<<<
 
 
     
 C h u l d    N a m e h.   

 B u c h    d e s    P a r a d i e s e s.   
 

 
 
     

12,2
Berechtigte Männer.
 
     
 B e r e c h t i g t e    M ä n n e r.   

 N a c h    d e r    S c h l a c h t    v o n    B e d r,     
 u n t e r m    S t e r n e n h i m m e l.     
 M a h o m e t    s p r i c h t.     

   Seine Todten mag der Feind betrauern:
Denn sie liegen ohne Wiederkehren;
Unsre Brüder sollt ihr nicht bedauern:
Denn sie wandeln über jenen Sphären.
 
 5    Die Planeten haben alle sieben
Die metallnen Thore weit gethan,
Und schon klopfen die verklärten Lieben
Paradieses Pforten kühnlich an.
 
   Finden, ungehofft und überglücklich,<?>
10 Herrlichkeiten, die mein Flug berührt,
Als das Wunderpferd mich augenblicklich
Durch die Himmel alle durchgeführt.
 
   Weisheitsbaum an Baum cypresseragend
Heben Aepfel goldner Zierd empor,
15 Lebensbäume breite Schatten schlagend
Decken Blumensitz und Kräuter-Flor.
 
   Und nun bringt ein süßer Wind von Osten
Hergeführt die Himmels-Mädchen-Schaar;
Mit den Augen fängst du an zu kosten,
20 Schon der Anblick sättigt ganz und gar.
 
   Forschend stehn sie was du unternahmest?
Große Plane? fährlich blutigen Straus?
Daß du Held seyst sehn sie, weil du kamest;
Welch ein Held du seyst? sie forschen's aus.
 
25    Und sie sehn es bald an deinen Wunden,
Die sich selbst ein Ehrendenkmal schreibt.
Glück und Hoheit alles ist verschwunden,
Nur die Wunde für den Glauben bleibt.
 
   Führen zu Chiosken dich und Lauben,
30 Säulenreich von buntem Lichtgestein,
Und zum edlen Saft verklärter Trauben
Laden sie mit Nippen freundlich ein.
 
   Jüngling! mehr als Jüngling bist willkommen!
Alle sind wie alle licht und klar;
35 Hast du Eine dir an's Herz genommen;
Herrinn, Freundinn ist sie deiner Schaar.
 
   Doch die allertrefflichste gefällt sich
Keineswegs in solchen Herrlichkeiten,
Heiter, neidlos, redlich unterhält dich
40 Von den mannigfalt'gen andrer Trefflichkeiten.
 
   Eine führt dich zu der andern Schmause,
Den sich jede äußerst ausersinnt.
Viele Frauen hast' und Ruh im Hause,
Werth daß man darob das Paradies gewinnt.
 
45    Und so schicke dich in diesen Frieden:
Denn du kannst ihn weiter nicht vertauschen;
Solche Mädchen werden nicht ermüden,
Solche Weine werden nicht berauschen.

   Und so war das Wenige zu melden
50 Wie der sel'ge Musulman sich brüstet.
Paradies der Männer Glaubenshelden
Ist hiemit vollkommen ausgerüstet.
 

     
12,2
Berechtigte Männer.

12,3
Auserwählte Frauen.
 
     
 A u s e r w ä h l t e    F r a u e n.   

   Frauen sollen nichts verlieren,
Reiner Treue ziemt zu hoffen;
Doch wir wissen nur von vieren
Die alldort schon eingetroffen.
 
 5    Erst Suleika, Erdensonne,
Gegen Jussuf ganz Begierde,
Nun, des Paradieses Wonne,
Glänzt sie der Entsagung Zierde.
 
   Dann die Allgebenedeyte,
10 Die den Heiden Heil geboren,
Und, getäuscht, in bitterm Leide,
Sah den Sohn am Kreuz verloren.
 
   Mahom's Gattinn auch! Sie baute
Wohlfahrt ihm und Herrlichkeiten,
15 Und empfahl bey Lebenszeiten
Einen Gott und eine Traute.
 
   Kommt Fatima dann die Holde,
Tochter, Gattinn sonder Fehle,
Englisch allerreinste Seele
20 In dem Leib von Honiggolde.
 
   Diese finden wir alldorten;
Und wer Frauenlob gepriesen
Der verdient an ewigen Orten
Lustzuwandeln wohl mit diesen.
 

     
12,3
Auserwählte Frauen.

12,8
Begünstigte Thiere.
 
     
 B e g ü n s t i g t e    T h i e r e.   

   Vier Thieren auch verheißen war
In's Paradies zu kommen,
Dort leben sie das ew'ge Jahr
Mit Heiligen und Frommen.
 
 5    Den Vortritt hier ein Esel hat,
Er kommt mit muntern Schritten:
Denn Jesus zur Propheten-Stadt
Auf ihm ist eingeritten.
 
   Halb schüchtern kommt ein Wolf sodann,
10 Dem Mahomet befohlen:
Laß dieses Schaf dem armen Mann,
Dem Reichen magst du's holen.
 
   Nun immer wedelnd, munter, brav,
Mit seinem Herrn, dem braven,
15 Das Hündlein das den Siebenschlaf
So treulich mitgeschlafen.
 
   Abuherrira's Katze hier
Knurrt um den Herrn und schmeichelt:
Denn immer ist's ein heilig Thier
20 Das der Prophet gestreichelt.
 

     
12,8
Begünstigte Thiere.

12,9
Höheres und Höchstes.
 
     
 H ö h e r e s    u n d    H ö c h s t e s.   

   Daß wir solche Dinge lehren
Möge man uns nicht bestrafen:
Wie das alles zu erklären
Dürft ihr euer Tiefstes fragen.
 
 5    Und so werdet ihr vernehmen
Daß der Mensch, mit sich zufrieden,
Gern sein Ich gerettet sähe,
So dadroben wie hienieden.
 
   Und mein liebes Ich bedürfte
10 Mancherley Bequemlichkeiten,
Freuden wie ich hier sie schlürfte
Wünscht' ich auch für ew'ge Zeiten.
 
   So gefallen schöne Gärten
Blum und Frucht und hübsche Kinder,
15 Die uns allen hier gefielen,
Auch verjüngtem Geist nicht minder.
 
   Und so möcht' ich alle Freunde
Jung und alt in Eins versammlen,
Gar zu gern in deutscher Sprache
20 Paradieses-Worte stammlen.
 
   Doch man horcht nun Dialekten
Wie sich Mensch und Engel kosen,
Der Grammatik, der versteckten,
Declinirend Mohn und Rosen.
 
25    Mag man ferner auch in Blicken
Sich rhetorisch gern ergehen,
Und zu himmlischem Entzücken
Ohne Klang und Ton erhöhen.
 
   Ton und Klang jedoch entwindet
30 Sich dem Worte selbstverständlich,
Und entschiedener empfindet
Der Verklärte sich unendlich.
 
   Ist somit dem Fünf der Sinne
Vorgesehn im Paradiese,
35 Sicher ist es ich gewinne
Einen Sinn für alle diese.
 
   Und nun dring ich aller Orten
Leichter durch die ewigen Kreise,
Die durchdrungen sind vom Worte
40 Gottes rein-lebendigerweise.
 
   Ungehemmt mit heißem Triebe
Läßt sich da kein Ende finden,
Bis im Anschaun ewiger Liebe
Wir verschweben, wir verschwinden.
 

     
12,9
Höheres und Höchstes.

12,10
Siebenschläfer.
 
     
 S i e b e n s c h l ä f e r.   

   Sechs Begünstigte des Hofes
Fliehen vor des Kaisers Grimme,
Der als Gott sich läßt verehren,
Doch als Gott sich nicht bewähret:
 5 Denn ihn hindert eine Fliege
Guter Bissen sich zu freuen.
Seine Diener scheuchen, wedlend,
Nicht verjagen sie die Fliege.
Sie umschwärmt ihn, sticht und irret
10 Und verwirrt die ganze Tafel,
Kehret wieder wie des hämischen
Fliegengottes Abgesandter.
 
   Nun! so sagen sich die Knaben,
Sollt' ein Flieglein Gott verhindern?
15 Sollt' ein Gott auch trinken, speisen,
Wie wir andern. Nein, der Eine
Der die Sonn' erschuf, den Mond auch,
Und der Sterne Glut uns wölbte,
Dieser ist's, wir fliehn! - Die zarten
20 Leicht beschuht, beputzte Knaben
Nimmt ein Schäfer auf, verbirgt sie,
Und sich selbst in Felsenhöhle.
Schäfershund er will nicht weichen,
Weggescheucht, den Fuß zerschmettert,
25 Drängt er sich an seinen Herren,
Und gesellt sich zum Verborgnen,
Zu den Lieblingen des Schlafes.
 
   Und der Fürst dem sie entflohen,
Liebentrüstet, sinnt auf Strafen,
30 Weißet ab so Schwerdt als Feuer,
In die Höhle sie mit Ziegeln
Und mit Kalk sie läßt vermauern.
 
   Aber jene schlafen immer,
Und der Engel, ihr Beschützer,
35 Sagt, vor Gottes Thron, berichtend:
So zur Rechten, so zur Linken
Hab' ich immer sie gewendet,
Daß die schönen, jungen Glieder
Nicht des Moders Qualm verletze.
40 Spalten riß ich in die Felsen
Daß die Sonne steigend, sinkend,
Junge Wangen frisch erneute.
Und so liegen sie beseligt. -
Auch, auf heilen Vorderpfoten,
45 Schläft das Hündlein süßen Schlummers.
 
   Jahre fliehen, Jahre kommen,
Wachen endlich auf die Knaben
Und die Mauer, die vermorschte,
Altershalben ist gefallen.
50 Und Jamblika sagt, der Schöne,
Ausgebildete vor allen,
Als der Schäfer fürchtend zaudert:
Lauf ich hin! und hol' euch Speise,
Leben wag' ich und das Goldstück! -
55 Ephesus, gar manches Jahr schon,
Ehrt die Lehre des Propheten
Jesus. (Friede sey dem Guten.)
 
   Und er lief, da war der Thore
Wart und Thurn und alles anders.
60 Doch zum nächsten Beckerladen
Wandt' er sich nach Brot in Eile. -
Schelm! so rief der Becker, hast du,
Jüngling, einen Schatz gefunden!
Gieb mir, dich verräth das Goldstück,
65 Mir die Hälfte zum Versöhnen!
 
   Und sie hadern. - Vor den König
Kommt der Handel; auch der König
Will nur theilen wie der Becker.
 
   Nun bethätigt sich das Wunder,
70 Nach und nach, aus hundert Zeichen.
An dem selbsterbauten Pallast
Weiß er sich sein Recht zu sichern.
Denn ein Pfeiler durchgegraben
Führt zu scharfbenamsten Schätzen.
75 Gleich versammlen sich Geschlechter
Ihre Sippschaft zu beweisen.
Und als Ururvater prangend
Steht Jamblikas Jugendfülle.
Wie von Ahnherrn hört er sprechen
80 Hier von seinem Sohn und Enkeln.
Der Urenkel Schaar umgiebt ihn,
Als ein Volk von tapfern Männern,
Ihn den jüngsten zu verehren.
Und ein Merkmal übers andre
85 Dringt sich auf, Beweis vollendend;
Sich und den Gefährten hat er
Die Persönlichkeit bestätigt.
 
   Nun, zur Höhle kehrt er wieder,
Volk und König ihn geleiten. -
90 Nicht zum König, nicht zum Volke
Kehrt der Auserwählte wieder:
Denn die Sieben, die von lang' her,
Achte waren's mit dem Hunde,
Sich von aller Welt gesondert,
95 Gabriels geheim Vermögen
Hat, gemäß dem Willen Gottes,
Sie dem Paradies geeignet,
Und die Höhle schien vermauert.
 

     
12,10
Siebenschläfer.

12,11
Gute Nacht!
 
     
 G u t e    N a c h t !   

   Nun so legt euch liebe Lieder
An den Busen meinem Volke
Und in einer Moschus-Wolke
Hüte Gabriel die Glieder
 5 Des Ermüdeten gefällig;
Daß er frisch und wohlerhalten,
Froh wie immer, gern gesellig,
Möge Felsenklüfte spalten,
Um des Paradieses Weiten,
10 Mit Heroen aller Zeiten,
Im Genusse zu durchschreiten;
Wo das Schöne, stets das Neue,
Immer wächst nach allen Seiten,
Daß die Unzahl sich erfreue.
15 Ja, das Hündlein gar, das treue,
Darf die Herren hinbegleiten.
 

     
12,11
<<<