BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 355

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

____________________________________________________________

 

 

 

19.

Lob der Geliebten

 

[146r]

Uon adellicher mensur

und rechter figur

ist mir gebildet in min hertz

mit sentlichem schmertz

5

ain fröw fin und minnenglich.

der hat min hertz ergeben sich

gentzlich in ir gebot,

wenn sy nach wúnsch der froeden rot

so volkomenlich an ir hät,

10

das ich gedenck frue und spät

wie ich von ir woelt praticieren

und sie gentzlich figurieren,

wann sie nach allem wúnsch ist geschickt.

Do ich sie von erst an blickt,

15

da ducht mich nit das ich uff erd

ye als kain zúchtig guet geberd

an kainer fröwen hett gesenhen.

das wil ich mit der warhait jenhen,

nit darumb das sie mir wol gevelt,

20

sie ward och fúr die schoenst gezelt

by ainem schönen tantz.

do sach man menig fröwen glantz

geruestet all zuo dem tantz.

do schin sie als ain spiegel glantz,

25

dar inne sich menig guot gesell ersach.

welhem da das glúck geschach

das sie im guots in truewen gunnd,

der moecht wol zuo ainer guoten stunnd

an diß welt geborn sin,

[146v]

wann sie doch ist húpsch und fin.

ya sicher das ist war!

sie hät ain gold far här,

fin gel und brunn gevelwet.

ir antlit ist schön gewelbet,

35

dar in sicht man walcken

oeglin húpsch als ainen falcken.

wen sie fruntlich da mit amplickt,

der wirt in gantzer froed erkickt.

ir prawen sint wol geschicket dar,

40

dar zuo ir wenglin sin rosen fär.

ir munndlin ist húpsch rot und fin,

als ob ain geburg von röbin

staetteclichen dar inn brin.

ir naß, ir zen und och ir kin

45

sind nach allem wunnsch geformiert,

sie ist nach allem lust geziert.

ir kel ist húpsch fin und wiß,

dar zuo ir halß geschickt nach fliß.

sie hät an ires hertzen grust

50

guot gestalt, zimlich brust,

nit zuo groß noch zuo clain.

an irn ermlun fin und rain

hat sie zwo henden fin und milt.

mit ir senfften stim sie stilt

[147r]

grossen zorn und haß.

mir gevil nie kain mensch baß

an ern, zucht und wirdikait.

sie ist mit aller tugent klait,

an ir ist gantz núntz vergessen.

60

sie hät min hertz besessen,

doch wolt ich ir nit wesen än.

sie tret wol der eren krön,

ir guot gestalt und hofflich zücht,

sie ist die spiß und och die frucht

65

ab der sich min hertz teglich nert,

wer mir das gluck und hail beschert

das sie zuo dienen mich enpfieng;

wes ich mich denn gen ir verfieng,

dar in so welt ich gereht bestön

70

und mich da von nit wisen lön

kain falsches cläffen, lieb noch laid;

von ir er, guet mich niemen schait.

sider ich ir als reht wol getrüw,

der zartten minnenglichen fröw,

75

so bit ich sie durch ire guet

das sie mir erfröw min gemuet

und mich lauß sin irn stetten kneht.

so wil ich ir in trúwen gereht

beliben gar on argen wön.

80

also lauß ich die red bestön.

Amen.