BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Leberecht Bachenschwanz

1729 - 1802

 

Dante Alighieri: Von der Hölle

 

1767

 

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Erstes Gedicht: Von der Hölle.

 

Zweyter Gesang.

 

Inhalt: Der Dichter merket die Abendzeit an. Nach seiner poetischen Anrufung klagt er über große Furcht, die sein Herz einnehme, wenn er das wichtige Geschäffte seiner Reise überdächte. Virgilius, um ihn anzufrischen, erzählt ihm, wie er vom Himmel, blos zu seiner Errettung und Hülfe, gesandt sey. Und so wieder gestärkt, setzt er nun mit seinem Führer die angetretene Reise fort.

 

Vers 1 ff.

Vers 70 ff.

 

 

Zweyter Gesang.

 

Der Tag vergieng, und die hereinbrechende Nacht entfernte die auf der Erde lebenden Thiere von ihrer Arbeit zur Ruhe. Nur ich allein war beschäfftiget, mich mit der Reise, und mit dem Mitleiden herum zu plagen, ein Zustand, den die untrügliche Selbstempfindung wieder abbilden wird.

O ihr Musen! o Apollo! Itzt stehet mir bey!

Und o Empfindung! die du das, was ich erfuhr, aufgezeichnet hast, hier, hier wird deine natürliche Pracht in festlichem Schmucke sich zeigen!

Ich fing also an: Großer Dichter, du, mein Führer, o! prüfe zuvor meine Kräfte, und siehe, ob ich vermögend bin, es auszuhalten, ehe du mich den großen Schritt thun lässest. Du sagst zwar, auch der Vater des Silvius sey, noch sterblich, und sich dessen bewußt, in [17] das Land der Unsterblichkeit 1) gegangen. Allein, wenn der heiligste Feind alles Unrechts solches erlaubte, so geschah es, weil er den wichtigen Erfolg sahe, der durch ihn, den Aeneas, entstehen sollte, und der sowohl, als dieser, einem vernünftigen Menschen nicht unwürdig vorkommen wird. Denn er ward zu des erlauchten Roms und seines Reichs Vater, oben im Himmel, ward er dazu erwählet. Und Stadt und Reich wurden eigentlich blos um des heiligen Stuhls willen errichtet, auf welchem der Nachfolger des heiligen Petrus sitzet. Und mithin vernahm er durch solchen Hingang, den du so rühmlich für ihn schilderst, Sachen vernahm er dadurch, welche die Ursache seines Sieges und der päbstlichen Würde waren. So ging jenes auserwählte Rüstzeug ebenfalls dahin, um dem Glauben, der der Grund zum Wege des Heils ist, Kraft und Stärke zu verschaffen. Aber ich, warum sollte ich dahin gelangen? oder auf wessen Erlaubniß? Ich bin Aeneas nicht, ich bin nicht Paulus. Auch halte weder ich, noch hält sonst irgend jemand mich hiezu für würdig. Also, wenn ichs wage, dahin zu gehen, so befürchte ich, als ein [18] Thor dahin zu kommen. Du weißt und verstehst es besser, als ichs sagen kann.

So, wie es sich mit einem verhält, der, was er erst will, nun nicht will, und auf wiederholtes Nachdenken von dem gefaßten Vorsatze wieder abgeht, so, daß alles Angefangene nun gleichsam verschwindet, – eben so war es mit mir in dieser düstern Gegend. Denn das Nachdenken zernichtete den Entschluß gänzlich, der anfänglich so schnell und ernstlich gefaßt war.

Daferne ich dich recht verstanden habe, antwortete mir der Schatten dieses großen Geistes, so ist deine Seele von Kleinmuth sehr eingenommen. Und diese setzt den Menschen oft in so große Verlegenheit, daß sie ihn von einer rühmlichen Unternehmung abschreckt, so wie oft ein Pferd vor einem bloßen und nichtigen Schatten scheu wird, und zurück weicht. Damit du von dieser eiteln Furcht dich befreyest, so will ich dir sagen, warum ich hieher gekommen bin, und was ich da gehöret habe, das mich zum erstenmale um dich betrübt gemacht hat.

