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- W u n d e r l i c h e
F a t a e i n i g e r
S e e f a h r e r
1 . T e i l ( 1 7 3 1 )
S e i t e 1 9 1 - 2 2 3
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- [191] Jedoch, was will ich hiervon viel reden, die Kostbarkeiten kan ich euch, meine Freunde, ja noch alle unverletzt zeigen. Worzu aber die übrigen nützlichen Sachen angewendet worden, davon kan meine und meiner Kinder Haußhaltung und nicht vergeblich gethane Arbeit ein sattsames Zeugniß abstatten. Ich muß demnach nur eilen, euch, meinen Lieben! den fernern Verlauff der damahligen Zeiten noch kürtzlich zu erzehlen, ehe ich auf meine einseitige Geschicht, und die anfänglich betrübte, nachhero aber unter GOttes Fügung wohl ausgeschlagene Haußhaltung komme.
Mittlerweile, da Lemelie kranck lage, räumeten Mons. van Leuven und ich alle Sachen aus dem unterirrdischen Gewölbe herauf ans Tages=Licht und an die Lufft, damit wir sehen möchten, was annoch zu gebrauchen wäre oder nicht; Nach diesen reinigten wir die unterirrdische Höle, die ausser der kleinen Schatz=Kammer aus 3. geraumlichen Kammern bestund, von aller Unsauberkeit. Ermeldte Schatz=Kammer aber, die wir dem Lemelie nicht wolten wissen lassen, wurde von unsern Händen wohl vermauret, auswendig mit Leimen beschlagen, und so zugerichtet, daß niemand vermuthen konte, als ob etwas verborgenes darhinter steckte. Mons. van Leuven erwehlete das Vorgemach derselben, worinnen auch der verstorbene Don Cyrillo sein Lebens=Ziel erwartet, zu seinem Schlaff=Gemach, ich nahm vor mich die Kammer darneben, und vor Lemelie wurde die dritte zugerichtet, alle aber mit Pulver und Schiff=Pech etliche Tage nach einander wohl aus=[192]geräuchert, ja so zu sagen, gar ausgebrandt, denn dieser gantze Hügel bestehet aus einem vortrefflichen Sand=Steine.
So bald wir demnach alles in recht gute Ordnung gebracht hatten, wurde Concordia hinein geführet, welche sich ungemein darüber erfreuete, und so gleich ohne die geringste Furcht darinnen Hauß zu halten versprach. Wolte also der wunderliche Lemelie nicht oben alleine schlaffen, muste er sich halb gezwungener Weise nach uns richten.
Indessen, da er noch immer kranck war, schafften Mons. van Leuven und ich alltäglich noch sehr viele auf der Sand=Banck liegende nützliche Sachen auf die Insul, und kamen öffters nicht eher als mit sinckenden Tage nach Hause. Da immittelst Lemelie sich kräncker stellet als er ist, doch aber soviel Kräffte hat, der Concordia einmahl über das andere so viel vorzuschwatzen, um sie dahin zu bewegen, seiner Wollust ein Genüge zu leisten, und an ihrem Ehe=Manne untreu zu werden.
Concordia weiset ihn anfänglich mit GOttes Wort und andern tugendhafften Regeln zurücke, da er aber eins so wenig als das andere annehmen, und fast gar Gewalt brauchen will, sie auch kaum Gelegenheit, sich seiner zu erwehren, gefunden, und in grösten Eiffer gesagt, daß sie ehe ihren Ehrenschänder oder sich selbst ermorden, als an ihren Manne untreu werden, und so lange dieser lebte, sich mit einem andern vermischen wolte; wirfft er sich zu ihren Füssen, und bittet seiner hefftigen Liebe wegen um Verzeihung, verspricht auch, ihr dergleichen nimmermehr wieder zuzumuthen, woferne [193] sie nur die eintzige Gnade vor ihn haben, und ihrem Manne nichts davon entdecken wolte. Concordia stellet sich besänfftiget an, giebt ihm einen nochmahligen scharffen Verweiß, und verspricht zwar, ihrem Manne nichts darvon zu sagen, allein, ich selbst muste noch selbigen Abend ein Zeuge iherer Ehrlichkeit seyn, indem sie bey guter Gelegenheit uns beyden alles, was vorgegangen war, erzehlete, und einen Schwur that, viel lieber mit an die allergefährlichste Arbeit zu gehen, als eine Minute bey dem Lemelie hinführo alleine zu verbleiben. Mons. van Leuven betrübte sich nicht wenig über die grausame Unart unsers dritten Mannes, und sagte, daß er von Grund des Herzens gern seinen Antheil von dem gefundenen Schatze missen wolte, wenn er nur mit solchen den Gottes=vergessenen Menschen von der Insul hinweg kauffen könte. Doch wir beschlossen, ihn ins künfftige besser in acht zu nehmen, und bey der Concordia niemahls allein zu lassen.
Immittelst konte doch Mons. van Leuven seinen deßhalb geschöpfften Verdruß, wie sehr er sich auch solches angelegen seyn ließ, unmöglich gäntzlich verbergen, weßwegen Lemelie bald vermerckte, daß Concordia ihrem Manne die Treue besser, als ihm ihr Wort zu halten geartet, jedoch er suchte seinen begangenen Fehler aufs neue zu verbessern, denn da er wenig Tage hierauf sich völlig genesen zeigte, war von da an niemand fleißiger, dienstfertiger und höflicher als eben der Lemelie.
Wir hatten aber in des Don Cyrillo schrifftlichen Nachrichten unter andern gefunden, daß durch [194] den Ausfall des Flusses gegen Mitternacht zu, unter dem Felsen hindurch, ein gantz bequemer Ausgang von der Insul nach der Sand=Banck und dem Meere zu, anzutreffen sey. Wenn man vorhero erstlich in den heissen Monaten, da der Fluß am schwächsten lieffe, einen Damm gemacht, und dessen Wasser durch den Canal, welchen Cyrillo nebst seinen Gefährten vor nunmehro 125. Jahren gegraben, in die kleine See zum Ausflusse führete. Dieses nun in Erfahrung zu bringen, sahen wir gegenwärtige Zeit am allerbequemsten, weil uns der seichte Fluß einen Damm hinein zu machen Erlaubniß zu geben schien. Demnach fälleten wir etliche Bäume, zersägten dieselben, und rammelten ziemlich grosse Plöcke um die Gegend in den Fluß, wo wir die Wahrzeichen des Dammes unserer Vorfahren mit grossen Freuden wahrgenommen hatten. Vor die mit allergröster Müh eingerammleten Plöcke wurden lange Bäume über einander gelegt, von solcher Dicke als wir dieselbe fortzuschleppen vermögend waren, und diese musten die vorgesetzten Rasen=Stücke nebst dem vorgeschütteten fettem Erdreiche aufhalten. Mit solcher Arbeit brachten wir biß in die 4te Woche zu, binnen welcher Zeit der Damm seine nöthige Höhe erreichte, so, daß fast kein Tropffen Wasser hindurch konte,,hergegen alles durch den Canal sich in die kleine See ergoß. Lemelie hatte sich bey dieser sauren Arbeit dermassen fleißig, in übriger Aufführung aber so wohl gehalten, daß wir ingesammt glaubten, sein voriges übeles Leben müsse ihm gereuet, und er von da an einen bessern Vorsatz gefasset haben.
