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- M i t S c h n e e g e w ö l k e n
g r a u b e k l e i d e t
[An Gleim, Winter 1761/62]
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- Mit Schneegewölken grau bekleidet,
Großschrittig kommt der Wintertag;
Das öde Thal bleibt unbeweidet
Wo sonst der Schäfer lauschend lag.
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- Der Klee, die Blumen sind gestorben,
Und jeder Baum steht lockenlos,
Die Birkenblätter sind verdorben
Und modern auf der Erde Schooß.
Mein Freund, der muntre Phaon, trotzet
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- Dem Winter, der zu herrschen weiß;
Auf seinem dunklen Rocke strotzet
Mit Kunst gemachtes Silber-Eis.
Wie Zöpfe, in der Nacht gefroren,
Des Morgens blinken an dem Dach,
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- So blinkt das, was die Kunst geboren,
Und meine Augen werden schwach.
Geblendet wird mir mein Gesichte:
Sein Hut stellt eine Landschaft vor,
Wo nicht der Taxus, nicht die Fichte
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- Den Schmuck des krausen Haars verlor.
Es blinkt daher an seinen Schläfen,
Wie Flocken, die der Frost gestählt,
Die alle Schönheit überträfen
Die Gott zur Lilie gewählt.
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- Du schöner Winter, sey gegrüßet
Auf Phaons Stirn, auf seiner Brust
Ihr prachterfüllten Fichten müsset
Erschüttern oft bei seiner Lust,
Ihr Felle der erwürgten Thiere,
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- Erwärmt ihn stärker; daß er nicht
Die Lust zum heißen Kuß verliere,
Und nie das Roth im Angesicht.
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