BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Wilhelmine Siefkes

1890 - 1984

 

Dor was ins mol

 

1923

 

Auswahl

 

Text:

Wilhelmine Siefkes, Dor was ins mol

Friesen-Verlag, Wilhelmshaven-Bremen 1923

 

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De Levenstied

(na de Bröörs Grimm)

 

Gelesen von Wilhelmine Siefkes:

 

 

As uns leve Heer de moje Eer un alls, wat daar up is, klaar harr, do bleev hum blot noch eens over: wo lange de Levenstied van alls, wat Aam halen dee, düren sull, dat muss he noch fastsetten.

Do kwamm de Esel bi hum un froog: „Wo lang wullt du mi leven laten, Heer?“

„Mi dünkt, dartig Jahr“, see de leve Gott, „büst daar tofree mit?“

„O Heer! Dartig Jahr?“, reep de Esel. „Dat is doch woll nich dien Eernst? So lang sall ik mi van mörgens fröh bit in de Nacht ofsloven sall mi scheev slepen an dat, wat dat Minskenvolk mi upleggt? Sall hör Koorn na de Möhlen hendragen, umdat se Brood daarvan eten, dat ik verdeent harr, un sall mi daarför schüppen un stöten laten? Dat wullt du mi doch woll nich andoon?“

„Na“, see de leve Gott, „denn will ik di achttein Jahr d'r offlaten.“

Well was blieder as de Esel.

Nett harr he de Dreih, do kwamm de Hund.

„Wovööl Jahren hest du mi todocht, Heer?“, froog he.

„Dartig!“, see de Heer; „de Esel meent ja, för hum is dat tovööl, man du sallst hör ja woll slieten.“

„Och nee, Heerohm“, jöselde de Hund, „dartig Jahr? Un dat för een as mi, de sük Dag för Dag de Tunge ut de Hals rennen mutt? Un wenn ik nich mehr blaffen un bieten un blot noch in de Hoken un achter de Ovend rumschulen un gnurren kann, wat sall ik denn noch up de Welt?“

„Hest recht“, see de leve Gott, „ik geev di twalv Jahr minner.“ Do kwamm de Aap anhüppen.

„Na, Api“, see de Heer, „du kannst doch woll dartig Jahr bruken. Du bringst dien Dagen mit Leddiglopen hen, rackerst di nich of un hest nix as Pläseer.“

„Och Heer“, see de Aap, „dat meenst du, man well hett dat so stuur as ik! De Minsken drieven hör Spijöök mit mi, un ik mutt dag-ut dag-in lüstig wesen un Fratzen maken, un elk un een lacht over mi. Un wenn ik mal en Appel krieg, denn is de wiss' suur. Sien Leven lang lüstig wesen mutten, dat is doodstrürig. Dartig Jahr holl ik dat nich vull!“

Do kunn dat de leve Gott begroten, un he see: „Denn will ik di d'r teihn Jahr offlaten.“

As se nu al hör Deel tometen kregen harren, do kwamm de Minsk, so jung un frisk un 'sund, as Gott hum maakt harr:

„Wo lange, meenst du, dat ik leven sall?“

„Dartig Jahr“, see de Heer, „büst daar mit tofree?“

„Dartig Jahr?“, reep de Minsk, „och Heer, dat is ja dat Anfangen nich weert! Wenn ik glückelk mien egen Huus un Heerd hebb, wenn de Bomen, de ik plant hebb, bleiben un Frücht ansetten, wenn ik na al mien Meite un na al mien Sorgen endelk geneten will, denn sall 't all ut wesen? Nee, Heer, ik mag di beden, legg mi wat to to mien Levenstied.“

„Good“, see de leve Gott „denn sallt du de achtteihn Jahr daarbi hebben, de de Esel nich hebben wull.“

„Geev mi mehr!“, reep de Minsk.

„Good, denn nehm de twalven d'r noch bi, de de Hund tovööl wassen!“

„Mehr!“, reep de Minsk.

„Du sallst dien Will' hebben“, see de Heer, „de teihn Jahr, de ik de Aap aflaten hebb, sölen di togoode komen. Man daar is 't denn ok woll genopg mit!“

De Minsk harr geern noch mehr nohmen, man he dürs 't nich seggen. Un so is he to sien Levenstied komen.

