BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Simon Dach

1605 - 1659

 

Grethke-Lied

 

Text

 

Hochdeutsche Übertragung von Bernhard Jahn    >>> Google

in: Bernhard Jahn, Die Inszenierung des Volkstümlichen und seine Aporien

Versuch einer Annäherung an Simon Dachs Grethke-Lied,

in: Axel E. Walter, Simon Dach: Werk und Nachwirken,

Berlin: Walter de Gruyter, 2008

 

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Alia et nova cantilena amatoria rustica.

 

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1

Grethke, warumb heffstu mi

Doch so sehr bedrövet?

Wettstu och noch, wo ick di

Hebb alltidt gelevett?

Wo ick umb die, hor, alleen

Gestern so erschrecklich green,

Ock nich einen beten

Hebbe mögen freten?

 

2

Och, du wettst nicht, wo 'tt mi schmart,

(Ick kan 't nich verschwiegen)

Dat ein ander Kerdel ward

Di tho eigen kriegen

Un ick also aff moth stahn,

Ock allein tho Bedde gahn:

Ick sy ungelagen

Von di sehr bedragen.

 

3

Aver hör doch, weistu ock,

Wo du di verschwaren,

Als du mi datt Schnuppeldock

Drup geffst tho verwaren,

Wi wyr ts Avends mannichmal

Vns gepust von baven dal,

Upn Schoppen gestegen,

Ock thosammen gelegen? 1)

 

4

Pfu! wo hebb ick dwatscher narr

Mi so sehr verdupet!

Oft sed use Herr de Parr:

„Knecht, du bist besöpet!“

Schimp du mi dei Wedem nicht,

Ick hebb manchen bösen Stich

Men von dynetwegen

Tho verstahn gekregen.

 

5

Doch dat möcht rehd alles syn:

Düt iß dat mi drücket,

Dat ick dy hebb all dat myn

Heimlich thogestecket. 2)

Wettstu ock nicht den roden Rock,

Ey, dey Strümp un de fyn Schock-

Lewend 3) tho der möder?

Ja wat, all myn göder!

 

6

Vnd dat was noch nich genog;

Wenn du uthgiengst rallen

Mit den Burknechts in den Kroch,

Wol ick di gefallen,

So most ick in dine stell

All dat Vehe van dem fell

In die ställe jagen

Vnd mi vor di plagen.

 

7

Als di Mödder Krögers Knecht

Wold ein Ohrfieg gewen,

Dat du van em na gesecht.

Wat he hadd bedreven:

Kyld ick mi mit em herum,

Awerst hey was mi tho schlim,

Schlog mi, dat ick liggen

Most gan up dem rüggen.

 

8

Blödd ick do nich als ein Schwin,

Leth na Hus mi ledden,

Reep ick do nicht, dat Valntin

Mi most kamen redden?

Myne Nese was entwey,

Myn Ogen als ein Hönerey

Schrecklich opgequollen,

Ock schier thogeschwollen.

 

9

Schla, du Schelm, du Barensteck,

Dat du most versuren!

Holl, ick war wol wedder preek

Einmal up di luren.

Ick hebb up die, Bodelsknecht,

Einen Prügel thogelecht,

'k will dy so veel gewen,

Dat du kum salst lewen.

 

10

Vaken dacht ick: „Nu, du moest

Gnogsam umb se liden“;

Dennoch hestu dine Lust

Mi so sehr tho brüden.

Doet nich mehr, edt is nicht recht,

Hefft doch dine Frow gesecht:

„Warstu dißen freyen,

'd ward di nicht gerewen.“

 

11

Iß hey nicht ein Horenkind?

Segg, wer iß syn Vader?

Supt hey sick nich doll vnd blind,

Makt ock gerne Hader?

Tho der Arbeit iß hey ful,

Hefft ein loß verhawen Mul,

Plegt mit dem tho pralen,

Wat he hefft gestalen.

 

12

Ick bin eines Schäpers Sehn

Uth dem Dorp Poßnicken,

Myn Vader de heet Hans Drön,

Ener von den Ryken.

Öff ick schon jetzunder deen,

Ick bin moderlick allein:

Ward de Vader starven,

Warr ick alles arven.

 

13

Denn so werstu sehn uthgahn

Köy, Schap unde Lemmer,

Beth thom Buck im Grase stahn,

Welcke di en emmer

Söte Melck twemal den Dach

Gewen, als de bunte plag,

De de Wolff gefreten,

Als du sulvst warst weten.

 

14

Ja, keen levigs, loset Wort

Salstu van mi hören,

Ick wil dy ock fort vnd fort

Leven vnde ehren,

Vnd ick kan ja angers nicht,

Dann du makst mi levendig

Pussen dine Lippen,

Di von Honig drüppen.

 

15

Wenn ick na dy seh vam Kohr,

Wor du plegst tho sitten,

So heffstu, los kleine Hoer,

Solcke ronge Tütten,

Ock solck ronget Angesicht,

Also dat mi solver dücht,

Dat du, schmucket Meken,

Appel most affsteken.

 

16

Darumb schluth mi in din Hart,

Lath den andern fahren,

De di nich so leven ward,

Kom, dat wi uns paren.

Kom, wi hebben hoge Tydt:

De sick alltho old befryt

Und von Krafft is kamen,

De hefft schlechten Framen.

 

 

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1) Variante der Handschrift zu Wi wyr ... gelegen:

Als et noch de Frow erfohr

Vn du schworest eck sie ein hor

Wart ick di nich nehmen

Lath doch man din gremen. 

2) Ursprünglich „in den Arß gesticket“ („in den Arsch gesteckt habe“); von Stobäus verändert. 

3) Schockleinwand: „gewöhnliche Leinwand in Stücken von 60 Ellen“ (DWh 9, 1899, Sp. 1438).