BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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IV

(HS A 2r, HS B 2r, HS c 4v-5r, Klein 4)

 

I

Hör kriſtenhait/

 ich rat dir das mit brüderlichen trewen/

du hab got lieb für alle ding/

es wirt dich nicht gerawuen/

5

und wiltu das dir wolgeling/

dein willen ker uon irdiſchem geluſt/

 

Wer liebe trait/

ze got von dem ſy kompt daran ſy hafftet/

ſo wirt der wille pald geſchickt /

10

das er tëglichen trachtet/

wie er die liebe darzu fickt/

das ſy nicht werd geferret gotes pruſt/

 

Des ſchönen glancz der ſüſſen zeit/

und untraw diſer werlt/

15

lug hoffart ſpot haſs zoren neyd/

götliche liebe nicht melt/

kain ſchacz freud gegenwirtiklich/

begert ſy nicht wan gots uon himelreich –

 

II

UNsauber ſcham/

20

der werlt da uon iſt götlich mynn geſcheiden/

kain ſchidung zwiſchen jr und got/

beſchicht nicht uon jn baiden/

hoffart unkeuſch der geitig ſpot/

darüber iſt ſy gantz erhaben hoch/

 

25

Mit widerzäm/

wil ſy nicht ſehen hören greiffen ſmecken/

kain wolluſt der ir flaiſchlich iſt/

den kan ſy lieplich decken/

den leib die werlt des teufels liſt/

30

wirfft ſy ze rugk allzeiten groblich roch/

 

Si twinget barmūg michel groß/

herabher aus dem tron/

jr handwerck ward nye werch genos/

güt iſt jr taglon/

35

wo ſich enczundt der myne zach/

gaiſtlich da ſchmilczet laid und ungemach/

 

III

WEr gaiſtlich prunſt/

mit arbait lieplich jnſein hercz well ſtozzen/

der wach ſo er dick gn' ſlieff/

40

bett barhoubt uaſten poſſen/

ſein hercz bedenck gots leiden tieff/

auf baren knyen ouch halt darjnn ein maſs/

 

Fleiſch weines tunſt/

teglichen meyd mäßlichen nym die ſpeiſe/

45

das er den hung' zimlich büſs /

ſo mag die lieb jr weyſe /

gaiſtlich jn jm gewürcken ſüſs /

ſein ougen perg das antlicz blaichen laſs/

 

Den leib mit armüt froſt und hitz/

50

bett närlich auf das ſtro/

wie leiden kompt von gottes wicz/

gedultig ſey des fro/

wann leyden ſwennt der ſünden gall/

des lig ich Wolkenſteiner jnnder fall –