BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

____________________________________________________________

 

 

 

7.

Die blaue Rede

 

[384r]

Wie wol mich nyeman wil fragen,

so wil ich uch doch sagen

wie mir eins dags gelanng.

Verlangen mich beczwanng

5

zu senhent dusentfalt,

das ich in eynen walt

mich selber da verlieff.

uß herczen grund dieff

die voglin lieplich sungen,

10

der mey was auch entsprungen

mit siner meisterschafft;

nach der czit krafft

hett sich der walt geczirt

unnd nach lust geformirt,

[384v]

als fugt auch der planeten art;

vonn mancher farb czart

was geblumt feld unnd czwig.

zu hannd kam ich uff einen steig,

der was zu massen smal

20

unnd drug mich ab zu dall

zu eynem dieffen grund,

darnach in kurczer stund

uff ein heid wyt,

das ich by myner czit

25

solcher heid nie gesach.

damitten durch ein bach

gar snelliglichen ran.

da kam ich sender man

gar uff ein myniglich felt,

30

da sach ich ein geczelt

gar richlich uff geschlagen,

da hett ein herr sin jagen

durch kurczwil erdacht

unnd hett mit ym dar bracht

35

schoner frawen mer dan drissig,

die all waren flissig.

unnd darczu guter gesellen vil,

der ich hie nit nennen wil,

die red wurd gar czulanng.

40

ir manchen ich erkant

in ritterlichen wonnen,

eins teils inhohen bonnen

in gar kostlicher wat;

besonder itel samat

[385r]

bedackt der reynen frauwenn brust.

ieglicher suecht da sinen gelust,

als ym riett dann sin hercz.

sie dryben manchen schercz

unnd mannger hannd spil,

50

kurczwil unnd frewden vil

menglich ward bedacht.

ich ward auch nit versmacht;

ein gesell der mich erkant,

der nam mich by der hant

55

unnd furt mich auch all dar

zu der werden frawen schar.

ich nam der aller schoensten war,

da mir manich mundlin clar

dugentlich bot sinen grus.

60

ich neigt mich nyder uff die fues

unnd danckt in schier hart.

Ein wip vonn hoher art

die bat mich wesen geil,

wan sie erkant ein teil

65

an mir das myn hercz was wunt.

sie sprach alda zu stund:

«gesell, hab guten mut!

hie ist manich fraw gut

unnd werd ritterschafft.»

70

der mey mit siner crafft

den waldt hat durch glenczt,

ein bronnen schon gesprenczt

uß herten felsen flos.

ir hennd sie in die myn schlos

[385v]

unnd sprach: «myn guter gesell,

las horen din ungefell,

wie es sich hab gefuegt.

dir ist din frewd erbugt

mit dieffen synnen da.»

80

ein rock von itelm samat bla

der hatt die czarten umbfanngen;

sie furt mich sonder brangen

hie hin zudem brunnen schon.

die zart, die wolgetan

85

sas da zu mir nyder,

manch red her unnd wyder

dett sie mich gar fruntlich fragen.

ich sprach: «fraw, dorfft ich es wagen,

mynen komer wolt ich lichten

90

unnd wolt uch gancz bichten,

doch also das uewer munt

vorbas zu keyner stund

des vonn mir ye gedecht

das mir icht melden brecht

95

gen yemans, sonder eyn.»

sie sprach: «du bedarfft gar cleyn

gen mir der selben not.

ee wolt ich denn dot

mir selber lann gescheen,

100

e das ich wolt verjehenn

das dir icht geschaden kund.

es beducht mich zwar ein sund

gar ynniclichen swer,

die nit zubessern wer.

[386r]

du macht mir frilich sagen,

ich han by mynen dagen

solchs nyemer vernomen.»

ich sprach: «ach mir armen dummen,

fraw, das ich ward ye geborn!

