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Der transzendentalen Hauptfrage
Z w e i t e r T e i l
Wie ist reine Naturwissenschaft möglich?
- § 14
- N a t u r ist das D a s e i n der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist. Sollte Natur das Dasein der Dinge a n s i c h s e l b s t bedeuten, so würden wir sie niemals, weder a priori noch a posteriori, erkennen [72] können. Nicht a priori, denn wie wollen wir wissen, was den Dingen an sich selbst zukomme, da dieses niemals durch Zergliederung unserer Begriffe (analytische Sätze) geschehen kann, weil ich nicht wissen will, was in meinem Begriffe von einem Dinge enthalten sei, (denn das gehört zu seinem logischen Wesen) sondern was in der Wirklichkeit des Dinges zu diesem Begriff hinzukomme, und wodurch das Ding selbst in seinem Dasein außer meinem Begriffe bestimmt sei. Mein Verstand, und die Bedingungen, unter denen er allein die Bestimmungen der Dinge in ihrem Dasein verknüpfen kann, schreibt den Dingen selbst keine Regel vor; diese richten sich nicht nach meinem Verstande, sondern mein Verstand müßte sich nach ihnen richten; sie müßten also mir vorher gegeben sein, um diese Bestimmungen von ihnen abzunehmen, alsdenn aber wären sie nicht a priori erkannt.
Auch a posteriori wäre eine solche Erkenntnis der Natur der Dinge an sich selbst unmöglich. Denn wenn mich Erfahrung G e s e t z e, unter denen das Dasein der Dinge steht, lehren soll, so müßten diese, sofern sie Dinge an sich selbst betreffen, auch außer meiner Erfahrung ihnen n o t w e n d i g zukommen. Nun lehrt mich die Erfahrung zwar, was dasei, und wie es sei, niemals aber daß es notwendiger Weise so und nicht anders sein müsse. Also kann sie die Natur der Dinge an sich selbst niemals lehren.
[73]
- § 15
- Nun sind wir gleichwohl wirklich im Besitze einer reinen Naturwissenschaft, die a priori und mit aller derjenigen Notwendigkeit, welche zu apodiktischen Sätzen erforderlich ist, Gesetze vorträgt, unter denen die Natur steht. Ich darf hier nur diejenige Propädeutik der Naturlehre, die, unter dem Titel der allgemeinen Naturwissenschaft, vor aller Physik (die auf empirische Prinzipien gegründet ist) vorhergeht, zum Zeugen rufen. Darin findet man Mathematik, angewandt auf Erscheinungen, auch bloß diskursive Grundsätze (aus Begriffen), welche den philosophischen Teil der reinen Naturerkenntnis ausmachen. Allein es ist doch auch manches in ihr, was nicht ganz rein und von Erfahrungsquellen unabhängig ist: als der Begriff der B e w e g u n g, der U n d u r c h d r i n g l i c h k e i t (worauf der empirische Begriff der Materie beruht), der T r ä g h e i t u. a. m., welche es verhindern, daß sie nicht ganz reine Naturwissenschaft heißen kann; zudem geht sie nur auf die Gegenstände äußerer Sinne, also gibt sie kein Beispiel von einer allgemeinen Naturwissenschaft in strenger Bedeutung, denn die muß die Natur überhaupt, sie mag den Gegenstand äußerer Sinne oder den des innern Sinnes (den Gegenstand der Physik sowohl, als Psychologie) betreffen, unter allgemeine Gesetze bringen. Es finden sich aber unter den Grundsätzen jener allgemeinen Physik etliche, die wirklich die Allgemeinheit haben, die wir verlangen, als der Satz: d a ß d i e S u b s t a n z b l e i b t und beharrt, daß [74] a l l e s, w a s g e s c h i e h t, jederzeit d u r c h e i n e U r s a c h e nach beständigen Gesetzen vorher b e s t i m m t s e i, u. s. w. Diese sind wirklich allgemeine Naturgesetze, die völlig a priori bestehen. Es gibt also in der Tat eine reine Naturwissenschaft, und nun ist die Frage: w i e i s t s i e m ö g l i c h ?
- § 16
- Noch nimmt das Wort N a t u r eine andre Bedeutung an, die nämlich das O b j e k t bestimmt, indessen daß in der obigen Bedeutung sie nur die G e s e t z m ä ß i g k e i t der Bestimmungen des Daseins der Dinge überhaupt andeutete. Natur also materialiter betrachtet ist der I n b e g r i f f a l l e r G e g e n s t ä n d e d e r E r f a h r u n g. Mit dieser haben wir es hier nur zu tun, da ohnedem Dinge, die niemals Gegenstände einer Erfahrung werden können, wenn sie nach ihrer Natur erkannt werden sollten, uns zu Begriffen nötigen würden, deren Bedeutung niemals in concreto (in irgend einem Beispiele einer möglichen Erfahrung) gegeben werden könnte, und von deren Natur wir uns also lauter Begriffe machen müßten, deren Realität, d. i. ob sie wirklich sich auf Gegenstände beziehen, oder bloße Gedankendinge sind, gar nicht entschieden werden könnte. Was nicht ein Gegenstand der Erfahrung sein kann, dessen Erkenntnis wäre hyperphysisch, und mit dergleichen haben wir hier gar nicht zu tun, sondern mit der Naturerkenntnis, deren Realität durch Erfahrung bestätigt werden kann, [75] ob sie gleich a priori möglich ist, und vor aller Erfahrung vorhergeht.
- § 17
- Das F o r m a l e der Natur in dieser engern Bedeutung ist also die Gesetzmäßigkeit aller Gegenstände der Erfahrung, und, sofern sie a priori erkannt wird, die n o t w e n d i g e Gesetzmäßigkeit derselben. Es ist aber eben dargetan: daß die Gesetze der Natur an Gegenständen, sofern sie nicht in Beziehung auf mögliche Erfahrung, sondern als Dinge an sich selbst betrachtet werden, niemals a priori können erkannt werden. Wir haben es aber hier auch nicht mit Dingen an sich selbst (dieser ihre Eigenschaften lassen wir dahingestellt sein) sondern bloß mit Dingen, als Gegenständen einer möglichen Erfahrung zu tun, und der Inbegriff derselben ist es eigentlich, was wir hier Natur nennen. Und nun frage ich, ob, wenn von der Möglichkeit einer Naturerkenntnis a priori die Rede ist, es besser sei, die Aufgabe so einzurichten: wie ist die notwendige Gesetzmäßigkeit d e r D i n g e als Gegenstände der Erfahrung, oder: wie ist die notwendige Gesetzmäßigkeit d e r E r f a h r u n g selbst in Ansehung aller ihrer Gegenstände überhaupt a priori zu erkennen möglich?
Beim Lichte besehen, wird die Auflösung der Frage, sie mag auf die eine oder die andre Art vorgestellt sein, in Ansehung der reinen Naturerkenntnis (die eigentlich den Punkt der Quästion ausmacht) ganz und gar auf einerlei [76] hinauslaufen. Denn die subjektiven Gesetze, unter denen allein eine Erfahrungserkenntnis von Dingen möglich ist, gelten auch von diesen Dingen, als Gegenständen einer möglichen Erfahrung, (freilich aber nicht von ihnen als Dingen an sich selbst, dergleichen aber hier auch in keine Betrachtung kommen). Es ist gänzlich einerlei, ob ich sage: ohne das Gesetz, daß, wenn eine Begebenheit wahrgenommen wird, sie jederzeit auf etwas, was vorhergeht, bezogen werde, worauf sie nach einer allgemeinen Regel folgt, kann niemals ein Wahrnehmungsurteil vor Erfahrung gelten; oder ob ich mich so ausdrücke: alles, wovon die Erfahrung lehrt, daß es geschieht, muß eine Ursache haben.
Es ist indessen doch schicklicher, die erstere Formel zu wählen. Denn da wir wohl a priori und vor allen gegebenen Gegenständen eine Erkenntnis derjenigen Bedingungen haben können, unter denen allein eine Erfahrung in Ansehung ihrer möglich ist, niemals aber, welchen Gesetzen sie, ohne Beziehung auf mögliche Erfahrung an sich selbst unterworfen sein mögen, so werden wir die Natur der Dinge a priori nicht anders studieren können, als daß wir die Bedingungen und allgemeine (obgleich subjektive) Gesetze erforschen, unter denen allein ein solches Erkenntnis, als Erfahrung, (der bloßen Form nach) möglich ist, und darnach die Möglichkeit der Dinge, als Gegenstände der Erfahrung, bestimmen; denn, würde ich die zweite Art des Ausdrucks wählen, und die Bedingungen a priori su[77]chen, unter denen Natur als G e g e n s t a n d der Erfahrung möglich ist, so würde ich leichtlich in Mißverstand geraten können und mir einbilden, ich hätte von der Natur als einem Dinge an sich selbst zu reden, und da würde ich fruchtlos in endlosen Bemühungen herumgetrieben werden, vor Dinge, von denen mir nichts gegeben ist, Gesetze zu suchen.
Wir werden es also hier bloß mit der Erfahrung und den allgemeinen und a priori gegebenen Bedingungen ihrer Möglichkeit zu tun haben, und daraus die Natur, als den ganzen Gegenstand aller möglichen Erfahrung, bestimmen. Ich denke, man werde mich verstehen: daß ich hier nicht die Regeln der B e o b a c h t u n g einer Natur, die schon gegeben ist, verstehe, die setzen schon Erfahrung voraus, also nicht, wie wir (durch Erfahrung) der Natur die Gesetze ablernen können, denn diese wären alsdenn nicht Gesetze a priori, und gäben keine reine Naturwissenschaft, sondern wie die Bedingungen a priori von der Möglichkeit der Erfahrung zugleich die Quellen sind, aus denen alle allgemeine Naturgesetze hergeleitet werden müssen.
- § 18
- Wir müssen denn also zuerst bemerken: daß, obgleich alle Erfahrungsurteile empirisch sein, d. i. ihren Grund in der unmittelbaren Wahrnehmung der Sinne haben, dennoch nicht umgekehrt alle empirische Urteile darum Erfahrungsurteile sind, sondern, daß über das Empirische, [78] und überhaupt über das der sinnlichen Anschauung Gegebene, noch besondere Begriffe hinzukommen müssen, die ihren Ursprung gänzlich a priori im reinen Verstande haben, unter die jede Wahrnehmung allererst subsumiert und dann vermittelst derselben in Erfahrung kann verwandelt werden.
E m p i r i s c h e U r t e i l e, s o f e r n s i e o b j e k t i v e G ü l t i g k e i t h a b e n, sind ERFAHRUNGSURTEILE; die aber, so n u r s u b j e k t i v g ü l t i g sind, nenne ich bloße WAHRNEHMUNGSURTEILE. Die letztern bedürfen keines reinen Verstandesbegriffs, sondern nur der logischen Verknüpfung der Wahrnehmungen in einem denkenden Subjekt. Die ersteren aber erfordern jederzeit, über die Vorstellungen der sinnlichen Anschauung, noch besondere i m V e r s t a n d e u r s p r ü n g l i c h e r z e u g t e B e g r i f f e, welche es eben machen, daß das Erfahrungsurteil o b j e k t i v g ü l t i g ist.
