BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Christoph Gottsched

1700 - 1766

 

Der Biedermann

 

1727

 

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Neuntes Blatt 1727. den 30. Junii.

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HORATIUS.

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  -            -           -           Navibus atque

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Quadrigis petimus bene vivere. Quod petis, hic est:

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  -         -         animus si te non deficit aequus.

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ICh habe bereits in einem meiner ersten Blätter gedacht, daß dem innern Wesen

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aller Menschen ein eifriges Verlangen nach der Glückseeligkeit eingepflantzet

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sey. Die Sache ist aus der Erfahrung und eigenen Empfindung eines

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jeden so gewiß, daß sie keines weitern Beweises bedarf. Wo ist jemahls

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ein solcher Unmensch gefunden worden, der sich mit gutem Bedachte, unglücklich

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zu werden gewünschet, oder gar selbst freywillig Hand angeleget hätte, mit dem ausdrücklichen

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Vorhaben, seine Unglückseeligkeit zu befördern? Die Römischen Geschichte

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berichten uns von einem einigen Curtius, der sich freywillig in den tiefen Schlund gestürtzet,

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welcher sich mitten in Rom eröffnet hatte, und durch seine giftigen Ausdämpfungen,

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die Luft mit einer pestilenzialischen Seuche ansteckete. Dieses einzige Exempel

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scheint mir zuwieder zu seyn. Curtius wuste gewiß, daß er in dem Abgrunde umkommen

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würde. Er war ein blinder Heyde, und konte keine ewige Glückseeligkeit, als eine

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Vergeltung vor diese seine Unbesonnenheit hoffen. Dem ohngeachtet sprang er, vor den

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Augen alles Volckes, seinem Tode in den Rachen. Er kommt um; und mit seinem Leben

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verliert er zugleich alle Fähigkeit und Hoffnung, auf irgend eine Weise glücklich zu werden.

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Wiewohl dieses Exempel ist von solchem Nachdrucke nicht, als es scheinet. Curtius

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hat einen falschen Begriff von der Ehre gehabt. Er stellete sich den Nachruhm seiner

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Mitbürger als ein grosses Gut vor, welches er aber durch keine andere That zu erlangen

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im Stande war, als durch die Aufopferung seines Lebens. Er hoffete nach seinem

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Tode nichts mehr, als daß man sagen würde: Curtius hätte sein Leben nichts geachtet,

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sondern dasselbe seiner Vaterstadt zum Besten in die Schantze geschlagen. Dieses

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dünckte ihm eine grosse Glückseeligkeit zu seyn. Hiezu kam noch, daß er eine zeitlang

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vor seinem freywilligen Tode, alle ersinnliche Freyheit haben sollte. Es ward ihm erlaubt,

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alle Gattungen der Wollüste und Ergetzlichkeiten, nach eigenem Wunsche und

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Wohlgefallen zu geniessen. Er hieng also etliche Tage seinen unbändigen Begierden nach.

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Er that alles, was ihm gelüstete, und die Heftigkeit seiner mehr gereitzten als gestillten

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Neigungen, machte ihn fast unsinnig. Endlich satzte er sich gantz toll und voll zu Pferde,

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gab dem muthigen Hengste den Sporn, und sprengete in völliger Raserey in den offenen

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Schlund. Was kan nun ein so seltsames Exempel wieder die Empfindung des

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gantzen menschlichen Geschlechts erweisen? Curtius hat entweder aus Irrthum diesen

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seinen unbesonnenen Tod vor ein Mittel berühmt, und dadurch, seiner Meynung nach,

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glücklich zu werden, angesehen: Oder er ist vor dieser verwegenen Handlung, durch Uppigkeit

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und Schwelgerey fast von Sinnen gekommen, und ist also vor keinen Menschen

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mehr zu halten gewesen.

