BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Simon Dach

1605 - 1659

 

Anke van Tharaw

 

Text

 

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Das anonym überlieferte Lied wird heute wieder überwiegend Simon Dach zugesprochen. In der Kirchenchronik von Tharau heißt es 1723: „Andreas Neander, welcher anno 1630 gestorben. Dieser hatt von seiner Ehegattin, die eine Sperberin von Gebührt gewesen, nebst einem Sohne eine eintzige, von Gestalt angenehme Tochter Nahmens Annam hinterlassen, welche die Anke von Tharau ist, von der das bekannte Lied oder Aria herrühret, so in Alberti Arien gedruckt zu finden ist, und von dem berühmten Preußischen Poeten Simon Dach, welcher damahlen noch ein Studiosus [?] gewesen, bei deroselben Hochzeit gemachet worden, indem dieselbe nach ihres seeligen Vatern Tode 11 Jahr alt in die Pflege und Aufferziehung ihres Vormundes Herrn Stoltenbergs Kaufmanns und Mältzenbräuers in Königsberg aufgenommen, undt 7 Jahr nach desselben Tode im 18ten Jahr ihres Alters ist verheyrathet worden an Herrn Johannem Partatium der Zeit Pfarrern in Trempen Insterburgischen Ampts, nachmahlen aber in Laukischken Labiauschen Ampts: woselbst sie nach des Partatii Tode noch 2 Successores, nemlich Herrn N. Gruben undt Herrn Melchior Beillstein in demselbigen Pfarr-Ampt geheyrathet hatt. Endlich hat einer ihrer Söhne von der ersten Ehe, Herr Friederich Partatius, littauscher Pfarrer in Insterburg, sie, da sie verwitwet und ganz unvermögendt gewesen, zur Verpflegung zu sich genommen. Undt da auch derselbige zu ihrem großen Leidwesen Anno 1688 im Osterfest verstorben, ist sie doch von dessen Wittiben Fr. Elisabeth, einer gebohrenen Schützin biß an ihr seeliges Ende verpfleget undt zu Insterburg 1689 ums Michaelis im 74 Jahr [muß wohl 70 heißen, da 1619 geboren] ihres Alters begraben worden.“

Ins Reich der Phantasie zu verweisen ist die Mitteilung von Dachs erstem Biographen Bayer, der in seinem „Erleuchteten Preußen“ 1723 schrieb: „... Er hatte unter andern seine Augen geworffen auff eines Priesters von Tharau Tochter, die ihm aber weggenommen wurde, dahero er zum Kurtzweil bey dem Braut-Bette das bekannte Liedchen: Ancke van Tharau schrieb.“ Doch diese Mär von Dachs unglücklicher Liebe wurde von den Nachgeborenen begierig aufgegriffen, in immer neuen poetischen Elaboraten.

 

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Anke van Tharaw.

Trewe Lieb' ist jederzeit

Zu gehorsamen bereit.

 

1

Anke van Tharaw öß, de my geföllt,

Se öß mihn Lewen, mihn Goet on mihn Gölt.

 

2

Anke van Tharaw heft wedder eer Hart

Op my geröchtet ön Löw' on ön Schmart.

 

3

Anke van Tharaw mihn Rihkdom, mihn Goet,

Du mihne Seele, mihn Fleesch on mihn Bloet.

 

4

Quöm' allet Wedder glihk ön ons tho schlahn,

Wy syn gesönnt by een anger tho stahn.

 

5

Kranckheit, Verfälgung, Bedröfnös on Pihn,

Sal vnsrer Löve Vernöttinge syn.

 

6

Recht as een Palmen-Bohm äver söck stöcht,

Je mehr en Hagel on Regen anföcht.

 

7

So wardt de Löw' ön onß mächtich on groht,

Dörch Kryhtz, dörch Lyden, dörch allerley Noht.

 

8

Wördest du glihk een mahl van my getrennt,

Leewdest dar, wor öm dee Sönne kuhm kennt;

 

9

Eck wöll dy fälgen dörch Wöler, dörch Mär,

Dörch Yhß, dörch Ihsen, dörch fihndlöcket Hähr.

 

10

Anke van Tharaw, mihn Licht, mihne Sönn,

Mihn Leven schluht öck ön dihnet henönn.

 

11

Wat öck geböde, wart van dy gedahn,

Wat öck verböde, dat lätstu my stahn.

 

12

Wat heft de Löve däch ver een Bestand,

Wor nich een Hart öß, een Mund, eene Hand?

 

13

Wor öm söck hartaget, kabbelt on schleyht,

On glihk den Hungen on Katten begeyht.

 

14

Anke van Tharaw dat war wy nich dohn,

Du böst mihn Dühfkē myn Schahpkē mihn Hohn.

 

15

Wat öck begehre, begehrest du ohck,

Eck laht den Rack dy, du lätst my de Brohk.

 

16

Dit öß dat, Anke, du söteste Ruh'

Een Lihf on Seele wart uht öck on Du.

 

17

Dit mahckt dat Lewen tom Hämmlischen Rihk,

Dörch Zancken wart et der Hellen gelihk.

 

 

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Hochdeutsche Übertragung

von Johann Gottfried Herder:

 

1

Annchen von Tharau ist, die mir gefällt,

Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.

 

2

Annchen von Tharau hat wieder ihr Herz

Auf mich gerichtet in Lieb' und in Schmerz.

 

3

Annchen von Tharau, mein Reichthum, mein Gut,

Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut!

 

4

Käm alles Wetter gleich auf uns zu schlahn,

Wir sind gesinnet, bei einander zu stahn.

 

5

Krankheit, Verfolgung, Betrübniß und Pein

Soll unsrer Liebe Verknotigung seyn.

 

6

Recht als ein Palmenbaum über sich steigt,

Je mehr ihn Hagel und Regen anf[eu]cht;

 

7

So wird die Lieb' in uns mächtig und groß

Durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Noth.

 

8

Würdest du gleich einmal von mir getrennt,

Lebtest, da wo man die Sonne kaum kennt;

 

9

Ich will dir folgen durch Wälder und Meer,

Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.

 

10

Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn,

Mein Leben schließ' ich um deines herum.

 

11

Was ich gebiete, wird von dir getan,

Was ich verbiete, das läßt du mir stahn.

 

12

Was hat die Liebe doch für ein Bestand,

Wo nicht Ein Herz ist, Ein Mund, Eine Hand?

 

13

Wo man sich peiniget, zanket und schlägt,

Und gleich den Hunden und Katzen beträgt?

 

14

Annchen von Tharau, das woll'n wir nicht thun;

Du bist mein Täubchen, mein Schäfchen, mein Huhn.

 

15

Was ich begehre, ist lieb dir und gut;

Ich laß den Rock dir, du läßt mir den Hut!

 

16

Dies ist uns Annchen die süsseste Ruh,

Ein Leib und Seele wird aus Ich und Du.

 

17

Dies macht das Leben zum himmlischen Reich,

Durch Zanken wird es der Hölle gleich.