BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Avrom-Nokhem Shtentsl

1897 - 1983

 

Avrom-Nokhem Shtentsl un

Else Lasker-Schüler

 

A. N. Stenzel: Einfalt, erzähl... (fardaytsht, 1926)

Else Lasker-Schüler: Abraham Stenzel (oyf daytsh, 1924)

 

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A. N. Stenzel:

Zu einem fünfzigsten Geburtstag.

Einfalt, erzähl...

(in: «Weltbühne» 1926)

 

Meiner ältern Schwester Einfalt Else Lasker-Schüler.

 

So eine große, große Welt,

So ein schweres, schweres Leben

Und so ein kleines, zartes Herz.

 

Dein Auge krümmt sich in Wehen –

Eine Träne wird geboren,

Und tief gräbt sich ein kleines Grab

Unter deiner Lippe schmerzverbissen . . .

 

Was hat dir Welt getan?

Einfalt

Erzähl!

Ich habe eine Faust, eine starke,

Zweimal so schwer wie Welt und wie Leben

 

Was hat dir Welt getan?

Einfalt,

Erzähl!

Ich habe einen Arm, einen heißen.

Herzen wachsen in meinem Arm und heilen!

 

Was hat dir Welt getan?

Erzähl . . .

Aus dem Jüdischen von A. Suhl

 

 

 

Else Lasker-Schüler:

Abraham Stenzel

(1.7.1924)

 

Als Abraham ganz jung war,

Nannte Gott ihn: Hamid.

 

Ich weiß es noch, denn erst viertausend

Und ein Schaltjahr ist es her.

 

Ich hing zwar noch am Baum

Im Schatten einer Cocospalme.

 

Mein Spielgefährte Abraham Stenzel

Gährte mit dem Mark im Stamm.

 

Begraben sind die Bibeljahre längst –

Wir beide tragen nur noch sehnsüchtig den Flor

 

Um unsern blauen Hut,

Der demütig die Stirn vor Gott bedeckt.

 

Der Hamid ist der Dichter des Jargons

Des Ghettoplatts.

 

Wenn er es spricht, hilflos und rührend,

Pocht an mein Herz das Jugendvolkslied

 

Er ist ein inniger innerlicher Dichter

Und seine Unverfälschtheit macht ihn liebenswert.

 

Wenn wir nach Mitternacht

Im Winter vom Romanischen Caféhaus

 

Zusammen leiernd durch den Schnee

Wie durch die Wüste trabten,

 

Kopf geneigt - überall Saharah:

Zwei edle Wüstentiere er und ich.

 

In seinen grünen Jordanaugen

Erinnern Träume sich vom Erzvater?

 

Und jedem Südenwinde blickt er nach,

Der über seine schwarzen Haare streicht.

 

Ich liebe seiner schönen Verse Kabala

Sie trägt sein frommes Angesicht als Medaillon.

 

Quelle: Karl Jürgen Skrodzkis Else Lasker-Schüler-Seite

Englische Übersetzung: The Mendele Review