BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ulrich von Liechtenstein

ca. 1200 -1275

 

Lied LIX

 

Textgrundlage:

Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts

herausgegeben von Carl Kraus,

Band 1, S. 428-494, Tübingen 1952

 

______________________________________________________________

 

 

1

Wâ nu fröide, wâ nu êre,

wâ nu volger guoter lêre?

werlt, du trûrest al ze sêre,

dîn lop gêt an einem stabe.

5

hübscheit was hie vor dîn krône,

dô man ranc nâch wîbes lône

âne valsch mit zühten schône;

die hâstû geworfen abe.

reîner wîbe güetlîch grüezen

10

kan wol swære sorge büezen

von dem houbet zuo den füezen,

diu vert in swacher tugende habe.

 

2

Wîp, dîn name uns fröide mêret;

got hât dich mit sælden gêret,

daz dîn leben niht mêr zerrêret;

dû bist aller wunne ein dach.

5

wîp, du solt unwîpheit mîden

und lâ dich die schande nîden,

sôn mac niht dîn lop versnîden;

ganc der scham mit zühten nâch.

wilt aber du valsch für tugende minnen,

10

des wirt diu schande mit dir innen,

sî lât dich unprîs gewinnen:

fliuch ir mat, sagt si dir schâch.

 

3

Ritterschaft, wie stêt dîn orden?

sage an, wem'st dîn wirde worden?

man sach dich in tugenden horden,

dannoch was dîn lop vil ganz.

5

daz klagent nû die edeln frouwen,

daz man dînen schilt sol schouwen

alsô ganz und unverhouwen:

wâ'st dîn turnei, wâ'st dîn tanz?

du miz dîn leben baz in der mâze

10

dâ dich diu schande in êren lâze;

ir gewalt vert ûf der strâze:

setze ûf wider der êren kranz.