Alle unsere Urteile sind zuerst bloße Wahrnehmungsurteile: sie gelten bloß vor uns, d. i. vor unser Subjekt, und nur hintennach geben wir ihnen eine neue Beziehung, nämlich auf ein Objekt, und wollen, daß es auch vor uns jederzeit und eben so vor jedermann gültig sein solle; denn wenn ein Urteil mit einem Gegenstande übereinstimmt, so müssen alle Urteile über denselben Gegenstand auch unter einander übereinstimmen, und so bedeutet die objektive Gültigkeit des Erfahrungsurteils nichts anders, als die notwendige Allgemeingültigkeit desselben. Aber auch umgekehrt, wenn wir Ursache finden, ein Ur[79]teil vor notwendig allgemeingültig zu halten (welches niemals auf der Wahrnehmung, sondern dem reinen Verstandesbegriffe beruht, unter dem die Wahrnehmung subsumiert ist), so müssen wir es auch vor objektiv halten, d. i. daß es nicht bloß eine Beziehung der Wahrnehmung auf ein Subjekt, sondern eine Beschaffenheit des Gegenstandes ausdrücke; denn es wäre kein Grund, warum anderer Urteile notwendig mit dem meinigen übereinstimmen müßten, wenn es nicht die Einheit des Gegenstandes wäre, auf den sie sich alle beziehen, mit dem sie übereinstimmen, und daher auch alle untereinander zusammenstimmen müssen.
- § 19
- Es sind daher objektive Gültigkeit und notwendige Allgemeingültigkeit (vor jedermann) Wechselbegriffe, und ob wir gleich das Objekt an sich nicht kennen, so ist doch, wenn wir ein Urteil als gemeingültig und mithin notwendig ansehen, eben darunter die objektive Gültigkeit verstanden. Wir erkennen durch dieses Urteil das Objekt, (wenn es auch sonst, wie es an sich selbst sein möchte, unbekannt bliebe,) durch die allgemeingültige und notwendige Verknüpfung der gegebenen Wahrnehmungen, und da dieses der Fall von allen Gegenständen der Sinne ist, so werden Erfahrungsurteile ihre objektive Gültigkeit nicht von der unmittelbaren Erkenntnis des Gegenstandes, (denn diese ist unmöglich), sondern bloß von der Bedingung [80] der Allgemeingültigkeit der empirischen Urteile entlehnen, die, wie gesagt, niemals auf den empirischen, ja überhaupt sinnlichen Bedingungen, sondern auf einem reinen Verstandesbegriffe beruht. Das Objekt bleibt an sich selbst immer unbekannt; wenn aber durch den Verstandesbegriff die Verknüpfung der Vorstellungen, die unsrer Sinnlichkeit von ihm gegeben sind, als allgemeingültig bestimmt wird, so wird der Gegenstand durch dieses Verhältnis bestimmt, und das Urteil ist objektiv.
Wir wollen dieses erläutern: daß das Zimmer warm, der Zuker süß, der Wermut widrig sei 1), sind bloß subjektiv gültige Urteile. Ich verlange gar nicht, daß ich es jederzeit, oder jeder andrer es ebenso, wie ich, finden soll, sie drücken nur eine Beziehung zweener Empfindungen auf dasselbe Subjekt, nämlich mich selbst, und auch nur in meinem diesmaligen Zustande der Wahrnehmung aus, und sollen daher auch nicht vom Objekte gelten; dergleichen nenne ich Wahrnehmungsurteile. Eine ganz andere Bewandtnis hat es mit dem Erfahrungsurteile. Was [81] die Erfahrung unter gewissen Umständen mich lehrt, muß sie mich jederzeit und auch jedermann lehren, und die Gültigkeit derselben schränkt sich nicht auf das Subjekt oder seinen damaligen Zustand ein. Daher spreche ich alle dergleichen Urteile als objektiv gültige aus, als z. B. wenn ich sage, die Luft ist elastisch, so ist dieses Urteil zunächst nur ein Wahrnehmungsurteil, ich beziehe zwei Empfindungen in meinen Sinnen nur auf einander. Will ich, es soll Erfahrungsurteil heißen, so verlange ich, daß diese Verknüpfung unter einer Bedingung stehe, welche sie allgemein gültig macht. Ich will also, daß ich jederzeit, und auch jedermann dieselbe Wahrnehmung unter denselben Umständen notwendig verbinden müsse.
- § 20
- Wir werden daher Erfahrung überhaupt zergliedern müssen, um zu sehen, was in diesem Produkt der Sinne und des Verstandes enthalten, und wie das Erfahrungsurteil selbst möglich sei. Zum Grunde liegt die Anschauung, deren ich mir bewußt bin, d. i. Wahrnehmung (perceptio), die bloß den Sinnen angehört. Aber zweitens gehört auch dazu das Urteilen (das bloß dem Verstande zukömmt). Dieses Urteilen kann nun zwiefach sein: erstlich, indem ich bloß die Wahrnehmungen vergleiche, und in einem Bewußtsein meines Zustandes, oder zweitens da ich sie in einem Bewußtsein überhaupt verbinde. Das erstere Urteil ist bloß ein Wahrnehmungsurteil, und hat sofern nur [82] subjektive Gültigkeit; es ist bloß Verknüpfung der Wahrnehmungen in meinem Gemütszu Stande, ohne Beziehung auf den Gegenstand. Daher ist es nicht, wie man gemeiniglich sich einbildet, zur Erfahrung gnug, Wahrnehmungen zu vergleichen, und in einem Bewußtsein vermittelst des Urteilens zu verknüpfen; dadurch entspringt keine Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit des Urteils, um deren willen es allein objektiv gültig und Erfahrung sein kann.
Es geht also noch ein ganz anderes Urteil voraus, ehe aus Wahrnehmung Erfahrung werden kann. Die gegebene Anschauung muß unter einem Begriff subsumiert werden, der die Form des Urteilens überhaupt in Ansehung der Anschauung bestimmt, das empirische Bewußtsein der letzteren in einem Bewußtsein überhaupt verknüpft, und dadurch den empirischen Urteilen Allgemeingültigkeit verschafft; dergleichen Begriff ist ein reiner Verstandesbegriff a priori, welcher nichts tut, als bloß einer Anschauung die Art überhaupt zu bestimmen, wie sie zu Urteilen dienen kann. Es sei ein solcher Begriff der Begriff der Ursache, so bestimmt er die Anschauung, die unter ihm subsumiert ist, z. B. die der Luft, in Ansehung des Urteilens überhaupt, nämlich daß der Begriff der Luft in Ansehung der Ausspannung in dem Verhältnis des Antecedens zum Consequens in einem hypothetischen Urteile diene. Der Begriff der Ursache ist also ein reiner Verstandesbegritf, der von aller möglichen Wahrnehmung gänzlich unterschieden [83] ist, und nur dazu dient, diejenige Vorstellung, die unter ihm enthalten ist, in Ansehung des Urteilens überhaupt zu bestimmen, mithin ein allgemeingültiges Urteil möglich zu machen.
Nun wird, ehe aus einem Wahrnehmungsurteil ein Urteil der Erfahrung werden kann, zuerst erfordert: daß die Wahrnehmung unter einem dergleichen Verstandesbegriffe subsumiert werde; z. B. die Luft gehört unter den Begriff der Ursachen, welcher das Urteil über dieselbe in Ansehung der Ausdehnung als hypothetisch bestimmt. 2) Dadurch wird nun nicht diese Ausdehnung, als bloß zu meiner Wahrnehmung der Luft in meinem Zustande, oder in mehrern meiner Zustände, oder in dem Zustande der Wahrnehmung anderer gehörig, sondern als dazu n o t w e n d i g gehörig, vorgestellt, und das Urteil, die Luft ist elastisch, wird allgemeingültig, und dadurch allererst Erfahrungsurteil, daß gewisse Urteile vorhergehen, die die Anschauung der Luft unter den Begriff der Ursache und Wirkung subsumieren, und dadurch die Wahrnehmungen [84] nicht bloß respective auf einander in meinem Subjekte, sondern in Ansehung der Form des Urteilens überhaupt (hier der hypothetischen) bestimmen, und auf solche Art das empirische Urteil allgemeingültig machen.
Zergliedert man alle seine synthetische Urteile, sofern sie objektiv gelten, so findet man, daß sie niemals aus bloßen Anschauungen bestehen, die bloß, wie man gemeiniglich dafür hält, durch Vergleichung in einem Urteil verknüpft worden, sondern daß sie unmöglich sein würden, wäre nicht über die von der Anschauung abgezogene Begriffe noch ein reiner Verstandesbegriff hinzugekommen, unter dem jene Begriffe subsumiert, und so allererst in einem objektiv gültigen Urteile verknüpft worden. Selbst die Urteile der reinen Mathematik in ihren einfachsten Axiomen sind von dieser Bedingung nicht ausgenommen. Der Grundsatz: die gerade Linie ist die kürzeste zwischen zweien Punkten, setzt voraus, daß die Linie unter den Begriff der Größe subsumiert werde, welcher gewiß keine bloße Anschauung ist, sondern lediglich im Verstande seinen Sitz hat, und dazu dient, die Anschauung (der Linie) in Absicht auf die Urteile, die von ihr gefället werden mögen, in Ansehung der Quantität derselben, nämlich der Vielheit (als iudicia plurativa) 3) zu bestimmen, indem unter ihnen verstanden [85] wird, daß in einer gegebenen Anschauung vieles gleichartige enthalten sei.
- § 21
- Um nun also die Möglichkeit der Erfahrung, soferne sie auf reinen Verstandesbegriffen a priori beruht, darzulegen, müssen wir zuvor das, was zum Urteilen überhaupt gehört, und die verschiedene Momente des Verstandes in denselben, in einer vollständigen Tafel vorstellen; denn die reinen Verstandesbegriffe, die nichts weiter sind, als Begriffe von Anschauungen überhaupt, sofern diese in Ansehung eines oder des andern dieser Momente zu Urteilen an sich selbst, mithin notwendig und allgemeingültig bestimmt sind, werden ihnen ganz genau parallel ausfallen. Hiedurch werden auch die Grundsätze a priori der Möglichkeit aller Erfahrung, als einer objektiv gültigen empirischen Erkenntnis, ganz genau bestimmt werden. Denn sie sind nichts anders, als Sätze, welche alle Wahrnehmung (gemäß gewissen allgemeinen Bedingungen der Anschauung) unter jene reine Verstandesbegriffe subsumieren.
[86]
Logische Tafel
der Urteile.
1.
Der Quantität nach
Allgemeine
Besondere
Einzelne
2.
Der Qualität nach
Bejahende
Verneinende
Unendliche
3.
Der Relation nach
Kategorische
Hypothetische
Disjunktive
4.
Der Modalität nach
Problematische
Assertorische
Apodiktische
Transzendentale Tafel
der Verstandesbegriffe.
