BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Sibylle Schwarz

1621 - 1638

 

Deutsche Poëtische Gedichte

 

Der ander Teil

 

1650

 

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SUSANNA.

 

Eurimedes

redet mit dem Heracleon / (ein ungerechter Richter

und Susannen-Bruder mit dem andern) als er siehet / daß

sie gleich wegk gehen / und gleich wider kommen / und befindet /

daß sie beyde an einer Kranckheit darnieder ligen.

Wie kan dan solche Noht so gahr verschwiegen sein?

wie kan die Herzens-Angst / die bittersüße Pein /

wie kan das grosse Feur so lang verborgen bleiben /

daß zwey hat angesteckt / und auch zugletch entzündet?

den Schmertzen / den mein Herz und dein Herz auch empfindet /

dis einerleye Feur das kan uns beyde treiben

auf einerleyen Sinn; wier gehen beyde weg /

und wan der eine kömpt / so ist des andern Steg

auch gleich hieher gelegt / wier können nicht verschweigen

dis heisse LiebesFeur / wier müssen unsre Noht

und Schmerzen selber zeigen /

und wo uns etwas hilfft / so hilffet uns der Tod.

Hat nicht der Schönheit Bild / Susanna / uns entzückt?

hat Amor nicht geleich mit einem Pfeil gedrückt

itzt zweyer Menschen Muht? dis weisen die Geberden /

dis hin und wiedergehn; eß gebens diese Strahlen /

die unsere Begier läst gleich dahinwärtz fallen /

da unser Liecht auffgeht; die Sonne mit den Pferden

eilt selber nicht so sehr / als unser Augenschein

nach dieser Sonnen eilt das macht die gleiche Pein,

was aber tuht man dan in diesen grossen Nöhten?

wier lieben beide gleich / drümb muß auch gleicher Raht

uns helffen oder töhten:

wier suchen gleichen Lohn / und thun geleiche That. [Seite]

Das wissen wier / daß sie auch nicht nuhr einen Tag

ohn Baden läst vergehn / drümb künnen wier gemach

und heimlich zu ihr gehn / wier künnen uns verstecken;

zwahsr läst dis grosse Feur nicht leichtlich sich verschweigen /

so wollen wir dennoch des Gartens Maur ersteigen /

und mit der Bäume Kleid auch unsre Kleider decken /

und wen wier sie alsdan alleine baden sehn /

daß sie befohlen hat den Mägden / weg zu gehn /

so künnen wier genug den gleichen Muht dan kühlen;

wohlan wier stehen still / und warten ihrer hier /

weil wier gleich Schmertzen fühlen /

den niemand stillen kan als diese unsre Zier.

 

Heracleon.

Schaw / kompt sie nicht / mein höchstes Verlangen?

itz müssen wier uns nuhr der Sachen unterfangen.

 

Susanna zu den Mägden.

Geht / Holet mihr itz die bewuste Sachen /

den Balsam / den ich muß zu Nutze machen /

die Seiff / und was noch mehr hierzu gehört;

verschließt den Gang / daß niemand mich verstöhrt:

Ihr Mägde geht/ und seumpt euch / seumpt euch nicht /

laufft/ bringt bald das was mier hier gebricht.

 

Eurimedes und Heracleon kommen unversehens

auß dem Winckel / und befallen sie.

 

Eurimedes.

Schöne / deiner Schönheit Macht

hat uns zu dem Handel bracht/

des wier uns itz unterfangen;

O bedencke unser Joch!

laß uns für die Liebe doch /

auch der Liebe Lohn erlangen! [Seite]

 

Schaw / O Schöne / daß wir seyn /

bei dier heimlich und allein /

und wier können auch nicht leben /

wirstu uns der Liebe Lohn /

und der keuschen Keuschheit Kron /

heute nicht zu eigen geben.

 

Wirstu deinen sanfften Muht /

der bey uns das meiste tuht /

itzund uns nicht blicken lassen?

wiltu mit Gewalt davon?

so gedencke / daß wier schon

dich mit beyden Armen fassen.

