B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Anna Louisa Karschin
1722 -1791
     
   



D i e   S p a z i e r - G a e n g e
v o n   B e r l i n


B e r l i n   1 7 6 1

Der Weidendamm
Die Castanien-Bäume
Die Linden

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Der Weidendamm

Die Muse flieht zu dir, einsamer Cranz von Weiden!
Wo ihr dein West in kühle Schatten winkt.
Ihr Bäume! die ringsum der Spree Gestade kleiden,
Wo oft mein Herz die Ruh in Strömen trinkt.

5
Seid ihr mein Lied! - Fern vom geschäftigen Getümmel
Wohnt die Natur, die das Einsame liebt
In euch, und rund umher wölbt sich ein heitrer Himmel
Von keinem Rauch der stolzen Stadt getrübt.

Auf euren Wipfeln spielt mit ihren lezten Strahlen
10
Die Abendsonn' eh' sie ins Meer sich senkt:
Noch will sie dich, o Spree! mit flüß'gem Golde mahlen,
Eh' sie der neuen Welt ihr Antlitz schenkt.

Ein grüner Rasen, den Gesträuche wild umpfangen
Beut zum kunstlosen Ruhesitz sich dar:
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Wo haaricht über ihm der Weiden Blüthen hangen:
In ihnen jauchzt der Vögel muntre Schaar.

An seinem Rükken schwillt auf grünenden Terassen
Ein Garten sanft zum schönsten Tempe an:
Hier schwizt Vertumnus, ihn in Lauben einzufassen,
20
Und Bacchus pflanzet Traubenhügel dran
.
Er ziert dein stilles Haus, worinn die Weisheit wohnet,
O Sulzer! den sie ihren Liebling nennt
Und ihm mit Freuden der Natur sein Forschen lohnet,
Die nur ihr Schüler schäzt und kennt.

25
Hier fliessen ruhig dir die Tage Deines Lebens
Dem Dienst der ernsten Göttin heilig, hin:
Wie Ströhme, schwer von Gold: denn keiner fließt vergebens
Und jeder bringt dir Wahrheit zum Gewinn.

So sei sie stets vor dich mit ihren besten Schäzzen
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Freigebig, und bei Enkeln einst dein Ruhm!
Noch lange dein Geschäft, die Schöpfung dein Ergözzen
Und dieser Garten dir Elysium!

 
Die Castanien-Bäume

Euch, Zierden von Berlin! und seines Volks Vergnügen,
Die ihr in seiner Mitte blüht!
Lieblingen gleich; die sanft im Schoos der Mutter liegen,
Euch, Bäume! Feyrt mein dankbar Lied.

5
Freundschaftlich nehmt ihr mich in eure stillen Schatten,
Wo mich ein kühler West erfreut.
Und krönet jeden Tag, eh' Ruh und Schlaf sich gatten
Mit Freuden der Geselligkeit.

Ich seh' des Flusses Gott, wie still mit Wohlgefallen
10
Sein träufelnd Haupt empor er hält:
Und schaut sie lächelnd Hand in Hand vorüber wallen
Die junge und die schöne Welt.

Von seinen Ufern eilt ein Heer schalkhafter Weste
Zu schwärmen um die frohe Schaar.
15
Muthwillig scherzen sie, die stets willkommnen Gäste
Um blüh'nde Wangen, Brust und Haar.

Sie rollt indessen fort, nimmt still in kurzen Wellen
Durch Königsstädte ihren Lauf.
Die majestätsche Spree! und ihre Ströhme schwellen
20
So wie sie forteilt, stärker auf.

An ihren Ufern prangt der Bau, den einst Bellonen
Ihr königlicher Freund zum Tempel gab.
Mit trotzigem Gesicht schaut hier von ihren Thronen
Des Schreckens Göttin hoch herab.

25
Zehn Thore öfnen sich. - Aus ihrem Heiligthume
Versorgt mit Waffen sie den Held:
Ihr donnerndes Geschoß trägt schnell zu Friedrichs Ruhme
Des Krieges Schrekken durch die Welt.

O möchten wir doch bald von deiner Hand Irene,
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Die Thore fest verschlossen sehn!
Und friedlich denn mit uns, Bellona! deine Söhne
In dieser Bäume Schatten gehn.

 
Die Linden

Erstlinge jener Pracht, die unsrer Herrscher Güte
Und ihrer Königsstädte Glanz erhöhn! -
Die Jugend von Berlin, und seines Wohlstands Blüthe
Habt ihr mit eurem Flor erwachsen sehn.

5
Voll Ehrfurcht konntet ihr schon ihm die Wipfel neigen,
Wenn er den Weg durch eure Reihen nahm.
Der grosse Ahnherr, dem kein Herrscher zu vergleichen,
Bis er, sein grösserer Urenkel, kam.

Der lorbeernreiche Fürst; der uns in euren Schatten
10
Des Friedens Glück, die Ruh im Kriege schenkt,
Indeß sein Arm uns schüzt, und ohne zu ermatten
Zum Sieg die Schwerdter seiner Heere lenkt.

Von ihm beschirmet stöhrt kein Wetter euren Frieden
Und eure Ruh kein kriegerischer Blizz:
15
Wenn Schwerdt und Flamm' umher den Völkern Schrekk' gebieten
So seid doch ihr der stillen Weisheit Sizz.

Ich seh' wie sie herab auf Eure Schatten schauet
Minerva: und nach ihrem Tempel blikt:
Da wo ein König einst ihr Thronen aufgebauet
20
Von welchen sie sein Volk lehrt und beglükt.

Seht! ihre Schüler fliehn zu euch aus dem Gedränge
In euren stillen Schatten wandeln sie:
So wandelten sie einst durch deine ruh'gen Gänge,
Wo Plato sprach, Athens Academie!

25
Von hier erleuchtete durch ihre weisen Söhne,
Minerva: Griechenland, Rom, Orient:
So hat die Göttin auch, Berlin! durch deine Söhne
Europa Licht und Lehrer oft gegönnt!

O immer müssen sich der Nachwelt zum Exempel,
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Hier Männer ganz dem Dienst der Weisheit weihn:
Berlin war einst Athen, und dieser stille Tempel
Ein Pharus, der die Welt erleuchtet, sein.