Ich war dort unter denen, welche im Mittelzustande der Ewigkeit sich befinden. Da rief mir eine so liebenswürdige und selige Schöne, daß ich selbige nur bat, mir zu befehlen. Ihre Augen funkelten heller, als die Sterne, und sie redete in ihrer Sprache, mit englischer Stimme, liebreich und bescheiden mich also an: O du beliebte Mantuanische Seele, deren Ruhm in der Welt immer noch fortdauert, und bleiben wird, so lange ihre Bewegung währet; mein Freund wird, und nicht von ungefähr, dort in der wüsten Gegend auf seinem Wege so sehr gehindert, daß er aus Furcht wieder umgekehret ist. Ja, ich besorge, er habe sich schon so verirrt, daß ich mich, ihm zu Hülfe, nach dem, was ich im Himmel von ihm [19] gehöret, vielleicht zu spät aufgemacht habe. Eile also, und sey, zu meiner Befriedigung, mit deiner beliebten Beredtsamkeit und mit dem, was er zu seiner Befreyung nöthig hat, sein Engel, sein Beystand, sein Helfer! Ich bin Beatrix, die wünscht, daß du dahin gehest. Ich komme aus dem Orte, wo ich so sehnlich wieder hin verlange. Liebe bewog mein Herz, und hat meinen Mund geöffnet. Und wenn ich dort wieder vor dem Throne meines Herrn anbete, so werde ich dich oft gegen ihn zu rühmen wissen.

Hier schwieg sie, und ich fing darauf an: O du selige Schöne, durch deren Wirkung allein die Menschheit vor allem Vergnügen unter jenem Erdhimmel, dessen Kreise von einem kleinern Umfange sind, den Preis und Vorzug hat; deine Befehle sind mir so lieb und angenehm, daß die Vollziehung derselben, wäre sie auch itzt schon geschehen, mir doch zu spät scheinen würde. Du hast nicht nöthig, mir dein Verlangen umständlicher zu eröffnen. Allein die Ursache sage mir nur, daß du dich nicht vorsiehest, hier in diesen Kreis aus dem herrlichen Orte herunter zu steigen, wo dich so sehr wieder hin verlangt.

Da du dieß nur, erwiederte sie, näher zu wissen verlangst, so will ich dirs kurz sagen. Ich habe nicht die mindeste Furcht, hier herunter zu kommen. Den blos vor den Dingen, die einem schaden können, muß man sich fürchten, vor andern nicht, die sind nicht fürchterlich. Gott, der gnädige Gott, hat mich so gemacht, daß euer Elend mich nicht trifft, noch die Flammen desselben Feurs mich verletzen. Und im Himmel ist eine leutselige Schöne, die das widrige Schicksal, welchem abzuhelfen, ich dich dahin sende, so sehr bedauret, daß sie dort oben Gnade vor Recht [20] ergehen läßt. Diese forderte die weise Lucia auf, und sagte zu ihr: Itzt ist dein Getreuer deiner benöthigt, und dir empfehle ich ihn. Lucia, die eine Feindin aller Grausamkeit ist, erhob sich, und kam hin an den Ort, wo ich war, und da ich mit der ehemaligen Rahel saß. Beatrix, so war ihre Anrede, du wahrer Ruhm Gottes, warum eilst du dem nicht zu Hülfe, der dich so innigst liebte, daß er deinetwegen von jenem gemeinen 2) Haufen ausgieng? Hörest du nicht sein ängstliches Klagen und Weinen? Siehst du nicht, wie er gleichsam auf einem fürchterlichen 3) Wasser, gegen [21] welches das ganze Weltmeer für nichts zu achten ist, vor Angst mit Tod und Leben ringt? – Nie ist auf der Welt ein Sterblicher, sein Glück zu machen, und sein Unglück zu fliehen, so eilfertig gewesen, als ich, auf diese Rede, von meinem seligen Sitze hier zu dir herunter eilte. Denn auf die Anständigkeit deines Ausdrucks, so dir, und allen, die dich gehöret haben, Ehre macht, setzte ich mein ganzes Vertrauen.

So bald sie hier ausgeredet hatte, wandte sie ihre funkelnden Augen voll Thränen von mir weg, und machte dadurch, daß ich desto geschwinder hieher eilte. Siehe, so bin ich zu dir gekommen, so wie sie es wollte, und so nahm ich dich dort vor dem wilden Thiere weg, das dir den nähern Weg zu dem schönen Berge hinauf so versetzte. Was ists also? Warum, warum säumst du? Warum nährst du noch so viel Muthlosigkeit in deinem Herzen? Warum hast du nicht vielmehr ein frisches Herz, und einen freyen Muth? Wie? – Da drey so göttliche Schönen am himmlischen Hofe für dich sorgen, und da mein Mund dir so viel Guts verspricht?

