|
Der Winter.
Die Erde traurt im weißen Todtenkleide,
Und übergiebt sich träger Ruh.
Kein Westwind haucht dem Wandrer Scherz und Freude
Mit frischen Veilchendüften zu.
|
5 | Der Ströme und der Bäche Urnen schließet
Des wilden Winters kalte Hand;
Und Boreas durchwühlt die Luft, und gießet
Ein Meer von Flocken auf das Land.
Nun sinken auf die Wälder Silberhüllen,
|
10 | Und auf das fahle Hüttendach
Des Landmanns. Hohe Schneegebürge schwillen
Rings um den kleinen Wiesenbach.
Er murmelt keine Wonne durch die Fluren,
Wie er im jungen Frühling that.
|
15 | An seinem Ufer schlummern welke Spuren
Der Blume, die der Frost zertrat.
Der Landschaft vormahls bunte Scenen liegen
Entstellt. Ein finstrer Schleyr umzieht
Des Tages Antlitz. Neue Flocken fliegen
|
20 | Im Luftraum, wo kein Phoebus glüht.
Sey mir, du Flur, du weißgeschleyrte Erde
Gegrüßet! Deine Majestät
Bezaubert mich, wiewohl jetzt keine Herde
Auf deinen öden Triften geht,
|
25 | Und keine Harmonie die Schattengänge
Des Waldes füllt. Ich liebe dich
Mehr als den Flitterprunk, und das Gedränge
Der Stadt, von der die Ruhe wich.
Die Schönen wandeln hier im Hermeline
|
30 | Den Bällen zu, und Chloe fängt
Mit ihrem Busen, ihrer Zaubermiene
Den Stutzer, der ihr Weyhrauch schenkt.
Die Siegerin! Die Männerblicke hangen
An ihrem Haar, an ihrer Brust,
|
35 | Die immer wallt, an ihren Rosenwangen,
Und sie ist ihres Siegs bewußt.
Nun rollen, gleich des Windes Flügeln, Schlitten
Durch des gedrängten Pöbels Schwall;
Und Stentor trabt mit abgemeßnen Schritten,
|
40 | Sobald der Abend winkt, dem Ball.
Entgegen, wo sein Lockenbau und Weste
Der Schönen Augen auf sich reißt.
Sein Federhut verräth, er sey der größte
Erfindungsvollste, feinste Geist.
|
45 | Hier dreht man sich im Tanze,
Der labyrinthisch sich verstrickt,
Und von der jungen Schönen Myrtenkranze
Wird oft ein Blätchen abgepflückt.
Lob der Gottheit.
Du bist es Schöpfer, der durch einen Wink
Zahllose Welten schuff,
Der Rosen um des Morgens Stirne band,
Und um des Abends Haupt
|
5 | Den Kranz von Gold. Dich lobet die Natur,
Das bunte Veilchenthal,
Die Morgenröthe, die ihr junges Bild
In jede Welle prägt.
Dich lobt der Westwind, der die grüne Fluth
|
10 | Der Saaten kräuselt, Dich
Erhebt die Windsbraut, die den Eichenwald
Entwurzelt und zerreißt.
Dich lobt der Donner, der am Himmel rollt,
Und rothe Blitze sprüht,
|
15 | Der Wolkenbruch, der auf die Wiese fällt,
Und sie in Meer verkehrt.
Dich loben Flocken, die das grüne Haar
Des finstren Tannenhayns
Mit Silber überstreun, und weißen Flor
|
20 | Um die Gebüsche ziehn.
Die ganze Erde ist Dein Lobgesang,
Und Hymn' auf Hymne steigt
Zu Deinem Thron empor, wo Du im Licht,
Wie im Gezelte, wohnst.
|
25 | Verstummest du allein, du Mensch? Erwach
Vom Schlummer, der dich drückt,
Wirf deine Blicke rings umher, und sieh
Die Wunder seiner Macht.
Preiß deinen Schöpfer, wenn der frühe Hahn
|
30 | Den Morgen ausposaunt,
Erheb ihn, wenn das milde Abendroth
Die Hügelspitzen mahlt.
Erheb ihn, wenn die Nacht der See entsteigt,
Und ihr Gewand, durchwebt
|
35 | Mit goldnen Sternen, und mit Mondenschein,
Rund um den Himmel wirft. -
Preiß ihn durch Hymnen, heiliges Gefühl
Ergreife dich, wenn du
Den Schöpfer denkst, der dich ins Leben rief,
|
40 | Den Gott voll Gnad und Huld.
Leander und Hero,
eine Romanze.
Schon ehmahls sang der Leyermann
Musaeus die Geschichte,
Die ich euch jetzt, so gut ich kan,
Erzähle und berichte. -
|
5 | Ein Jüngling, der Leander hieß,
Kam einstmahls in ein Städtchen,
Das seinem Blick die Hero wies,
Die Krone aller Mädchen.
Er machte einen Reverenz,
|
10 | Der ihn zur Erde drückte,
Als er die Miß, im jungen Lenz,
Zum erstenmahl erblickte.
Von nun an schwebt' ihr Götterbild,
Im labyrintschen Tanze,
|
15 | Um seinen Blick, das Haupt umhüllt
Mit einem Blumenkranze.
Bald schwatzt er ihr von Liebe vor,
Von Martern, und von Schmerzen.
Und sie? sie widmet ihm ihr Ohr,
|
20 | Nebst einem Platz im Herzen.
Nun fühlt der Jüngling sich, und brennt,
Die Schöne glüht nicht minder,
Doch, ach, das Meer der Helle trennt
Die beyden armen Kinder.
|
25 | Er hatte, leider, keinen Kahn,
Drum schwamm er durch die Fluthen,
Was noch kein Amadis gethan,
Wenn Hayn und Fluren ruhten.
Ein schattenvoller Myrthenhayn
|
30 | Verhüllte ihre Küße,
Und tausend andre Tändeleyn
In grüne Finsterniße.
Was sie sich Zärtliches gesagt,
Das wißen nur die Plätze,
|
35 | Wo sie manch Stündchen zugebracht,
Am flüsternden Geschwätze
Des Bachs. Sie fühlten Cypris Sohn,
Indeß die Gegend lauschte,
Und ihrer Küße Silberton
|
40 | Den Schattenwald durchrauschte.
Kurz, sie beschloßen dieses Spiel,
Geschaffen zum Ergötzen,
Das ihnen ziemlich wohl gefiel,
Hinführo fortzusetzen.
|
45 | Leander schwamm, die Schöne saß
Am Ufer, voll Verlangen,
Den Liebling, wär er noch so naß,
Zu küßen, zu umfangen.
Sie wies ihm, mit erhobner Hand,
|
50 | Ein Lichtgen in der Ferne,
Wenn Nacht sich um das Mondlicht wand,
Und um den Glanz der Sterne.
Er folgte dann dem Lichtstral nach. -
Doch Aeols Höhlen senden
|
55 | Einst Stürme, und die reißen, ach,
Das Licht ihr aus den Händen.
Nun öfnet sie den Rosenmund
Zu Seufzern und zu Klagen,
Der Königin von Amathunt
|
60 | Ihr Herzeleyd zu sagen.
Umsonst! die Göttin spielte just,
Sie hatte gute Karten,
Und spürte folglich keine Lust
Der Hero aufzuwarten.
|
65 | Das arme Kind! Ihr Seufzen schallt
Umher, ein Thränenregen
Quillt ihr vom Aug. Indeßen wallt
Ein Leichnam ihr entgegen.
Leander ists, er schwimmt erblaßt
|
70 | Zum Ufer, bange Scene!
Ein kalter Todesschauer faßt
Die Brust der jungen Schöne.
Denn jetzt entschleyert Luna sich
Von Wolken, und enthüllet
|
75 | Der Hero, die am Ufer schlich,
Mit Traurigkeit erfüllet,
Leanders Tod. Sie spricht kein Wort,
Stürzt rauschend in die Wogen,
Und ihre Seele flattert fort,
|
80 | Dem schönsten Leib entzogen.
Acktaeon,
Romanze.
Auf einem alten Rittersitz,
Den seine Ahnen sich erlasen,
Regierte einst Herr Acktaeon,
Ein Wütrich gegen Hasen.
|
5 | Erstaune Nachwelt, welch ein Geist
Herr Acktaeon gewesen!
Er konnte schon im zwölften Jahr
Den Abendseegen lesen.
