Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Lerne lachen ohne zu weinen
Seite 394-395 der Erstausgabe
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Ideal und Wirklichkeit
In stiller Nacht und monogamen Bettendenkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,was uns, weil es nicht da ist, leise quält.Du präparierst dir im Gedankengangedas, was du willst – und nachher kriegst dus nie . . .Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –Ssälawih –!
Sie muß sich wie in einem Kugellagerin ihren Hüften biegen, groß und blond.Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,wer je in diesen Haaren sich gesonnt . . .Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,der Eile und der Phantasie.Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –Ssälawih –!
Man möchte eine helle Pfeife kaufenund kauft die dunkle – andere sind nicht da.Man möchte jeden Morgen dauerlaufenund tut es nicht. Beinah . . . beinah . . .Wir dachten unter kaiserlichem Zwangean eine Republik . . . und nun ists die!Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –Ssälawih –!
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 05.11.1929, Nr. 45, S. 710 unter dem Pseudonym Theobald Tiger |