Wie zarte Blumen, die sich bey nächtlichen Frösten danieder beugen und zuschließen, alle, wenn die Sonne drauf scheinet, sich wieder in die Höhe richten und aufthun – eben so verhielt sichs auch mit mir bey meinen schwachen und abgematteten Kräften, und mir wurde so frisch und muthig ums Herz, daß ich ganz frey und beherzt ausrief: O du mitleidsvolle Schöne, die mir so zu Hülfe geeilet! Und du, o gütiger Geist, der die wahrhaften Worte ihres Mundes so unverzüglich [22] befolget! Du hast mit deinen Reden meinem Herzen wieder ein so großes Verlangen nach jenem Hingange eingeflößet, daß ich auf den ersten Entschluß wieder zurückgebracht worden bin. Wohlan, da beyde nun ein Wille belebet, so komm! Du bist mein Führer, du bist mein Herr, du bist mein Lehrer!

Also sagte ich zu ihm, und hierauf erhob er sich fort, und so kam ich durch den steilen und ungebahnten Weg endlich dahin.

 

 

Inferno: Canto II.

 

 

 

 

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Lo giorno se n'andava, e l'aere bruno

toglieva li animai che sono in terra

da le fatiche loro; e io sol uno

m'apparecchiava a sostener la guerra

sì del cammino e sì de la pietate,

che ritrarrà la mente che non erra.

O muse, o alto ingegno, or m'aiutate;

o mente che scrivesti ciò ch'io vidi,

qui si parrà la tua nobilitate.

Io cominciai: «Poeta che mi guidi,

guarda la mia virtù s'ell' è possente,

prima ch'a l'alto passo tu mi fidi.

Tu dici che di Silvïo il parente,

corruttibile ancora, ad immortale

secolo andò, e fu sensibilmente.

Però, se l'avversario d'ogne male

cortese i fu, pensando l'alto effetto

ch'uscir dovea di lui, e 'l chi e 'l quale

non pare indegno ad omo d'intelletto;

ch'e' fu de l'alma Roma e di suo impero

ne l'empireo ciel per padre eletto:

la quale e 'l quale, a voler dir lo vero,

fu stabilita per lo loco santo

u' siede il successor del maggior Piero.

Per quest' andata onde li dai tu vanto,

intese cose che furon cagione

di sua vittoria e del papale ammanto.

Andovvi poi lo Vas d'elezïone,

per recarne conforto a quella fede

ch'è principio a la via di salvazione.

Ma io, perché venirvi? o chi 'l concede?

Io non Enëa, io non Paulo sono;

me degno a ciò né io né altri 'l crede.

Per che, se del venire io m'abbandono,

temo che la venuta non sia folle.

Se' savio; intendi me' ch'i' non ragiono».

E qual è quei che disvuol ciò che volle

e per novi pensier cangia proposta,

sì che dal cominciar tutto si tolle,

tal mi fec' ïo 'n quella oscura costa,

perché, pensando, consumai la 'mpresa

che fu nel cominciar cotanto tosta.

«S'i' ho ben la parola tua intesa»,

rispuose del magnanimo quell' ombra,

«l'anima tua è da viltade offesa;

la qual molte fïate l'omo ingombra

sì che d'onrata impresa lo rivolve,

come falso veder bestia quand' ombra.

Da questa tema acciò che tu ti solve,

dirotti perch' io venni e quel ch'io 'ntesi

nel primo punto che di te mi dolve.

Io era tra color che son sospesi,

e donna mi chiamò beata e bella,

tal che di comandare io la richiesi.

Lucevan li occhi suoi più che la stella;

e cominciommi a dir soave e piana,

con angelica voce, in sua favella:

«O anima cortese mantoana,

di cui la fama ancor nel mondo dura,

e durerà quanto 'l mondo lontana,

l'amico mio, e non de la ventura,

ne la diserta piaggia è impedito

sì nel cammin, che vòlt' è per paura;

e temo che non sia già sì smarrito,

ch'io mi sia tardi al soccorso levata,

per quel ch'i' ho di lui nel cielo udito.

Or movi, e con la tua parola ornata

e con ciò c'ha mestieri al suo campare,

l'aiuta sì ch'i' ne sia consolata.

I' son Beatrice che ti faccio andare;

vegno del loco ove tornar disio;

amor mi mosse, che mi fa parlare.

Quando sarò dinanzi al segnor mio,

di te mi loderò sovente a lui».

Tacette allora, e poi comincia' io:

«O donna di virtù sola per cui

l'umana spezie eccede ogne contento

di quel ciel c'ha minor li cerchi sui,

tanto m'aggrada il tuo comandamento,

che l'ubidir, se già fosse, m'è tardi;

più non t'è uo' ch'aprirmi il tuo talento.