1.
Der Quantität nach
Einheit (das Maß)
Vielheit (die Größe)
Allheit (das Ganze)
2.
Der Qualität
Realität
Negation
Einschränkung
3.
Der Relation
Substanz
Ursache
Gemeinschaft
4.
Der Modalität
Möglichkeit
Dasein
Notwendigkeit
Reine physiologische Tafel
allgemeiner Grundsätze der Naturwissenschaft.
1.
Axiomen
der Anschauung
2.
Antizipationen
der Wahrnehmung
3.
Analogien
der Erfahrung
4.
Postulate
des empirischen
Denkens überhaupt
[87]
- § 21a
- Um alles Bisherige in einen Begriff zusammenzufassen, ist zuvörderst nötig, die Leser zu erinnern: daß hier nicht von dem Entstehen der Erfahrung die Rede sei, sondern von dem, was in ihr liegt. Das erstere gehört zur empirischen Psychologie, und würde selbst auch da, ohne das zweite, welches zur Kritik der Erkenntnis und besonders des Verstandes gehört, niemals gehörig entwickelt werden können.
Erfahrung besteht aus Anschauungen, die der Sinnlichkeit angehören, und aus Urteilen, die lediglich ein Geschäfte des Verstandes sind. Diejenige Urteile aber, die der Verstand lediglich aus sinnlichen Anschauungen macht, sind noch bei weitem nicht Erfahrungsurteile. Denn in jenem Falle würde das Urteil nur die Wahrnehmungen verknüpfen, sowie sie in der sinnlichen Anschauung gegeben sein, in dem letztern Falle aber sollen die Urteile sagen, was Erfahrung überhaupt, mithin nicht was die bloße Wahrnehmung, deren Gültigkeit bloß subjektiv ist, enthält. Das Erfahrungsurteil muß also noch über die sinnliche Anschauung und die logische Verknüpfung derselben (nachdem sie durch Vergleichung allgemein gemacht worden) in einem Urteile etwas hinzufügen, was das synthetische Urteil als notwendig und hiedurch als allgemeingültig bestimmt, und dieses kann nichts anders sein, als derjenige Begriff, der die Anschauung in Ansehung einer Form des Urteils vielmehr als der anderen, als an sich [88] bestimmt, vorstellt, d. i. ein Begriff von derjenigen synthetischen Einheit der Anschauungen, die nur durch eine gegebne logische Funktion der Urteile vorgestellt werden kann.
- § 22
- Die Summe hievon ist diese: Die Sache der Sinne ist, anzuschauen; die des Verstandes, zu denken. Denken aber ist Vorstellungen in einem Bewußtsein vereinigen. Diese Vereinigung entsteht entweder bloß relativ aufs Subjekt, und ist zufällig und subjektiv, oder sie findet schlechthin statt, und ist notwendig oder objektiv. Die Vereinigung der Vorstellungen in einem Bewußtsein ist das Urteil. Also ist Denken so viel, als Urteilen, oder Vorstellungen auf Urteile überhaupt beziehen. Daher sind Urteile entweder bloß subjektiv, wenn Vorstellungen auf ein Bewußtsein in einem Subjekt allein bezogen und in ihm vereinigt werden, oder sie sind objektiv, wenn sie in einem Bewußtsein überhaupt d. i. darin notwendig vereinigt werden. Die logische Momente aller Urteile sind so viel mögliche Arten, Vorstellungen in einem Bewußtsein zu vereinigen. Dienen aber eben dieselben als Begriffe, so sind sie Begriffe von der n o t w e n d i g e n Vereinigung derselben in einem Bewußtsein, mithin Prinzipien objektiv gültiger Urteile. Diese Vereinigung in einem Bewußtsein ist entweder analytisch, durch die Identität, oder synthetisch, durch die Zusammensetzung und Hinzukunft ver[89]schiedener Vorstellungen zueinander. Erfahrung besteht in der synthetischen Verknüpfung der Erscheinungen (Wahrnehmungen) in einem Bewußtsein, sofern dieselbe notwendig ist. Daher sind reine Verstandesbegriffe diejenige, unter denen alle Wahrnehmungen zuvor müssen subsumiert werden, ehe sie zu Erfahrungsurteilen dienen können, in welchen die synthetische Einheit der Wahrnehmungen als notwendig und allgemeingültig vorgestellt wird. 4)
- § 23
- Urteile, sofern sie bloß als die Bedingung der Vereinigung gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein betrachtet werden, sind Regeln. Diese Regeln, sofern sie die Vereinigung als notwendig vorstellen, sind Regeln a priori, und sofern keine über sie sind, von denen sie abgeleitet werden, Grundsätze. Da nun in Ansehung [90] der Möglichkeit aller Erfahrung, wenn man an ihr bloß die Form des Denkens betrachtet, keine Bedingungen der Erfahrungsurteile über diejenige sind, welche die Erscheinungen, nach der verschiedenen Form ihrer Anschauung, unter reine Verstandesbegriffe bringen, die das empirische Urteil objektiv-gültig machen, so sind diese die Grundsätze a priori möglicher Erfahrung.
Die Grundsätze möglicher Erfahrung sind nun zugleich allgemeine Gesetze der Natur, welche a priori erkannt werden können. Und so ist die Aufgabe, die in unsrer vorliegenden zweiten Frage liegt: W i e i s t r e i n e N a t u r w i s s e n s c h a f t m ö g l i c h ? aufgelöset. Denn das Systematische, was zur Form einer Wissenschaft erfodert wird, ist hier vollkommen anzutreffen, weil über die genannte formale Bedingungen aller Urteile überhaupt, mithin aller Regeln überhaupt, die die Logik darbietet, keine mehr möglich sind, und diese ein logisches System, die darauf gegründeten Begriffe aber, welche die Bedingungen a priori zu allen synthetischen und notwendigen Urteilen enthalten, eben darum ein transzendentales, endlich die Grundsätze, vermittelst deren alle Erscheinungen untern diese Begriffe subsumiert werden, ein physiologisches d. i. ein Natursystem ausmachen, welches vor aller empirischen Naturerkenntnis vorhergeht, diese zuerst möglich macht, und daher die eigentliche allgemeine und reine Naturwissenschaft genannt werden kann.
[91]
- § 24
- Der erste 5) jener physiologischen Grundsätze subsumiert alle Erscheinungen, alle Anschauungen im Raum und Zeit, unter den Begriff der G r ö ß e, und ist sofern ein Prinzip der Anwendung der Mathematik auf Erfahrung. Der zweite subsumiert das eigentlich Empirische, nämlich die Empfindung, die das Reale der Anschauungen bezeichnet, nicht geradezu unter den Begriff der G r ö ß e, weil Empfindung keine Anschauung ist, die Raum oder Zeit e n t h i e l t e, ob sie gleich den ihr korrespondierenden Gegenstand in beide setzt; allein es ist zwischen Realität (Empfindungsvorstellung) und der Null d. i. dem gänzlich Leeren der Anschauung in der Zeit, doch ein Unterschied, der eine Größe hat, da nämlich zwischen einem jeden gegebenen Grade Licht und der Finsternis, zwischen einem jeden Grade Wärme und der gänzlichen Kälte, jedem Grad der Schwere und der absoluten Leichtigkeit, jedem Grade der Erfüllung des Raumes und dem völlig leeren Raume, immer noch kleinere Grade gedacht werden können, so wie selbst zwischen einem Bewußtsein und dem völligen Unbewußtsein (psychologischer Dunkelheit) immer noch kleinere stattfinden; daher keine Wahrnehmung möglich ist, welche einen absoluten Mangel bewiese, z. B. keine psychologische Dun[92]kelheit, die nicht als ein Bewußtsein betrachtet werden könnte, welches nur von anderem, stärkeren überwogen wird, und so in allen Fällen der Empfindung, weswegen der Verstand sogar Empfindungen, welche die eigentliche Qualität der empirischen Vorstellungen (Erscheinungen) ausmachen, antizipieren kann, vermittelst des Grundsatzes, daß sie alle insgesamt, mithin das Reale aller Erscheinung Grade habe, welches die zweite Anwendung der Mathematik (mathesis intensorum) auf Naturwissenschaft ist.
- § 25
- In Ansehung des Verhältnisses der Erscheinungen, und zwar lediglich in Absicht auf ihr Dasein, ist die Bestimmung dieses Verhältnisses nicht mathematisch, sondern dynamisch, und kann niemals objektiv gültig, mithin zu einer Erfahrung tauglich sein, wenn sie nicht unter Grundsätzen a priori steht, welche die Erfahrungserkenntnis in Ansehung derselben allererst möglich machen. Daher müssen Erscheinungen unter den Begriff der Substanz, welcher aller Bestimmung des Daseins, als ein Begriff vom Dinge selbst, zum Grunde liegt, oder zweitens, sofern eine Zeitfolge unter den Erscheinungen, d. i. eine Begebenheit angetroffen wird, untern den Begriff einer Wirkung in Beziehung auf Ursache, oder, sofern das Zugleichsein objektiv, d. i. durch ein Erfahrungsurteil erkannt werden soll, unter den Begriff der Gemeinschaft (Wechselwirkung) subsumiert werden, und so liegen Grundsätze a priori objektiv gültigen, [93] obgleich empirischen Urteilen, d. i. der Möglichkeit der Erfahrung, sofern sie Gegenstände dem Dasein nach in der Natur verknüpfen soll, zum Grunde. Diese Grundsätze sind die eigentlichen Naturgesetze, welche dynamisch heißen können.
Zuletzt gehört auch zu den Erfahrungsurteilen die Erkenntnis der Übereinstimmung und Verknüpfung, nicht sowohl der Erscheinungen untereinander in der Erfahrung, als vielmehr ihr Verhältnis zur Erfahrung überhaupt, welches entweder ihre Übereinstimmung mit den formalen Bedingungen, die der Verstand erkennt, oder Zusammenhang mit dem Materialen der Sinne und der Wahrnehmung, oder beides in einen Begriff vereinigt, folglich Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit nach allgemeinen Naturgesetzen enthält, welches die physiologische Methodenlehre (Unterscheidung der Wahrheit und Hypothesen und die Grenzen der Zuverlässigkeit der letzteren) ausmachen würde.
- § 26
- Obgleich die dritte a u s d e r N a t u r d e s V e r s t a n d e s s e l b s t nach kritischer Methode gezogene Tafel der Grundsätze eine Vollkommenheit an sich zeigt, darin sie sich weit über jede andre erhebt, die v o n d e n S a c h e n s e l b s t auf dogmatische Weise, obgleich vergeblich, jemals versucht worden ist, oder nur künftig versucht werden mag: nämlich daß sie alle synthetische Grundsätze a priori vollständig enthält und nach einem Prinzip, nämlich dem Vermögen zu Urteilen überhaupt, welches das Wesen der Erfahrung [94] in Absicht auf den Verstand ausmacht, ausgeführt worden, so daß man gewiß sein kann, es gebe keine dergleichen Grundsätze mehr, (eine Befriedigung, die die dogmatische Methode niemals verschaffen kann) so ist dieses doch bei weitem noch nicht ihr größtes Verdienst.