Mama zerfloß in Freude schier,
|
10 | Als ihm von seinem Bogen
Tief in des schönsten Fuchses Herz
Die ersten Pfeile flogen.
Papachen lobte sein Talent,
Und pflegte oft zu sagen,
|
15 | Dies Söhnchen sey ihm sicherlich
Nicht aus der Art geschlagen.
Er sollte Fräulein Adelheid
In wenig Wochen freyen.
An ihrem Busen dacht er sich
|
20 | Der Liebe recht zu weyhen.
Du armer Junker Acktaeon!
Die Grausamkeit der Götter
Versagt dir ihren Necktarkuß,
Und Hymens Myrthenblätter.
|
25 | Ihm winkte einst ein Silberbach,
Der durch ein Wäldchen hüpfte,
Als er ermattet von der Jagd
In kühle Schatten schlüpfte.
Er trippelt hin, und staunt zurück -
|
30 | Napaeen, Oreaden,
Und selbst Dianen sah er sich
In diesem Bache baden.
Die Damen wurden feuerroth,
Und sanken rauschend nieder.
|
35 | Mit beiden Händen tappten sie
Nach ihrem Rock und Mieder.
Diana aber, Wuth im Blick,
Nahm Waßer, und besprützte
Den Junker, dem die Lüsternheit
|
40 | Aus beiden Augen blitzte.
Man seh einmahl! Ein Hirschgeweyh
Von mehr als sechzehn Enden
Bekrönt sein Haupt; ein braunes Fell
Umhüllet seine Lenden.
|
45 | Mit langen Beinen setzet er
Durch Büsche und durch Hecken,
Gafft furchtsam um sich her, und will
Im Walde sich verstecken.
Er tanzet seufzend durch den Hayn;
|
50 | Hier liegen seine Hunde;
Die springen zu, und tödten ihn
Durch manche tiefe Wunde.
Apoll und Daphne,
eine Romanze.
DApoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.
|
5 | Er nahte sich mit Stutzertritten;
Kein Reh flieht so,
Als Daphne, die mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.
Sie flog voran, Apollo keuchte
|
10 | Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte,
Am Silberbach.
Da rief sie, rettet mich, ihr Götter!
Die Thörin die!
|
15 | Zeus winkte - starre Lorbeerblätter
Umflogen sie.
Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in der Erde. Gaukelnd tanzte
|
20 | Um sie der West.
Apollo klagte ganze Stunden
Am Lorbeerbaum,
Hielt ihn mit festen Arm umwunden,
Stand, als im Traum.
|
25 | Er lehnte seine feuchten Wangen
Ans grüne Holz,
Jüngst eine Nymphe, sein Verlangen,
Der Nymphen Stolz.
Er girrte noch ein Weilchen, pflückte
|
30 | Nun jenen Kranz,
Der seine blonde Scheitel schmückte,
Bey Spiel und Tanz.
Du arme Daphne! Tausend pflücken
Nun Kränze sich,
|
35 | Von deinen Haaren, sich zu schmücken,
Du dauerst mich!
Die Krieger und die Dichter hausen
In deinem Haar,
Wie Stürme, die den Wald durchbrausen;
|
40 | Die Köche gar.
Ja, ja, die braunen Köche ziehen
Dir Locken aus,
Zum lieblichen Gewürz der Brühen,
Beym fetten Schmaus.
|
45 | Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen! rühren,
Das Warnung spricht,
Und flieht, so lang euch Reize zieren,
Den Jüngling nicht.
Clytia und Phoebus,
eine Romanze.
Miß Clytia, das schönste Kind,
Cytherens Ebenbild,
War, wie die Mädchen alle sind,
Mit Liebe stets erfüllt.
|
5 | Sie liebte ihres Nachbars Sohn,
Weil man doch lieben muß,
Im bunten Flügelkleide schon,
Und gab ihm manchen Kuß.
Wie war die Freude doch so groß,
|
10 | Die ihre Brust durchglitt,
Wenn er auf seinem Steckenroß,
Vor ihrem Fenster ritt!
Die gute Jungfer sah einmahl
Den Phoebus, welcher sich
|
15 | Nicht selten aus dem Himmel stahl,
Und zu den Nymphen schlich.
Sie kramte ihren Busen aus,
Doch Phoebus, wie es hieß,
Zog seine Stirn beständig kraus,
|
20 | So oft sie Reize wies.
