollen doch unsere Seelen in beständiger Treue mit einander vereinigt bleiben.»

     Concordia sprach hierzu: Amen. Ich aber schlug das [267] 8. Cap. im Buch Tobiä auf, und betete des jungen Tobiä Gebeth vom 7. biß zu ende des 9ten Verses; wiewol ich etliche Worte nach unserm Zustande veränderte, auch so viel zusetzte als mir meines Hertzens heilige Andacht eingab. Concordia machte aus den Worten der jungen Sara, die im folgenden 10ten Vers stehen, ein schönes Hertz=brechendes und kräfftiges Gebet. Nach diesem beteten wir einstimmig das Vater Unser und den gewöhnlichen Seegen der Christlichen Kirche über uns, sungen das Lied: Es woll uns GOTT genädig seyn, etc. küsseten uns etliche mahl, und führeten einander wieder zurück, bereiteten die Mahlzeit, setzten uns mit unserer kleinen Concordia, die unter währenden Trau=Actu so stille als ein Lamm gelegen hatte, zu Tische, und nahmen unsere Speisen nebst dem köstlichen Geträncke in solcher Vergnüglichkeit ein, als wohl jemahls ein Braut=Paar in der gantzen Welt gethan haben mag.

     Es schien, als ob aller vorhero ausgestandener Kummer und Verdruß solchergestalt auf einmahl verjagt wäre, wir vereinigten uns von nun an, einander in vollkommener Treue dergestalt hülffliche Hand zu leisten, und unsere Anstalten auf solchen Fuß zu setzen, als ob wir gar keine Hoffnung, von hier hinweg zu kommen, hätten, hergegen aus blosser Lust, Zeit=Lebens auf dieser Insul bleiben, im übrigen alles der Vorsehung des Himmels anbefehlen, und alle ängstlichen Sorgen wegen des Zukünfftigen einstellen wolten.

     Indem aber die Zeit zum Schlaffen=gehen herbey kam, sagte meine Braut mit liebreichen Ge=[268]bärden zu mir: Mein allerliebster Ehe=Schatz, ich habe heute mit Vergnügen wahrgenommen, daß ihr in vielen Stücken des jungen Tobiä Sitten nachgefolget seyd, derowegen halte vor löblich, züchtig und andächtig, daß wir diesen jungen Ehe=Leuten noch in dem Stücke nachahmen, und die 3. ersten Nachte mit Beten zubringen, ehe wir uns ehelich zusammen halten. Ich glaube gantz gewiß, daß GOTT unsern Ehestand um so viel desto mehr segnen und beglückt machen wird.

     Ihr redet, mein Engel, gab ich zur Antwort, als eine vollkommen tugendhaffte, gottesfürchtige und keusche Frau, und ich bin eurer Meinung vollkommen, derowegen geschehe, was euch und mir gefällig ist. Solchergestalt saßen wir alle drey Nachte beysammen, und vertrieben dieselben mit andächtigen Beten, Singen und Bibel=Lesen, schlieffen auch nur des Morgens einige Stunden, in der vierdten Nacht aber opfferte ich meiner rechtmäßigen Ehe=Liebste die erste Krafft meiner Jugend, und fand in ihren Liebes=vollen Umarmungen ein solches entzückendes Vergnügen, dessen unvergleichliche Vollkommenheit ich mir vor der Zeit nimmermehr vorstellen können.

     Wenige Tage hierauf verspürete sie die Zeichen ihrer Schwangerschafft, und die kleine Concordia gewehnete sich von sich selbst, von der Brust gäntzlich ab, zu andern Speisen und Geträncke. Mittlerweile bescherete uns der Himmel eine abermahlige und viel reichere Wein=Erndte als die vorige, denn wir presseten über 500. Kannen Most aus, truckneten biß 6. Scheffel Trauben auf, ohne was von [269] uns und den Affen die gantze Weinlese hindurch gegessen, auch von den frembden diebischen Affen gestohlen und verderbt wurde. Denn dieses lose Gesindel war wiederum so dreuste worden, daß es sich nicht allein Schaaren=weise in unsern Weinbergen und Saat=Feldern, sondern so gar gantz nahe um unsere Wohnung herum sehen und spüren ließ. Weil ich aber schon damahls 3. leichte Stück=Geschützes auf die Insul geschafft hatte, pflantzte ich dieselben gegen diejenigen Oerter, wo meine Feinde öffters zu zwanzig biß funfzigen beysammen hin zu kommen pflegten, und richtete mit offt wiederholten Ladungen von auserlesenen runden Steinen starcke Niederlagen an, so, daß zuweilen 8. 10. 12. biß 16. todte und verwundete auf dem Platze liegen blieben. Am allerwundersamsten kam mir hierbey dieses vor, daß unsere Hauß= und Zucht=Affen nicht das allergeringste Mitleyden über das Unglück ihrer Anverwandten, im Gegentheil ein besonderes Vergnügen bezeugten, wenn sie die Verwundten vollends todt schlagen, und die sämmtlichen Leichen in den nächsten Fluß tragen konten. Ich habe solchergestalt und auf noch andere listige Art in den ersten 6. Jahren fast über 500. Affen getödtet, und dieselben auf der Insul zu gantz raren Thieren gemacht, wie sie denn auch nachhero von den Meinigen zwar aufs hefftigste verfolgt, doch wegen ihrer Poßierlichkeit und Nutzung in vielen Stücken nicht gar vertilget worden.