Ma dimmi la cagion che non ti guardi

de lo scender qua giuso in questo centro

de l'ampio loco ove tornar tu ardi».

«Da che tu vuo' saver cotanto a dentro,

dirotti brievemente», mi rispuose,

«perch' i' non temo di venir qua entro.

Temer si dee di sole quelle cose

c'hanno potenza di fare altrui male;

de l'altre no, ché non son paurose.

I' son fatta da Dio, sua mercé, tale,

che la vostra miseria non mi tange,

né fiamma d'esto 'ncendio non m'assale.

Donna è gentil nel ciel che si compiange

di questo 'mpedimento ov' io ti mando,

sì che duro giudicio là sù frange.

Questa chiese Lucia in suo dimando

e disse: – Or ha bisogno il tuo fedele

di te, e io a te lo raccomando – .

Lucia, nimica di ciascun crudele,

si mosse, e venne al loco dov' i' era,

che mi sedea con l'antica Rachele.

Disse: – Beatrice, loda di Dio vera,

ché non soccorri quei che t'amò tanto,

ch'uscì per te de la volgare schiera?

Non odi tu la pieta del suo pianto,

non vedi tu la morte che 'l combatte

su la fiumana ove 'l mar non ha vanto? – .

Al mondo non fur mai persone ratte

a far lor pro o a fuggir lor danno,

com' io, dopo cotai parole fatte,

venni qua giù del mio beato scanno,

fidandomi del tuo parlare onesto,

ch'onora te e quei ch'udito l'hanno».

Poscia che m'ebbe ragionato questo,

li occhi lucenti lagrimando volse,

per che mi fece del venir più presto.

E venni a te così com' ella volse:

d'inanzi a quella fiera ti levai

che del bel monte il corto andar ti tolse.

Dunque: che è? perché, perché restai,

perché tanta viltà nel core allette,

perché ardire e franchezza non hai,

poscia che tai tre donne benedette

curan di te ne la corte del cielo,

e 'l mio parlar tanto ben ti promette?».

Quali fioretti dal notturno gelo

chinati e chiusi, poi che 'l sol li 'mbianca,

si drizzan tutti aperti in loro stelo,

tal mi fec' io di mia virtude stanca,

e tanto buono ardire al cor mi corse,

ch'i' cominciai come persona franca:

«Oh pietosa colei che mi soccorse!

e te cortese ch'ubidisti tosto

a le vere parole che ti porse!

Tu m'hai con disiderio il cor disposto

sì al venir con le parole tue,

ch'i' son tornato nel primo proposto.

Or va, ch'un sol volere è d'ambedue:

tu duca, tu segnore e tu maestro».

Così li dissi; e poi che mosso fue,

intrai per lo cammino alto e silvestro.

 

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1) Dieser Gang des Aeneas in die Ewigkeit ist seine bekannte Reise durch die Hölle und Elisäischen Felder, die er unternahm, seinen Vater Anchises wieder zu sehen, und von ihm seine künftigen Schicksale zu erfahren. Hierauf erfolgte der blutige Krieg wieder den Rutulischen König Turnus, der Sieg des Aeneas, und durch diesen nach und nach das ganze mächtige und große Römische Reich. Der Gang des heiligen Paulus in die selige Ewigkeit war seine Entzückung in den dritten Himmel, oder ins Paradies. 

2) Die drey himmlischen Schönen sind die göttliche Liebe, Weisheit und Hülfe.

Dante gieng aus dem gemeinen Haufen der Eitelkeiten, Thorheiten und Laster, aus Liebe zur Tugend, fort, und suchte in dieser und in anständigen Vergnügungen sein wahres und dauerhaftes Glück. So ein eifriger Verehrer der Tugend war Dante!

Durch sie stieg er zum göttlichen Geschlechte,

Und ohne sie sind Könige nur Knechte.

Gellert. 

3) Diese Todesängstlichkeit auf dem allerfürchterlichsten Wasser zeiget zugleich den fast übermenschlichen Streit an, den die Vernunft und Tugend des Dante mit parteyischem Irrthume, mit seinen Leidenschaften, mit dem Reize blendender Vorzüge und Annehmlichkeiten, und mit empfindlichen Schicksalen hatten. Nur der Christ siegt hier.

Wahr ists, die Kunst ist schwer, sich selbst so zu besiegen:

Allein in dieser Kunst wohnt göttliches Vergnügen.

Gellert.