 

Wirstu nicht gehorsam seyn /

so soll leichtlich eine Pein

dich zu unserm Willen zwingen /

und eß kan ein falscher Fund

dier bezwingen Herz und Mund /

ja wier wollens weiter bringen /

 

Daß dein Leben und dein Tod

gleiche Freude / gleiche Noht

endlich dier noch geben sollen;

einen Buhler wollen wier /

der da frembd ist / dichten dier /

dem du dich ergeben wollen.

 

Und diß soll noch mit dazu:

daß du alle deine Ruh

seinet halben hast gespahret.

Er ist eilends wegk gerant /

und dich hat ein harter Band /

will ich sagen / wol verwahret. [Seite]

 

Susanna.

Mein Gott/ O lass mich nuhr / lass mich erbleichen!

wohr kömpt der eilige Unfall den her?

Ist mier dan besser der Buben Begehr /

oder der edelen Keuschheit zu weichen?

halt ich / die Keuschheit zu lassen sey Noht /

so kan die Falschheit mich leichtlich verderben;

lieb ich die Keuschheit / so lieb ich den Tod;

wohl / wohl / wier müssen einst alle doch sterben!

 

Diß nuhr vermehret und doppelt die Peine /

daß ich der Kleider beraubet hier steh /

und für den falschen beschamet vergeh /

und dazu bin ich / ich arme / alleine;

dannoch weil Falschheit doch endlich vergeht /

will ich nuhr gäntzlich das Zagen verlassen;

weil noch die hessliche Schönheit besteht /

wird der Gerechte Gerecht seyn nicht hassen.

 

Last mich / ach last mich / ihr Buben doch gehen,

dencket/ daß Gott / der da über uns sitzt /

Schande nicht leidet / und Keuschheit beschützt!

hört doch dis Bitten / dis klägliche Flehen /

dencket doch / dencket / daß Gott euch den Lohn

der euch gehöret / nicht wird vohr enthalten!

lass ich die Keuschheit / so kriegt ihr nuhr Hohn /

helfft mich / ihr Leute sonst muß ich erkalten.

 

Eurimedes

rufft den Leuten.

Kompt ihr Leute / seht die Schande /

die die keusche nuhn beginnt /

weil man hier im ganzen Lande

solche Schande nirgend findt! [Seite]

laß des Gartens Schloss zerspringen /

laß eß für die Ohren bringen

jederm Menschen / den du siehst!

 

Heracleon.

Schawt / wieß ümb die Keusche ist!

sie vermeint durch böse Sachen

sich ein frommes Lob zu machen;

und weil wier es angesehn /

sol Gerechtigkeit bestehn

kompt ihr Leute / kompt und schawet /

was man sonsten nie geschawet.

 

Der Pöbel.

Was vohr Wunder ist dan hier?

O! was ist der Weiber Zier /

der Susannen angetahn.

 

Heracleon.

Sagt eß / klage eß ihrem Mann /

daß sie nicht / wie Weiber sollen /

ihre Keuschheit halten wollen;

weil wier sie alhier gesehn /

und noch einen bey ihr stehn /

der / so bald er uns vernommen /

eilig ist davohn gekommen;

darumb seys euch angesagt /

daß die Keusche Unzucht tragt:

Morgen kommet nuhr zusammen

hier / so sol man sie verdammen.

 

Susanna.

Mein Gott / für dessen Macht kein Mensch nicht mag bestehen /

wird heute Richter seyn / weil diese Richter gehen [Seite]

den ungerechten Weg! doch / doch was klag ich viel?

hier streitet Freund und Feind: die Keuschheit ist mein Ziel /

die wieder Schönheit ficht; wan diese sich vertragen /

die nimmer Freunde seyn / so wird der Sonnen Wagen

des Nachtes scheinen auch.

 

Jojackim.

Muß dieser Augenschein /

muß diser rohte Mund dann itzt dein Tod noch seyn /

der sonst dein Leben war! O Schönste / meine Wonne!

wenn du mier untergehst / so hab ich keine Sonne /

und lebe ohne Licht!

 

Susanna.

