BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johans, der Jansen Enikel

um 1230/40 - nach 1300

 

Weltchronik

 

Geschichte Roms: Nero

Verse 22935 - 23432

 

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22935

Nâch dem herren Cayus

besaz ein künic Rôm alsus,

der was geheizen Nerô.

des wurden di Rœmer unfrô,

wan er was ein übel man.

22940

sîn gelîch wart nie gesehen an.

er was sicherlîche

den liuten allen gelîche

gar ân mâzen leit.

er was æhter der kristenheit

22945

und was der êrst stœrær.

die kristenheit tôt er mit swær.

er kêrt dar zuo sîn sinne,

swâ er der kristen wart inne,

daz er der keinen lie genesen.

22950

des muoz er hiut verfluocht wesen.

zwâr bî sîner kintheit

pflac sîn ein meister, dem was leit,

swaz er unbildes ie began.

er was ein wol gezogner man,

22955

des wârn im die Rœmær holt.

Nerônis vater gap im solt,

daz er im zug daz kindel schôn.

er moht verdienen niht daz lôn,

wan er wolt im volgen niht;

22960

des was sîn zuht an im enwiht.

doch sluoc er in vil sêre.

daz tet er durch sîn êre.

dâ von er in sêr vorht,

swan er des iht worht,

22965

daz bœse was und niht guot;

des was zornic sîn muot,

wan er dem meister vînt was,

als ich an dem buoch las.

er gedâht: wird ich ein alt man,

22970

ez muoz dir an daz leben gân.

 

Diu red stuont unz an die vart,

daz Nerô gewaltic wart

der stat und der Rœmære.

dô wart im daz swære,

22975

daz er den meister sehen solt,

wan er wart im nie holt.

er sprach: «meister, zühtic man,

swenn ich iuch sol sehen an,

sô fürht ich sêr iuwer zuht.

22980

ich læg lieber in der suht,

dann ich iuch sol sehen an.

ir habt mir sleg genuoc getân.

dâ von fürht iuch daz herz mîn.

ich muoz vor iu ân angst sîn.

22985

ich wil iuch hie tœten zwâr.

daz sag ich iu offenbâr.»

dô erkant der meister guot

des herren verfluochten muot.

er sprach: «herr, lât mich genesen.

22990

ich wil immer von iu wesen

vil verr gar in fremdiu lant,

daz ich iu nimmêr wird bekant.»

dô sprach der künic Nerô:

«ez mac ergên niht alsô.

22995

dû muost mir lâzen dîn leben,

wan ein genâd wil ich dir geben:

welich tôt dir aller liebest ist,

den tuon ich dir an dirre vrist.

ist dir der lasterbær tôt liep,

23000

ich heiz dich hâhen als ein diep

oder dich enthoubten schôn,

wan ich des hân von dir lôn;

oder ich heiz dir als dem tôrn

die hût ziehen über diu ôrn,

23005

oder ich heiz dich ratbrechen

oder ein swert durch dich stechen.»

dô sprach der meister wol getân:

«ich zwâr dhein schult hân.

des solt dû dich erbarmen

23010

über mînen lîp vil armen.»

dô sprach der künic Nerô:

«ez mac ergên niht alsô.

der tôt muoz dir an gesigen.

sag, wie wil dû tôt ligen?»

23015

dô sprach der meister an der stat:

«sît sîn niht mac werden rât,

sô heizt mir machen ein volbat.»

daz wart bereitet an der stat,

und wart dar în gesetzet.

23020

der freuden wart er geletzet.

man liez im ûf der mêdiâ.

des muost er lân sîn leben dâ

sanft unde lîse,

der meister alsô wîse.

 

23025

Des meisters sun hiez er dar gân.

er sprach: «dû solt niht sehen an

mich mit den ougen dîn.

zwâr dû muost mir vînt sîn,

daz ich dînen vater ertœtet hân.

23030

des muost dû blinter für mich gân.»

zehant er ein messîn becke

hiez glüen alsô kecke,

daz ez wart alsô fiuwerrôt.

Nerô dem kinde gebôt,

23035

ez sæch in des beckes schîn.

des muost ez dâ blint sîn,

wan im diu ougen wurden glas.

da von Nerô verfluochet was.

 

Der selb verfluochet Nerô,

23040

der gedâht im alsô

mit herzen und mit sinne:

ich muoz des werden inne

und mir mîn ougen geben schîn,

wâ ich in der muoter mîn

23045

si gelegen, des muoz ich spehen

und mit mînen ougen sehen.

des wil ich niht vermîden.

die muoter hiez er snîden

und sach dâ er gelegen was;

23050

in dem buoch ich ez las.

daz was ein unrein sit,

doch volget er im gern mit.

