BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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6.

Streitgespräch zweier Frauen über die Minne

 

[381r]

Ich was eins dags myns gemuets so fry

das myner frewden amy

mynem leyd urlab gab,

ich dett mich als drurns ab.

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genn der wonicklichen zyt

verr unnd auch wyt

wurden myn gedenck gestrewt,

wan sich myn hercz erfrewt

des jars das da kunfftig was;

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mit frewden ich umbgeben was.

Durch abentuer ging ich zuhant

da mir kurczwil was bekant,

spacyern durch eynen wyten than;

daynn begund ich umbgann

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in frewden richem gedrecht.

die voegel mit irm gebrecht

die liessen dar clingen

mit irm wonicklichem singen,

sie wurden sich entgesten.

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der wald mit gruenen esten

stund in woniglicher wat.

do ging ich so drat

durch den wald uff ein heid,

da mangerley augen weid

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gar lustlich vor mir ersprang

unnd durch ein ander dranng,

unnd mancherley hand gut.

[381v]

als ich in der awenn wut,

da nam ich gar eben war

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wie gar richfar

stund die heid mit vlis.

bla rott grun unnd auch wis

lies sich da alles finden.

ich sach also ein grun linden

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ueber die heid herbrechen.

mir ryt myn hercz, ich solt besechen

ob ich yemant da fund

der mich gewisen kuend

wie ich wider quem zuland.

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in dieser czit mich da ermant

myn hercz, ich solt hin zu gan

da ich die linden sech stan,

unnd solt ir nemen bas war.

da ich nach was komen dar

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on leid unnd ungemach

unnd ich die linden an sach,

mich beducht das ich by myner czit

hett gesehen nye so wyt

kein linden noch so gros.

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darunder ein brun vlos,

darby sas ein fraw clug;

ir hennd sie us dem brunnen zwug,

die waren wis und auch cleyn.

ein ander fraw allein

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zu ir her ging;

vil schon sie die andern enpfienng,

unnd begunden dugentlich fragen.

[382r]

ye ein der andernn zu sagenn

wa mit sie het ir czit verdriben

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unnd mit frewden also bliben.

«ich han ein bulen,» sprach die eyn

«wan ich den sich, so ist cleyn

myn leid unnd auch myn ungemach.»

zu hannd da die ander sprach:

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«bistu die liebes hat,

so soltu hie an dieser stat

mich ellenden wissen lan,

dan ich kein bulen nye gewan,

welcher hie sy bas;

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drutt gespill, nün sag mir das!»

hie wider sprach die da liebs begert:

«ich bin mynem bulen also wert

das ich im dick geb hoen mut.

des wurd sin hercz also frut

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das er bris unnd eer begert.

er last sich schawen in wappen cleyt,

durch mynen willen er dar nach ringt

das er mir abentur bringt,

die er mit ritterlicher dat

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in mynem dinst erworben hatt.

er ist mir lieb unnd ich im sam,

wan er auch in mynen nam

dreit hohen mut, dar in erlebt.

myn hercz sich dick überhebt

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sins fryen muts den er da dreit

in mynem dinst on underscheid.

sich, der frewd bistu verlann.

[382v]

wiltu bulschafft wesen an,

so mustu hohes muts bewegen dich.»

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die on lieb sprach: «nun hör mich.

ich hann auch frewd vil

als vil ich uemer haben wil,

und sene mich doch noch keinem dinen wan.

was solt ich eynen lieber han

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dann den andern da by?

ich han mer frewd das ich bin fry.

wan ich nun eynen ußerkur

unnd der selb den von mir fuer,

so wer myn lieb zu leid worden,

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senen und drurn wer dan myn orden.

darum blib unlieb, ist myn rat.»

hie wider sprach die liebes hat:

«zwar din synn die sind kranck.

nun ist es doch der erst anfangk

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aller eren, wer bülschafft pfligt;

all sachen er dester ringer wigt.

wie mocht mir uemer bas gesin

dann so ich sich den gesellen myn,

der mynem herczen wolbehagt?

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unnd er mir sinen komer clagt

unnd ich im widerumb myn leid,

und thun das beid in stetikeit,

so wirt unser beyder frewd so gros

das sie hat keinen wider stos.

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man sicht unns liplichen blickenn,

ye eins dem andern schickenn,

unnd auch manch liplich wort

[383r]

wirt vonn unns beyden dan gehört.

sich, der frewd bistu ein gast.

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ist es das du keinen buln hast,

so wirt dir recht lieb nymer kunt.»

die on lieb sprach zu der stunt:

«du hast frewd, das ist war;

sie ist aber selten in dem jar

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die wil du by dinem bulen bist,

die selben will dir wol ist;

so aber geschicht ein scheiden,

dann so wurt uch beyden

gros jamer, nott unnd clag

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hie nach vil manchen dag.

schaw ob mir nit sy bas,

wan ich mich benugen las

unnd bin von nicht fro;

wenn myn gemüt stet also

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alczitt in eyner acht,

dan ich anders nit bedracht

dann wie ich frewd haben mog

die mynem herczen wol gedog.

so ist dir allzitt we unnd and.

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wan dich din hercz ermand

an semlich gedennck da hin

da dir hercz mut unnd syn

zu mal lyt verborgen,

so mustu dan besorgen

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wie din lieb indem lannd fert.

du weist nit wie es sin dag verczert,

sust ist stet fro das hercz myn.»

[383v]

die ander sprach: «das las sin,

din kriegen her zu mir.

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ich hann vil grosser frewd, das sag ich dir.

wan ich mynen bulen an sich

unnd er widerumb mich,

so wirt myn drurn geleczt,

zu hand er mich ergeczt

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unmutes unnd myner swer.

erdutt mich aller sorgen ler

unnd erfrewt myn hercz zu aller stond,

so dir kein frewd wurd nymer kund.»

die onlieb die sprach: «die red thu hin,

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ich hann einen frewdenrichen syn

von wannen eynr kompt

unnd mit worten gen mir froemt

und hebt dan an zubyten

nach hoefflichen syten

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unnd spricht, ich sy im wol zu sinn,

ein gedruewer diener der mynn,

wan ich in dan nit gewer

unnd thun doch als ob er

mir gar uebel gefall,

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unnd leb in frewdenrichem schall

und bin auch aller sorgen fry,

das keiner mag sprechen das ich sy

bedrogen an den ern,

er woll die warheit dann verkern;

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unnd hann myn hercz also gewent

das es sich nach keynem in sunderheit sent.

dar umb so mustu gehen mir

[384r]

das mir viel bas sy dan dir.»

do sprach die die do libs pflag:

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«ich weis nit was ich darwider sag.

hastu din hercz also gewent

das es sich nach keynem besonder sent,

darumb so mus ich gehen dir

das dir vil bas sy den mir.

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so solten wir unnser kriegen lan,

unnd sol iglichs sinen sin han.

doch gefelt mir nit so wol din leben

das ich mynen buln wol begeben.»

Amen.