Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1801
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 2, Gedichte nach 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953
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Der Nekar
In deinen Thälern wachte mein Herz mir aufZum Leben, deine Wellen umspielten mich,Und all der holden Hügel, die dichWanderer! kennen, ist keiner fremd mir.
Auf ihren Gipfeln löste des Himmels LuftMir oft der Knechtschaft Schmerzen; und aus dem Thal,Wie Leben aus dem Freudebecher,Glänzte die bläuliche Silberwelle.
Der Berge Quellen eilten hinab zu dir,Mit ihnen auch mein Herz und du nahmst uns mit,Zum stillerhabnen Rhein, zu seinenStädten hinunter und lustgen Inseln.
Noch dünkt die Welt mir schön, und das Aug entfliehtVerlangend nach den Reizen der Erde mir,Zum goldenen Paktol, zu SmirnasUfer, zu Ilions Wald. Auch möcht ich
Bei Sunium oft landen, den stummen PfadNach deinen Säulen fragen, Olympion!Noch eh der Sturmwind und das AlterHin in den Schutt der Athenertempel
Und ihrer Gottesbilder auch dich begräbt,Denn lang schon einsam stehst du, o Stolz der Welt,Die nicht mehr ist. Und o ihr schönenInseln Ioniens! wo die Meerluft
Die heißen Ufer kühlt und den LorbeerwaldDurchsäuselt, wenn die Sonne den Weinstok wärmt,Ach! wo ein goldner Herbst dem armenVolk in Gesänge die Seufzer wandelt,
Wenn sein Granatbaum reift, wenn aus grüner NachtDie Pomeranze blinkt, und der MastyxbaumVon Harze träuft und Pauk und CymbelZum labyrintischen Tanze klingen.
Zu euch, ihr Inseln! bringt mich vielleicht, zu euchMein Schuzgott einst; doch weicht mir aus treuem SinnAuch da mein Nekar nicht mit seinenLieblichen Wiesen und Uferweiden. |