BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

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24.

Jesus speiset mehrere Tausend Menschen

mit wenig Nahrungsmitteln.

 

Wie sein Vater im Himmel, so dachte auch Jesus an die Nahrungsbedürftigkeit der Menschen. «Ich will ihre Speise segnen und ihren Armen Brods genug geben.» Als der Herr seine Jünger wieder bei sich hatte, – es mag ihm wohl gewesen seyn, wie einem Vater, wenn er seine Kinder wieder hat, – gieng er mit ihnen in ein Schiff, daß sie in eine einsame Gegend führen und ein wenig ruheten. Denn es waren immer viele Menschen um ihn versammelt, die ihm ihre Kranken brachten, und begierig waren, seine Lehren zu hören, und wenn auch viele nach und nach wieder fortgiengen, es kamen eben so viele wieder nach. Es gieng aber auch ein Weg zu Lande an denselben Ort, wohin sich Jesus begeben wollte, als ob er bedacht hätte, er wolle es den Leuten doch nicht ganz unmöglich machen, zu ihm zu kommen, er wolle sich finden lassen, wenn jemand so viel daran gelegen sey, daß er einen so langen Weg ihm nachgehe. Also folgte ihm das Volk nach, und nahmen noch andere mit, und kamen ihm zuvor. Es versammelten sich fünftausend Mann um ihn, ohne die Weiber und Kinder, als er an das Ufer trat. Der Anblick dieser Menschen rührte das Herz Jesu von Neuem. Sie kamen ihm in dieser abgelegenen Gegend vor, wie verlorene Schafe, die keinen Hirten haben. Er hatte nun schon ein wenig ausgeruht. Er fieng von Neuem an, sie zu belehren, und sich mit ihnen zu beschäftigen bis an den Abend. Am Abend sagten zu ihm die Jünger: «Es ist öde hier, und der Tag hat sich geneiget. Laß das Volk von dir, daß sie in die Ortschaften gehen, und sich Speise kaufen, denn sie haben nichts zu essen.» Jesus sprach: «Es ist nicht nöthig, daß sie hingehen, gebt ihr ihnen zu essen,» als ob es nur eine Kleinigkeit wäre, so viele Menschen zu sättigen, wenn man sich nicht dazu versehen hat. «Was meinst du,» sagte er zu Philippus, «wo kaufen wir Brod, daß diese essen?» Das sagte er freundlicher Weise, gleichsam anzudeuten, daß er schon Rath wisse, um zu hören, was die Jünger dazu sagen würden. Sie hätten wohl sagen dürfen: «Herr, wo du bist und helfen willst, da ist keine Noth.» Aber sie waren noch gar einfältig. Andreas sagte, es seyen fünf Gerstenbrode da, und ein Knabe habe zwei Fischlein. «Aber was ist das,» sprachen sie, «unter so Viele?» Jesus befahl nun, ohne weiteres, daß das Volk sich setzen sollte in Reihen zu Fünfzigen und Hunderten, damit alles in der Ordnung geschehen und nichts übersehen werden möchte. Ordnung erleichtert alles Geschäft, besonders wenn mit wenigem viel soll ausgerichtet werden. Hierauf nahm Jesus die fünf Brode und die zwei Fische und schaute zum Himmel auf, betete und dankte darüber, brach sie, und gab sie den Jüngern, daß sie dem Volk austheilten. Die Leute aßen alle und wurden satt, und konnten sich nicht genug verwundern, daß der himmlische Segen gar kein Ende nehmen wollte und zuletzt noch viel übrig war.

Zu einer andern Zeit speiste Jesus auch viertausend Mann auf gleiche Weise.

Bei dieser Gelegenheit gab er noch ein schönes Beispiel von Sparsamkeit und Werthschätzung der göttlichen Gaben. Ohngeachtet er so reich an Segen war, so befahl er seinen Jüngern doch, das Uebrige zu sammeln, daß nichts umkäme. Sie sammelten noch mehrere Körbe voll, gleicherweise, wie Gottes Segen in manchen Stücken immer größer wird, je mehr man ihn gebraucht, je dankbarer man ihn genießt, und das Ueberflüssige zu Rath hält. Nährt nicht Gott auch von einer geringen Aussaat viele Tausend Menschen und vieler Tausend Eltern Kinder, noch ohne die zahllosen Geschöpfe, die nicht säen und nicht ernten, und wenn alle gegessen und gelebt haben, ist nicht auch in der großen Haushaltung Gottes jährlich viel mehr noch übrig, als anfänglich gesäet ward? Kein sterblicher Mensch ist im Stande, das göttliche Geheimniß und das Wunder zu ergründen, daß aus einem Weizenkorn in der fruchtbaren Erde ein schöner hoher Halm und eine Aehre voll neuer Körner heraus wachsen, und sich noch einmal und immer fort bis ins Unendliche vervielfältigen könne, daß der Segen, der in einem einzigen Saatkorn verborgen liegt, zur Ernährung vieler Tausend Menschen genügen kann.

Einst als die Juden nicht dulden wollten, daß sich Jesus den Sohn Gottes nannte, sprach er zu ihnen: «Thue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubet mir nicht.»