[195] Nunmehro war es an dem, daß wir die grosse Lampe anzündeten, und uns in eine abermahlige Felsen=Höle wagen wolten, welches auch, des nächsten Tages früh Morgens geschahe. Concordia wolte allhier nicht alleine zurücke bleiben, sondern sich unsers Glücks und Unglücks durchaus theilhafftig machen, derowegen traten wir unsern Weg in GOttes Nahmen an, fanden denselben ziemlich bequem zu gehen, ob gleich hie und da etliche hohe Stuffen befindlich, welchen doch gar mit leichter Müh nachzuhelffen war. Aber, o Himmel! wie groß war unsere Freude, da wir ohne die geringste Gefahr das Ende erreichten, Himmel und See vor uns sehen, und am Ufer des Felsens bey unsern annoch rückständigen Sachen herum spatziren, auch mit vielweniger Müh und Gefahr zurück auf unsere Insul kommen konten.
Ihr seyd, meine lieben Kinder, fuhr unser Alt=Vater Albertus in seiner Erzehlung fort, selbsten durch diesen Gang in die Insul kommen, derowegen könnet ihr am besten von dessen Bequemlichkeit und Nutzen urtheilen, wenn ihr zumahlen die gefährlichen und beschwerlichen Wege über die Klippen dargegen betrachtet. Uns war dieser gefundene Gang zu damahligen Zeiten wenigstens ungemein tröstlich, da wir in wenig Tagen alles, was annoch auf der Sand=Banck lag, herauf brachten, das Hintertheil des zerscheiterten Schiffs zerschlugen, und nicht den kleinesten Nagel oder Splitter davon zurück liessen, so, daß wir weiter ausserhalb des Felsens nichts mehr zu suchen wusten, als unsern Nachen oder kleines Boot, und [196] dann und wann einige Schild=Kröten, See=Kälber, nebst andern Meer=Thieren, wovon wir doch weiter fast nichts als die Häute und das Fett zu gebrauchen pflegten.
Solchergestalt wandten wir die fernern Tage auf nichts anders, als, nach und nach immer eine bessere Ordnung in unserer Haußhaltung zu stifften, sammleten von allerley nutzbarn Gewächsen die Saam=Körner ein, pflegten die Wein=Stöcke und Obst=Bäume aufs beste, als worinnen ich bey meinen lieben Pflege=Vätern, dem Dorff=Priester und dem Amtmanne, ziemliche Kunstgriffe und Vortheile abgemerckt. Lebten im übrigen in der Hoffnung künfftiger noch besserer Zeiten gantz geruhig und wohl beysammen. Allein, in der Nacht zwischen den 8ten und 9ten Novembr. überfiel uns ein entsetzliches Schrecken. Denn es geschahe ohngefähr um Mitternachts=Zeit, da wir ingesammt im süssesten Schlaffe lagen, ein dermassen grosser Knall in unserer unter=irrdischen Wohnung, als ob das allerstärckste Stück Geschützes loßgebrannt würde, so, daß man die Empfindung hatte, als ob der gantze Hügel erschütterte. Ich sprang von meinem Lager auf, und wolte nach der beyden Ehe=Leute Kammer zu eilen, selbige aber kamen mir so gleich im Dunckeln gantz erschrocken entgegen, und eileten, ohne ein Wort zu sprechen, zur Höle hinaus, da der Schein des Monden fast alles so helle als am Tage machte.
Ich kan nicht läugnen, daß Mons. van Leuven, Concordia und ich vor Furcht, Schrecken und Zittern, kein Glied stille halten konten, unsere [197] Furcht aber wurde noch um ein grosses vermehrt, da sich, gegen Süden zu, eine weisse lichte Flamme sehen ließ, welche immer gantz sachte fort zohe, und endlich um die Gegend, wo wir des Don Cyrillo Cörper begraben hatten, verschwand.
Die Haare stunden uns hierüber zu Berge, doch, nachdem wir uns binnen einer Stunde in etwas erholet hatten, brach Mons. van Leuven endlich das lange Stillschweigen, indem er sagte: Mein Schatz und Mons. Albert! ich weiß, daß ihr euch über dieses Nacht=Schrecken so wohl als ich unterschiedene Gedancken werdet gemacht haben; allein ich glaube, daß der sonst unerhörte Knall von einem Erdbeben herrühret, wobey unseer Sand=Stein=Hügel ohnfehlbar einen starcken Riß bekommen. Die weisse Flamme aber, so wir gesehen, halte ich vor eine Schwefel=Dunst, welche sich nach dem Wasser hingezogen hat. Monsieur van Leuven bekam in diesen Meinungen Seiten meiner starcken Beyfall, allein Concordia gab dieses darauf: Mein Schatz, der Himmel gebe nur, daß dieses nicht eine Vorbedeutung eines besondern Unglücks ist, denn ich war kurtze Zeit vor dem grausamen Knalle durch einen schweren Traum, den ich im Schrecken vergessen habe, ermuntert worden, und lag mit wachenden offenen Augen an eurer Seite, als eben dergleichen lichte Flamme unsere Kammer mit einer gantz ausserordentlichen Helligkeit erleuchtete, und die sonst alle Nacht hindurch brennende grosse Lampe auslöschte, worauf sogleich der grausame Knall und die hefftige Erschütterung zu empfinden war.
[198] Uber diesen Bericht nun hatte ein jedes seine besondere Gedancken, Mons. van Leuven aber unterbrach dieselben, indem er sich um den Lemelie bekümmerte, und gern wissen mochte, wo sich dieser aufhielte. Meine Muthmassungen waren, daß er vielleicht noch vor uns, durch den Schrecken, aus der Höle gejagt worden, und sich etwa hier oder da auf der Insul befände; Allein, nachdem wir den übrigen Theil der Nacht ohne fernern Schlaff hingebracht, und nunmehro das Sonnen=Licht mit Freuden wieder empor kommen sahen, kam auch Lemelie unverhofft aus der Höle heraus gegangen.
Dieser bekannte auf unser Befragen so gleich, daß er weder etwas gesehen, noch vielweniger gehöret habe, und verwunderte sich ziemlich, da wir ihm von allen Begebenheiten voriger Nacht ausführliche Nachricht gaben. Wir hielten ihn also vor glücklicher als uns, stunden aber auf, und besichtigten nicht allein die Höle, sondern auch den gantzen Hügel, fanden jedoch nicht das geringste Versehr, Ritze oder Spalte, sondern alles in unveränderten guten Stande. Lemelie sagte derowegen: Glaubet mir sicher, meine Freunde! es ist alles ein pures Gauckel=Spiel, der im Fegefeuer sitzenden Seele des Don Cyrillo de Valaro. Ach, wie gern wolte ich einem Römisch=Catholischen Priester 100. Creutz=Thaler Seel=Meß=Gelder zahlen, um dieselbe daraus zu erlösen, wenn er nur gegenwärtig wäre, und uns in vollkommene Ruhe setzen könte.
Van Leuven und ich hielten nicht vor rathsam, diesem einfältigen Tropffen zu widersprechen, liessen [199] ihn derowegen bey seinen 5. Augen, beschlossen aber dennoch, etliche Nacht in unsern grünen Hütten zu schlaffen, biß man sähe, was sich ferner wegen des vermeintlichen Erdbebens zeigen, und die deßfalls bey uns entstandene Furcht nach und nach verschwunden seyn würde, welches auch dem Lemelie gantz vernünfftig vorkam.