Satyrisch sah er auf sie hin,
Mit Hohn im Blick, und sprach,
Entflieh, du kleine Buhlerinn,
Schleich Erdensöhnen nach.
|
25 | Dies niederschlagende Gebot,
Erschütterte sie tief,
Und machte, daß ein lichtes Roth
Durch ihre Wangen lief.
Von Liebesschmerzen aufgezehrt,
|
30 | Ward endlich Clytia
Zur Sonnenblume. Hingekehrt
Gen Himmel stand sie da.
Mit liebetrunkner Miene lacht
Sie ihren Phoebus an,
|
35 | So bald der junge Tag erwacht,
Und schauet himmelan.
Sie blickt ihm nach, wenn er am Saum
Des Abendhimmels blinkt,
Bis er trübröthlicht in den Schaum
|
40 | Des Oceans versinkt.
Der Gärtner an den Garten im Winter,
eine Idylle
In Silberhüllen eingeschleyert
Steht jetzt der Baum,
Und strecket seine nackten Aeste
Dem Himmel zu.
|
5 | Wo jüngst das reife Gold des Fruchtbaums
Geblinket, hängt
Jetzt Eiß herab, das keine Sonne
Zerschmelzen kan.
Entblättert steht die Rebenlaube,
|
10 | Die mich in Nacht
Verschloß, wenn Phoebus flammenathmend
Herniedersah.
Das Blumenbeet, wo Florens Töchter
In Morgenroth
|
15 | Gekleidet, Wohlgeruch verhauchten,
Versinkt in Schnee.
Nur du, mein kleiner Buchsbaum, pflanzest
Dein grünes Haupt
Dem Frost entgegen, und verhöhnest
|
20 | Des Winters Macht.
Mit Goldschaum überzogen, funkelst
Du an der Brust
Des Mädchens, das die Dorfschalmeye
Zum Tanze ruft.
|
25 | Ruh sanft mein Garten, bis der Frühling
Zur Erde sinkt,
Und Silberkränze auf die Wipfel
Der Bäume streut.
Dann gaukelt Zephyr in den Blüthen,
|
30 | Und küßet sie,
Und weht mir mit den Düften Freude
In meine Brust.
Elegie eines Schäfers.
Ihr Linden, die ihr meiner Hütte Kühlung gebt,
Rauscht Klagen, und ihr milden Weste,
Die ihr von Zweig zu Zweig auf leichten Flügeln schwebt,
Schlüpft traurig durch das Laub der Aeste.
|
5 | Verbreite weit umher, o Nachhall, meine Quaal!
Rollt eure krausen Silberwellen
Mit hohlen Murmeln durch das bunte Veilchenthal,
Ihr Wiesenbäche, und ihr Quellen. -
Melinde ist nicht mehr! Die Schöne liegt erblaßt,
|
10 | Rings um sie herrschet Todesstille.
Ein finstres Grab, dort wo die Linde winkt, umfaßt
Der schönsten Seele schönste Hülle.
Mit ihr ist meine Ruh, und die Zufriedenheit,
Die mir die guten Götter gaben,
|
15 | Und die mein Leben mir mit Rosen überstreut,
Tief in die Nacht der Gruft begraben.
Nun kleidet sich der Lenz für mich in Trauerflor,
Den ich so oft mit ihr belauschte,
Wenn er im Tulpenkranz erschien, indeß ein Chor
|
20 | Von Abendwinden um uns rauschte.
Dort ist der Rasensitz, wo ich an ihrer Hand
Mich dem Gefühl der Freude weyhte,
Wenn sich der Mond erhob, und durch des Hayns Gewand
Hellblitzend Silber streute.
|
25 | Durch jene Blumen, die mit Regenbogenglanz
Stolzieren, schlüpften ihre Füße
So oft, dort wand sie mir den schönsten Blumenkranz
Um meine Stirn, und gab mir Küße.
Sie waren doch so süß! Noch süßer als der Duft,
|
30 | Der aus der Rosenknospe quillet.
Und allen diesen Reiz verschließet jene Gruft,
Die itzt der May in Blumen hüllet!
Wiegenlied, an ein Mädchen.