 

Dar nâch sant er drât

in daz lant und in die stat

23055

nâch meistern und nâch arzât.

der kômen zwên und sibenzic drât.

er sprach: «lât iuch niht betrâgen:

dâ wil ich iuch frâgen,

ob ir möht gemachen

23060

mit seltsænen sachen,

daz ich ein kint gebern solt.

ich gæb iu silber unde golt,

wan an nie dheinem man

wær daz wunder ergân.

23065

ich wolt versuochen wîplîch swær

ein frou diu ein kint gebær.»

des antwurten gemein

der meister ieslîcher ein,

ez wær wîplîch und unreht,

23070

daz weder man noch kneht

 

✻  ✻  ✻

[Es fehlen zwei Verszeilen]

 

sprach der herr zehant:

«ir müezt mir lâzen hôhiu pfant:

ich mein, iuwer aller leben

müezet ir mir dar umb geben,»

23075

und hiez si vâhen an der stat.

in einen karker drât

hiez er si werfen zehant.

«iur houbt lât mir hie ze pfant»

sprach der künic Nerô.

23080

des wurden die meister vil unfrô.

die meister trahten zehant,

wie si lôsten iriu bant

gegen dem künig Nerô.

der ein sprach: «ich wil machen vrô

23085

den künic Nerô hie ze stet.»

also er gegen sînen gesellen ret.

«ich rât, daz man im mâche

von seltsænen sachen

ein tranc nâch sînem gebot,

23090

alsô daz in im werd ein krot

und wahs, sô wænet er zwâr,

er hab in sînem lîb gar

ein kint; des hât er guoten sin.

sô diu krot kratzt in im,

23095

sô wirt er an den sinnen blint,

wan er wænt, er trag ein kint.

daz getranc kan ich machen

von seltsænen sachen.

sô mügen wir werden von im getrôst

23100

und von sorgen erlôst.»

 

Zehant si hiezen zuo im gân

einen getriuwen man,

der pflac des karkære.

si sprâchen: «unser swære

23105

wellen wir niht lenger hie hân.

wir biten iuch zuo dem herren gân.

ob er sîn niht welle enbern,

sprechet, wir wellen in gewern

und wellen [im] mit sachen

23110

ein kint in im machen,

daz er trag nâch allem reht:

im wirt ein diern oder ein kneht.»

dô der guot und der gewær

pflegær des karkær

23115

dise red von in gewan,

er gie zuo sînem herren dan

und seit im mit vorhticheit,

als im der meister hêt geseit.

des selben was her Nerô

23120

von herzen alsô reht vrô.

doch sprach er: «ir trugheit

diu ist mir von herzen leit.

ich lâz si nimmer ledic vrî,

swie nôt mir nâch dem kinde sî.

23125

ich wil niht erwinden,

ich muoz des kindes enphinden,

oder ich lâz si nimmer;

si müezen gevangen immer

sîn, unz daz ich werde gewar,

23130

daz ich daz trag offenbar.»

 

Die meister an der stat

machten daz getranc drât

und gâben im daz ze niezen.

si liezen ez in in fliezen.

23135

dâ von sô wuohs ein krot wît

in sînem lîb an der zît.

dô si gewuohs ûf die vart,

daz si in im grôz wart,

do begund si sich rüeren

23140

und im sîn lebern zerfüeren.

dô wart der künic Nerô

des kindes von herzen vrô.

er hiez die meister lâzen

ûf stegen und ûf strâzen.

23145

er gap in allen rôtez golt.

er sprach: «ich bin iu von herzen holt,

iu allen samt gemeine.

iur meisterschaft ist reine.

des swuor ich für iuch hart schier:

23150

daz kint rüeret sich in mir.»

die meister man dâ alle lie.

ieslîcher reit oder gie

vil schôn von dem lande,

von dem si hêten schande

23155

erliten, wan si wâren kluoc.

si westen wol daz er ein kroten truoc.

 

Dar nâch vil unlanc

den künic diu krote twanc,

daz er nâch was tôt.

23160

den meistern er ze samen gebôt.

si hêten sich mit sorgen

ûz dem land verborgen.

dô man der meister niht vant,

dô muost er in fremdiu lant

23165

senden nâch meistern guot.

des wurden si vil wol gemuot.

dô die selben arzât

kômen ze Rôm in die stat,

dô seit man in diu mære,

23170

wie ez ergangen wære.

die arzât sprâchen zehant:

«uns ist daz wol bekant,

wir müezen in dem urinâl

morgen sehen über al,

23175

wie der kinttraht sî,

sô tuon wir in sorgen frî

des sol er uns wol gunnen

morgen vor der sunnen

sehen schôn den brunnen sîn.»