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Der Mensch sucht also glücklich zu werden; das ist gewiß. Aber welches ist die

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wahrhafte Glückseeligkeit, und wo ist sie zu finden? Die Frage ist schwer: Doch wir wollen

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sie, nach Anleitung der Vernunft, untersuchen. Die Glückseeligkeit ist wohl nichts

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anders, als ein solcher Zustand eines vernünftigen Wesens, darinnen dasselbe ein beständiges

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Vergnügen genüsset, welches kein Mißvergnügen nach sich ziehet. Ich hoffe, daß

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alle Welt mir dieses zugeben wird. Einen Mißvergnügten, bey dem sich Kummer und

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Verdruß, Schmertz und Trübsal beständig abwechseln, wird wohl kein Mensch glückseelig

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nennen; wenn er gleich alle Herrlichkeiten, Lüste und Schätze der Welt zu seinen Diensten

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hätte. Es fragt sich also bloß, was das vor beständige Vergnügungen seyn, die den

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Zustand eines vernünftigen Wesens glücklich machen, und woher dieselben entstehen?

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Wer auf die Natur des Menschen und seine Neigungen etwas genauer acht hat,

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der wird leicht wahrnehmen, daß ihm nichts gefällt, nichts eine Lust und Vergnügung

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bringet, als die Empfindung der Schönheit, und das Erkenntniß der Vollkommenheit.

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Ich rede hier nicht nur von sinnlichen Schönheiten und Vollkommenheiten, sondern auch

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von solchen, die allein vom Verstande begriffen und wahrgenommen werden können. Alles

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was schön und gut ist, gefällt uns natürlicher weise, und man wird gleichsam genöthiget,

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sich zu belustigen, wenn man irgendwo was vollkommenes wahrnimmt. Ein schönes

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Gemählde, ein wohlgebauter Pallast, ein wohlgelegenes Landgut, eine anmuthige Gegend,

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ein ordentlich angelegter Garten, u.d.m. können hier zur Erläuterung dienen. Denn wer

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kan alle diese Dinge sonder Vergnügen ansehen? Es müssen also nothwendig Vollkommenheiten

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verhanden seyn, wo wir uns an etwas ergetzen sollen. Eine Sache muß schön

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und gut seyn, wenn sie uns ein Vergnügen bringen soll. Und ein jeder sieht von sich selbst,

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daß ein recht beständiges Vergnügen nur auf zweyerley Art entstehen könne. Entweder

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wenn unzehlige Vollkommenheiten nach einander von uns unaufhörlich empfunden und

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erkannt werden, oder wenn die gröste Vollkommenkeit, die das allervollkommenste Wesen

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allein besitzet, von uns in völliger Deutlichkeit und ungestört betrachtet werden könnte.

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Ich sehe nur einen einzigen Einwurf, den man mir hier machen könnte. Auch

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das Unvollkommene, möchte man sagen, erwecket bisweilen Lust und Vergnügen. Wie

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manchmahl belustiget und ergetzet man sich nicht an Dingen, die in der That nichts schönes

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und gutes an sich haben? Vergnüget man sich nicht oft an einer Unordnung, die doch

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eine wahrhafte Unvollkommenheit ist? Und wie manchen ergetzet nicht etwas, darinnen

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keine Ubereinstimmung und Proportion, sondern vielmehr lauter Verwirrung herrschet?

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Es ist wahr; auch das Unvollkommene und Heßliche kan zuweilen Lust erwecken: Aber,

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welches wohl zu mercken ist, nur bey denen, die es nicht besser verstehen, und bey denen,

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die so unwissend sind, daß sie auch Fehler vor Schönheit, Unordnung vor Ordnung,

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und Unvollkommenheit vor Vollkommenheit ansehen können. Dergestalt kan das

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Heßliche und Böse die Unverständigen zwas einigermassen belustigen; aber ihnen doch

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kein beständiges Vergnügen bringen. Ihre Lust währet nicht länger als der Irrthum,

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daraus sie entstehet. Wird dieser gehoben; so verschwindet das vorige Vergnügen wieder,

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schneller als ein Blitz. Sobald einem Menschen die Augen aufgehen, und er wahrnimmt,

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daß er sich in seinem Urtheile, von der Schönheit und Vollkommenheit eines Dinges,

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betrogen habe: sobald nimmt seine Ergetzlichkeit ein Ende. Seine Lust verwandelt

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sich alsdenn in Unlust, und dergestalt ist keine scheinbare Vollkommenheit vermögend,

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einem verständigen Wesen ein beständiges Vergnügen zu geben. Es muß eine

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wahre Schönheit seyn, die uns eine dauerhafte Belustigung verursachen soll.