Allein der ehrliche van Leuven schlieff nur noch 2. Nächte bey seiner liebsten Ehe=Frauen in der Lauber=Hütte. Denn am 11. Novembr. ging er, etwa 2. Stunden, nachdem die Sonne aufgegangen war, mit einer Flinte fort, um ein oder zwey grosse wohlschmeckende Vogel, welche sich gemeiniglich auf den obersten Klippen sehen liessen, herunter zu schiessen, die wir selbigen Abend an statt der Martins=Gänse braten und verzehren wolten. Lemelie war etwa eine Stunde vorher ebenfalls darauf ausgegangen, ich aber blieb bey der Concordia, um ihr beym Kochen mit Holtz=Spalten und andern Handreichungen die Arbeit zu erleichtern.
Zwey Stunden über Mittag kam Lemelie mit zwey schönen grossen Vogeln zurücke, über welche wir uns sogleich hermachten, und dieselben reinigten. Mittlerweile fragte Lemelie Concordien, wo ihr Mann hingegangen? und erhielt von selbiger zur Antwort, daß er gleichergestalt auf solch Wildpret ausgegangen sey, worbey sie sich erkundigte, ob sie einander nicht angetroffen. Lemelie antwortete mit Nein. Doch habe er auf jener Seite des Gebürges einen Schuß vernommen, woraus er gemuthmasset, daß sich gewiß einer von uns daselbst aufhalten würde.
[200] Concordia machte noch einen Spaaß hierbey, indem sie sagte: Wenn nun mein Carl Franz kömmt, mag er seine geschossenen Martins Gänse biß auf Morgen aufheben. Allein, da die Sonne bereits unterging, und unsere beyden Braten zum Speisen tüchtig waren, stellete sich dem ohngeacht unser guter van Leuven noch nicht ein, wir warteten noch ein paar Stunden, da er aber nicht kam, verzehreten wir den einen Vogel mit guten Appetit, und spareten den andern vor ihn und Concordien. Allein, die Nacht brach endlich auch ein, und van Leuven blieb immer aussen. Concordien begunte daß Hertze schwer zu werden, indem sie genug zu thun hatte, die Thränen zurück zu halten, ich aber tröstete sie, so gut ich konte, und meinete, weil es heller Monden=Schein, würde ihr Ehe=Schatz schon noch zurücke kommen. Sie aber versetzte: Ach, es ist ja wider alle seine gewöhnliche Art, was wird ihm der Monden=Schein helffen? Und wie kan er zurücke kommen, wenn er vielleicht Unglück genommen hat? Ja, ja, fuhr sie fort, mein Hertze sagt es mir, mein Liebster ist entweder todt, oder dem Tode sehr nahe, denn itzo fällt mir mein Traum auf einmahl wieder in die Gedancken, den ich in der Schreckens=Nacht, seit dem aber gäntzlich vergessen gehabt. Diese ihre Worte wurden mit einer gewaltsamen Thränen Fluth begleitet, Lemelie aber trat auf, und sagte: Madame! verfallet doch nicht so gleich auf die ärgsten Gedancken, es kan ihn ja vielleicht eine besonders glückliche Begebenheit, oder Neugierigkeit, etwa hier oder dar aufhalten. Stehet auf, wir wollen ihm alle drey [201] entgegen gehen, und zwar um die Gegend, wo ich heute von ferne seinen Schuß gehöret, wir wollen schreyen, ruffen und schiessen, was gilts? er wird sich bald melden, und uns zum wenigsten mit einem Schuß oder Laut antworten. Concordia weinete dem ohngeacht immer noch hefftiger, und sagte: Ach, wie kan er schiessen oder antworten, wenn er todt ist? Doch da wir beyde, ihr ferner zuzureden, nicht unterliessen, stund sie endlich auf, und folgte nebst mir dem Lemelie, wo er uns hinführete.
Es wurde die gantze Nacht hindurch an fleißigem Suchen, Schreyen und Schiessen nichts gesparet, die Sonne ging zwar darüber auf, doch van Leuven wolte mit selbiger dennoch nicht zum Vorscheine kommen. Wir kehreten zurück in unsere Lauber=Hütten und unter=irrdische Wohnung, fanden aber nicht die geringste Spur, daß er Zeit seines Hinwegseyns wiederum da gewesen. Nunmehro begunte mir auch das Hertz=Blat zu schiessen, Concordia wolte gantz verzweiffeln, und Lemelie selbst sagte: Es könne unmöglich richtig zugehen, sondern Mons. van Leuven müste ohnfehlbar etwa ein Unglück genommen haben. Derohalben fingen wir ingesammt gantz von neuen an, ihn zu suchen, und daß ich es nur kurtz mache, am dritten Tage nach seinem letzten Ausgange entdeckten wir mit grausamsten Schrecken seinen entseelten Cörper, gegen Süden zu, ausserhalb an dem Absatze einer jähen Stein=Klippe liegen, als von welcher er unserm damahligen Vermuthen nach herab gefallen war. Ich fing vor übermäßiger Betrübniß bey diesem jämmerlichen Anblicke überlaut zu schreyen und zu heulen an, [202] und rauffte mir als ein unsinniger Mensch gantze Hände voll Haare aus dem Kopffe, Concordia, die meine Geberden nur von ferne sahe, weil sie die hohen Felsen nicht so, wie ich, besteigen konte, sanck augenblicklich in Ohnmacht hin, Lemelie lieff geschwind nach frischen Wasser, ich aber blieb als ein halbverzweiffelter Mensch gantz sinnloß bey ihr sitzen.
Endlich halff doch des Lemelie oft wiederholtes Wasser giessen und sprengen so viel: daß Concordia sich wieder in etwas ermunterte. Allein meine Freunde, (so unterbrach allhier der Alt=Vater Albertus seine Erzehlung in etwas,) ich befinde mich biß diese Zeit noch nicht im Stande, ohne selbst eigene hefftige Gemüths=Bewegungen, der Concordia schmertzliches Klagen, und mit wenig Worten zu sagen; Ihre fast gäntzliche Verzweiffelung auszudrücken, wiewol solches ohnedem besser mit dem Verstande zu fassen, als mit Worten auszusprechen ist. Doch ich setzte bey ihrem übermäßigen Jammer, mein eigenes dabey geschöpfftes Betrübniß in etwas bey Seite, und suchte sie nur erstlich dahin zu bereden, daß sie sich von uns nach der Laub=Hütte führen liesse. Wiewol nun in dem ersten Auflauff ihrer Gemüths=Bewegungen nichts von ihr zu erhalten war, indem sie mit aller Gewalt ihren Carl Frantz sehen, oder sich selbsten den Kopf an einem Felsen einstossen wolte; so ließ sie sich doch endlich durch Vorstellung einiger Biblischen Sprüche und anderer Vernunfft=Lehren, dahin bewegen, daß ich und Lemelie, welcher vor verstellter Betrübniß kein Wort reden, doch auch kein Auge naß machen konte [203] oder wolte, sie mit sinckenden Tage in die Laubhütte führen durfften. Nachdem ich auf ihr sehnliches Bitten versprochen: alle Mühe und Kunst anzuwenden, den verunglückten Cörper ihres werthen Schatzes herauff zu schaffen.
Ohngeacht aber Concordia und ich in vergangenen Nachten fast wenig oder nichts geschlaffen hatten, so konten wir doch auch diese Nacht, wegen des allzu grossen Jammers, noch keinen Schlaf in unsere Augen kriegen, sondern ich nahm die Bibel und laß der Concordia hieraus die kräfftigsten Trost=Psalmen und Capitel vor, wodurch ihr vorheriges unruhiges, und zur Verzweiffelung geneigtes Gemüthe, in merckliche Ruhe gesetzt wurde. Indem sie, obschon das Weinen und Klagen nicht unterließ, dennoch so viel zu vernehmen gab, daß sie allen Fleiß anwenden wolte, sich mit Gedult in ihr klägliches Verhängniß zu schicken, indem freylich gewiß wäre, daß uns ohne GOttes Willen kein Unglück begegnen könne. Ihre damaligen reformirten Glaubens=Gründe, trugen gewisser massen ein vieles zu der von mir gewünschten Beruhigung bey, doch nachhero hat sie diese verdächtigen Hülffs=Mittel besser erkennen, und sich, durch mein Zureden, aus GOTTES Wort kräfftiger trösten lernen.
Gegen Morgen schlief die biß in den Tod betrübte Concordia etwa ein paar Stunden, ich that dergleichen, Lemelie aber, der die gantze Nacht hindurch als ein Ratz geschlaffen hatte, stund auf, wünschte der Concordia zum guten Morgen: Daß sie sich bey einer Sache, die nunmehro unmöglich zu än=[204]dern stünde, bald vollkommen trösten, und in ruhigern Zustand setzen möchte, wolte hiermit seine Flinte nehmen und spatzieren gehen, doch ich hielt ihn auf, und bat: er möchte doch der Concordia die Gefälligkeit erzeigen, und den Cörper ihres Liebsten mir herauff bringen helffen, damit wir ihn ehrlich zur Erden bestatten könten; Allein er entschuldigte sich, und gab zu vernehmen, wie er zwar uns in allen Stücken Gefälligkeit und Hülffe zu leisten schuldig wäre; doch damit möchte man ihn verschonen, weiln uns ja zum voraus bewust, daß er einen ungewöhnlichen natürlichen Abscheu vor todten Menschen hätte, auch ohngeacht er schon lange Zeit zu Schiffe gedienet, niemals im Stande gewesen, einen frischen Todten in die See zu werffen, vielweniger einen solchen anzugreiffen der schon etliche Tage an der Sonne gelegen. Hiermit gieng er seine Wege, Concordia aber hub von neuen an, sich aufs allerkläglichste zu gebährden, da ich ihr aber zugeredet, sich zu mäßigen, und mich nur allein machen zu lassen, weil ich weder Gefahr noch Mühe scheuen, sondern ihr, unter GOttes Schutz, den Cörper ihres Liebsten in ihre Hände liefern wolte; muste sie mir erstlich zuschweren, sich Zeit meines Abseyns selbst kein Leyd zuzufügen, sondern gedultig und stille zu sitzen, auch vor mich, wegen bevorstehender Gefahr, fleißig zu beten. Worauff so viel Seile und Stricke als zu ertragen waren, nebst einem Stücke Seegel=Tuch nahm, und nebst Concordien, die eine Holtz=Axt nebst etwas Speise vor uns beyde trug, nach den Felsen hin eilete. Daselbst ließ ich sie unten an einem sichern Orte sitzen, und kletterte nach [205] und nach zur Höhe hinauff, zohe auch die Axt, etliche spitz gemachte Pfähle, und die übrigen Sachen, von einem Absatz zum andern, hinter mir her. An der auswendigen Seite muste ich mich aber viel grösserer Gefahr unterwerffen, weil daselbst die Felsen weit steiler, und an vielen Orten gar nicht zu beklettern waren, weßwegen ich an drey Orten in die Felsen=Ritzen Pfähle einschlagen, ein langes Seil dran binden und mich 3. mal 8. 10. biß 12. Ellen tief, an selbigen herunter lassen muste. Solchergestalt gelangete ich endlich zu meines lieben Herrn van Leuvens jämmerlich zerschmetterten Cörper, der, weil ihm das Gesicht sehr mit Blut unterlauffen war, seine vorige Gestalt gäntzlich verlohren hatte, und allbereit wegen der grossen Hitze, einen üblen Geruch von sich gab, jedoch ich hielt mich nicht lange dabey auf, sondern wickelte ihn eiligst in das bey mir habende Tuch, bewunde dasselbe mit Stricken, band ein Seil daran, und zohe diese Last nach und nach hinauff. Zu meinem Glücke hatte ich in die vom Felsen herab hangenden Seile, verschiedener Weite nach, Knoten gebunden, sonst wäre fast unmöglich gewesen wieder hinauff zu kommen, doch der Himmel bewahrete mich in dieser besondern Gefahr vor allem Unfall, und ich gelangte nach etwa 6. oder 7. Stunden verlauff, ohnbeschadet, doch sehr schwer beladen und ermüdet, wiederum bey Concordien an. Durch vielles Bitten und vernünfftige Vorstellungen, erhielt ich endlich so viel von selbiger, daß sie sonst nichts als ihres seel. Ehe=Mannes Gesichte und die Hand, woran er annoch seinen Siegel=Ring stecken hatte, zu sehen be=[206]gehrte. Sie wusch beydes mehr mit Thränen, als mit Wasser aus dem vorbey rinnenden Bächlein ab, und küssete ihn ohngeacht des übeln Aussehens und Geruchs vielfältige mal, zohe den Ring von seinem Finger, und ließ endlich unter hefftigen Jammer=Klagen geschehen, daß ich den Cörper wieder einwickelte, und auf vorige Art umwunde.
Sie halff mir denselben biß in unsere unterirrdische Höle tragen, woselbst er, weil ich nicht allein sehr ermüdet, sondern es auch allbereit ziemlich spät war, liegen blieb, und von uns beyden bewacht wurde. Mit anbrechenden Tage machte ich ein Grab neben des Don Cyrillo seinem, worein wir diesen lieben verunglückten Freund, unter vergiessung häuffiger Thränen, begruben.
Lemelie, der unserer Arbeit von ferne zugesehen hatte, kam erstlich des folgenden Tages wieder zu uns, und Bemühete sich mit Erzehlung allerhand lustiger Geschichte, der Concordia Kummer zu vertreiben. Doch dieselbe sagte ihm ins Gesicht: Daß sie lieber mit dergleichen Zeitvertreibe verschonet bleiben möchte, indem ihr Gemüthe nicht so leichtsinnig geartet, dergleichen höchst empfindlichen Verlust solchergestalt zu verschmertzen. Derowegen führete er zwar nachhero etwas vernünfftigere Reden, doch Concordia, die bißhero fast so wenig als nichts geruhet, verfiel darüber in einen tieffen Schlaf, weßwegen Lemelie und ich uns gleichfalls in einer andern Ecke der Höle, zur Ruhe legten. Jedoch es schien, als ob dieser Mensch gantz besondere Anfechtungen hätte, indem er so wol diese, als viele folgende Nachte, fast keine Stunde nach einander [207] ruhig liegen konte. Er fuhr sehr öffters mit ängstlichen Geschrey aus dem schlafe auf, und wenn ich ihn deßwegen befragte, klagte er über sonst nichts, als schwere Träume, wiewol man ihn nach und nach sehr abgemattet, und fast an allen Gliedern ein starckes Zittern verspürete, jedoch binnen 2. oder 3. Wochen erholete er sich ziemlich, so, daß er nebst mir, unserer künfftigen Nahrung wegen, sehr fleißig arbeiten konte.