Man muß auf den Beweisgrund Acht geben, der die Möglichkeit dieser Erkenntnis a priori entdeckt, und alle solche Grundsätze zugleich auf eine Bedingung einschränkt, die niemals übersehen werden muß, wenn sie nicht mißverstanden und im Gebrauche weiter ausgedehnt werden soll, als der ursprüngliche Sinn, den der Verstand darein legt, es haben will: nämlich, daß sie nur die Bedingungen möglicher Erfahrung überhaupt enthalten, sofern sie Gesetzen a priori unterworfen ist. So sage ich nicht: daß Dinge a n s i c h s e l b s t eine Größe, ihre Realität einen Grad, ihre Existenz Verknüpfung der Akzidenzen in einer Substanz u. s. w. enthalte; denn das kann niemand beweisen, weil eine solche synthetische Verknüpfung aus bloßen Begriffen, wo alle Beziehung auf sinnliche Anschauung einerseits, und alle Verknüpfung derselben in einer möglichen Erfahrung andererseits, mangelt, schlechterdings unmöglich ist. Die wesentliche Einschränkung der Begriffe also in diesen Grundsätzen ist: daß alle Dinge nur a l s G e g e n s t ä n d e d e r E r f a h r u n g unter den genannten Bedingungen notwendig a priori stehen.
Hieraus folgt denn zweitens auch eine spezifisch eigentümliche Beweisart derselben: daß die gedachte Grund[95]sätze auch nicht geradezu auf Erscheinungen und ihr Verhältnis, sondern auf die Möglichkeit der Erfahrung, wovon Erscheinungen nur die Materie, nicht aber die Form ausmachen, d. i. auf objektiv- und allgemeingültige synthetische Sätze, worin sich eben Erfahrungsurteile von bloßen Wahrnehmungsurteilen unterscheiden, bezogen werden. Dieses geschieht dadurch, daß die Erscheinungen als bloße Anschauungen, w e l c h e e i n e n T e i l v o n R a u m u n d Z e i t e i n n e h m e n, unter dem Begriff der Größe stehen, welcher das Mannigfaltige derselben a priori nach Regeln synthetisch vereinigt, daß, sofern die Wahrnehmung außer der Anschauung auch Empfindung enthält, zwischen welcher und der Null, d. i. dem völligen Verschwinden derselben, jederzeit ein Übergang durch Verringerung stattfindet, das Reale der Erscheinungen einen Grad haben müsse, sofern sie nämlich selbst k e i n e n T e i l v o n R a u m o d e r Z e i t e i n n i m m t, 6) aber doch der Übergang zu ihr von der leeren Zeit oder Raum nur in der [96] Zeit möglich ist, mithin, obzwar Empfindung, als die Qualität der empirischen Anschauung, in Ansehung dessen, worin sie sich spezifisch von andern Empfindungen unterscheidet, niemals a priori erkannt werden kann, sie dennoch in einer möglichen Erfahrung überhaupt, als Größe der Wahrnehmung intensiv von jeder andern gleichartigen unterschieden werden könne; woraus denn die Anwendung der Mathematik auf Natur, in Ansehung der sinnlichen Anschauung, durch welche sie uns gegeben wird, zuerst möglich gemacht und bestimmt wird.
Am meisten aber muß der Leser auf die Beweisart der Grundsätze, die unter dem Namen der Analogien der Erfahrung vorkommen, aufmerksam sein. Denn weil diese nicht, so wie die Grundsätze der Anwendung der Mathematik auf Naturwissenschaft überhaupt, die Erzeugung der Anschauungen, sondern die Verknüpfung ihres Daseins in einer Erfahrung betreffen, diese aber nichts anders, als die Bestimmung der Existenz in der Zeit nach notwendigen Gesetzen sein kann, unter denen sie allein objektivgültig, mithin Erfahrung ist: so geht der Beweis nicht auf die synthetische Einheit in der Verknüpfung d e r D i n g e an sich selbst, sondern der W a h r n e h m u n g e n, und zwar dieser nicht in Ansehung ihres Inhalts, sondern der Zeitbestimmung und des Verhältnisses des Daseins in ihr, nach allgemeinen Gesetzen. Diese allgemeinen Gesetze enthalten also die Notwendigkeit der Bestimmung des Daseins in der Zeit überhaupt (folglich nach einer Regel [97] des Verstandes a priori) wenn die empirische Bestimmung in der relativen Zeit objektiv-gültig, mithin Erfahrung sein soll. Mehr kann ich hier als in Prolegomenen nicht anführen, als nur, daß ich dem Leser, welcher in der langen Gewohnheit steckt, Erfahrung vor eine bloß empirische Zusammensetzung der Wahrnehmungen zu halten, und daher daran gar nicht denkt, daß sie viel weiter geht, als diese reichen, nämlich empirischen Urteilen Allgemeingültigkeit gibt und dazu einer reinen Verstandeseinheit bedarf, die a priori vorhergeht, empfehle: auf diesen Unterschied der Erfahrung von einem bloßen Aggregat von Wahrnehmungen wohl Acht zu haben, und aus diesem Gesichtspunkte die Beweisart zu beurteilen.
- § 27
- Hier ist nun der Ort, den Humischen Zweifel aus dem Grunde zu heben. Er behauptete mit Recht: daß wir die Möglichkeit der Kausalität, d. i. der Beziehung des Daseins eines Dinges auf das Dasein von irgend etwas anderem, was durch jenes notwendig gesetzt werde, durch Vernunft auf keine Weise einsehen. Ich setze noch hinzu, daß wir ebensowenig den Begriff der Subsistenz d. i. der Notwendigkeit darin einsehen, daß dem Dasein der Dinge ein Subjekt zum Grunde liege, das selbst kein Prädikat von irgend einem anderen Dinge sein könne, ja sogar, daß wir uns keinen Begriff von der Möglichkeit eines solchen Dinges machen können, (obgleich wir in der Er[98]fahrung Beispiele seines Gebrauchs aufzeigen können) imgleichen, daß eben diese Unbegreiflichkeit auch die Gemeinschaft der Dinge betreffe, indem gar nicht einzusehen ist, wie aus dem Zustande eines Dinges eine Folge auf den Zustand ganz anderer Dinge außer ihm, und so wechselseitig, könne gezogen werden, und wie Substanzen, deren jede doch ihre eigene abgesonderte Existenz hat, von einander und zwar notwendig abhängen sollen. Gleichwohl bin ich weit davon entfernet, diese Begriffe als bloß aus der Erfahrung entlehnt, und die Notwendigkeit, die in ihnen vorgestellt wird, als angedichtet und vor bloßen Schein zu halten, den uns eine lange Gewohnheit vorspiegelt; vielmehr habe ich hinreichend gezeigt, daß sie und die Grundsätze aus denselben a priori vor aller Erfahrung feststehen, und ihre ungezweifelte objektive Richtigkeit, aber freilich nur in Ansehung der Erfahrung haben.
- § 28
- Ob ich also gleich von einer solchen Verknüpfung der Dinge an sich selbst, wie sie als Substanz existieren, oder als Ursache wirken, oder mit andern (als Teile eines realen Ganzen) in Gemeinschaft stehen können, nicht den mindesten Begriff habe, noch weniger aber dergleichen Eigenschaften an Erscheinungen als Erscheinungen denken kann (weil jene Begriffe nichts, was in den Erscheinungen liegt, sondern, was der Verstand allein denken muß, enthalten), so haben wir doch von einer solchen Verknüpfung der Vorstellungen in un[99]serm Verstande, und zwar in Urteilen überhaupt, einen dergleichen Begriff, nämlich: daß Vorstellungen in einer Art Urteile als Subjekt in Beziehung auf Prädikate, in einer anderen als Grund in Beziehung auf Folge, und in einer dritten als Teile, die zusammen ein ganzes mögliches Erkenntnis ausmachen, gehören. Ferner erkennen wir a priori: daß ohne die Vorstellung eines Objekts in Ansehung eines oder des andern dieser Momente als bestimmt anzusehen, wir gar keine Erkenntnis, die von dem Gegenstände gelte, haben könnten, und, wenn wir uns mit dem Gegenstande an sich selbst beschäftigten, so wäre kein einziges Merkmal möglich, woran ich erkennen könnte, daß er in Ansehung eines oder des andern gedachter Momente bestimmt sei, d. i. unter den Begriff der Substanz, oder der Ursache, oder (im Verhältnis gegen andere Substanzen) unter den Begriff der Gemeinschaft gehöre; denn von der Möglichkeit einer solchen Verknüpfung des Daseins habe ich keinen Begriff. Es ist aber auch die Frage nicht, wie Dinge an sich, sondern, wie Erfahrungserkenntnis der Dinge in Ansehung gedachter Momente der Urteile überhaupt bestimmt sei, d. i. wie Dinge, als Gegenstände der Erfahrung, unter jene Verstandesbegriffe können und sollen subsumiert werden. Und da ist es klar: daß ich nicht allein die Möglichkeit, sondern auch die Notwendigkeit, alle Erscheinungen unter diese Begriffe zu subsumieren, d. i. sie zu Grundsätzen der Möglichkeit der Erfahrung zu brauchen, vollkommen einsehe.
[100]
- § 29
- Um einen Versuch an H u m e s problematischem Begriff (dieser seiner crux metaphysicorum), nämlich dem Begriffe der Ursache, zu machen, so ist mir erstlich vermittelst der Logik die Form eines bedingten Urteils überhaupt, nämlich, ein gegebenes Erkenntnis als Grund, und das andere als Folge zu gebrauchen, a priori gegeben. Es ist aber möglich, daß in der Wahrnehmung eine Regel des Verhältnisses angetroffen wird, die da sagt: daß auf eine gewisse Erscheinung eine andere, (obgleich nicht umgekehrt) beständig folgt, und dieses ist ein Fall, mich des hypothetischen Urteils zu bedienen, und z. B. zu sagen, wenn ein Körper lange gnug von der Sonne beschienen ist, so wird er warm. Hier ist nun freilich noch nicht eine Notwendigkeit der Verknüpfung, mithin der Begriff der Ursache. Allein ich fahre fort, und sage: wenn obiger Satz, der bloß eine subjektive Verknüpfung der Wahrnehmungen ist, ein Erfahrungssatz sein soll, so muß er als notwendig und allgemeingültig angesehen werden. Ein solcher Satz aber würde sein: Sonne ist durch ihr Licht die Ursache der Wärme. Die obige empirische Regel wird nunmehr als Gesetz angesehen, und zwar nicht als geltend bloß von Erscheinungen, sondern von ihnen zum Behuf einer möglichen Erfahrung, welche durchgängig und also notwendig gültige Regeln bedarf. Ich sehe also den Begriff der Ursache, als einen zur bloßen Form der Erfahrung notwendig gehörigen Begriff, und dessen Möglichkeit als [101] einer synthetischen Vereinigung der Wahrnehmungen in einem Bewußtsein überhaupt, sehr wohl ein; die Möglichkeit eines Dinges überhaupt aber, als einer Ursache, sehe ich gar nicht ein, und zwar darum, weil der Begriff der Ursache ganz und gar keine den Dingen, sondern nur der Erfahrung anhängende Bedingung andeutet, nämlich, daß diese nur eine objektiv-gültige Erkenntnis von Erscheinungen und ihrer Zeitfolge sein könne, sofern die vorhergehende mit der nachfolgenden nach der Regel hypothetischer Urteile verbunden werden kann.