     Nach glücklich beygelegten Affen=Kriege und zu gut gemachter Trauben=Frucht, auch abermahliger Bestellung der Weinberge und Saat=[270]Felder, war meine tägliche Arbeit, diejenigen Waaren, welche uns Wind und See von den in verschiedenen Stürmen zerscheiterten Schiffen zugeführet hatte, durch den hohlen Felsen=Weg herauf in unserer Verwahrung zu schaffen. Hilff Himmel! was bekamen wir nicht solcher Gestalt noch vor Reichthümer in unser Gewalt? Gold, Silber, edle Steine, schöne Zeuge, Böckel= und geräuchert Fleisch nebst andern Victualien war dasjenige, was am wenigsten geachtet wurde, hergegen Coffeé, Theé, Chocolade, Gewürtze, ausgepichte Kisten mit Zucker, Pech, Schwefel, Oehl, Talg, Butter, Pulver, allerhand eisern, zinnern kupffern und meßingen Hauß=Geräthe, dicke und dünne Seile, höltzerne Gefässe u.d.gl. ergötzte uns am allermeisten.

     Unser Hauß=Gesinde, das nunmehro, da sich der ehemalige Patient auch eine Frau geholet, aus 6. Personen bestund, that hierbey ungemeine Dienste, und meine liebe Ehe=Frau brachte in der unterirrdischen Höle alles, was uns nützlich, an gehörigen Ort und Stelle, was aber von dem See=Wasser verdorben war, musten ein paar Affen auf einen darzu gemachten Roll=Wagen so gleich fortschaffen, und in den nächst=gelegenen Fluß werffen. Nach diesem, da eine grosse Menge zugeschnittener Breter und Balcken von den zertrümmerten Schiffen vorhanden, erweiterte ich unsere Wohnung auf dem Hügel noch um ein grosses, bauete auch der Affen Behausung geräumlicher, und brachte, kurtz zu sagen, alles in solchen Stand, daß wir bevorstehenden Winter wenig zu schaffen [271] hatten, sondern in vergnügter Ruhe beysammen leben konten.

     Unser Zeitvertreib war im Winter der allervergnügteste von der Welt, denn wenn wir unsers Leibes mit den besten Speisen und Geträncke wohl gepflegt, und nach Belieben ein und andere leichte Arbeit getrieben hatten, konten wir zuweilen etliche Stunden einander in die Arme schliessen und mit untermengten Küssen allerhand artige Geschichte erzehlen, worüber denn ein jedes seine besondere Meinung eröffnete, so, daß es öffters zu einem starcken Wort=Streite kam, allein, wir vertrugen uns letztlich immer in der Güte, zumahlen, wenn die Sachen ins geheime Kammer=Gerichte gespielet wurden.

     Im Frühlinge, nehmlich am 19. Octobr. des Jahres unserer Verehligung, wurde so wohl ich als meine allerliebste Ehe=Gattin nach ausgestandenen 4. stündigen ängstlichen Sorgen mit inniglichen Vergnügen überschüttet, indem sie eben in der Mittags=Stunde ein paar kurtz auf einander folgende Zwillings=Söhne zur Welt brachte. Sie und ich hatten uns zeithero, so viel als erdencklich, darauf geschickt gemacht, derowegen befand sich, unter Göttlichen Beystande, meine zarte Schöne bey dieser gedoppelten Kinder=Noth dennoch weit stärcker und kräfftiger als das erste mahl. Ich gab meinen hertzlich geliebten Söhnen gleich in der ersten Stunde die heil. Tauffe, und nennete den ersten nach mir,Albertus, den andern aber nach meinem seel. Vater, Stephanus, that anbey alles, was einem getreuen Vater und [272] Ehe=Gatten gegen seine lieben Kinder und wertheste Ehe=Gemahlin bey solchen Zustande zu thun oblieget, war im übrigen höchst glücklich und vergnügt, daß sich weder bey der Mutter noch bey den Kindern einige besorgliche Zufälle ereigneten.