Bey dem allen aber, lebten wir 3. von gantz unterschiedenen Gemüths=Regungen eingenommene Personen, in einer vollkommenen Verwirrung, da es zumal das gäntzliche Ansehen hatte, als ob alle unsere vorige Gedult, ja unser völliges Vergnügen, mit dem van Leuven begraben wäre. Wir sassen öffters etliche Stunden beysammen, ohne ein Wort mit einander zu sprechen, doch schien es als ob immer eines des andern Gedancken aus den Augen lesen wolte, und dennoch hatte niemand das Hertze, der andern und dritten Person Hertzens=Meynung auszufragen. Endlich aber da nach des van Leuvens Beerdigung etwa 4. Wochen verlauffen waren, hatte sich Lemelie bey ersehener Gelegenheit die Freyheit genommen, der Concordia in Geheim folgende Erklärung zu thun: Madame! sagt er ohngefähr: Ihr und ich haben bißhero das unglückliche Verhängniß eures seel. Ehe=Mannes zur gnüge betrauret. Was ist nunmehro zu thun? Wir sehen kein ander Mittel, als vielleicht noch lange Zeit unserm Schicksal auf dieser Insul Gehorsam zu leisten. Ihr seyd eine Wittbe und darzu hoch schwanger, zu euren Eltern zurück zu kehren, ist so unmög=[207]lich als schändlich, einen Mann müsset ihr haben, der euch bey Ehren erhält, niemand ist sonsten vor euch da als ich und Albert, doch weil ich nicht zweiffele, daß ihr mich, als einen Edelmann, diesem jungen Lecker, der zumal nur eine privat=Person ist, vorziehen werdet; So bitte ich um eures eigenen Bestens willen, mir zu erlauben, daß ich die erledigte Stelle eines Gemahls bey euch ersetzen darff, so werden wir nicht allein allhier unser Schicksal mit Gedult ertragen, sondern in Zukunfft höchst vergnügt leben können, wenn wir das Glück haben, daß uns vielleicht ein Schiff von hier ab, und zu mehrerer menschlicher Gesellschafft führen wird. Albert, sagt er ferner, wird sich nicht einmal die hochmüthigen Gedancken einkommen lassen, unserer beyder Verbindung zu widerstreben, derowegen bedencket euer Bestes in der Kürtze, weil ich binnen 3. Nachten als Ehe=Mann mit euch zu Bette zu gehen entschlossen, und zugleich eure tragende Leibes=Frucht, so gut als die Meinige zu achten, entschlossen bin.
Concordia, die sich aus seinen feurigen Augen, und erhitzten Gemüths=Bewegungen, nichts guts propheceyet, bittet ihn um GOTTES Barmhertzigkeit willen, ihr wenigstens eine halbjährige Frist zur Trauer= und Bedenck=Zeit zu verstatten, allein der erhitzte Liebhaber will hiervon nichts wissen, sondern spricht vielmehr mit gröster Vermessenheit: Er habe ihre Schönheit ohne würcklichen Genuß lange genug vergebens vor Augen gehabt, nunmehro aber, da ihn nichts als der elende Albert daran verhinderlich seyn könte; wäre er nicht gesonnen sich länger Gewalt anzuthun, und kurtz! wolte sie haben, [209] daß er ihr selbst nicht Gewalt anthun solte, müste sie sich entschliessen, ihn ehe noch 3. Nächte verlieffen, als seine Ehe=Frau beyzuwohnen. Anbey thut er die vorsichtige Warnung, daß Concordia mir hiervon ja nichts in voraus offenbaren möchte, widrigenfalls er meine Person bald aus dem Wege räumen wolle. Jedoch die Angst=volle Concordia stellet sich zwar, als ob sie seinen Drohungen ziemlich nachgäbe, so bald er aber etwas entfernet war, erfuhr ich das gantze Geheimniß. Meine Erstaunung hierüber war unsäglich, doch, ich glaube eine besondere Krafft des Himmels, stärckte mich augenblicklich dermassen, daß ich ihr den Rath gab, allen seinen Anfällen aufs äuserste zu widerstreben, im übrigen sich auf meinen Beystand gäntzlich zu verlassen; weiln ich von nun an fleißig auf sie Acht haben, und ehe mich um mein Leben, als sie um ihre Ehre bringen lassen wolte.
Immittelst war Lemelie drey Tage nach einander lustig und guter Dinge, und ich richtete mich dermassen nach ihm, daß er in meine Person gar kein böses Vertrauen setzen konte. Da aber die fatale Nacht herein brach, in welcher er sein gottloses Vorhaben vollbringen wolte; Befahl er mir auf eine recht Herrschafftliche Art, mich nun zur Ruhe zu legen, weiln er nebst mir auf morgenden Tag eine recht schwere Arbeit vorzunehmen gesonnen sey. Ich erzeigte ihm einen verstellten Knechtischen Gehorsam, wodurch er ziemlich sicher gemacht wurde, sich gegen Mitternacht mit Gewalt in der Concordia Kammer eindrange, und mit Gewalt auf ihrem Lager Platz suchen wolte.
[210] Kaum hatten meine aufmerckenden Ohren dieses gehöret, als ich sogleich in aller Stille aufstund, und unter beyden einen langen Wort=Streit anhörete, da aber Lemelie endlich allzu brünstig wurde, und weder der unschuldigen Frucht, noch der kläglich winselenden Mutter schonen, sondern die Letztere mit Gewalt nothzüchtigen wolte; stieß ich, nachdem dieselbige abgeredter massen, GOTT und Menschen um Hülffe anrieff, die Thür ein, und suchte den ruchlosen Bösewicht mit vernünfftigen Vorstellungen auf bessere Gedancken zu bringen. Doch der eingefleischte Teufel sprang auf, ergriff einen Säbel, und versetzte mir einen solchen Hieb über den Kopf, daß mir Augenblicklich das Blut über das Gesichte herunter lieff. Ich eilete zurücke in meine Kammer, weil er mich aber biß dahin verfolgen, und seinem Vorsatze nach gäntzlich ertödten wolte, ergriff ich in der Angst meine Flinte mit dem aufgesteckten Stillet, hielt dieselbe ausgestreckt vor mich, und mein Mörder, der mir inzwischen noch einen Hieb in die lincke Schulter angebracht hatte, rannte sich im finstern selbst dergestalt hinein, daß er das Stillet in seinem Leibe steckend behielt, und darmit zu Boden stürtzte.
Auf sein erschreckliches Brüllen, kam die zitternde Concordia aus ihrer Kammer mit dem Lichte gegangen, da wir denn gleich wahr nahmen, wie ihm das Stillet vorne unter der Brust hinein, und hinten zum Rücken wieder heraus gegangen war. Dem ohngeacht, suchte er, nachdem er solches selbst heraus gezogen, und in der lincken Hand behalten hatte, mit seinem Säbel, entweder der Concordia, [211] oder mir einen tödtlichen Streich beyzubringen. Jedoch ich nam die Gelegenheit in acht, machte, indem ich ihm den einen Fuß auf die Kähle setzte, seine verfluchten Hände wehrloß, und dieselben, nebst den Füssen, mit Stricken fest zusammen, und ließ das Aaß solchergestalt eine gute Zeitlang zappeln, nicht zweiffelnd, daß er sich bald eines andern besinnen würde. Allein es hatte fast das Ansehen, als ob er in eine würckliche Raserey verfallen wäre, denn als mir Concordia meine Wunden so gut sie konte, verbunden, und das hefftige Bluten ziemlich gestillet hatte, stieß er aus seinem verfluchten Rachen die entsetzlichsten Gotteslästerungen, und gegen uns beyde die heßlichsten Schand=Reden aus, ruffte anbey unzehlige mal den Satan um Hülffe an, verschwur sich denselben auf ewig mit Leib und Seele zum Eigenthume, woferne nur derselbe ihm die Freude machen, und seinen Tod an uns rächen wolte.