- § 30
- Daher haben auch die reine Verstandesbegriffe ganz und gar keine Bedeutung, wenn sie von Gegenständen der Erfahrung abgehen und auf Dinge an sich selbst (noumena) bezogen werden wollen. Sie dienen gleichsam nur, Erscheinungen zu buchstabieren, um sie als Erfahrung lesen zu können; die Grundsätze, die aus der Beziehung derselben auf die Sinnenwelt entspringen, dienen nur unserm Verstande zum Erfahrungsgebrauch; weiter hinaus sind es willkürliche Verbindungen, ohne objektive Realität, deren Möglichkeit man weder a priori erkennen, noch ihre Beziehung auf Gegenstände durch irgend ein Beispiel bestätigen oder nur verständlich machen kann, weil alle Beispiele nur aus irgend einer möglichen Erfahrung entlehnt, mithin auch die Gegenstände jener Begriffe nirgend anders, als in einer möglichen Erfahrung angetroffen werden können.
[102] Diese vollständige, obzwar wider die Vermutung des Urhebers ausfallende Auflösung des Humischen Problems rettet also den reinen Verstandesbegriffen ihren Ursprung a priori, und den allgemeinen Naturgesetzen ihre Gültigkeit, als Gesetzen des Verstandes, doch so, daß sie ihren Gebrauch nur auf Erfahrung einschränkt, darum, weil ihre Möglichkeit bloß in der Beziehung des Verstandes auf Erfahrung ihren Grund hat: nicht aber so, daß sie sich von Erfahrung, sondern daß Erfahrung sich von ihnen ableitet, welche ganz umgekehrte Art der Verknüpfung H u m e sich niemals einfallen ließ.
Hieraus fließt nun folgendes Resultat aller bisherigen Nachforschung: «Alle synthetische Grundsätze a priori sind nichts weiter, als Prinzipien möglicher Erfahrung» und können niemals auf Dinge an sich selbst, sondern nur auf Erscheinungen, als Gegenstände der Erfahrung, bezogen werden. Daher auch reine Mathematik sowohl, als reine Naturwissenschaft niemals auf irgend etwas mehr als bloße Erscheinungen gehen können, und nur das vorstellen, was entweder Erfahrung überhaupt möglich macht, oder was, indem es aus diesen Prinzipien abgeleitet ist, jederzeit in irgend einer möglichen Erfahrung muß vorgestellt werden können.
- § 31
- Und so hat man denn einmal etwas Bestimmtes, und woran man sich bei allen metaphysischen Unternehmungen, [103] die bisher, kühn gnuug, aber jederzeit blind, über alles ohne Unterschied gegangen sind, halten kann. Dogmatische Denker haben sich es niemals einfallen lassen, daß das Ziel ihrer Bemühungen so kurz sollte ausgesteckt werden, und selbst diejenige nicht, die, trotzig auf ihre vermeinte gesunde Vernunft, mit zwar rechtmäßigen und natürlichen, aber zum bloßen Erfahrungsgebrauch bestimmten Begriffen und Grundsätzen der reinen Vernunft auf Einsichten ausgingen, vor die sie keine bestimmte Grenzen kannten, noch kennen konnten, weil sie über die Natur und selbst die Möglichkeit eines solchen reinen Verstandes niemals entweder nachgedacht hatten oder nachzudenken vermochten.
Mancher Naturalist der reinen Vernunft (darunter ich den verstehe, welcher sich zutraut, ohne alle Wissenschaft in Sachen der Metaphysik zu entscheiden) möchte wohl vorgeben, er habe das, was hier mit so viel Zurüstung, oder, wenn er lieber will, mit weitschweifigem pedantischen Pompe vorgetragen worden, schon längst durch den Wahrsagergeist seiner gesunden Vernunft nicht bloß vermutet, sondern auch gewußt und eingesehen: «daß wir nämlich mit aller unserer Vernunft über das Feld der Erfahrungen nie hinaus kommen können.» Allein da er doch, wenn man ihm seine Vernunftprinzipien allmählich abfrägt, gestehen muß, daß darunter viele sind, die er nicht aus Erfahrung geschöpft hat, die also von dieser unabhängig und a priori gültig sind, wie und mit welchen Gründen will er denn den Dogmatiker und sich selbst in Schranken hal[104]ten, der sich dieser Begriffe und Grundsätze über alle mögliche Erfahrung hinaus bedient, darum eben weil sie unabhängig von dieser erkannt werden? Und selbst er, dieser Adept der gesunden Vernunft, ist so sicher nicht, ungeachtet aller seiner angemaßten wohlfeil erworbenen Weisheit, unvermerkt über Gegenstände der Erfahrung hinaus in das Feld der Hirngespinste zu geraten. Auch ist er gemeiniglich tief gnug drin verwickelt, ob er zwar durch die populäre Sprache, da er alles bloß vor Wahrscheinlichkeit, vernünftige Vermutung oder Analogie ausgibt, seinen grundlosen Ansprüchen einigen Anstrich gibt.
- § 32
- Schon von den ältesten Zeiten der Philosophie her, haben sich Forscher der reinen Vernunft, außer den Sinnenwesen oder Erscheinungen, (phaenomena) die die Sinnenwelt ausmachen, noch besondere Verstandeswesen (noumena), welche eine Verstandeswelt ausmachen sollten, gedacht, und da sie, (welches einem noch unausgebildeten Zeitalter wohl zu verzeihen war) Erscheinung und Schein vor einerlei hielten, den Verstandeswesen allein Wirklichkeit zugestanden.
In der Tat, wenn wir die Gegenstände der Sinne, wie billig, als bloße Erscheinungen ansehen, so gestehen wir hiedurch doch zugleich, daß ihnen ein Ding an sich selbst zum Grunde liege, ob wir dasselbe gleich nicht, wie es an sich beschaffen sei, sondern nur seine Erscheinung, d. i. [105] die Art, wie unsre Sinnen von diesem unbekannten Etwas affiziert werden, kennen. Der Verstand also, eben dadurch, daß er Erscheinungen annimmt, gesteht auch das Dasein von Dingen an sich selbst zu, und sofern können wir sagen, daß die Vorstellung solcher Wesen, die den Erscheinungen zum Grunde liegen, mithin bloßer Verstandeswesen nicht allein zulässig, sondern auch unvermeidlich sei.
Unsere kritische Deduktion schließt dergleichen Dinge (Noumena) auch keinesweges aus, sondern schränkt vielmehr die Grundsätze der Ästhetik dahin ein, daß sie sich ja nicht auf alle Dinge erstrecken sollen, wodurch alles in bloße Erscheinung verwandelt werden würde, sondern daß sie nur von Gegenständen einer möglichen Erfahrung gelten sollen. Also werden hiedurch Verstandeswesen zugelassen, nur mit Einschärfung dieser Regel, die gar keine Ausnahme leidet: daß wir von diesen reinen Verstandeswesen ganz und gar nichts Bestimmtes wissen, noch wissen können, weil unsere reine Verstandesbegriffe sowohl als reine Anschauungen auf nichts als Gegenstände möglicher Erfahrung, mithin auf bloße Sinnenwesen gehen, und, sobald man von diesen abgeht, jenen Begriffen nicht die mindeste Bedeutung mehr übrig bleibt.
- § 33
- Es ist in der Tat mit unseren reinen Verstandesbegriffen etwas Verfängliches, in Ansehung der Anlockung zu einem transzendenten Gebrauch; denn so nenne ich den[106]jenigen, der über alle mögliche Erfahrung hinausgeht. Nicht allein, daß unsere Begriffe der Substanz, der Kraft, der Handlung, der Realität etc. ganz von der Erfahrung unabhängig sind, imgleichen gar keine Erscheinung der Sinne enthalten, also in der Tat auf Dinge an sich selbst (noumena) zu gehen scheinen, sondern, was diese Vermutung noch bestärkt, sie enthalten eine Notwendigkeit der Bestimmung in sich, der die Erfahrung niemals gleichkommt. Der Begriff der Ursache enthält eine Regel, nach der aus einem Zustande ein anderer notwendiger Weise folgt; aber die Erfahrung kann uns nur zeigen, daß oft, und wenn es hoch kommt, gemeiniglich auf einen Zustand der Dinge ein anderer folge, und kann also weder strenge Allgemeinheit, noch Notwendigkeit verschaffen etc.
Daher scheinen Verstandesbegriffe viel mehr Bedeutung und Inhalt zu haben, als daß der bloße Erfahrungsgebrauch ihre ganze Bestimmung erschöpfte, und so baut sich der Verstand unvermerkt an das Haus der Erfahrung noch ein viel weitläuftigeres Nebengebäude an, welches er mit lauter Gedankenwesen anfüllt, ohne es einmal zu merken, daß er sich mit seinen sonst richtigen Begriffen über die Grenzen ihres Gebrauchs verstiegen habe.
- § 34
- Es waren also zwei wichtige, ja ganz unentbehrliche, obzwar äußerst trockene Untersuchungen nötig, welche Krit. Seite 137 etc. und 235 etc., angestellt worden, durch deren [107] erstere gezeigt wurde, daß die Sinne nicht die reine Verstandesbegriffe in concreto, sondern nur das Schema zum Gebrauche derselben an die Hand geben, und der ihm gemäße Gegenstand nur in der Erfahrung (als dem Produkte des Verstandes aus Materialien der Sinnlichkeit) angetroffen werde. In der zweiten Untersuchung (Krit. S. 235) wird gezeigt: daß ungeachtet der Unabhängigkeit unsrer reinen Verstandesbegriffe und Grundsätze von Erfahrung, ja selbst ihrem scheinbarlich größeren Umfange des Gebrauchs, dennoch durch dieselbe außer dem Felde der Erfahrung gar nichts gedacht werden könne, weil sie nichts tun können, als bloß die logische Form des Urteils in Ansehung gegebener Anschauungen bestimmen; da es aber über das Feld der Sinnlichkeit hinaus ganz und gar keine Anschauung gibt, jenen reinen Begriffen es ganz und gar an Bedeutung fehle, indem sie durch kein Mittel in concreto können dargestellt werden, folglich alle solche Noumena zusamt dem Inbegriff derselben, einer intelligibeln 7) Welt, nichts als Vorstellungen einer Aufgabe [108] sind, deren Gegenstand an sich wohl möglich, deren Auflösung aber, nach der Natur unseres Verstandes, gänzlich unmöglich ist, indem unser Verstand kein Vermögen der Anschauung, sondern bloß der Verknüpfung gegebener Anschauungen in einer Erfahrung ist, und daß diese daher alle Gegenstände vor unsere Begriffe enthalten müsse, außer ihr aber alle Begriffe, da ihnen keine Anschauung unterlegt werden kann, ohne Bedeutung sein werden.
