Stefan Zweig
1881 - 1942
Silberne Saiten
1901
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[15-16] |
Der Dichter.
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Ging einer in die helle Sommernacht.Dem war schon längst die letzte Liebe tot;Er klagte nicht. – Doch purpurn war entfachtIn seinem Herz der Wunden Narbenrot.
Im Auge flackerte ein fremder GlanzDes tiefen Leides späte Schmerzenssaat . . .So schritt er stumm dahin . . . IrrlichtertanzWar Führer ihm am blassen Dämmerpfad.
In reichem Frieden schimmerte das LandWie eine Brust, die selig atmend bebt . . .Da fühlt er, wie der Stille weiche HandUm seine heißen Pulse kühlend schwebt.
Und schwellend flog aus tausend Kelchen herEin Blühen, das von weiten Fernen kam;Wie dunkle Weine war der Duft so schwer,Der mild sein großes Weh gefangen nahm.
Und traumgewandet zieht die EinsamkeitAns Mutterherz den müden Träumer hin,Bis er vergessen Wirklichkeit und LeidIm Banne ihrer Rätselmelodien.
Und Blütendolden stäubten in sein Haar . . .Die Stimme aber sang und ruhte nicht,Bis jeder Gramgedanke Traum nur war,Und jeder Schmerz ein ewiges Gedicht . . . |