110

ich hett mir selber ußerkorn

zu drost ein wiplich bild,

die ist mir worden wild

als ein ungeczemtes thier.»

sie sprach: «gesell, ich glaub dir,

115

darumb so sag mir war.»

ich sprach: «fraw, umb ein har

wil ich uch nit liegen.

niemant soll bedriegen

sinen bichter oder den arczt sin.

120

myn not unnd auch myn pyn

die ist so manigvald

das ich in diesem wald

mich selber hann verlauffen.

myn frewd ist uber strauffen

125

mit senlichem senn,

sich wil myn hercz entspen

zu stuecken mancherley,

mir ist auch enczwey

myn frewd und all wonn.

130

ich wolt das die sonn

vorbas nit me schinen dett.

alle frewd ist mir wilpret

unnd drueren ein ingesind.

mich haben ferr die wind

[386v]

gros unnglucks durch weyt,

myn unnheil ist so breyt,

mir ist myner frewden feld

zu ytelm drurn gesteld

unnd nun myn frewd verdrungen

140

von eynem werden jungen.

ach mynniglich fraw,

myn hercz ist mir verhaw

bis uff der frewden grund,

myner frewden ursprung

145

ist dieff in mich gesenckt,

myn gluck unnd heil erdrenckt

inunglucks mer!

was soll ich sagen mer

dann das mynr frewden gefider

150

beschrötenn ist darwider

mit mancherley senlicher clag.»

sie sprach: «gesell, nun sag:

ist sie der eren wirdig?» –

«ja, fraw, alles ir geschick

155

fugt wol zu werden dingen.

kund ich ir gnad erringen,

das wolt ich lieber hann

dann das ich der roemischen kron

gar besonder wer gewaltig.

160

ir lob ist dusentvaltig

witt inder welt erkant,

darumb ist mir enbrant

myn hercz unnd all myn synn.»

sie sprach: «gesell, die mynn

[387r]

kan stellen manig wonder.

dir ist din drwe gar monder

unnd din frewd gar dreg.

ob ich dich furbas freg

nach der werden namen,

170

bedarffstu dich ir nit schamen?

ist sie vonn guten luten

(das soltu mir bedueten)

oder sust von swacher art?»

ich sprach: «fraw, es enwart

175

nye wiplicher wib gesehen uff erden

dan die rein, die werden

von guter ritters massen.

ob eyner bute die strassen

durch all konigrich,

180

er fund kaum irn glich

an solcher zucht unnd dugent,

wie das ir wiplich jugent

an mir hatt vergacht.

darumb myn hercz inleydes acht

185

gar hart ist verschlossen.»

sie sprach gar unverdrossen:

«gutt gesell, unnd sag mir:

hastu nach diner begir

der zarten ie solchs kunt getan?»

190

ich sprach: «ja, fraw, ich han

me dan zu eyner stund

mit briefen unnd auch mit mund

in fruntschafft dick zu ir gesprochen.

nun ist myn frewd zubrochen,

[387v]

unnd stat myn drurn gancz.

ach mir armen schancz,

das ich so hoch gedenck!

ich besorg, under die benck

sy ich zu jungst gedigen.

200

ich hann zu lanng geswigen,

das ich nit clagt myn not.

ich wolt, es quem der dot

unnd nem von hinnen mich!»

nun sprach die myniglich:

205

«gesell, du solt nit verczagen.

nieman hort die wisen sagen

das hoch gedachter mannes mut

numer bring kein ungut;

also mag dir auch gescheen.

210

gesell, du solt mir verjehen

in rechter heimlichkeit,

das ich uff mynen eyt

dir nymer wil verbunnen:

geschach dir ye kein gunnen

215

von ir inlieblichen sachen?»

ich sprach: «ach mir armen swachen!

fraw, ir fragent mich gar dieff,

unnd das myn sen schlieff,

es wurd davon erweckt.

