|
|
- B r i e f a n M i c h a e l i s
1763
- __________________________________________
- Den 26. October 1763.
Ich verwerfe jedwede Anrede, die mir daß Tittolaturbuch sagen kontte; alle sind zu gemein, zu niedrich vor einem Verschönerer des hebräischen Dichters, der untter dem Druk seines Diadems und in der immer neuen Umarmung morgenländischer Schönen seufzen muste. Ich bewundre Sie, mein vortrefflicher Sänger, und bey dem Leben des Königs, der zur rechten Zeit ißet, man findet alles in Ihrem Gesange, was nur jemals daß Genie und die Kunst mit vereinigten Kräfften hervorbringen kontten. Ich würde einer großen Geistesbelustigung beraubt gewesen sein, wenn mir nicht gestern der glücklichste Zufall Ihren Prediger in die Hände geworfen hätte. Ich sprach mit dem Obrist Quinttus in der Kammer seiner Schwester, es lag ein Buch vor ihm, und er nantte mir den bergeistertten Man, der diesem Kinde des Allterthums eine neue Schöpfung gab. Quinttus, dieser Kenner und Meister des schönen Geschmacks, laß mir eine von den stärksten Stellen vor, und ich riß ihm daß beliebte Buch auß der Hand. Ich mischtte meine Lobsprüche untter die seinigen, und ich würde kühn genug sein, Räuberin zu werden, wen er mir nicht ein Gesez gegeben hätte, daß mir heilliger sein muß alß den Römern die neuen Geseze ihrer erst erwähltten Consulln. Indeßen will ich den zaubrischen Lauttenschläger seine Künste ablernen, wen es mir möglich ist, Nachahmerin zu sein; aber dieses wäre eine eben so nuzenlose Mühe, alß dem Sänger des Thrones nachfolgen und mit einem harzgebürgischen Fuhrwerk den vierspänigen Wagen des olimpischen Preißerhallters gleichen zu wollen. Niemal werd ich mich an einen Gesang wagen, der die Aufschrift eines Meisterstücks und die Züge der Unnachahmlichkeit tragen soll. Ich ward nur gebohren, wenig strophichte lyrische Lieder zu singen; daß Feuer meines Genies lodert hoch genug auff, aber es erhällt sich nicht lange. Mein Freund, der Profeßor Sullzer, wird Ihnen in der Vorrede zu meiner Lieder-Samlung sagen, auf welche Art ich zur Dichterin ward, und Sie wißen genug, wen ich Ihnen sage, daß ich vor drey Jahren noch Knopfflizen in Männerröke machte, mit einem Korbe an dem linken Arm vom Marktte kam, zuweilen im Buchladen schlüpfte und laß, zu Hause flog, Feuer auf zündete, kochtte, unter dem Kochen Verße schrieb und alle Augenblick die Raserey eines vernunftlosen Gattens fürchtten muste. Meine Jahre sind weit über den Frühling des Lebens hinweg, und eine mehr alß zwanzig jährige Mühseligkeit zeichnette früher als sonst daß Alltter auf meine Stirn und um den Aufschnitt meines Auges. Ich zähle virzig Erndten, seit dem ich anfing zu sein, und wie lange kan noch in meinem Busen dieser Funken glimen, der durch keinerley Stürme des Unglücks sich verlöschen lies? Es ist wahr, daß die spätte Entwiklung meiner Seelenkräfte mich eine längere Dauer hoffen läßt, aber diese Seele wiederholt mir unaufhörlich die Warnung des ehrlichen Fabel-Dichters: Ich wünsche, daß man mich nicht nöhtigen möchte, den Beyfall, den ich erhielt, in eine Art von Wiederruff zu verwandeln. Die Vielschreyberey glückt nur wenigen; nur ein Volltär und Pope und von den Alltten mein ehrwürdiger Plutarch behaubttetten bey einer nimmer ruhigen Feder ihren einmahl erworbnen Ruhm. Ich aber, die ich weder ein ernstes Gedicht noch ein Kunststück der Melpomene hervorzubringen vermag, ich werde weißlich verfahren, wenn ich meine Leyer untter die wenigen Lorbeern hänge, ehe noch die Zeit meine Adern eißartig macht. Ich wünsche mir eine ruhige Einsamkeit, um in der Stille mit gesamletten Geist die besten deutschen Schriftsteller lesen zu könen. Denn in der That, meine Belesenheit ist sehr eingeschränkt; ich verstehe keine Sprache außer im Accentte meiner Nation, und nun ist es zu spät, eine Schülerin zu werden. Es würde mir schwer fallen, mich untter daß Joch der Regeln zu schmiegen, mir, die ich ohne Regel lesen, schreiben und Lieder machen lerntte. Aber, mein Herr Profeßor, die Regeln der Menschenliebe und der Freundschaft lehrte mich mein Herz, und daß Gefühl war meine Muse, ehe mein Ohr noch einen Apollo rümen hörtte. Ein unermüdeter Fleiß brachte mich zu dem Gipffei des Vergnügens, an Männer Ihrer Art schreiben zu können. In Wahrheit, dieses Vergnügen müßen mir die glänzendsten meines Geschlechts in den Prunkzimmern und an den Puztischen beneiden; nur wenige werden es wagen, Ihnen mit solcher Freymütigkeit zu sagen, daß sie Verehrerinnen Ihres Geistes sind, als ich sage, daß ich bin Dero
bewundernde Dienerin
A. L. Karschin. Potsdam den 26. October 1763.
|
|