Johann Wolfgang Goethe
1749 - 1832
Die Leidendes jungen Werthers
Erster Theil
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am 18. Juli.
Wilhelm, was ist unserm Herzen die Welt ohne Liebe! Was eine Zauberlaterne ist, ohne Licht! Kaum bringst Du das Lämpgen hinein, so scheinen Dir die buntesten Bilder an deine weiße Wand! Und wenn's nichts wäre als das, als vorübergehende Phantomen, so machts doch immer unser Glük, wenn wir wie frische Bubens davor stehen und uns über die Wundererscheinungen entzükken. Heut konnt ich nicht zu Lotten, eine unvermeidliche Gesellschaft hielt mich ab. Was war zu thun. Ich schikte meinen Buben hinaus, nur um einen Menschen um mich zu haben, der ihr heute nahe gekommen wäre. Mit welcher Ungedult ich den Buben erwartete, mit welcher Freude ich ihn wieder sah. Ich hätt' ihn gern bey'm Kopf genommen und geküßt, wenn ich mich nicht geschämt hätte.Man erzählt von dem Bononischen Stein, daß er, wenn man ihn in die Sonne legt, ihre Strahlen anzieht und eine Weile bey Nacht leuchtet. So war mir's mit dem Jungen. Das Gefühl, daß [69] ihre Augen auf seinem Gesicht', seinen Bakken, seinen Rokknöpfen und dem Kragen am Sürtout geruht hatten, machte mir das all so heilig, so werth, ich hätte in dem Augenblikke den Jungen nicht vor tausend Thaler gegeben. Es war mir so wohl in seiner Gegenwart – Bewahre dich Gott, daß du darüber nicht lachst. Wilhelm, sind das Phantomen, wenn es uns wohl wird? |