BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 323v-324r (I, 99)

 

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Der winter will mich berauben

Meinr fräd vnd auch meinr synn,

Die strassen sind verlaubet,

Ich waisz nit, wav ich bin.

5

Den weg hab ich verloren,

Der mir vor kündig was.

Das hett ich wol verschworen,

Da ich da hayment sasz,

Das mir so wild

10

Wär ditz gefild

In kurtzen zeitten worden.

Des stand ich in sorgen

Spavtt vnd morgen,

Vnd můsz in brůders orden.

 

15

Die tůnd ir hüszlin pawen

Ferr von den lüten hin.

Ach, ellend will mich schawen

In iammer vnd vngewyn!

Das můsz ich armer clagen,

20

Seid mich verweiset hat

In meinen kurtzen tagen,

Die mich in triuen latt.

Ich stand allain

Hie alters ain

25

Vnd bin so gar veryrret;

Ich waisz nit wol,

Wav ich hin sol,

Oder wer mich hatt verwyrret.

 

Die strassen sind verfallen

30

Von eys, vn auch von schnee,

Ain pillgrin, der da můsz wallen,

Der veryrret dester Ee.

 

Ob er den weg můsz meiden,

Da ligt nit wunders an,

35

Ob er des chommt in leiden,

Vindt er chain rechte pan,

Die In nun tregt

Zu fräd vsz laid

Wolhin von dem gefilde.

40

Ach, ellend,

Nun tů das wennd!

Vnd auch ain weiplich pilde.

 

Schick mir ze fräden palde,

Ain wegweis plümelein!

45

Ob ich in fräden alte,

Hilff mir vsz swärer pein.

Lasz dich mein ellend rewen,

Seid mich verweiset hatt

Mein hertz in gantzen triuen,

50

Nun gib mir deinen ratt,

Dann mir die wind

Sind gar geschwind,

Das hör ich an dem sausen,

Wann vngefell

55

Ist mein gesell

Vnd tut nach zu mir hausen.