220

myn frewid ist mir bedeckt

unnd stat myn drurn blos,

in ungluckes schos

myn hercz lanng hatt gehalten.

sie sprach: «nun woll din walten

[388r]

der all ding walt!»

ir hennd gar manigvalt

hett sie indie mynn geschlossen.

manich senlich wort verdrossen

die zart da von mir hort,

230

myn hercz sich dick embort

zu springen uß der brust,

davon myn frewd verdust

unnd myn drurn heis glut,

recht als ein sindel dutt

235

in eyner heissen ess.

wer gesach ye mess

erkennen fur das bly?»

mit zuchten sprach die fry,

die myniglich, die reyn:

240

«gesell, mit dir ich weyn,

wiltu sin nit embern.

yedoch so wolt ich gern,

woltestu es gedagen

und mir irn namen sagen

245

in rechter gesellschafft,

syt du in wibes crafft

bist so hart gebunden.»

ich sprach alda zustunden:

«fraw, edel werd frucht,

250

syt mir uwer wiplich zucht

zu reden hatt erlaubt,

hab ich uch dan erdaubt,

das ist mir sicher czorn.»

«nein», sprach die hochgeborn,

[388v]

«kund ich nach myner begir

zu staten komen dir,

das wer ich sicher vlissig.

ein myle oder drissig

wolt ich dinen komer wenden.»

260

ich sprach: «ach mich armen ellenden!

fraw, der gnad wer mir zu vil.

secht, sie ist uwer gespil

unnd wont uch deglich by.

das leyt ich in herczen schry;

265

ach got, das ich sie nemen solt!»

recht in der selben gedolt

sanck ich der czarten in ir schos.

der will sie nit verdros,

sie greiff mit der hannd

270

do sie eynen brunnen fand

unnd wolt mich han gelabt.

myn selbs ich da enczabt

unnd leitt mich wider enbor.

do sas die czart mir vor

275

unnd was erschrocken ser;

sie sprach: «uff all myn er,

ich wand, du werst erstorben.»

ich sprach: «nein, fraw, mir hatt erworben

unheil noch lenger zuleben.

280

sust bin ich umbgeben

mit ungluecks garn.

wie suer ich das erarn,

yedoch mus ich es dulden.

es kompt von iren hulden

[389r]

unnd hatt mich angeerbt.

myn frewd ist mir gesterbt

unnd myn drurn lebendig worden,

in ungluckes orden

unheill hatt mich bestet!»

290

sust manchen süffczen ich det,

unnd manch senlich augenblick

datt myn wondes hercz dick

gen himel ich uff warff.

was ltgt frewd bedarff

295

an mir, das ist tür.

unheill det auch sin stür

mit senen mancherley,

in unglucks geschrey

myn frewd was uberwegen,

300

unheil mit sinem regen

dett mich gar seer begiessen.

iedoch must ich entschliessen

der czarten wer die wer.

sie sprach: «gesell, din ger

305

und dines herczen pin

wil ich der frawen din

gar kurczlich machen kunt.»

ich sprach: «wol mir der stunt

das ich uch, fraw, han funden.

310

mynr siechen, krancken wonden

der komet ir, fraw, zudrost,

myn hercz uff leydes rost

langczit ist gebraten.» –

«ich kan dir wolgeraten»,

[389v]

sprach die czart, die rein,

«ich hann von kind uff cleyn

ir jugent wol erkant.

ist ir ye dinst von dir bekant,

gesell, das soltu mir sagen!» –

320

«nein, fraw, by mynen dagen

kund ich sie nye erbytten

das sie nach wibes syten

zu dienen mir gebüt.

myn hercz sich überschüt

325

mit unglückes bach.

ach mir, ummer ach

das ich sie ye erkant!

myn frewd ist mir zudrant

unnd myn drurn gehefft!»

330

unheil mit siner krefft

gar kaum mich sprechen lies,

myn hercz das fur unnd sties

unnd dobt als ob es wüt.

sie sprach: «gott, durch din güt

335

wie hatt die myn gejagt

so manchen helden unverczagt,

so gar manchen hin unnd her.

herr Wilhelm fürt ein sper

in siner syten dieff.

340

er driestund nye verschlieff,

gebrant als der salmander.

der junger Filistander

unnd der edel Parcival,

die lebten beid in solcher qual

[390r]

die dich auch beczwingen dut

unnd noch manchen gesellen gut

den ich hie nit nennen kan.»

ich sach die werden frawen an

mit drurigen augen,

350

ich sprach sunder daugen:

«das ir myns armen dinsts begert,

selig fraw, ducht ich uch wert,

darzu wer ich sicher willig;

dan myn drurn wirt nymer stillig,

355

mir woll dan uwer wiplich guet

myn senlich ungemuet

genn ir zum besten wenden,

das mir armen ellenden

die zart gnedig sy.

360

uewer gnad ich anschry,

als lew dut sin welff,

das ir mir, fraw, zuhelff

koment in myner not!»

ein wenig ward sie rot

365

unnd sprach mit zuchten doch:

«gesell, der sorgen joch

ist hartt uff dich gebunden.

ich kom in kurczen stunden

da ich die czarten find,

370

darumb din clag erwind

unnd las din drurn bliben!

wiltu ein briefflin schriben

oder sust dich lann begnuegen?» –

«ja, fraw, sitt ir wollen fuegen

[390v]

zu dem besten mir myn sach.»

gar dugentlich sie sprach:

«gesell, ich hann dich wol vernomen;

ich soll numer komen

mit frewden wider heym,

380

ich hoff dir machen cleyn

din trurn unnd din clagen.» –

«gnad unnd danck ich sagen

uch, seligs wip, besunder.»

Da drug man her den blunder

385

und richt sich zu essend.

ein jungfraw unvermessend

kam zu unns beyden gan,

sie sprach on argen wan:

«ir czwey siczent gar zulanng;

390

dort ist manig brang

von frawen unnd mannen.»

uffhuben wir unns dannen

unnd gingen beid sonderbar

da manig euglin clar

395

gar lieplich uff blickt.

myn frewd mir da erquickt

und ward mynem herczen bas.

wir sassen nyder uff das gras,

ye czwey unnd czwey zu samen.

400

die koch und die keller kamen

unnd drugen her die spies

verdeckt in fursten wies

unnd nach der herren art.

manch fraw unnd jungfraw czart

[381r]

gar schon da gesehen wart

unnd mancher ritter unverspart

ein ander hiessen essen.

myn ward auch nit vergessen,

ich ward geseczt bas

410

dan ich leider wirdig was

oder mir armen zu gedocht.

vor grossen senen ich nit mocht

weder essen noch drincken,

myn hochgemut det hincken

415

unnd was an frewden lam.

under des do quam

ein jeger dort her gerant;

da hub man uff zu hant

die silber unnd die kost.

420

menglich sich da rust

zu rennen inden walt,

da manch bronn kalt

durch hochgebirg uß qual.

vonn hünden hoen schal

425

hort ich by des jegers horn.

do quam die hochgeborn,

die reyn unnd auch die werd,

sie sprach on all geverd:

«wolhin, myn lieber gesell,

430

gluck din walten woll

unnd aller selden vil!

die botschafft ich dir enden wil

gedrwelich uff das best:

du solt bliben vest

[391v]

unnd stet zu allen czyten!

ich mus furbas ryten

hin uff die jegery.»

zu hant do quamen dry

unnd zügen her ein pferd,

440

daruff die rein, die werd

gar mynniglichen sas.

ir czucht sie nit vergas,

sie bot mir dugentlich ir hant.

menglich sich da underwant

445

besonder eins geferten,

den dag sie da verczerten

in ritterlicher wonn.

manch fraw in hoem bonn

unnd manch werd jungfraw czart

450

von ritters hant geczeumpt wart

und sust von guten gesellen,

die sich gar luczel wellen

von keiner geselschafft lassen drennen.

ich sach ir manchen rennen,

455

der doch gar wenig fiel.

Da lieff ich dummer giel

hinwiderheim zu huß.

sie lebten indem sus

unnd liessen mich also clagen;

460

darumb so ward geschlagen

myn hercz in leydes bloch.

der antwort wart ich noch.

Amen.