Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1801
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Heimkunft.in: Flora. Teutschlands Töchtern geweiht von Freunden und Freundinnendes schönen Geschlechts. Drittes Vierteljahr. Viertes Vierteljahr. 1802
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Heimkunft.
An die Verwandten.
Drinn in den Alpen ists noch helle Nacht und die Wolke,Freudiges dichtend, sie deckt drinnen das gähnende Thal.Dahin, dorthin toset und stürzt die scherzende Bergluft,Schroff durch Tannen herab glänzet und schwindet ein Stral.Langsam eilt es und kämpft das freudigschauernde Chaos,Jung an Gestalt, doch stark, feiert es liebenden StreitUnter den Felsen, es gähnt und wankt in den ewigen Schranken,Denn bacchantischer zieht drinnen der Morgen herauf.Denn es wächst unendlicher dort das Jahr und die heilgenStunden, die Tage, sie sind kühner geordnet, gemischt.Dennoch merket die Zeit der Gewittervogel, und zwischenBergen, hoch in der Luft weilt er, und rufet den Tag.Jezt auch wachet und schaut in der Tiefe drinnen das Dörflein,Furchtlos, Hohem vertraut, unter den Gipfeln hinauf.Wachstum ahnend, denn schon, wie Blize, fallen die altenWasserquellen, der Grund unter den stürzenden dampft,Echo tönet unher und die unermeßliche WerkstattReget bei Tag und Nacht, Gaben versendend, den Arm.Ruhig glänzen indeß die silbernen Höhen darüber,Voll mit Rosen ist schon droben der leuchtende Schnee.Und noch höher hinauf wohnt über dem Lichte der reineSeelige Gott vom Spiel heiliger Stralen erfreut.Stille wohnt er allein, und hell escheinet sein Antliz,Der ätherische scheint Leben zu geben geneigt,Freude zu schaffen, mit uns, wie oft, wenn, kundig des Maases,Kundig der Athmenden auch zögernd und schonend der GottWohlgediegenes Glück den Städten und Häusern, und mildeRegen, zu öffnen das Land, brütende Wolken und euch,Trauteste Lüfte dann, euch, sanfte Frühlinge, sendet,Und mit langsamer Hand Traurige wieder erfreut,Wenn er die Zeiten erneut der Schöpferische, die stillenHerzen der alternden Menschen erfrischt und ergreift,Und hinab in der Tiefe wirkt, und öffnet und aufhellt,Wie ers liebet und jezt wieder ein Leben beginnt,Anmuth blühet, wie einst, und gegenwärtiger Geist kommt,Und ein freudiger Muth wieder die Fittige schwellt.Vieles sprach ich zu ihm, denn, was auch Dichtende sinnenOder singen, es gilt meistens den Engeln und ihm;Vieles bat ich, zulieb dem Vaterlande, damit nichtUngebeten uns plötzlich befiele der Geist;Vieles für euch auch, die im Vaterlande besorgt sind,Denen der heilige Dank lächelnd die Flüchtlinge bringt,Theure Verwandte, für euch, indessen wiegte der See mich,Und der Ruderer saß ruhig und lobte die Fahrt.Weit in der Ebene wars Ein leuchtend freudiges WallenUnter der Seegeln und jezt blühet und hellet die StadtDort in der Frühe sich auf, wohl her von schattigen AlpenKommt geleitet und ruht nun in dem Hafen das Schiff.Warm ist das Ufer hier, und freundlich offene Thale,Schön von Pfaden erhellt grünen und schimmern mich an.Gärten stehen gesellt, und die glänzende Knospe beginnt schon,Und des Vogels Gesang ladet den Wanderer ein.Alles scheinet vertraut, der vorübereilende Gruß auchScheint von Freunden, es scheint jegliche Miene verwandt.Freilich wohl! das Geburtsland ists, der Boden der Heimath,Was du suchest, es ist nahe, begegnet dir schon.Und umsonst nicht steht, wie ein Sohn am Wellen umrauschtenThor und siehet und sucht liebende Namen für dich,Mit Gesang ein wandernder Mann, glückseeliges Lindau!Eine der gastlichen Pforten des Landes ist dies,Reizend hinauszugehn in die vielversprechende Ferne,Dort, wo die Wunder sind, dort, wo das göttliche WildHoch in die Ebene herab der Rhein die verwegene Bahn bricht,Und aus den Felsen hervor ziehet das jauchzende Thal,Dort hinein, durchs helle Gebirg, nach Komo zu wandern,Oder hinab, wie der Tag wandelt, den offenen See;Aber reizender mir bist du, geweihete Pforte,Heimzugehn, wo bekannt blühende Wege mir sind,Dort zu besuchen das Land und die schöne Thale des Nekars,Und die Wälder, das Grün heiliger Bäume, wo gernSich die Eiche gesellt mit stillen Birken und Buchen,Und in Hügeln ein Ort freundlich gefangen mich nimmt.Dort empfangen sie mich – o süsse Stimme der Meinen!O du triffest, du regst langevergangenes auf!Und doch sind sie es noch! noch blühet die Sonn' und die Freud' euch,O ihr Liebsten! und fast heller im Auge, wie sonst.Ja! das Alte noch ists! es gedeiht und reifet, doch keines,Wer da lebet und liebt, lässet die Treue zurück.Aber das Beste, der Fund, der unter des heiligen FriedensBogen lieget, er ist Jungen und Alten gespant.Thörig red' ich. Es ist die Freude. Doch morgen und künftigWenn wir gehen und schaun draussen das lebende FeldUnter den Blüthen des Baums, in den Feiertagen des FrühlingsRed und hoff ich mit euch vieles, ihr Lieben, davon.Vieles hab ich gehört vom großen Vater und habeLange geschwiegen von ihm, welcher die wandernde ZeitDroben in Höhen erfrischt und waltet über Gebirgen,Der gewähret uns bald himmlische Gaben und ruftHellern Gesang und schikt viele gute Geister – o säumt nicht,Kommt, Erhaltenden ihr! Engel des Jahres! und ihr,Engel des Hauses, kommt! in die Adern alle des Lebens,Alle freuend zugleich, theile das Himmlische sich!Adle, verjünge! damit nichts Menschlichgutes, damit nichtEine Stunde des Tags ohne die Frohen und auchSolche Freude, wie jezt, wenn Liebende wieder sich finden,Wie es gehört für sie, schicklich geheiliget sei.Wenn wir segnen das Mahl, wen darf ich nennen, und wenn wirRuhn vom Leben des Tags, saget, wie bring' ich den Dank?Nenn' ich den Hohen dabei? Unschikliches liebet ein Gott nicht,Ihn zu fassen, ist fast unsere Freude zu klein.Schweigen müssen wir oft; es fehlen heilige Namen,Herzen schlagen, doch bleibt die Rede zurük?Aber ein Saitenspiel leiht jeder Stunde die Töne,Und erfreuet vielleicht Himmlische, welche sich nahn.Das bereitet und so ist auch beinahe die SorgeSchon befriediget, die unter das Freudige kam.Sorgen, wie diese, muß, gern oder nicht, in der SeeleTragen ein Sänger und oft, aber die anderen nicht. |