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- A n t h o l o g i e
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- {IX Vorwort}
Tobolsko, den 2. Februar.
– Tum primum radiis gelidi incaluere Triones. –
Blumen in Sibirien? – Dahinter stekt eine Schelmerey, oder die Sonne muß Front gegen Mitternacht machen. – Und doch – wenn ihr euch auf den Kopf stelltet! Es ist nicht anders; – Wir haben lange genug Zobel gefangen, laßt's uns einmal auch mit Blumen versuchen. Sind nicht schon Europäer genug zu uns Stiefsöhnen der Sonne gekommen, und durch unsern hundertjährigen Schnee gewatet, irgend ein bescheidenes Blümchen zu pflücken? Schande unsern Ahnen – wir wollen sie selbst sammeln, und einen ganzen Korb {X} voll nach Europa frankiren. – Zertretet sie nicht, ihr Söhne des milderen Himmels!
Aber im Ernst zu reden – Das eiserne Gewicht des widrigen Vorurtheils, das schwer über dem Norden brütet, von der Stelle zu räumen, foderte einen stärkeren Hebel als den Enthusiasmus einiger wenigen, und auch ein festeres Hypomochlion als die Schultern von zween oder drey Patrioten. Doch wenn schon auch diese Anthologie euch lekerhafte Europäer, so wenig, als – wenn ich den Fall seze – unser Musenalmanach, den wir – wenn ich ja den Fall sezen wollte – hätten können geschrieben haben, mit uns Schneemännern versöhnen wird, so bleibt ihr doch mindestens das Verdienst, Hand in Hand mit ihren Kamerädinnen im weitentlegenen Teutschland dem ausröchelnden Geschmack den G'nikfang geben {XI} zu helfen, wie wir Tobolskianer zu sprechen belieben.
Wenn eure Homere im Schlaf reden, und eure Herkules Müken mit ihren Keulen erschlagen – Wenn jeder, der seinen bezahlten Schmerz in Leichenalexandriner auszutropfen versteht, das für eine Vokazion auf den Helikon auslegt – wird man uns Nordländern verdenken mitunter auch in den Leyerklang der Musen zu klimpern? – Eure Matadore wollen Silbergeld gemünzt haben, wenn sie ihr Brustbild auf elendes Meßing prägten; – und zu Tobolsko werden die Falschmünzer aufgehangen. Zwar möcht ihr oft auch bei uns Papiergeld statt rußischen Rubels finden, aber Krieg und theure Zeit entschuldigen alles.
So geh dann hin, Sibirische Anthologie – Geh – du wirst manchen Süßling beseeligen, {XII} wirst von ihm auf den Nachttisch seiner Herzeinzigen gelegt werden, und zum Dank ihre alabasterne Lilienschneehand seinem zärtlichen Kuß verrathen. – Geh – du wirst in den Assembleen und Stadtvisiten manchen gähnenden Schlund der Langenweile ausfüllen, und vielleicht eine Circassienne ablösen, die sich im Plazregen der Lästerung müde gestanden hat. – Geh – du wirst die Küche mancher Kritiker berathen; sie werden dein Licht fliehen, und sich gleich den Käuzlein in deinen Schatten zurükziehen. – Hu hu hu! – Schon hör ich das ohrzerfezende Geheule im unwirthbaren Forst, und hülle mich angstvoll in meinen Zobel.“
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