     Ich kan nicht sagen, wie frölich sich die kleine Concordia, so allbereit wohl umher lauffen, und ziemlich vernehmlich plaudern konte, über die Anwesenheit ihrer kleinen Stieff=Brüder anstellete, denn sie war fast gar nicht von ihnen hinweg zu bringen, unsere Affen aber machten vor übermässigen Freuden ein solches wunderliches Geschrey, dergleichen ich von ihnen sonst niemahls gehöret, als da sie bey dem ersten Kriege siegend zurück kamen, erzeigten sich nachhero auch dermassen geschäfftig, dienstfertig und liebkosend um uns und die Kinder herum, daß wir ihnen kaum genung zu verrichten geben konten.

     So weit war unser Alt=Vater Albertus selbigen Abend in seiner Erzehlung kommen, als er die Zeit beobachtete, sich zur Ruhe zu legen, worinnen wir andern ihm Gesellschafft leisteten. Des darauf folgenden Sonnabends wurde keine Reise vorgenommen, indem Herr Mag. Schmelzer auf seine Predigt studirte, wir übrigen aber denselben Tag auch nicht müßig, sondern mit Einrichtung allerhand nöthiger Sachen zubrachten, und uns des Abends auf die morgende Sabbaths=Feyer præparirten. Selbiges war der 26. Sonntag p. Trinit. an welchem sich etwa eine Stunde nach geschehenen Canonen=Schusse fast alle gesunde Einwohner der Insel unter der Alberts=Burg [273] versammleten, und den Gottesdienst mit eiffrigster Andacht abwarteten, worbey Herr Mag. Schmelzer in einer vortrefflichen Predigt, die, den Frommen erfreuliche, den Gottlosen aber erschröckliche Zukunfft Christi zum Gerichte, dermassen beweglich vorstellete, daß sich Alt und Jung ungemein darüber vergnügten. Nachmittags wurde Catechismus=Examen gehalten, in welchen Hr. Mag. Schmelzer sonderlich den Articul vom heil. Abendmahl Christi durchnahm, und diejenigen Menschen, welche selbiges zu geniessen zwar niemahls das Glück gehabt, dennoch von dessen heiliger Würde und Nutzbarkeit dermassen wohl unterrichtet befand, daß er nach einem gehaltenen weitläufftigen Sermon über diese hochheilige Handelung, denen beyden Gemeinden in Alberts= und Davids=Raum ankündigte, wie er sich diese gantze Woche hindurch alle Tage ohngefehr zwey oder drey Stunden vor Untergang der Sonnen, in der Alleé auf ihrer Gräntz=Scheidung einstellen wolte, derowegen möchten sich alle diejenigen, welche beyderley Geschlechts über 14. Jahr alt wären, zu ihm versammlen, damit er sie insgesammt und jeden besonders vornehmen, und erforschen könte, welche mit guten Gewissen künfftigen Sonnabend zur Beichte, und Sonntags darauf zum heil. Abendmahle zu lassen wären, indem es billig, daß man das neue Kirchen=Jahr mit solcher höchst wichtigen Handlung anfinge. Es entstund hierüber eine allgemeine Freude, zumahlen da er versprach, in folgenden Wochen mit den übrigen Gemeinden auf gleiche Art zu verfahren, und immer 2. oder 3. auf [274] einmahl zu nehmen, biß er sie ingesammt dieser unschätzbaren Glückseeligkeit theilhafftig gemacht. Hierauf wurden die anwesenden kleinen Kinder von Mons. Wolffgangen mit allerhand Zuckerwerck und Spiel=Sachen beschenckt, nach einigen wichtigen Unterredungen mit den Stamm=Vätern aber kehrete ein jeder vergnügt in seine Behausung.

     Der anbrechende Montag erinnerte unsern Alt=Vater Albertum nebst uns die Reise nach Christophs=Raum vorzunehmen, als wir derowegen unsern Weg durch den grossen Garten genommen, gelangeten wir in der Gegend an, welche derselbe zum GOttes=Acker und Begräbniß vor die, auf dieser Insel verstorbenen, ausersehen hatte. Er führete uns so fort zu des Don Cyrillo de Valaro aufgerichteten Gedächtniß=Säule, die unten mit einem runden Mauerwerck umgeben, und woran eine zinnerne Tafel geschlagen war, die folgende Zeilen zu lesen gab:

HIer liegen die Gebeine
eines vermuthlich seelig verstorbenen Christen
und vornehmen Spanischen Edelmanns,
Nahmens
Don Cyrillo de Valaro,
welcher, dessen Uhrkunden gemäß,
den 9. Aug. 1475. gebohren,
Auf dem Wege aus West=Indien nebst 8. andern
Manns=Personen den 14. Nov. 1514.
in dieser Insel angelanget,
In Ermangelung eines tüchtigen Schiffs
allhier bleiben müssen,
[275] Seine Gefährten, die ihm in der Sterblichkeit
vorgegangen, ehrlich begraben,
und ihnen endlich
ao. 1606. ohne Zweiffel in den ersten Tagen
des Monats Julii gefolget;
Nachdem er auf dieser Insel weder recht vergnügt noch gäntzlich unvergnügt
gelebt 92. Jahr,
Sein gantzes Alter aber gebracht
über 130. Jahr und 10. Monate.
Den Rest seines entseelten Cörpers haben erstlich
nach 40. Jahren gefunden, und auf dieser
Stätte aus christl. Liebe begraben
Carl Franz van Leuven und Albertus Julius.

     Von dieser, des Don Cyrillo Gedächtniß=Säule, stunde etwa 4. Schritt Ost=wärts eine ohngefähr 6. Ellen hohe mit ausgehauenen Steinen aufgeführte Pyramide, auf der eingemauerten grossen kupffernen Platte aber folgende Schrifft:

UNter diesem Grabmahle
erwartet der frölichen Auferstehung
zum ewigen Leben
eine Königin dieses Landes,
eine Crone ihres hinterlassenen Mannes,
und eine glückseelige Stamm=Mutter
vieler Lebendigen,
nehmlich
CONCORDIA, gebohrne PLÜRS,
die wegen ihrer Gottesfurcht, seltsamen Tugenden
und wunderbaren Schicksals,
[276] eines unsterblichen Ruhms würdig ist.
Sie ward gebohren zu Londen in Engelland
den 4. Apr. 1627.
Vermählete sich zum ersten mahle mit Herrn Carl Franz van Leuven den 9. Mart. 1646.
Gebahr nach dessen kläglichen Tode,
am 11. Dec. selbigen Jahres, von ihm eine Tochter.
Verknüpffte das durch Mörders=Hand zerrissene
adeliche Ehe=Band nachhero mit
Albert Julio
am 8. Januar. 1648.
Zeugete demselben 5. Söhne, 3. lebendige
und eine todte Tochter.
Ersahe also in ihrer ersten, und andern 68.jährigen
weniger 11. tägigen Ehe 9. lebendige
und 1. todes Kind.
87. Kindes=Kinder, 151. Kindes=Kindes=Kinder,
und 5. Kindes=Kindes=Kindes=Kinder.
Starb auf den allein seeligmachenden Glauben an
Christum, ohne Schmertzen, sanfft und seelig
den 28. Dec. 1715.
Ihres Alters 88. Jahr, 8. Monat und 2. Wochen.
Und ward von ihrem zurückgelassenen getreuen
Ehe=Manne und allen Angehörigen unter
tausend Thränen allhier
in ihre Grufft gesenckt.

     Gleich neben dieser Pyramide stund an des van Leuvens Gedächtniß=Säule diese Schrifft:

BEy dieser Gedächtniß=Säule
hoffet auf die ewige glückseelige Vereinigung
mit seiner durch Mörders=Hand
getrenneten Seele
der unglückliche Cörper
Herrn CARL FRANZ van LEUVENS.
eines frommen, tugendhafften und tapffern
Edel=Manns aus Holland.
Der mit seiner hertzlich=geliebten Gemahlin
Concordia, geb. Plürs,
nach Ceylon zu seegeln gedachte,
und nicht bedachte,
wie ungetreu das Meer zuweilen an denjenigen
handele, die sich darauf wagen.
Er entkam zwar dem entsetzlichen Sturme 1646.
im Monath Augusto glücklich, und setzte seinen
Fuß den 10. Sept. mit Freuden auf diese Insel,
hätte auch ohnfehlbar dem Verhängnisse
allhier mit ziemlichen Vergnügen
stille gehalten;
Allein, sein vermaledeyter Gefährte Lemelie, der
seine gegen die keusche Concordia loderenden
geilen Flammen, nach dessen Tode, gewiß
zu kühlen vermeynte,
stürtzte diesen redlichen Cavalier
am Tage Martini 1646.
von einem hohen Felsen herab,
der, nach dreyen Tagen erbärmlich
zerschmettert gefunden, von seiner schwangern
keuschen Gemahlin und getreuen Diener Albert Julio
auf diese Stätte begraben, und ihm
gegenwärtiges Denkmahl
gesetzt worden.

     *    *    *

 
 
 
 
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