Nein / als eß Gott gefält

ich bin dein Sonnenschein / doch nicht der ganzen Welt;

Ich sehe sie itzt schon / sie kommen selbst gegangen /

die Räuber meiner Ehr / die mit der Lügen prangen /

als wär eß lauter Gold / doch wart ich ihrer hier /

sie nehmen nuhr den Leib / die Seele bleibet mihr.

 

Eumerides.

Last das schnöde Weib herkommen /

das die Thorheit eingenommen /

die der Keuschheit Tod muß seyn;

holt und bringt sie für Gerichte /

achtet diß für kein Gedichte /

dan eß trifft der Wahrheit ein.

 

Susanna.

Wohl! eß ist mihr angesagt /

daß ich itzt schon bin verklagt /

sol auch für Gerichte kommen;

Gott / O Richter aller Welt!

weil dihr Wahrheit wollgefält / [Seite]

wird mihr aller Schreck benommen;

kompt ihr Eltern / ihr Verwandten /

kompt itzt mit mihr ihr Bekandten /

schawt den Tod der Keuschheit an /

die dem ansehn nach muß sterben /

die für Augen muß verderben /

und doch nimmer sterben kan.

 

Eurimedes.

Kompt sie doch daher gegangen /

die des Todes schuldig ist /

itzund sol sie recht empfangen /

das / was solcher Weiber List /

die Gerechtigkeit verkehrt /

für ein übel Lohn gehört.

 

Heracleon.

Reisset ihr den Schleyer ab /

last sie unbedecket stehen;

weil sie heut ihr eigen Grab

noch wird müssen für sich sehen /

darümb last ihrn Augenschein

allen unverborgen seyn.

 

Schreitet zuhm Gerichte hin /

nuhr ihr Uhrteil bald zu fällen /

daß man hör / ob diß beginn

sey entsprossen auß der Höllen?

oder / ob des Himmels Bahn

solch ein Laster tragen kan.

 

Eurimedes.

Und ich wil meine Hand ihr auff das Haupte legen /

und schweren offenbahr vohn ihren bösen Wegen. [Seite]

 

Susanna.

Mein Vertrawen steht auf Gott /

der sich nimmer läst betriegend /

der das Leben und den Tod

kan nach seinem Willen fügen.

 

Eurimedes.

Da wir des Gartens Kreiß zum offtern durchspatzierten /

mit Bluhmen bald / auch bald mit Obst uns erlustierten /

kam dis verruchte Weib zu baden / wie sie pflegt /

nach dem sie aber kaum die Kleider weggelegt /

und ihren Dienerin befohlen weg zu gehen /

da sehen wier bey ihr bald einen Jüngling stehen

in eusserster Begier; wier künten letzlich nicht

der Schanden mehr zusehn / die alle Tugend bricht /

(und dieses zeugen wier/) so bald sie uns vernommen /

ist dieser / wer er sey / gar eilend wegkgekommen /

sie aber haben wier ietzt darümb hergebracht /

damit ein jeder sey auff Straffe bald bedacht.

 

Der Pöbel.

Wer kan die Richter selbst hierinnen liegen heissen?

wier geben alle nach: der Richter Wort ist wahr.

Susanna böse That ist numehr offenbahr /

darümmen muß man sie zu tödten sich befleissen.

 

Susanna.

Dier / O Gott / sind diese Sachen /

guht zu machen /

von mihr gäntzlich anvertrawt;

du kanst das verdeckte sehen /

Ich will stehen /

weil mich für dem Tod nicht grawt, [Seite]

 

Dier / mein Gott ist unverstecket /

unverdecket /

aller Hertzen Heimligkeit /

du kanst alle Sachen sehen /

die geschehen /

und du siehest auch den Neid.

 

Wie er mich zuhm Tod verklaget /

niemand fraget

ob ich auch unschuldig / bin;

doch mein Gott weiß / das die Sachen

die sie machen /

Wahrheit weit vorüber ziehn.

 

Daniel.

Haltet an / und hört den Dingen

recht mit beyden Ohren zu /

die ich itzund muß fürbringen /

gönt der Keuschen ihre Ruh:

Ich will dieser Frawen Schaden

nicht auff meine Seele laden.

 

Der Pöbel.

[...]

 

Mercke: Ein mehrers ist hiervon nicht vohr handen.