23180

si sprâchen: «lieber herr mîn,

wir sagen iu daz offenbâr,

daz ir ein kroten traget zwâr.

des wellen wir vor iu niht verheln.

welt ir, daz wir sie von iu steln,

23185

daz tuon wir hie odr ir sît tôt.»

doch twanc den künic grôz nôt,

er sprach: «jâ, durch den willen mîn,

ich wil iu holt mit triuwen sîn

und wil iu lîhen unde geben

23190

ân aller hande widerstreben.»

 

Die meister dâ mit sachen

begunden ein tranc machen

und gâben im daz ze niezen.

si liezen ez in in fliezen.

23195

zehant dô er daz tranc genam,

diu krote schôn von im kam.

zehant man den künic leit

an ein bette daz was breit.

man pflac sîn, daz er wol genas.

23200

dô er dô bekomen was,

dô frâgt er der mære,

wâ sîn kint wære.

daz truoc man im für an der stat.

ein ammen man mit flîz bat,

23205

daz si im zuge daz selb kint.

sehzic schâf und ein rint

gap man ir ze miete,

daz si ez schôn hiete.

dô sprach der künic Nerô:

23210

«amme, ir sült wesen vrô.

ich mach iuch sicherlîche

vil gar ân mâzen rîche.»

 

Der künic hêt der fürsten kint,

die ze Rôm hœrent sint,

23215

diu wârn sîn gîsel, daz ist wâr,

aller fürsten kint gar,

die hie dishalb meres wâren

bî den selben jâren.

dar nâch der künic sant ûz wît

23220

und macht ein schœne hôchzît.

er gebôt allen künigen dar,

daz sagt uns daz buoch für wâr,

der kint dâ gîsel wâren,

die muosten zuo im varen.

23225

si wæren nâhen oder wît,

si muosten zuo der hôchzît.

enhalp der Tîfer ûf daz velt

sluogen si schôn ir gezelt.

zwên und sibenzic oder mêr

23230

kômen der künig hêr.

daz muosten si tuon umb diu kint,

diu ze Rôm gîsel sint.

dô hiez der künic Nerô

bereiten einen wagen dô,

23235

der was aller silberîn.

die schîben wâren guldîn

und daz geriht gemeine.

mit edelm gesteine

was daz geriht beleit.

23240

ein kobel lanc unde weît

muost ob dem wagen sîn

von einem guoten baldekîn.

daz kleit daz diu amme truoc,

daz was hêrlîch genuoc

23245

von samît grüen als ein gras.

von gold dar ûf geslagen was

aren, als si lebten;

vil ir dar umb swebten.

ein hirz, der was alsô zam –

23250

ûz sînem hof er in nam,

wan er was schœn genuoc –,

er fuort die ammen guot

und die kroten, Nerônis sun.

den gîseln hiez er kunt tuon,

23255

daz si des niht vergæzen,

so da sîn sun [und] diu amme sæzen,

daz si der pflægen gemeinclîch,

diu edeln kint alsô rîch.

Nerô begund in vor sagen,

23260

ez solt nieman an den wagen

grîfen dâ sîn kint ûf wær

oder ez wurd im swær.

swer niht von fürsten art

dar zuo geborn wart

23265

unde an den wagen griff,

sîn houbt im von dem lîb sliff.

ez wær billîch und reht.

sîn sun wær ein edel kneht.

 

Der wagen dâ bereitet wart.

23270

man fuort in schôn ûf die vart,

ûf die bruck, daz was reht.

dâ gie manic edel kneht

allez neben dem wagen hin.

zwâr daz was des küniges sin.

23275

der hirz den wagen zôch zwâr

mitten ûf die bruck gar.

er hêt umb den hals sîn

einen komat von baldekîn.

der wagenkneht hêt rîchiu kleit –

23280

des was er frô und gemeit –

von scharlach wîz unde rôt,

als im der künic dâ gebôt.

do si kômen ûf di bruck gevarn

allez bî den selben jârn,

23285

do begund diu krot dringen,

wan si hôrt singen

ander ir hûsgenôz

in einer lachen grôz.

dô hupft si ûf den leiterboum.

23290

des nam diu amme dô niht goum.

si fuor dô nider hin ze tal

in daz wazzer âne schal,

in die tief, als si wolde,

wan si dâ wesen solde.

23295

daz wart dem künig geseit.

ez was im von herzen leit.

sîn knappen sach er vor im stân.

er sprach: «zuo dem wagen sült ir gân,

als ich iuch nû wil lêrn.

23300

heizet in umbe kêrn.

und heizt si füern in die stat,

daz ist mîn will und mîn rât;

und vâhet diu fünfzic kint zwâr

und heizet si enthoubten gar,

23305

daz si mînes sunes pflâgen niht.»

daz was ein jæmerlîch geschiht.

diu kint enthoubt man zehant.

die ammen man ûf ein rat bant.

ir gebein hiez man zerstôzen

23310

mit starken redern grôzen.

der wart der tôt dâ funden drât,

daz man si sazt ûf ein rat,

als man hiut di mordær tuot.

ez was der ammen dhein guot.