Ich hielt ihm hierauff eine ziemlich lange Predigt, mahlete sein verruchtes Leben mit lebendigen Farben ab, und stellete ihn sein unglückseeliges Verhängniß vor Augen, indem er, da er mich zu ermorden getrachtet, sein selbst eigener Mörder worden, ich aber von GOTTES Hand erhalten wäre. Concordia that das ihrige auch mit grösten Eifer darbey, verwiese ihn aber letzlich auf wahre Busse und Erkänntniß seiner Sünden, vielleicht, sagte sie, liesse sich die Barmhertzigkeit GOTTES noch in seiner letzten Todes=Stunde erweichen, ihm Gnade und Vergebung wiederfahren zu lassen; Doch dieser Bösewicht drückte die Augen feste zu, knir=[212]schete mit den Zähnen, und kriegte die hefftigsten Anfälle von der schweren Noth, so daß ihm ein greßlicher Schaum vor dem Maule stund, worauff er biß zu anbrechenden Tage stille liegen blieb, nachhero aber mit schwacher Stimme etwas zu trincken foderte. Ich gab ihm einen Trunck von unsern besten Geträncke, welches der aus den Palm=Bäumen gelauffene Safft war. Er schluckte denselben begierig hinein, und hub mit matter Stimme zu sagen an: Was habt ihr vor Vergnügen Mons. Albert, mich ferner zu quälen, da ich nicht die allergeringste Macht habe euch fernern Schaden zu thun, erzeiget mir derowegen die Barmhertzigkeit, meine Hände und Füsse von den schmertzlichen Banden zu erlösen, ich will euch so dann ein offenhertziges Bekänntniß meiner abscheulichen Missethaten thun, nach diesem aber werdet ihr mich meiner Bitte gewähren, und mir mit einem tödtlichem Stosse den wohlverdienten Lohn der Boßheit geben, mithin meiner Leibes und Gewissens=Quaal ein Ende machen, denn ihr seyd dessen, eurer Rache wegen wol berechtiget, ich aber will solches annoch vor eine besondere Gnade der Menschen erkennen, weil ich doch bey GOTT keine Gnade und Barmhertzigkeit zu hoffen habe, sondern gewiß weiß, daß ich in dem Reiche des Teuffels, welchem ich mich schon seit vielen Jahren ergeben, auf ewig verbleiben werde.
Es stunden uns bey diesen seinen letzten Worten die Haare zu Berge, doch nachdem ich alle, mir verdächtig vorkommende Sachen, auf die Seite geschafft und versteckt hatte, wurden seine Hände und [213] Füsse der beschwerlichen Bande entlediget, und der tödtlich verwundete Cörper auf eine Matratze gelegt. Er empfand einige Linderung der Schmertzen, wolte aber seine empfangene Wunde weder anrühren noch besichtigen lassen, hielt im gegentheil an die Concordia und mich ohngefehr folgende Rede.
Wisset, sagte er, daß ich aus einem der allervornehmsten Geschlechte in Franckreich entsprossen bin, welches ich, indem es mich als einen rechten Greuel der Tugenden erzeuget, nicht einmal nahmhafft machen will. Ich habe in meinem 18den Jahre meine leibliche Schwester genothzüchtiget, und nachhero, da es ihr gefiel, in die 3. Jahr Blut=Schande mit derselben getrieben. Zwey Huren=Kinder, die binnen der Zeit von ihr kamen, habe ich ermordet, und in Schmeltz=Tiegeln als eine besondere kostbare Massam zu Asche verbrannt. Mein Vater und Mutter entdeckten mit der Zeit unsere abscheuliche Blutschande, liessen sich auch angelegen seyn, eine fernere Untersuchung unsers Lebens anzustellen, doch weil ich alles bey Zeiten erfuhr, wurden sie beyde in einer Nacht durch beygebrachtes Gifft in die andere Welt geschickt. Hierauff wolten meine Schwester und ich als Ehe=Leute, unter verwechselten Nahmen, nach Spanien oder Engelland gehen, allein eine andere wollüstige Hure zohe meine gestilleten Begierden vollends von der Schwester ab, und auf sich, weßwegen meine um Ehre, Gut und Gewissen betrogene Schwester, sich nebst ihrer dritten von mir tragenden Leibes=Frucht selbst ermordete, denen Gerichten aber ein [214] offenhertziges Bekänntniß, meiner und ihrer Schand und Mordthaten schrifftlich hinterließ, ich aber hatte kaum Zeit, mich, nebst meiner neu erwehlten Hure, und etlichen kostbaren Sachen, unter verstellter Kleidung und Nahmen, aus dem Lande zu machen. == Hier wolte dem Bösewicht auch seine eigene schändliche Zunge den Dienst versagen, weßwegen ich, selbige zu stärcken, ihm noch einen Becher Palmen=Safft reichen muste, worauff er seine Rede also fortsetzte:
Ich weiß und mercke, sagte er, daß ich nicht eher sterben kan, biß ich auch den sterblichen Menschen den meisten Theil meiner schändlichen Lebens=Geschicht offenbaret habe, wisset demnach, daß ich in Engelland, als wohin ich mit meiner Hure geflüchtet war, nicht allein diese, wegen ihrer Untreue, sondern nebst derselben 19. Seelen allein durch Gifft hingerichtet habe.
Indessen aber hatte mich doch am Englischen Hofe, auf eine ziemliche Stuffe der Glückseligkeit gebracht, allein mein Ehrgeitz und ausschweiffende Wollust stürtzten den auf üblen Grunde ruhenden Bau, meiner zeitlichen Wohlfarth gar bald darnieder, so daß ich unter abermals verwechselten Nahmen und in verstelleter Kleidung, als ein Boots=Knecht, sehr arm und elend aus Engelland abseegeln muste.
Ein gantz besonderes Glücke führete mich endlich auf ein Holländisches Caper=Schiff, und machte nach und nach aus mir einen ziemlich erfahrnen See=Mann, allein wie ich mich durch Gifft=mischen, Meuchel=Mord, Verrätherey und andere [215] Räncke mit der Zeit biß zu dem Posten eines Capitains erhoben, ist wegen der kurtzen Frist, die ich noch zu leben habe, unmöglich zu erzehlen. Der letztere Sturm, dergleichen ich noch niemals, ihr aber nebst mir ausgestanden, hätte mich bey nahe zur Erkäntniß meiner Sünden gebracht, allein der Satan, dem ich mich bereits vor etlichen Jahren mit Leib und Seele verschrieben, hat mich durchaus nicht dahin gelangen lassen, im Gegentheil mein Hertze mit immerwährenden Boßheiten angefüllet. == Er forderte hierbey nochmals einen Trunck Palmen=Safft, tranck, sahe hierauff die Concordia mit starren Augen an, und sagte: Bejammerns=würdige Concordia! Nehmet den Himmel zu einem Artzte an, indem ich eure noch nicht einmal verblutete Hertzens=Wunde von neuen aufreisse, und bekenne: daß ich gleich in der ersten Minute, da eure Schönheit mir in die Augen gefallen, die verzweiffeltesten Anschläge gefasset, eurer Person und Liebe theilhafftig zu werden. Mehr als 8. mal habe ich noch auf dem Schiffe Gelegenheit gesucht, euren seeligen Gemahl mit Giffte hinzurichten: doch da er ohne eure Gesellschafft selten gegessen oder getruncken hat, euer Leben aber, mir allzukostbar war, sind meine Anstalten jederzeit vergeblich gewesen. Oeffentlich habe niemals mit ihm anzubinden getrauet, weil ich wol gemerckt, daß er mir an Hertzhafftigkeit überlegen, und ihn hinterlistiger Weise zu ermorden, wolte auch lange Zeit nicht angehen, da ich befürchten muste, daß ihr deßwegen einen tödtlichen Haß auf mich werffen möchtet. Endlich aber gab mir der Teuffel und meine verfluchte [216] Begierde, bey ersehener Gelegenheit die Gedancken ein, euren seeligen Mann von der Klippe herunter zu stürtzen. === Concordia wolte bey Anhörung dieser Beichte ohnmächtig werden, jedoch der wenige Rest einer bey sich habenden balsamischen Artzeney, stärckte sie, nebst meinem zwar ängstlichen doch kräfftigen Zureden, dermassen, daß sie das Ende dieser jämmerlichen und erschrecklichen Geschicht, mit ziemlicher Gelassenheit vollends abwarten konte.