- § 35
- Es kann der Einbildungskraft vielleicht verziehen werden, wenn sie bisweilen schwärmt, d. i. sich nicht behutsam innerhalb den Schranken der Erfahrung hält, denn wenigstens wird sie durch einen solchen freien Schwung belebt und gestärkt, und es wird immer leichter sein, ihre Kühnheit zu mäßigen, als ihrer Mattigkeit aufzuhelfen. Daß aber der Verstand, der d e n k e n soll, an dessen statt s c h w ä r m t, das kann ihm niemals verziehen werden; denn auf ihm beruht allein alle Hülfe, um der Schwärmerei der Einbildungskraft, wo es nötig ist, Grenzen zu setzen.
Er fängt es aber hiemit sehr unschuldig und sittsam an. Zuerst bringt er die Elementarerkenntnisse, die ihm vor aller Erfahrung beiwohnen, aber dennoch in der Erfahrung immer ihre Anwendung haben müssen, ins reine. Allmählich läßt er diese Schranken weg, und was sollte ihn auch daran hindern, da der Verstand ganz frei seine [109] Grundsätze aus sich selbst genommen hat? und nun geht es zuerst auf neu erdachte Kräfte in der Natur, bald hernach auf Wesen außerhalb der Natur, mit einem Wort auf eine Welt, zu deren Einrichtung es uns an Bauzeug nicht fehlen kann, weil es durch fruchtbare Erdichtung reichlich herbeigeschafft, und durch Erfahrung zwar nicht bestätigt, aber auch niemals widerlegt wird. Das ist auch die Ursache, weswegen junge Denker Metaphysik in echter dogmatischer Manier so lieben, und ihr oft ihre Zeit und ihr sonst brauchbares Talent aufopfern.
Es kann aber gar nichts helfen, jene fruchtlose Versuche der reinen Vernunft durch allerlei Erinnerungen wegen der Schwierigkeit der Auflösung so tief verborgener Fragen, Klagen über die Schranken unserer Vernunft, und Herabsetzung der Behauptungen auf bloße Mutmaßungen, mäßigen zu wollen. Denn wenn die U n m ö g l i c h k e i t derselben nicht deutlich dargetan worden, und die S e l b s t e r k e n n t n i s der Vernunft nicht wahre Wissenschaft wird, worin das Feld ihres richtigen von dem ihres nichtigen und fruchtlosen Gebrauchs, so zu sagen, mit geometrischer Gewißheit unterschieden wird, so werden jene eitle Bestrebungen niemals völlig abgestellt werden.
- § 36
Wie ist Natur selbst möglich?
- Diese Frage, welche der höchste Punkt ist, den transzendentale Philosophie nur immer berühren mag, und [110] zu welchem sie auch, als ihrer Grenze und Vollendung, geführt werden muß, enthält eigentlich zwei Fragen.
ERSTLICH: Wie ist Natur in m a t e r i e l l e r Bedeutung, nämlich der Anschauung nach, als der Inbegriff der Erscheinungen, wie ist Raum, Zeit, und das, was beide erfüllt, der Gegenstand der Empfindung, überhaupt möglich? Die Antwort ist: vermittelst der Beschaffenheit unserer Sinnlichkeit, nach welcher sie, auf die ihr eigentümliche Art, von Gegenständen, die ihr an sich selbst unbekannt und von jenen Erscheinungen ganz unterschieden sind, gerührt wird. Diese Beantwortung ist, in dem Buche selbst in der transzendentalen Ästhetik, hier aber in den Prolegomenen durch die Auflösung der ersten Hauptfrage gegeben worden.
ZWEITENS: Wie ist Natur in formeller Bedeutung, als der Inbegriff der Regeln, unter denen alle Erscheinungen stehen müssen, wenn sie in einer Erfahrung als verknüpft gedacht werden sollen, möglich? Die Antwort kann nicht anders ausfallen als: sie ist nur möglich vermittelst der Beschaffenheit unseres Verstandes, nach welcher alle jene Vorstellungen der Sinnlichkeit auf ein Bewußtsein notwendig bezogen werden, und wodurch allererst die eigentümliche Art unseres Denkens, nämlich durch Regeln, und vermittelst dieser die Erfahrung, welche von der Einsicht der Objekte an sich selbst ganz zu unterscheiden ist, möglich ist. Diese Beantwortung ist in dem Buche selbst in der transzendentalen Logik, hier aber in den [111] Prolegomenen in dem Verlauf der Auflösung der zweiten Hauptfrage gegeben worden.
Wie aber diese eigentümliche Eigenschaft unsrer Sinnlichkeit selbst, oder die unseres Verstandes und der ihm und allem Denken zum Grunde liegenden notwendigen Apperzeption, möglich sei, läßt sich nicht weiter auflösen und beantworten, weil wir ihrer zu aller Beantwortung und zu allem Denken der Gegenstände immer wieder nötig haben.
Es sind viele Gesetze der Natur, die wir nur vermittelst der Erfahrung wissen können, aber die Gesetzmäßigkeit in Verknüpfung der Erscheinungen, d. i. die Natur überhaupt, können wir durch keine Erfahrung kennen lernen, weil Erfahrung selbst solcher Gesetze bedarf, die ihrer Möglichkeit a priori zum Grunde liegen.
Die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt ist also zugleich das allgemeine Gesetz der Natur, und die Grundsätze der erstern sind selbst die Gesetze der letztern. Denn wir kennen Natur nicht anders, als den Inbegriff der Erscheinungen d. i. der Vorstellungen in uns, und können daher das Gesetz ihrer Verknüpfung nirgend anders, als von den Grundsätzen der Verknüpfung derselben in uns, d. i. den Bedingungen der notwendigen Vereinigung in einem Bewußtsein, welche die Möglichkeit der Erfahrung ausmacht, hernehmen.
Selbst der Hauptsatz, der durch diesen ganzen Abschnitt ausgeführt worden, daß allgemeine Naturgesetze a [112] priori erkannt werden können, führt schon von selbst auf den Satz: daß die oberste Gesetzgebung der Natur in uns selbst, d. i. in unserm Verstande liegen müsse, und daß wir die allgemeinen Gesetze derselben nicht von der Natur vermittelst der Erfahrung, sondern umgekehrt die Natur ihrer allgemeinen Gesetzmäßigkeit nach bloß aus den in unserer Sinnlichkeit und dem Verstande liegenden Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung suchen müssen; denn wie wäre es sonst möglich, diese Gesetze, da sie nicht etwa Regeln der analytischen Erkenntnis, sondern wahrhafte synthetische Erweiterungen derselben sind, a priori zu kennen? Eine solche und zwar notwendige Übereinstimmung der Prinzipien möglicher Erfahrung mit den Gesetzen der Möglichkeit der Natur kann nur aus zweierlei Ursachen stattfinden: entweder diese Gesetze werden von der Natur vermittelst der Erfahrung entlehnt, oder umgekehrt die Natur wird von den Gesetzen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt abgeleitet und ist mit der bloßen allgemeinen Gesetzmäßigkeit der letzteren völlig einerlei. Das erstere widerspricht sich selbst, denn die allgemeinen Naturgesetze können und müssen a priori (d. i. unabhängig von aller Erfahrung) erkannt, und allem empirischen Gebrauche des Verstandes zum Grunde gelegt werden, also bleibt nur das zweite übrig. 8)
[113] Wir müssen aber empirische Gesetze der Natur, die jederzeit besondere Wahrnehmungen voraussetzen, von den reinen oder allgemeinen Naturgesetzen, welche, ohne daß besondere Wahrnehmungen zum Grunde liegen, bloß die Bedingungen ihrer notwendigen Vereinigung in einer Erfahrung enthalten, unterscheiden, und in Ansehung der letztern ist Natur und m ö g l i c h e Erfahrung ganz und gar einerlei, und, da in dieser die Gesetzmäßigkeit auf der notwendigen Verknüpfung der Erscheinungen in einer Erfahrung (ohne welche wir ganz und gar keinen Gegenstand der Sinnenwelt erkennen können) mithin auf den ursprünglichen Gesetzen des Verstandes beruht; so klingt es zwar anfangs befremdlich, ist aber nichtsdestoweniger gewiß, wenn ich in Ansehung der letztern sage: d e r V e r s t a n d s c h ö p f t s e i n e G e s e t z e ( a p r i o r i ) n i c h t a u s d e r N a t u r, s o n d e r n s c h r e i b t s i e d i e s e r v o r.
- § 37
- Wir wollen diesen dem Anscheine nach gewagten Satz durch ein Beispiel erläutern, welches zeigen soll: daß Gesetze, die wir an Gegenständen der sinnlichen Anschauung entdecken, vornehmlich wenn sie als notwendig [114] erkannt worden, von uns selbst schon vor solche gehalten werden, die der Verstand hineingelegt, ob sie gleich den Naturgesetzen, die wir der Erfahrung zuschreiben, sonst in allen Stücken ähnlich sind.
- § 38
- Wenn man die Eigenschaften des Zirkels betrachtet, dadurch diese Figur so manche willkürliche Bestimmungen des Raums in ihr sofort in einer allgemeinen Regel vereinigt, so kann man nicht umhin, diesem geometrischen Dinge eine Natur beizulegen. So teilen sich nämlich zwei Linien, die sich einander und zugleich den Zirkel schneiden, nach welchem Ohngefähr sie auch gezogen werden, doch jederzeit so regelmäßig: daß das Rektangel aus den Stücken einer jeden Linie dem der andern gleich ist. Nun frage ich, «liegt dieses Gesetz im Zirkel, oder liegt es im Verstande», d. i. enthält diese Figur, unabhängig vom Verstande, den Grund dieses Gesetzes in sich, oder legt der Verstand, indem er nach seinen Begriffen (nämlich der Gleichheit der Halbmesser) die Figur selbst konstruiert hat, zugleich das Gesetz der einander in geometrischer Proportion schneidenden Sehnen in dieselbe hinein? Man wird bald gewahr, wenn man den Beweisen dieses Gesetzes nachgeht, daß es allein von der Bedingung, die der Verstand der Konstruktion dieser Figur zum Grunde legte, nämlich der Gleichheit der Halbmesser könne abgeleitet werden. Erweitern wir diesen Begriff nun, die Einheit mannigfal[115]tiger Eigenschaften geometrischer Figuren unter gemeinschaftlichen Gesetzen noch weiter zu verfolgen, und betrachten den Zirkel als einen Kegelschnitt, der also mit andern Kegelschnitten unter eben denselben Grundbedingungen der Konstruktion steht, so finden wir, daß alle Sehnen, die sich innerhalb der letztern, der Ellipse, der Parabel und Hyperbel schneiden, es jederzeit so tun, daß die Rektangel aus ihren Teilen zwar nicht gleich, aber doch immer in gleichen Verhältnissen gegeneinander stehen. Gehen wir von da noch weiter, nämlich zu den Grundlehren der physischen Astronomie, so zeigt sich ein über die ganze materielle Natur verbreitetes physisches Gesetz der wechselseitigen Attraktion, deren Regel ist, daß sie umgekehrt mit dem Quadrat der Entfernungen von jedem anziehenden Punkt ebenso abnimmt, wie die Kugelflächen, in die sich diese Kraft verbreitet, zunehmen, welches als notwendig in der Natur der Dinge selbst zu liegen scheint, und daher auch als a priori erkennbar vorgetragen zu werden pflegt. So einfach nun auch die Quellen dieses Gesetzes sein, indem sie bloß auf dem Verhältnisse der Kugelflächen von verschiedenen Halbmessern beruhen, so ist doch die Folge davon so vortrefflich in Ansehung der Mannigfaltigkeit ihrer Zusammenstimmung und Regelmäßigkeit derselben, daß nicht allein alle mögliche Bahnen der Himmelskörpern in Kegelschnitten, sondern auch ein solches Verhältnis derselben untereinander erfolgt, daß kein ander Gesetz der Attraktion, als das des umgekehrten Quadratverhältnisses der Entfer[116]nungen zu einem Weltsystem als schicklich erdacht werden kann.
