BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

____________________________________________________

 

 

 

32.

Von den Talenten.

 

Ein reicher Mann zog auf lange Zeit von Hause hinweg, und vertraute bis zu seiner Wiederkunft einigen von seinen Dienern einen Theil seines Vermögens an, daß sie es in seiner Abwesenheit durch treue Verwaltung bessern und mehren sollten. Einem derselben gab er fünf Centner, dem andern zwei Centner, dem dritten einen Centner. Centner aber, oder auch Talent, bedeutet, wie schon gesagt worden, eine bestimmte Summe Geldes, weil in den ältesten Zeiten das Geld nicht gezählt, sondern gewogen wurde.

Der erste war ein treuer Diener seines Herrn. Er erwarb mit seinen fünf Talenten noch fünf Talente. Der andere war auch ein treuer Diener. Er erwarb mit seinen zwei Talenten auch noch zwei. Der dritte wickelte sein Talent in ein Tüchlein, und vergrub es unter die Erde. Nach langer Zeit kam der reiche und vornehme Mann in seine Heimath wieder, und hielt Rechnung mit seinen Dienern. Der erste trat herzhaft und freudig herzu und sprach: «Herr, du hast mir fünf Talente gegeben. Siehe da! Ich habe damit fünf andere erworben.» Sein Herr erwiederte ihm: «Du frommer und getreuer Knecht! Du bist über wenigem getreu gewesen. Ich will dich über viel sehen. Gehe ein zu deines Herrn Freude.» Der zweite trat ebenfalls herzhaft herzu und sprach: «Ich habe mit meinen zwei Talenten noch zwei andere erworben.» Der Herr erwiederte ihm: «Du frommer und getreuer Knecht, du bist auch über wenigem getreu gewesen. Ich will dich über viel setzen. Gehe ein zu deines Herrn Freude.» Der dritte trat auch herzu und sprach! «Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist. Deswegen habe ich dein Geld in die Erde verborgen. Siehe, da hast du das Deine.» Ueber diese unverständige und boshafte Aufführung zürnte der Herr, wie billig. Er nahm das Geld und gab es einem von den andern. Diesem Unwürdigen vertraute er nichts mehr an. Er ließ ihn in ein finsteres Gefängniß setzen.

Verstehe: Die Talente bedeuten die Gaben und Kräfte, welche Gott jedem Menschen gegeben hat, daß er sie anwende zum Guten. Gott theilt die Gaben und Kräfte ungleich aus. Einer hat mehr empfangen, der andere weniger. Wer sein Weniges treu anwendet, des freuet sich Gott, und segnet seine Treue. Wer es nicht anwendet, an dem hat Gott kein Wohlgefallen, und kann dem Unfleiß und der Untreue keinen Segen schenken.