Lemelie fuhr demnach im reden also fort: Euer Ehe=Mann, Concordia! kam, indem er ein schönes Morgen=Lied sang, die Klippe hinauff gestiegen, und erblickte mich Seitwärts mit der Flinte im Anschlage liegen. Er erschrack hefftig, ohngeacht ich nicht auf ihn, sondern nach einem gegen mir über sitzenden Vogel zielete, den er mit seiner Ankunfft verjagte. Wiewol mir nun der Teuffel gleich in die Ohren bließ, diese schöne Gelegenheit, ihn umzubringen, nicht vorbey streichen zu lassen, so war doch ich noch listiger, als hitzig, warff meine Flinte zur Erden, eilete und umarmete den van Leuven, und sagte: Mein edler Freund, ich spüre daß ihr vielleicht einen bösen Verdacht habt, als ob ich nach eurem Leben stünde; Allein entweder lasset selbigen fahren, oder erschiesset mich auf der Stelle, denn was ist mir mein verdrießliches Leben ohne eure Freundschafft auf dieser einsamen Insul sonsten nütze. Van Leuven umarmete und küssete mich hierauff gleichfalls, versicherte mich seiner aufrichtigen und getreuen Freundschafft, setzte auch viele gute Vermahnungen hinzu, vermöge deren ich mich in Zukunfft [217] tugendhaffter und Gottesfürchtiger aufführen möchte. Ich schwur ihm alles zu, was er vermuthlich gern von mir hören und haben wolte, weßwegen wir dem äuserlichen Ansehen nach, auf einmal die allerbesten Freunde wurden, unter den vertraulichsten Gesprächen aber lockte ich ihn unvermerckt auf den obersten Gipffel des Felsens, und zwar unter dem Vorwande, als ob ich ein von ferne kommendes Schiff wahrnähme, da nun der höchsterfreute van Leuven, um selbiges zu sehen, auf die von mir angemerckte gefährlichste Stelle kam, stürtzte ich ihn mit einem eintzigen Stosse, und zwar an einem solchen Orthe hinab, wo ich wuste, daß er augenblicklich zerschmettern muste. Nachdem ich seines Todes völlig versichert war, gieng ich mit zittern zurücke, weil mir die Worte seines gesungenen Morgen Liedes:
Nimmstu mich, GOTT! in deine Hände,
So muß gewiß mein Lebens Ende
Den Meinen auch zum Trost gedeyhn,
Es mag gleich schnell und kläglich seyn.
gar nicht aus den Gedancken fallen wolten, biß der Teuffel und meine unzüchtigen Begierden mir von neuen einen Muth und, wegen meines künfftigen Verhaltens, ferner Lehren einbliesen. Jedoch, sprach er mit seufftzender und heiserer Stimme: mein Gottes= und Ehrvergessenes Aufführen kan euch alles dessen nachdrücklicher und besser überzeugen, als mein beschwerliches Reden. Und Mons. Albert, euch war der Todt ebenfalls schon vorlangst geschworen, insoweit ihr euch als einen Verhinderer meines Vergnügens angeben, und mir nicht als ei=[218]nem Befehlshaber gehorchen würdet, jedoch das Verhängniß hat ein anders beschlossen, indem ihr mich wiewol wieder euren willen tödtlich verwundet habt. Ach machet derowegen meiner zeitlichen Marter ein Ende, rächet eure Freunde und euch selbst, und verschaffet mich durch den letzten Todes=Stich nur bald in das vor meine arme Seele bestimmte Quartier zu allen Teuffeln, denn bey GOTT ist vor dergleichen Sünder, wie ich bin, weder Gnade noch Barmhertzigkeit zu hoffen.
Hiermit blieb er stille liegen, Concordia aber und ich setzten allen unseren anderweitigen Jammer bey Seite, und suchten des Lemelie Seele durch die trostreichsten Sprüche aus des Teuffels Rachen zu reissen. Allein, seine Ohren waren verstopfft, und ehe wir uns dessen versahen, stach er sich, mit einem bey sich annoch verborgen gehaltenen Messer, in etlichen Stichen das Hertze selbst vollends ab, und bließ unter gräßlichen Brüllen seine ohnfehlbar ewig verdammte Seele aus. Concordia und ich wusten vor Furcht, Schrecken und überhäuffter Betrübniß nicht, was wir anfänglich reden oder thun solten, doch, nachdem wir ein paar Stunden vorbey streichen lassen, und unsere Sinnen wieder in einige Ordnung gebracht hatten, schleppte ich den schändlichen Cörper bey den Beinen an seinen Ort, und begrub ihn als ein Vieh, weil er sich im Leben noch viel ärger als ein Vieh aufgeführet hatte.
Das war also eine zwar kurtze, doch mehr als Erstaunens=würdige Nachricht von dem schändlichen Leben, Tode und Begräbniß eines solchen [219] Menschen, der der Erden eine verfluchte unnütze Last, dem Teuffel aber eine desto nützlichere Creatur gewesen. Welcher Mensch, der nur ein Füncklein Tugend in seiner Seelen heget, wird nicht über dergleichen Abschaum aller Laster erstaunen, und dessen durchteuffeltes Gemüthe verfluchen? Ich vor meine Person hatte recht vom Glücke zu sagen, daß ich seinen Mord=Streichen, noch so zu sagen, mit blauen Augen entkommen war, wiewohl ich an meinen empfangenen Wunden, die, wegen der sauren Arbeit bey dem Begräbnisse dieses Höllenbrandes, starck erhitzt wurden, nachhero Angst und Schmertzen genung auszustehen hatte.
Meine annoch eintzige Unglücks=Gefährtin, nehmlich die Concordia, traff ich bey meiner Zurückkunfft sich fast in Thränen badend an, weil ich nun der eintzige Zeuge ihres Jammers war, und desselben Ursprung nur allzu wohl wuste, wegen ihrer besondern Gottesfurcht und anderer Tugenden aber in meiner Seelen ein hefftiges Mitleyden über ihr unglückliches Verhängniß hegte, und mein selbst eigenes Theil ziemlich dabey hatte, so war mir um so viel desto leichter, ihr im klagen und weinen Gesellschafft zu leisten, also vertiefften wir uns dermassen in unserer Betrübniß, daß wir den gantzen Tag biß zu einbrechender Nacht ohne Essen und Trincken bloß mit seuffzen, weinen und klagen hinbrachten. Endlich da mir die vernünfftigen Gedancken wiederum einfielen, daß wir mit allzu übermäßiger Betrübniß unser Schicksal weder verbessern noch verschlimmern, die höchste Macht aber dadurch nur noch mehr zum Zorne rei=[220]tzen könten, suchte ich die Concordia so wohl als mich selbst zur Gedult zu bewegen, und dieses gelunge mir auch in so weit, daß wir einander zusagten: alles unser Bekümmerniß dem Himmel anzubefehlen, und mit täglichen fleißigen Gebet und wahrer GOtt=Gelassenheit zu erwarten, was derselbe ferner über uns verhängen würde.
Demnach wischeten wir die Thränen aus den Augen, stelleten uns recht hertzhafftig an, nahmen Speise und Tranck, und suchten, nachdem wir mit einander andächtig gebetet und gesungen, ein jedes seine besondere Ruhe=Stelle, und zwar beyde in einer Kammer. Concordia verfiel in einen süssen Schlaff, ich aber konte wegen meiner hefftig schmertzenden Wunden, die in Ermangelung guter Pflaster und Salben nur bloß mit Leinwand bedeckt und umwunden waren, fast kein Auge zuthun, doch da ich fast gegen Morgen etwa eine Stunde geschlummert haben mochte, fing Concordia erbärmlich zu winseln und zu wehklagen an, da ich nun vermeinete, daß sie solches wegen eines schweren Traumes etwa im Schlaffe thäte, und, sie sanffte zu ermuntern, aufstund, richtete sich dieselbe auf einmahl in die Höhe, und sagte, indem ihr die grösten Thränen=Tropffen von den Wangen herunter rolleten: Ach, Monsieur Albert! Ach, nunmehro befinde ich mich auf der höchsten Staffel meines Elendes! Ach Himmel, erbarme dich meines Jammers! Du weist ja, daß ich die Unzucht und Unkeuschheit Zeit Lebens von Grund der Seelen gehasset, und die Keuschheit vor mein bestes Kleinod geschätzet. Zwar habe mich durch über=[221]mäßige Liebe von meinen seel. Ehe=Mann verleiten lassen, mit ihm aus dem Hause meiner Eltern zu entfliehen, doch du hast mich ja dieserwegen auch hart genug gestrafft. Wiewohl, gerechter Himmel, zürne nicht über meine unbesonnenen Worte, ists noch nicht genung? Nun so straffe mich ferner hier zeitlich, aber nur, nur, nur nicht ewig.
Hierauf rang sie die Hände aufs hefftigste, der Angst=Schweiß lieff ihr über das gantze Gesichte, ja sie winselte, schrye, und wunde sich auf ihren Lager als ein armer Wurm.
Ich wuste vor Angst, Schrecken und Zittern nicht, was ich reden, oder wie ich mich gebärden solte, weil nicht anders gedencken konte, als daß Concordia vielleicht noch vor Tages Anbruch das Zeitliche gesegnen, mithin mich als den allerelendesten Menschen auf dieser Insul allein, ohne andere, als der Thiere Gesellschafft, verlassen würde. Diese kläglichen Vorstellungen, nebst ihren schmertzhafften Bezeigen, rühreten mich dermassen hefftig, daß ich auf Knie und Angesicht zur Erden fiel, und dermassen eiffrig zu GOtt schrye, daß es fast das Ansehen hatte, als ob ich den Allmächtigen mit Gewalt zwingen wolte, sich der Concordia und meiner zu erbarmen.
Immittelst war dieselbe gantz stille worden, weßwegen ich voller Furcht und Hoffnung zu GOtt aufstund, und besorgte, sie entweder in einer Ohnmacht oder wohl gar todt anzutreffen. Jedoch zu meinem grösten Troste, lag sie in ziemlicher Linderung, wiewohl sehr ermattet, da, nahm und drückte meine Hand, legte selbige auf ihre Brust, und sagte [222] unter hefftigem Hertz=Klopffen: Es ist an dem, Mons. Albert, daß eure und meine Tugend von der Göttlichen Fürsehung auf eine harte Probe gesetzt wird. Wisset demnach, mein eintziger Freund und Beystand auf dieser Welt, daß ich in Kindes=Nöthen liege. Auf euer hertzliches Gebet hat mir der Höchste Linderung verschaffet, ich glaube, daß ich bloß um eurent willen noch nicht sterben werde. Allein, ich bitte euch um GOttes Barmhertzigkeit willen, lasset eure Keuschheit, Gottesfurcht und andere Tugenden, bey meinem itzigen Zustande über alle Fleisches=Lust, unkeusche Gedancken, ja über alle Bemühungen, die ich euch zu machen, von der Noth gezwungen bin, triumphiren. Denn ich bin versichert, daß alle äusserliche Versuchungen unsern keuschen Seelen keinen Schaden zufügen können, so fern dieselben nur an sich selbst rein von Lastern sind.
Hierauf legte ich meine lincke Hand auf ihre bekleidete Brust, meine rechte aber reckte ich in die Höhe, und sprach: Liebste Concordia, ich schwere hiermit einen würcklichen Eyd, daß ich zwar eure schöne Person unter allen Weibs=Personen auf der gantzen Welt aufs allerwertheste achte und liebe, auch dieselbe jederzeit hoch zu achten und zu lieben gedencke, wenn ich gleich, mit GOttes Hülffe, wieder unter 1000. und mehr andere Weibs= und Manns=Personen kommen solte; Allein wisset, daß ich euch nicht im geringsten aus einer wollüstigen Absicht, sondern bloß eurer Tugenden wegen liebe, auch alle geile Brunst, dergleichen Lemelie verspüren lassen, aufs hefftigste verfluche. Im Ge=[223]gentheil verspreche, so lange wir beysammen zu leben gezwungen sind, aus guten Hertzen, euch in allen treulich beyzustehen, und solte ja wider Vermuthen in Zukunfft bey mir etwa eine Lust entstehen, mit eurer Person verehligt zu seyn, so will ich doch dieselbe, um euch nicht verdrüßlich zu fallen, beständig unterdrücken, hingegen allen Fleiß anwenden, euch mit der Helffte derjenigen Schätze, die wir in Verwahrung haben, dahin zu verschaffen, wo es euch belieben wird, weiln ich lieber Zeit=Lebens unvergnügt und Ehe=loß leben, als eurer Ehre und Tugend die geringste Gewalt anthun, mir aber in meinem Gewissen nur den kleinesten Vorwurff verursachen wolte. Verlasset euch derowegen sicher auf mein Versprechen, worüber ich GOtt und alle heiligen Engel zu Zeugen anruffe, fasset einen frischen Muth und fröliches Hertze. GOtt verleihe euch eine glückliche Entbindung, trauet nechst dem auf meinen getreuen Beystand, thut eurer Gesundheit mit unnöthiger und vielleicht gefährlicher Schamhafftigkeit keinen Schaden, sondern verlasset euch auf euer und meine tugendhaffte Keuschheit, welche in dieser äusersten Noth unverletzt bleiben soll. Ich habe das feste Vertrauen, der Himmel werde auch diese höchste Staffel unseres Elendes glücklich übersteigen helffen, und euch mir zum Trost und Beystande gesund und vergnügt beym Leben erhalten. Befehlet mir derowegen nur ohne Scheu, was ich zu eurem Nutzen etwa thun und herbey schaffen soll, GOtt wird uns, in dieser schweren Sache gantz unerfahrnen Leuten, am besten zu rathen wissen.
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