Hier ist also Natur, die auf Gesetzen beruht, welche der Verstand a priori erkennt, und zwar vornehmlich aus allgemeinen Prinzipien der Bestimmung des Raums. Nun frage ich: liegen diese Naturgesetze im Raume, und lernt sie der Verstand, indem er den reichhaltigen Sinn, der in jenem liegt, bloß zu erforschen sucht, oder liegen sie im Verstande und in der Art, wie dieser den Raum nach den Bedingungen der synthetischen Einheit, darauf seine Begriffe insgesamt auslaufen, bestimmt? Der Raum ist etwas so Gleichförmiges und in Ansehung aller besondern Eigenschaften so Unbestimmtes, daß man in ihm gewiß keinen Schatz von Naturgesetzen suchen wird. Dagegen ist das, was den Raum zur Zirkelgestalt, der Figur des Kegels und der Kugel bestimmt, der Verstand, sofern er den Grund der Einheit der Konstruktion derselben enthält. Die bloße allgemeine Form der Anschauung, die Raum heißt, ist also wohl das Substratum aller auf besondere Objekte bestimmbaren Anschauungen, und in jenem liegt freilich die Bedingung der Möglichkeit und Mannigfaltigkeit der letztern; aber die Einheit der Objekte wird doch lediglich durch den Verstand bestimmt, und zwar nach Bedingungen, die in seiner eigenen Natur liegen, und so ist der Verstand der Ursprung der allgemeinen Ordnung der Natur, indem er alle Erscheinungen untern seine eigene Gesetze faßt, und dadurch allererst Erfahrung (ihrer Form [117] nach) a priori zu Stande bringt, vermöge deren alles, was nur durch Erfahrung erkannt werden soll, seinen Gesetzen notwendig unterworfen wird. Denn wir haben es nicht mit der Natur d e r D i n g e a n s i c h s e l b s t zu tun, die ist sowohl von Bedingungen unserer Sinnlichkeit als des Verstandes unabhängig, sondern mit der Natur, als einem Gegenstände möglicher Erfahrung, und da macht es der Verstand, indem er diese möglich macht, zugleich, daß Sinnenwelt entweder gar kein Gegenstand der Erfahrung oder eine Natur ist.
- § 39
Anhang
zur reinen Naturwissenschaft
Von dem System der Kategorien
- Es kann einem Philosophen nichts erwünschter sein, als wenn er das Mannigfaltige der Begriffe oder Grundsätze, die sich ihm vorher durch den Gebrauch, den er von ihnen in concreto gemacht hatte, zerstreut dargestellt hatten, aus einem Prinzip a priori ableiten, und alles auf solche Weise in eine Erkenntnis vereinigen kann. Vorher glaubte er nur, daß, was ihm nach einer gewissen Abstraktion übrig blieb, und, durch Vergleichung untereinander, eine besondere Art von Erkenntnissen auszumachen [118] schien, vollständig gesammlet sei, aber es war nur ein A g g r e g a t; jetzt weiß er, daß gerade nur so viel, nicht mehr, nicht weniger, die Erkenntnisart ausmachen könne, und sahe die Notwendigkeit seiner Einteilung ein, welches ein Begreifen ist, und nun hat er allererst ein S y s t e m.
Aus dem gemeinen Erkenntnisse die Begriffe heraussuchen, welche gar keine besondere Erfahrung zum Grunde liegen haben, und gleichwohl in aller Erfahrungserkenntnis vorkommen, von der sie gleichsam die bloße Form der Verknüpfung ausmachen, setzte kein größeres Nachdenken, oder mehr Einsicht voraus, als aus einer Sprache Regeln des wirklichen Gebrauchs der Wörter überhaupt heraussuchen, und so Elemente zu einer Grammatik zusammentragen (in der Tat sind beide Untersuchungen einander auch sehr nahe verwandt,) ohne doch eben Grund angeben zu können, warum eine jede Sprache gerade diese und keine andere formale Beschaffenheit habe, noch weniger aber, daß gerade so viel, nicht mehr noch weniger, solcher formalen Bestimmungen derselben überhaupt angetroffen werden können.
Aristoteles hatte zehn solcher reinen Elementarbegriffe unter dem Namen der Kategorien 9) zusammengetragen. Diesen, welche auch Prädikamente genennt wurden, sahe er sich hernach genötigt, noch fünf Postprädikamente beizufügen 10), die doch zum Teil schon in jenen liegen [119] (als prius, simul, motus); allein diese Rhapsodie konnte mehr vor einen Wink vor den künftigen Nachforscher, als vor eine regelmäßig ausgeführte Idee gelten und Beifall verdienen, daher sie auch, bei mehrerer Aufklärung der Philosophie, als ganz unnütz verworfen worden.
Bei einer Untersuchung der reinen (nichts Empirisches enthaltenden) Elemente der menschlichen Erkenntnis gelang es mir allererst nach langem Nachdenken, die reinen Elementarbegriffe der Sinnlichkeit (Raum und Zeit) von denen des Verstandes mit Zuverlässigkeit zu unterscheiden und abzusondern. Dadurch würden nun aus jenem Register die 7 te, 8 te, 9 te Kategorie ausgeschlossen. Die übrigen konnten mir zu nichts nutzen, weil kein Prinzip vorhanden war, nach welchem der Verstand völlig ausgemessen und alle Funktionen desselben, daraus seine reine Begriffe entspringen, vollzählig und mit Präzision bestimmt werden könnten.
Um aber ein solches Prinzip auszufinden, sahe ich mich nach einer Verstandeshandlung um, die alle übrige enthält, und sich nur durch verschiedene Modifikationen oder Momente unterscheidet, das Mannigfaltige der Vorstellung unter die Einheit des Denkens überhaupt zu bringen, und da fand ich, diese Verstandeshandlung bestehe im Urteilen. Hier lag nun schon fertige, obgleich noch nicht ganz von Mängeln freie Arbeit der Logiker vor mir, dadurch ich in den Stand gesetzt wurde, eine vollständige Tafel reiner Verstandesfunktionen, die aber in Ansehung [120] alles Objekts unbestimmt waren, darzustellen. Ich bezog endlich diese Funktionen zu urteilen auf Objekte überhaupt, oder vielmehr auf die Bedingung, Urteile als objektiv-gültig zu bestimmen, und es entsprangen reine Verstandesbegriffe, bei denen ich außer Zweifel sein konnte, daß gerade nur diese, und ihrer nur so viel, nicht mehr noch weniger, unser ganzes Erkenntnis der Dinge aus bloßem Verstande ausmachen können. Ich nannte sie, wie billig, nach ihrem alten Namen Kategorien; wobei ich mir vorbehielt, alle von diesen abzuleitende Begriffe, es sei durch Verknüpfung untereinander, oder mit der reinen Form der Erscheinung (Raum und Zeit) oder mit ihrer Materie, sofern sie noch nicht empirisch bestimmt ist, (Gegenstand der Empfindung überhaupt) unter der Benennung der P r ä d i k a b i l i e n vollständig hinzuzufügen, sobald ein System der transzendentalen Philosophie, zu deren Behuf ich es jetzt nur mit der Kritik der Vernunft selbst zu tun hatte, zu Stande kommen sollte.
Das Wesentliche aber in diesem System der Kategorien, dadurch es sich von jener alten Rhapsodie, die ohne alles Prinzip fortging, unterscheidet, und warum es auch allein zur Philosophie gezählt zu werden verdient, besteht darin: daß vermittelst desselben die wahre Bedeutung der reinen Verstandesbegriffe und die Bedingung ihres Gebrauchs genau bestimmt werden konnte. Denn da zeigte sich, daß sie vor sich selbst nichts als logische Funktionen sind, als solche aber nicht den mindesten Begriff von einem [121] Objekte an sich selbst ausmachen, sondern es bedürfen, daß sinnliche Anschauung zum Grunde liege und alsdenn nur dazu dienen, empirische Urteile, die sonst in Ansehung aller Funktionen zu urteilen unbestimmt und gleichgültig sind, in Ansehung derselben zu bestimmen, ihnen dadurch Allgemeingültigkeit zu verschaffen, und vermittelst ihrer E r f a h r u n g s u r t e i l e überhaupt möglich zu machen.
Von einer solchen Einsicht in die Natur der Kategorien, die sie zugleich auf den bloßen Erfahrungsgebrauch einschränkte, ließ sich weder ihr erster Urheber, noch irgend einer nach ihm etwas einfallen; aber ohne diese Einsicht (die ganz genau von der Ableitung oder Deduktion derselben abhängt) sind sie gänzlich unnütz und ein elendes Namenregister, ohne Erklärung und Regel ihres Gebrauchs. Wäre dergleichen jemals den Alten in den Sinn gekommen, ohne Zweifel das ganze Studium der reinen Vernunfterkenntnis, welches unter dem Namen Metaphysik viele Jahrhunderte hindurch so manchen guten Kopf verdorben hat, wäre in ganz anderer Gestalt zu uns gekommen, und hätte den Verstand der Menschen aufgeklärt, anstatt ihn, wie wirklich geschehen ist, in düstern und vergeblichen Grübeleien zu erschöpfen, und vor wahre Wissenschaft unbrauchbar zu machen.
