Leberecht Bachenschwanz
1729 - 1802
Dante Alighieri: Von der Hölle
1767
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Erstes Gedicht: Von der Hölle.
Erster Gesang.
Inhalt: Dante beschreibt seine Verirrung in einem schrecklichen Walde. Gegen frühen Morgen kömmt er an einen Berg. Auf diesen will er hinaufsteigen, wird aber von einigen wilden Thieren daran verhindert. Indem er vor dem einen Thiere fliehet, findet er da den Virgilius. Dieser spricht mit ihm, erbietet sich, ihn zu seiner Errettung durch die Hölle und durch das Fegfeuer zu führen, und versichert ihn, daß er alsdenn auch ins Paradies geführet werden solle, worauf er und sein Führer endlich diese große Reise unternehmen.
―――――――― 1) Dante lebte unter einem Volke, dessen Parteyen in einem Zustande eitler Gesinnungen, ehrgeiziger Verblendungen und aufgebrachter Leidenschaften sich befanden. Er, als ein Staatskluger, sahe im Geiste alle die unglücklichen Erfolge davon voraus, und fand sich, als ein Anhänger der einen Partey, in einer nun unabhelflichen und unvermeidlichen Verlegenheit, die er mit Recht als eine Verirrung unter den fürchterlichsten und gefährlichsten Aussichten ansehen konnte. Der rechte Weg des menschlichen Glücks ist nur die Bahn der Tugend, ein Berg von Schwierigkeiten und Ueberwindungen, dessen Höhe aber wahre Ehre, wahres Wohl und Vergnügen umglänzen. Die drey wilden Thiere, die der Ersteigung dieses Berges sich widersetzen, sind die Wollust, der Hochmuth und der Geiz. Von diesen Ungeheuern befreyen uns vorzüglich ein würdiges und tugendhaftes Leben der Regenten, Obrigkeiten und großer Gelehrten, sodann wichtige Geschäffte, oder endlich Schicksale und traurige Erfahrungen, von denen, als nicht von ohngefähren Zufällen, eben der Mensch einen weisen und tugendhaften Gebrauch, und dadurch, mitten in allem Unglücke, zu seinem wahren und überirrdischen Glücke und Ruhme sich würdig machen soll. Und dieß ist die Reise durch die Hölle und durch das Fegefeuer zum Paradiese und Himmel. 2) Can Grande della Scala, damals Herr zu Verona, der durch seine Gerechtigkeit und Tugend dem Nieder-Italien wieder helfen würde, das von wollüstigen, stolzen und geizigen Regenten und Kriegern ganz erschöpft und zu Grunde gerichtet, danieder lag. Dieser würdige Landesherr war es, der einst in Gegenwart vieler characterisirten Hofpersonen, unter denen sich ein so genannter lustiger Rath befand, mit vorzüglich lauter Stimme an den Dante die unerwartete Frage that: Woher kömmt es aber, mein lieber Dante, daß der Narr hier allen gefällt, Sie hingegen, als ein so gelehrter und weiser Mann, nicht? – worauf Dante unverzüglich antwortete: Nur die Aehnlichkeit, gnädigster Herr, und die Gleichförmigkeit der Denkungsarten und Sitten, erzeugen unter den Menschen Zuneigung und Freundschaft gegen einander.
Welch freudig Schrecken nimmt mich ein! Ich sehe sie – doch diese Scene Will nur gefühlt, und nicht beschrieben seyn. |