 

23315

Dô daz die künig vernâmen

und in diu mær kâmen,

daz diu kint enthoubt wârn,

do begundens jæmerlîch gebârn,

ieslîcher umb sîn eigen kint.

23320

si sprâchen: «all die nû sint,

juden unde heiden,

die helfen uns scheiden

den künic von dem lîb sîn

umb unser kleiniu kindelîn.

23325

ez ist ein jæmerlîch mort geschehen

an unsern kinden, diu müez wir sehen

alsô tôte vor uns ligen.

doch wir dem künig an gesigen

und in an êren letzen!»

23330

si begunden sich wider setzen.

 

Zehant der künic Nerô sant

wîten ûz in diu lant

sînen marschalc guot.

er sprach: «ich trag dir holden muot.

23335

brinc uns liut ein michel kraft,

daz wir iht werden sigehaft.

lâ mich des geniezen:

ich lie mich nie verdriezen,

ich tet ie den willen dîn.

23340

ich wil dir holt mit triuwen sîn.»

zehant der marschalc reit

ûz, als er im hêt geseit,

und gewan im liut ein teil.

daz dûht in ein michel heil.

23345

do der marschalc von dannen reit,

mit flêhen und mit kündicheit

brâht er die Rœmer ûf daz velt.

er hiez ûf slahen sîn gezelt.

die brucken warf er ze tal

23350

in daz wazzer über al,

daz über daz wazzer die vîant

iht kæmen in sîn lant.

dâ lâgen die Rœmære

ûf dem veld mit swære,

23355

mit harnasch und mit wer.

der marschalc brâht ouch ein her.

dô reit der künic Nerô

zuo dem marschalk dô

und seit im daz ze mæren,

23360

daz die vînt wæren,

die dort vor Rôm lâgen

und dheines strîtes pflâgen.

ez wâren allez Rœmær.

dô seit der marschalc mær,

23365

ez wæren allez vîant.

«ir solt si an rennen zehant.»

er enbôt den Rœmæren,

daz ditz vîant wæren.

er brâht si ze samen gar

23370

mit fanen und mit breiter schar,

dâ si vâhten einen strît.

dâ huop sich Krîmhild hôchzît.

si verlurn beidenthalben

ûf velde und in alben

23375

beidenthalben fünf hundert man.

daz sach Nerô allez an,

wan er habt bî der zît

ouch ûf dem velde wît.

den marschalc sach er vehten

23380

mit rittern und mit knehten

als einen helt. wol getân

zôch er von dem veld dan

und understuont an der zît

alrêrst den vil herten strît.

 

23385

Dâ mit reit er in die stat.

swer den lîp verlorn hât,

der muost zwâr den schaden hân.

er begund ûf den palast gân

und betwanc den rât, die Rœmær

23390

zwâr mit grôzer swær,

daz si swuorn dem marschalk guot,

wan er im willigen muot

truoc âne swære.

die gewaltigen Rœmære

23395

kunden im niht widerstân.

si muosten dâ ze herren hân

den marschalc sicherlîche.

des swuoren si gelîche.

der künic sprach: «marschalc, lieber man,

23400

niht lenger wil ich mîn leben hân.

dîn hend sint des wol wert,

daz si ditz scharpf swert

stechen durch mînen lîp.

nû êre an mir alliu wîp

23405

und lâz an mir hie geschehen,

daz ich ez an mir müg spehen.»

dô sprach der marschalc guot:

«mîn hant dir niht schaden tuot,

wan dû bist der herre mîn,

23410

dû solt von mir ân angst sîn.»

dô sprach ez her Nerô:

«nû tœt mich, sô wirst dû vrô,

oder ez muoz an dir ergân.

dînen tôt ich hie muoz sehen an.

23415

daz ist ein geteiltez spil.

nu nim welhez dû nemen wil.»

zehant der marschalc zuct sîn swert.

«sît dîn lîp des tôdes gert,

sô sol ez wærlîch geschehen.

23420

ich muoz dich tôten vor mir sehen.»

zehant er im daz swert bôt.

er stachz durch in, daz tet im nôt.

des wârn die Rœmær vrô,

daz er den lîp hêt lâzen dô,

23425

und die fürsten wol getân,

der kint den lîp muosten lân;

die stiften dô ein grôz stat,

als si noch hiut gemûret stât;

diu wart geheizen Lattran.

23430

dar inne sô saz manic man

und zwô und sibenzic zungen zwâr,

die sâzen dar inn offenbâr.