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Entstehet nun dergestalt das Vergnügen eines Glückseeligen aus dem Erkenntnisse

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wahrer Vollkommenheiten: Wo werden denn dieselben anzutreffen seyn? Diese

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Frage kan nur von denen gemachet werden, die weder sich selbst, noch die gantze Natur,

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noch den Schöpfer derselben kennen. Die gantze Welt steckt ja voller Schönheit, Ordnung

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und Vollkommenheit. Der Mensch selbst, als die kleine Welt, ist an Seele und

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Leib so reichlich damit versehen, als er sichs wünschen kan. Und da alle Geschöpfe so voller

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Ubereinstimmung, Proportion und Fürtrefflichkeit seyn; was muß denn ihr Urheber

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nicht vor unendliche Vollkommenheiten besitzen? Hier öffnet sich nun gleichsam eine

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dreyfache Schaubühne voll unzehliger Schönheiten.

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Die erste ist ein jeder Mensch an und vor sich selbst betrachtet. Alle Fähigkeiten

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seines Verstandes sind was Vollkommenes. Seine Vernunfft, so klein und schwach

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sie ist, bleibt doch allezeit was schönes. Sein Gedächtniß und Witz ist was wundersames.

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Sein Wille und alle seine Neigungen, sind, als Kräffte der Seelen betrachtet,

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was überaus Gutes: angesehen sie niemahls nach etwas anderm, als nach dem Guten

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und Schönen ein Verlangen tragen, welches ihnen von dem Verstande und den Sinnen

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vorher vorgestellet worden. Sein Leib ist so voller Harmonie und Schönheit, daß

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man sich nicht genug darüber ergetzen kan, wenn man ihn nur recht betrachtet. Haupt

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und Cörper, Hände und Füsse, äusserliche und innerliche Theile, stimmen so herrlich mit

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einander überein, daß nichts als eine wunderwürdige Vollkommenheit darinnen entstehet.

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Alle dieses Schöne nun, welches ein Mensch an sich selbst hat, kan er unmöglich

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wahrnehmen oder empfinden: ohne ein besonders Vergnügen darüber zu spüren. Er

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muß sich ja an den Vollkommenheiten belustigen, die ihm so nahe angehen: und da grössere

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Vollkommenheiten ihm auch destomehr Belustigungen versprechen; so kan er nicht

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umhin nach der Vergrösserung alles dessen zu streben, was ihn sonst so schön und so vollkommen

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machet. Indem er also nach Erkenntniß, Wissenschafft, Tugend, Gesundheit,

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Stärcke und guter Gestalt trachtet, so ist seine Bemühung nach solchen wahrhafftigen

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Vollkommenheiten, selbst mit einem sonderbaren Vergnügen verbunden. Denn er erhält

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diejenigen Schönheiten nach und nach, die er ernstlich suchet, und also schreitet er

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von einer Vollkommenheit zur andern fort, daraus ihm täglich eine neue Belustigung

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erwächset. Diese Belustigung aber ist auf die Wahrheit gegründet; die Wahrheit ist

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unumstößlich, folglich bleibt die Lust selbst auch unveränderlich und beständig. Dieß

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ist der erste Theil der menschlichen Glückseeligkeit; die er alsdann erlanget, wenn er seine

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eigne Vollkommenheiten kennet, und sie täglich zu vergrössern suchet.

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Das andere Feld unzehlbarer Schönheiten öffnet uns die gantze Natur. O

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welch eine reiche Quelle unzehliger Ergötzungen entdecket sich hie! Wir müsten stockblind,

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ja aller unsrer Sinne und Gedancken beraubet seyn; wenn wir alle die Harmonie,

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Ordnung und Proportion nicht sehen wollten, die in jedem grossen und kleinen

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Theile dieses Weltgebäudes soviel Vollkommenheit verursachen. Von jenen grossen

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Himmelscörpern an, bis auf das kleinste Sonnenstäubchen, finden wir Anlaß, alle Augenblicke

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was schönes und was gutes anzumercken. Die Erde und das Meer, Berge

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und Thäler, Felder und Wiesen, Wälder und Ströme, ja Thiere und Pflantzen, Früchte

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und Blumen sind voller ausbündigen Schönheiten, die uns ein recht empfindliches

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Vergnügen erwecken, sobald wir nur Achtung darauf geben. Und was soll ich von

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dem menschlichen Geschlechte sagen, welches unter allem was auf dem Erdboden ist, die

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meiste Schönheit und Vollkommenheit besitzet? Kan man wohl soviel Gutes, was in

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demselben herrschet, soviel ordentlich eingerichtete Staaten und Länder, soviel volckreiche

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Provintzen und Städte, soviel weise Anstalten und Gesetze, soviel Wahrheit und Tugend

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als unter ihnen im Schwange gehet, ohne ein innigliches Vergnügen ansehen?

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Und wenn dieses unmöglich ist, kan man sich denn wohl enthalten, aus Begierde, seine

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eigene Belustigung vergrössert zu sehen, auch die Vollkommenheiten unserer gantzen

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Mitbürgerschafft, soviel an uns ist, zu befördern, und unsre Ergetzungen auch auf solche Art

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zu vermehren? Dieß ist nun der andre Theil der menschlichen Glückseeligkeit; welchen

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man erlanget, wenn man die Vollkommenheit und Schönheit der Welt kennet, und sich

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daran unschuldiger Weise vergnüget.

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Das letzte ist das edelste, und der Gipfel aller menschlichen Glückseeligkeit,

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der aus dem Erkenntnisse der göttlichen Vollkommenheiten fliesset. GOtt ist eigentlich

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das allerschönste Wesen, ja selbst die Quelle aller Schönheit. In ihm ist lauter

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Harmonie und Vollkommenheit. Alle seine Eigenschafften sind unermeßlich. Sein

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Verstand erkennet alles, was möglich ist, in der vollkommensten Deutlichkeit; so, daß

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ihm weder das Vergangene noch Zukünfftige verborgen ist. Seine Vernunfft sieht

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die Verknüpfung aller Wahrheiten ein; Seine Güte liebt nur das allerbeste, und setzt

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sich bloß dasselbe zum Zwecke für; Seine Weißheit wehlt die allergeschicktesten Mittel,

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diese Absicht zu erlangen. Seine Macht ist unendlich, seine Fürsehung allgemein,

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seine Regierung untadelich und gerecht, seine Herrlichkeit unbegreiflich, seine Dauer

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ewig. Kurtz, in der Erkenntniß GOttes und aller seiner Vollkommenheiten ist ein unendliches

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Meer voller Vergnügungen, vor ein vernünftiges Wesen, anzutreffen. Hindert

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uns nun gleich die Unvollkommenheit dieses Lebens, daß wir nur wenige Blicke

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in diese göttliche Vollkommenheit thun können, und also auch nur einen geringen Vorschmack

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des hieraus entspringenden Vergnügens geniessen; So erwarten wir doch einen

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weit vollkommnern Zustand nach dem Tode. Da wird allererst der dritte Theil

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der menschlichen Glückseeligkeit recht angehen. Die Betrachtung der göttlichen Schönheit

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wird die ewige Beschäfftigung unsers Gemüthes seyn. Diese Betrachtung wird

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uns mit einer unaussprechlichen Lust überschütten, und diese Lust wird so unaufhörlich

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als unsre Dauer selbst seyn. Wohl demjenigen, dem diese dreyfache Glückseeligkeit

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in diesem und jenem Leben zu theil

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wird!