De eersten dartig Jahr, dat sünd de, de hum as Minsk todocht wassen: de leevt he 'sund un frisk un röögt sien Hannen mit Lüst, un sien Dagen sünd vull Hope un Toversicht.

Man denn komen de Jahren, de he de Esel ofnomen hett: Daar hett he an to dragen, de sünd vullpackt mit Last un Sörgen: denn kummt he d'r achter, dat he sük för annern utsloovt un nümms hum dat danken deit.

Un denn komen de Jahren, de för de Hund berekent wassen. Nu word dat minner mit hum. He kruppt un liggt un gnurrt wat rum, hett kien Kracht mehr to warken un kien Tannen mehr to bieten un will nich mehr achter de Ovend weg.

Un denn komen noch de Jahren van de Aape: He word swack in de Kopp, sien Gedoo is kinnerhaftig, wat he seggt, daar word over lacht un nüms nimmt hum mehr eemst.

Wat good, dat de leve Gott en Insehn hatt hett!

 

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Die Lebenszeit.

 

Als Gott die Welt geschaffen hatte und allen Kreaturen ihre Lebenszeit bestimmen wollte, kam der Esel und fragte „Herr, wie lange soll ich leben?“ „Dreißig Jahre,“ antwortete Gott, „ist dir das recht?“ „Ach Herr,“ erwiderte der Esel, „das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von Morgen bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! erlaß mir einen Teil der langen Zeit.“ Da erbarmte sich Gott und schenkte ihm achtzehn Jahre. Der Esel ging getröstet weg, und der Hund erschien. „Wie lange willst du leben?“ sprach Gott zu ihm, „dem Esel sind dreißig Jahre zuviel, du aber wirst damit zufrieden sein.“ „Herr,“ antwortete der Hund, „ist das dein Wille? bedenke, was ich laufen muß, das halten meine Füße so lange nicht aus; und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig, als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?“ Gott sah, daß er recht hatte, und erließ ihm zwölf Jahre. Darauf kam der Affe. „Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?“ sprach der Herr zu ihm, „du brauchst nicht zu arbeiten wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge.“ „Ach Herr,“ antwortete er, „das sieht so aus, ist aber anders. Wenns Hirsenbrei regnet, habe ich keinen Löffel. Ich soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden, damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist er sauer. Wie oft steckt die Traurigkeit hinter dem Spaß! Dreißig Jahre halte ich das nicht aus.“ Gott war gnädig und schenkte ihm zehn Jahre.

Endlich erschien der Mensch, war freudig, gesund und frisch und bat Gott, ihm seine Zeit zu bestimmen. „Dreißig Jahre sollst du leben,“ sprach der Herr, „ist dir das genug?“ „Welch eine kurze Zeit!“ rief der Mensch, „wenn ich mein Haus gebaut habe, und das Feuer auf meinem eigenen Herde brennt: wenn ich Bäume gepflanzt habe, die blühen und Früchte tragen, und ich meines Lebens froh zu werden gedenke, so soll ich sterben! o Herr, verlängere meine Zeit.“ „Ich will dir die achtzehn Jahre des Esels zulegen,“ sagte Gott. „Das ist nicht genug,“ erwiderte der Mensch. „Du sollst auch die zwölf Jahre des Hundes haben.“ „Immer noch zu wenig.“ „Wohlan,“ sagte Gott, „ich will dir noch die zehn Jahre des Affen geben, aber mehr erhältst du nicht.“ Der Mensch ging fort, war aber nicht zufriedengestellt.

Also lebt der Mensch siebenzig Jahr. Die ersten dreißig sind seine menschlichen Jahre, die gehen schnell dahin; da ist er gesund, heiter, arbeitet mit Lust und freut sich seines Daseins. Hierauf folgen die achtzehn Jahre des Esels, da wird ihm eine Last nach der andern aufgelegt: er muß das Korn tragen, das andere nährt, und Schläge und Tritte sind der Lohn seiner treuen Dienste. Dann kommen die zwölf Jahre des Hundes, da liegt er in den Ecken, knurrt und hat keine Zähne mehr zum Beißen. Und wenn diese Zeit vorüber ist, so machen die zehn Jahre des Affen den Beschluß. Da ist der Mensch schwachköpfig und närrisch, treibt alberne Dinge und wird ein Spott der Kinder.

Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausmärchen