B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Schiller
1759 - 1805
     
   


A n t h o l o g i e
a u f   d a s   J a h r   1 7 8 2


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{V Widmundsschreiben}

Großmächtigster Czar alles Fleisches,
Allezeit Vermindrer des Reichs,
Unergründlicher Nimmersatt in der
ganzen Natur!


Mit unterthänigstem Hautschauern unterfange ich mich, deiner gefräßigen Majestät klappernde Phalanges zu küssen, und dieses Büchlein vor deinem dürren Kalkaneus in Demut niederzulegen. Meine Vorgänger haben immer die Weise gehabt ihre Sächlein und Päklein, dir gleichsam recht vorsezlich zum Aerger, hart an deiner Nase vorbei, ins Archiv der Ewigkeit transportiren zu lassen, und nicht gedacht, daß sie dir eben dadurch um so mehr das Maul darnach wässern machten, denn auch an dir wird das Sprüchwort nicht zum Lügner: Gestohlen Brod schmeckt gut. Nein! dediziren will ich dir's lieber, so bin ich doch gewiß, daß du's – weit weglegen werdest.
     {VI} Doch Spaß beiseite! – Ich denke, wir zween kennen uns genauer, denn nur vom Hörensagen. Einverleibt dem äskulapischen Orden, dem Erstgebornen aus der Büchse der Pandora, der so alt ist als der Sündenfall, bin ich gestanden an deinem Altare, habe, wie der Sohn Hamilkars den sieben Hügeln, geschworen unsterbliche Fehde deiner Erbfeindin Natur, sie zu belagern mit Medikamenten Heereskraft, eine Wagenburg zu schlagen um die Stahlische Seele, aus dem Feld zu schlagen mit Sturm die Trozige die deine Sporteln schmälert, und deine Finanzen schwächt, und auf dem Wahlplaz des Archaeus hoch zu bäumen deine mitternächtliche Kreuzstandarte. – Dafür nun (denn eine Ehre ist werth der andern) wirst du mir auswürken den köstlichen Talisman, der mich mit heiler Haut und ganzer Wolle an Galgen und Rade vorübergeleitet –

          Jusque datum sceleri

     Ey ja doch! Thue das goldiger Maezenas; denn siehst du, ich möchte doch nicht {VII} gern, daß mirs gienge wie meinen tollkühnen Kollegen und Vettern, die mit Stilet und Sakpuffer bewaffnet in finstern Hohlwegen Hof halten, oder im unterirrdischen Laboratorium das Wunderpolychrest mischen, das, wenns hübsch fleißig genommen wird, unsere politische Nasen, über kurz oder lang, mit Thronvakaturen und Staatsfiebern kizelt. – D'amiens und Ravaillac! – Hu! hu! hu! – Es ist ein gut Ding um gerade Glieder!
     Ob du auch deinen Zahn auf Ostern und Michaelis gewezt hast? – Die grose Bücherepidemie in Leipzig und Frankfurt! – Juch heisa Dürrer! – wird ein königlich Fressen geben. Deine fertigen Mäkler, Völlerey und Brunst, liefern dir ganze Frachten aus dem Jahrmarkt des Lebens. – Selbst der Ehrgeiz dein Großpapa, Krieg, Hunger, Feuer und Pest deine gewaltigen Jäger haben dir schon so manche fette Menschenklopfjagd gehalten – Geiz und Golddurst, deine mächtigen Kellermeister, trinken dir ganze schwimmende Städte im {VIII} sprudelnden Kelch des Weltmeers zu. – Ich weiß in Europa eine Küche, wo man dir die raresten Gerichte mit Festtagsgepränge auf die Tafel gesezt hat – Und doch – wer hat dich je satt gesehen, oder über Indigestionen klagen gehört? – Eisern ist deine Verdauung; grundlos deine Gedärme!
     Puh – Ich hätte dir noch so manches zu sagen, aber ich tummle mich, daß ich wegkomme – Du bist ein garstiger Schwager – Geh – Du machst dir Rechnung, höre ich, eine Generalcollazion zu erleben, wo dir Groß und Klein, Weltkugeln und Lexika, Philosophieen und Puzwerk in Rachen fliegen sollen – Guten Appetit, wenns so weit kommt! – Doch, Hungerwolf der du bist! siehe zu, daß du dich da nicht überessest, und deinen ganzen Fraß haarklein wiedergeben müssest, wie dir's ein gewisser Athenienser, der dir gar nicht wohl will, prophezeyt hat.

     Y.