Karl Ludwig von Knebel
1744 - 1834
Schweizer WanderungenAn den Großherzog Carl August
1780
|
|
______________________________________________________________________________
|
|
[119] |
Blick auf Brunnen
Altorf, im Canton Uri, den 19. Juli.
Von Schwyz ging ich Mittags elf Uhr weg. Es war schön, aber in diesem Thale sehr heiß. Voll Anmuth ist die Gegend, bis Brunnen, das eine Stunde von Schwyz liegt. Hier waren wir am Vier-Waldstädter See. Merkwürdig that sich die Gegend vor mir auf. Himmel und Wasser hatten nur Eine Farbe, überall mit den ungeheuersten Bergen umschlossen. Mit Freuden stieg ich zu Schiff, nachdem ich vorher noch wenigen schlechten Wein vor dem Hause getrunken, und meine Schiffsleute waren auch munter. Sie unterhielten mich die ganze Fahrt durch mit mancherlei fabelhaften und wahren Geschichten, wovon überhaupt der muntere Geist dieses Volkes voll ist, – ich hatte aber mehr Lust, die wirklich fabelhafte Natur hier anzusehen, und achtete also wenig auf ihre Geschichtchen, zumal da ich ihre Sprache kaum zur Hälfte verstand. Wie in Ariosts Zaubernatur oder in Ulyssens fabelhaften Erzählungen, fuhr ich, gleichsam in Gegenden einer andern Welt. Dichter und Maler mögen hier den Pinsel niederlegen.
Der Rütlischwur
Wir landeten an dem berühmten Berg, Im Gründli genannt, wo die bekannten drei Schweizerhelden den Bund der Freiheit errichteten, Man steigt eine kleine blumige Anhöhe hinauf, und kommt zu den drei Quellen, die unter den Händen der den Bundeseid schwörenden Helden sollen entsprungen sein. Es sind aber der Quellen mehrere da, unter dem [120] lieblichsten Schatten, wo uns der einzige Bauer, der hier wohnt, gar freundlich mit köstlicher Milch bewirthete. Ich verließ diesen Ort, um weiter gegenüber, nach Flüelen zu, an Tells Kapelle anzufahren.
Wir sahen sie schon von weitem, und das Herz schlug mir. So einsamehrwürdig, mit dem kleinen Glockenthürmchen, dicht am Rande des Sees, und am Fuße der steilsten, höchsten, aber doch schon umlaubten Berge! Die Kapelle selbst ist ein offenes, kleines, von wenigen schlechten Säulen unterstütztes Gebäude. Wir suchten von weitem durchs Perspectiv etwas von den an den innern Wänden angemalten Geschichten zu errathen. Sie sind nicht sonderlich. Ein paar davon, sagten mir die Schiffer, stellten die Murtner und Sempacher Schlacht vor. Auch sieht man Tell und seinen Knaben, ihn, in einem gelben schwarzaufgeschlitzten Wamms und Hosen. Nachdem ich, unter vielen, auch meinen Namen in der Kapelle angeschrieben, fuhren wir weiter, und kamen Abends vier Uhr nach Flüelen, von wo ich sogleich den Marsch zu Fuß fortsetzte, und hieher nach Altorf, dem Hauptflecken im Canton Uri, in Zeit von einer Stunde gelangte.
Flüelen und Altorf |