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BIBLIOTHECA AUGUSTANA
Sibylle Schwarz
1621 - 1638
Deutsche Poëtische Gedichte
Der erste Teil
1650
___________________________________________________________________
An
Den unadelichen
Adel.
G
nade Juncker / ich muß fragen:
Wo hinauß? Ihr fallet schier:
Atlas kan den Himmel tragen
Ohn' euch darumb bleibt nur hier:
Ewer stoltz sein wil mich treiben /
Euch ein schlechtes Lied zu schreiben.
Dedalus weiß sich zuschwingen /
Krafft der Flügel / hoch empor /
Icarus wil höher dringen /
Meint ihm noch zu kommen vor /
Aber muß auff Erden liegen /
Als er wil gen Himmel fliegen.
Also kan man heut noch sehen /
Wie so mancher Edelman
Seinen Ahnen nach wil gehen /
Der doch kaum nur sehen kan
Spiesse / Harnisch / Büchs und Degen /
Die da Edel machen pflegen.
Wer den Weg der Demuth kennet /
Der ist Edel nur allein /
Wer sich selbst unedel nennet /
Der mag zweymahl edel sein;
Der ist edel von Gemüth /
Und nicht schlecht nur vom Geblüt.
Marius wil nicht viel preisen
Seiner Ahnen Ruhm und Schild /
Sondern wil viel lieber weisen
An ihm selbst der Eltern Bild;
Denn es sind nur bleiche Wangen /
Die mit frembder röhte Prangen.
Er weiß frewdig aufzulegen /
Was ihn machet lieb und wehrt;
Seine Büchse / Spieß und Degen /
Sein voll Schweiß / und nasses Pferd /
Und darzu der Leib voll Wunden /
Die zumteil noch nicht verbunden.
Der kans nachthun seinen Ahnen /
Der da schützt sein Vaterland /
Nicht allein mit rohten Fahnen /
Sondern auch behertzter Hand /
Der da kan viel Nutzen schaffen /
Und auff harter Erden schlaffen.
Mancher weis uns vorzusagen
Viel von seiner Tapfferkeit /
Wie er manchen Held erschlagen /
Ey es ist der Warheit weit!
Katzen meint er nur und Mäuse /
Wilde Flöh und zahme Läuse.
Dieser pflegt sich außzuschmücken /
Zieret mit den Sporen sich /
Leßt das Kleid mit Silber sticken /
Kreußt das Haar so meisterlich /
Aber ach ihr Stoltzen Narren!
Adel wechset nicht in Haaren.
Jener endert die Geberden /
Gott! was braucht er Phantasey!
Bückt sich offtmahls biß zur Erden /
Hawt sich mit der Hand entzwey /
Scharret weitlich in den Sande /
Meint / das dien zum Adelstande.
Pfleget mit den Augen wincken /
Bricht mit frembder Stimm hervor /
Hebt / auß Hoffart / an zu hincken /
Zieht den hut aufs eine Ohr /
Viel auch reden durch die Nasen /
O der zwey mahl grossen Hasen!
Dabey muß es noch nicht bleiben /
Schawt doch / wie sie heben an
Grossen Titel sich zu schreiben /
Der oft auff den Brieff nicht kan:
Aber grosse Titel sterben /
Können gar kein Lob erwerben.
Wird von einem nur gesaget /
Daß er etwas weis und kan /
So wirdt anfangs bloß gefraget:
Ist er auch ein Edelman?
Ist ers nicht / so wird verlachet /
Was er je und je gemachet.
Der hergegen wird gepreiset /
Der von grossen Eltern her /
Ob man ihm zwar offt beweiset;
Daß er aller Tugend leer:
O ihr Narren! O ihr Thoren /
Mit des Midas Esels Ohren!
Laßt euch; bitt ich / weisen heute /
Weil ihr blind seyt ümb und an:
Ihr seyt nur als andre Leute /
Adel ist ein blosser Wahn;
Denckt nur / wie der Teuffel lachet /
Wenn er euch so stolz gemachet.
Ich weis gar wol ewre Sinnen /
Der ist euch an Adel groß /
Der viel Güter kan gewinnen /
Ob er zwar an Tugend bloß /
Der ein stücke Land besitzet /
Daß ihn offtmahls wenig nützet.
Hohe Schlösser / dicke Mawren /
Grosse Dörffer / Gelt und Gut /
Schöne Pferde / reiche Bawren /
Das macht euch den grossen Muth;
Nun der Krieg euch das genommen /
Müßt ihr zu den Bürgern kommen.
Habt offt kaum das Brodt zu essen /
Hungert manchen langen Tag /
Und seit dannoch so vermessen /
Daß man sich verwundern mag /
Ja ein kluger muß euch weichen /
Kan euch kaum das Wasser reichen.
Die in Phebus Hütten leben /
Müssen / ob es schon nicht recht;
Euch die Oberstelle geben /
Ihr seit Herren / sie die Knecht;
O geht hin / und laßt euch lehren /
Wie ihr andre auch solt ehren.
Hab ich nun zu viel geschrieben /
Zürnet nicht / nur denckt allein /
Daß ihr mich darzu getrieben /
Warheit wil gesaget sein:
Euch Gestrengen / Edlen / Vesten
Ist es je geschehn zum besten.
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