Dieses System der Kategorien macht nun alle Behandlung eines jeden Gegenstandes der reinen Vernunft selbst wiederum systematisch, und gibt eine ungezweifelte Anweisung oder Leitfaden ab, wie und durch welche Punk[122]te der Untersuchung jede metaphysische Betrachtung, wenn sie vollständig werden soll, müsse geführt werden: denn es erschöpft alle Momente des Verstandes, unter welche jeder andere Begriff gebracht werden muß. So ist auch die Tafel der Grundsätze entstanden, von deren Vollständigkeit man nur durch das System der Kategorien gewiß sein kann, und selbst in der Einteilung der Begriffe, welche über den physiologischen Verstandesgebrauch hinausgehen sollen, (Kritik S. 344, imgleichen S. 415) ist es immer derselbe Leitfaden, der, weil er immer durch dieselbe feste, im menschlichen Verstande a priori bestimmte Punkte geführt werden muß, jederzeit einen geschlossenen Kreis bildet, der keinen Zweifel übrig läßt, daß der Gegenstand eines reinen Verstandes- oder Vernunftbegriffs, sofern er philosophisch und nach Grundsätzen a priori erwogen werden soll, auf solche Weise vollständig erkannt werden könne. Ich habe sogar nicht unterlassen können, von dieser Leitung in Ansehung einer der abstraktesten ontologischen Einteilungen, nämlich der mannigfaltigen Unterscheidung der B e g r i f f e v o n E t w a s u n d N i c h t s Gebrauch zu machen, und darnach eine regelmäßige und notwendige Tafel (Kritik S. 292) zu Stande zu bringen 11).
[123] Eben dieses System zeigt seinen nicht gnug anzupreisenden Gebrauch, sowie jedes auf ein allgemeines Prinzip gegründetes wahres System, auch darin, daß es alle fremdartige Begriffe, die sich sonst zwischen jene reine Verstandesbegriffe einschleichen möchten, ausstößt, und jedem Erkenntnis seine Stelle bestimmt. Diejenige Begriffe, welche ich unter dem Namen der R e f l e x i o n s b e g r i f f e gleichfalls nach dem Leitfaden der Kategorien in eine Tafel gebracht hatte, mengen sich in der Ontologie, ohne Vergünstigung und rechtmäßige Ansprüche, unter die reinen Verstandesbegriffe, obgleich diese Begriffe der Verknüpfung, und dadurch des Objekts selbst, jene aber nur der bloßen Vergleichung schon gegebener Begriffe sind, und daher eine ganz andere Natur und Gebrauch haben; durch meine gesetzmäßige Einteilung (Kritik S. 260) werden sie aus [124] diesem Gemenge geschieden. Noch viel heller aber leuchtet der Nutzen jener abgesonderten Tafel der Kategorien in die Augen, wenn wir, wie es gleich jetzt geschehen wird, die Tafel transzendentaler Vernunftbegriffe, die von ganz anderer Natur und Ursprung sind, als jene Verstandesbegriffe, (daher auch eine andere Form haben muß), von jenen trennen, welche so notwendige Absonderung doch niemals in irgend einem System der Metaphysik geschehen ist, wo jene Vernunftideen mit Verstandesbegriffen, als gehöreten sie, wie Geschwister, zu einer Familie, ohne Unterschied durcheinander laufen, welche Vermengung, in Ermangelung eines besondern Systems der Kategorien, auch niemals vermieden werden konnte.
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1)
Ich gestehe gern, daß diese Beispiele nicht solche Wahrnehmungsurteile vorstellen, die jemals Erfahrungsurteile werden könnten, wenn man auch einen Verstandesbegriff hinzu täte, weil sie sich bloß aufs Gefühl, welches jedermann als bloß subjektiv erkennt und welches also niemals dem Objekt beigelegt werden darf, beziehen, und also auch niemals objektiv werden können; ich wollte nur vor der Hand ein Beispiel von dem Urteile geben, was bloß subjektiv gültig ist, und in sich keinen Grund zur notwendigen Allgemeingültigkeit und dadurch zu einer Beziehung aufs Objekt enthält. Ein Beispiel der Wahrnehmungsurteile, die durch hinzugesetzten Verstandesbegriff Erfahrungsurteile werden, folgt in der nächsten Anmerkung.
2)
Um ein leichter einzusehendes Beispiel zu haben, nehme man folgendes: Wenn die Sonne den Stein bescheint, so wird er warm. Dieses Urteil ist ein bloßes Wahrnehmungsurteil, und enthält keine Notwendigkeit, ich mag dieses noch so oft und andere auch noch so oft wahrgenommen haben; die Wahrnehmungen finden sich nur gewöhnlich so verbunden. Sage ich aber: die Sonne e r w ä r m t den Stein, so kommt über die Wahrnehmung noch der Verstandesbegriff der Ursache hinzu, der mit dem Begriff des Sonnenscheins den der Wärme n o t w e n d i g verknüpft und das synthetische Urteil wird notwendig allgemeingültig, folglich objektiv und aus einer Wahrnehmung in Erfahrung verwandelt.
3)
So wollte ich lieber die Urteile genannt wissen, die man in der Logik particularia nennt. Denn der letztere Ausdruck enthält schon den Gedanken, daß sie nicht allgemein sind. Wenn ich aber von der Einheit (in einzelnen Urteilen) anhebe und so zur Allheit fortgehe, so kann ich noch keine Beziehung auf die Allheit beimischen: ich denke nur die Vielheit ohne Allheit, nicht die Ausnahme von derselben. Dieses ist nötig, wenn die logische Momente den reinen Verstandesbegriffen untergelegt werden sollen; im logischen Gebrauche kann man es beim Alten lassen.
4)
Wie stimmt aber dieser Satz: daß Erfahrungsurteile Notwendigkeit in der Synthesis der Wahrnehmungen enthalten sollen, mit meinem oben vielfältig eingeschärften Satze: daß Erfahrung, als Erkenntnis a posteriori, bloß zufällige Urteile geben könne? Wenn ich sage, Erfahrung lehrt mir etwas, so meine ich jederzeit nur die Wahrnehmung, die in ihr liegt, z. B. daß auf die Beleuchtung des Steins durch die Sonne jederzeit Wärme folge, und also ist der Erfahrungssatz sofern allemal zufällig. Daß diese Erwärmung notwendig aus der Beleuchtung durch die Sonne erfolge, ist zwar in dem Erfahrungsurteile (vermöge des Begriffs der Ursache) enthalten, aber das lerne ich nicht durch Erfahrung, sondern umgekehrt, Erfahrung wird allererst, durch diesen Zusatz des Verstandesbegriffs (der Ursache) zur Wahrnehmung, erzeugt. Wie die Wahrnehmung zu diesem Zusatze komme, darüber muß die Kritik im Abschnitte von der transz. Urteilskraft, Seite 137 u. f. nachgesehen werden.
5)
Diese drei aufeinander folgende Paragraphen werden schwerlich gehörig verstanden werden können, wenn man nicht das, was die Kritik über die Grundsätze sagt, dabei zur Hand nimmt; sie können aber den Nutzen haben, das Allgemeine derselben leichter zu übersehen und auf die Hauptmomente Acht zu haben.
6)
Die Wärme, das Licht etc. sind im kleinen Raume (dem Grade nach) ebenso groß, als in einem großen; ebenso die innere Vorstellungen, der Schmerz, das Bewußtsein überhaupt nicht kleiner dem Grade nach, ob sie eine kurze oder lange Zeit hindurch dauren. Daher ist die Größe hier in einem Punkte und in einem Augenblicke ebenso groß als in jedem noch so großen Raume oder Zeit. Grade sind also größer, aber nicht in der Anschauung, sondern der bloßen Empfindung nach, oder auch der Größe des Grundes einer Anschauung, und können nur durch das Verhältnis von 1 zu 0, d. i. dadurch, daß eine jede derselben durch unendliche Zwischengrade bis zum Verschwinden, oder von der Null durch unendliche Momente des Zuwachses bis zu einer bestimmten Empfindung, in einer gewissen Zeit erwachsen kann, als Größen geschätzt werden. (Quantitas qualitatis est gradus.)
7)
Nicht (wie man sich gemeiniglich ausdrückt) i n t e l l e k t u e l l e n Welt. Denn i n t e l l e k t u e l l sind die E r k e n n t n i s s e durch den Verstand, und dergleichen gehen auch auf unsere Sinnenwelt; i n t e l l i g i b e l aber heißen G e g e n s t ä n d e, sofern sie b l o ß d u r c h d e n V e r s t a n d vorgestellt werden können und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann. Da aber doch jedem Gegenstande irgendeine mögliche Anschauung entsprechen muß, so würde man sich einen Verstand denken müssen, der unmittelbar Dinge anschauete; von einem solchen aber haben wir nicht den mindesten Begriff, mithin auch nicht von den V e r s t a n d e s w e s e n, auf die er gehen soll.
8)
C r u s i u s allein wußte einen Mittelweg: daß nämlich ein Geist, der nicht irren noch betriegen kann, uns diese Naturgesetze ursprünglich eingepflanzt habe. Allein, da sich doch oft auch trügliche Grundsätze einmischen, wovon das System dieses Mannes selbst nicht wenig Beispiele gibt, so sieht es bei dem Mangel sicherer Kriterien, den echten Ursprung von dem unechten zu unterscheiden, mit dem Gebrauche eines solchen Grundsatzes sehr mißlich aus, indem man niemals sicher wissen kann, was der Geist der Wahrheit oder der Vater der Lügen uns eingeflößt haben möge.
9)
1. Substantia. 2. Qualitas. 3. Quantitas. 4. Relatio. 5. Actio. 6. Passio. 7. Quando. 8. Ubi. 9. Situs. 10. Habitus.
10)
Oppositum, Prius, Simul, Motus, Habere.
11)
Über eine vorgelegte Tafel der Kategorien lassen sich allerlei artige Anmerkungen machen, als: 1. daß die dritte aus der ersten und zweiten in einen Begriff verbunden entspringe, 2. daß in denen von der Größe und Qualität bloß ein Fortschritt von der Einheit zur Allheit, oder von dem Etwas zum Nichts (zu diesem Behuf müssen die Kategorien der Qualität so stehen: Realität, Einschränkung, völlige Negation) fortgehen, ohne correlata oder opposita, dagegen die der Relation und Modalität diese letztere bei sich führen, 3. daß, so wie im L o g i s c h e n kategorische Urteile allen andern zum Grunde liegen, so die Kategorie der Substanz allen Begriffen von wirklichen Dingen, 4. daß, so wie die Modalität im Urteile kein besonderes Prädikat ist, so auch die Modalbegriffe keine Bestimmung zu Dingen hinzutun, usw., dergleichen Betrachtungen alle ihren großen Nutzen haben. Zählt man überdem alle P r ä d i k a b i l i e n auf, die man ziemlich vollständig aus jeder guten Ontologie (z. E. Baumgartens) ziehen kann und ordnet sie klassenweise unter die Kategorien, wobei man nicht versäumen muß, eine so vollständige Zergliederung aller dieser Begriffe, als mögiich, hinzuzufügen, so wird ein bloß analytischer Teil der Metaphysik entspringen, der noch gar keinen synthetischen Satz enthält und vor dem zweiten (dem synthetischen) vorhergehen könnte, und durch seine Bestimmtheit und Vollständigkeit nicht allein Nutzen, sondern, vermöge des Systematischen in ihm, noch überdem eine gewisse Schönheit enthalten würde.
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