Noch schlinget dich die süße Ruh
In ihren Arm. Vergnügt,
Mein kleines Püppchen, schlummerst du,
Wenn dich die Amme wiegt.
|
5 | Auf deinen Wangen keimet schon
Ein sanftes Morgenroth,
Das, wenn 12 Lenze dir entflohn,
Mit schönen Feßeln droht.
Um deine jungen Blicke schwebt
|
10 | Ein Lächeln, welches bald
Dem Stutzer goldne Netze webt,
Der dir entgegenwallt.
Dann öfnen hundert Fenster sich,
Wenn du am Fenster stehst,
|
15 | Und Blick auf Blick verfolget dich,
Wenn du zur Kirche gehst.
Man lobt, von warmer Lieb entbrannt,
Bald deinen kleinen Fuß,
Bald dein Gesicht, bald deine Hand,
|
20 | Und wünscht sich deinen Kuß.
Du aber, holder als der May,
Der sich in Blüthen hüllt,
Mein Püppchen, bleib der Unschuld treu,
Die jetzt dein Herz erfüllt.
|
25 | Es wimmre der Insektenchor
Des Stutzervolks sich heisch!
Leih nie dein jungfräuliches Ohr
Dem summenden Geräusch.
Die Tugend, die der Himmel minnt,
|
30 | Schätz über Gold und Rang.
Dann sing ich dir, mein schönes Kind,
Noch einst den Brautgesang.
Klagen einer Nonne.
Der Flora junge Rosenhand
Bestreuet jetzt die Flur
Mit Kränzen, und ein bunt Gewand
Umhüllet die Natur.
|
5 | Nur nicht für mich! Mir wallt vom Thal
Kein Wohlgeruch empor.
Mir tönt das Lied der Nachtigall
Nur Klagen in mein Ohr.
Mit Fittigen der Mitternacht
|
10 | Irrt die Melancholey
Um mich herum. Kein Lenztag macht
Mich von dem Kummer frey.
Selbst an des heilgen Altars Fuß,
Werf ich oft einen Blick
|
15 | In jene Zeit, da Damons Kuß
Mir Himmel war, zurück.
Beym Paternoster seufze ich
Die Worte himmelan,
Erhöre, heilge Jungfrau, mich,
|
20 | Und schenk mir ihn zum Mann.
Um meine Augenlieder schleicht
Der süße Schlaf nicht gern;
Oft sieht, wenn schon die Nacht entweicht,
Mein Leid der Morgenstern.
|
25 | Stets schwebt mir meines Damons Bild
Vor Augen, der die Luft
Mit lauten Trauertönen füllt,
Und meinen Namen ruft.
Vergebens ruft! Nie werd ich ihn,
|
30 | Den treuen, wiedersehn,
Nie mit ihm, wenn die Bäume blühn,
Durch Schattenhayne gehn.
Nein, trauern werd ich, bis der Arm
Des Grabes mich umfaßt,
|
35 | Wenn du o Schwermuth, und du Harm
Mich aufgezehret hast.
Elegie auf eine Rose.
Die schönste Rose, die der Lenz gebar,
Und Zephyr küßte, liegt
Mit welken Busen, mit zerstreuten Haar
Am Boden, und zerfliegt.
|
5 | Ihr, die, mit voller Wang', am Morgenroth
Die Schwestern überstrahlt,
Ihr hat jetzt, da der Tag entflieht, der Tod
Die Wange bleich gemalt.
Entpurpert liegt sie da! Der Schmetterling,
|
10 | Der, als ihr Reiz begann,
Voll Lüsternheit an ihrem Busen hieng,
Blickt ihren Rest kaum an.
Der West, der ihr so oft, von Lieb' erhitzt,
Manch süßes Küßchen stahl,
|
15 | Der lose Flatterer, verläßt sie itzt
Und tändelt durch das Thal.
Du duftetest an keines Mädchens Brust,
In keines Mädchens Haar,
Du arme Rose, die der Flora Lust,
|
20 | Der Neid der Schwestern war!
Von einem Wirbelwind ringsum bestürmt,
Sank sie zur Erde hin,
Als Donner sich am Himmel aufgethürmt,
Lyäens Lieblinginn.
|
25 | Kein Amor bettet je in ihren Schooß! -
Selinde kam, und sprach,
Indem ein Thränchen ihr vom Auge floß,
Das schöne Blümchen, ach!
|