BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kurt Tucholsky

1890 - 1935

 

Lerne lachen ohne zu weinen

 

Seite 363-364 der Erstausgabe

 

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Heinrich Zille

 

 

Zweeter Uffjang, vierta Hof

wohnen deine Leute;

Kinder quieken: «Na, so doof!»

jestern, morjn, heute.

Liebe, Krach, Jeburt und Schiß . . .

Du hast jesacht, wies is.

 

Kleene Jöhren mit Pipi

un vabogne Fieße;

Tanz mit durchjedrickte Knie,

er sacht: «Meine Sieße!»

Stank und Stunk, berliner Schmiß . . .

Du hast jesacht, wies is.

 

Jrimmich wahste eijntlich nich –

mal traurich un mal munta.

Dir war det jahnich lächalich:

«Mutta, schmeiß Stulle runta –!»

Leierkastenmelodien . . .

Menschen in Berlin.

 

Int Alter beinah ein Schenie –

Dein Bleistift; na, von wejn . . . !

Janz richtich vastandn ham se dir nie –

die lachtn so übalejn.

Die fanden dir riehrend un komisch zujleich.

Im übrijen: Hoch det Deutsche Reich!

Malen kannste.

Zeichnen kannste.

Witze machen sollste.

Aba Ernst machen dürfste nich.

Du kennst den janzen Kleista –

den ihr Schicksal: Stirb oda friß!

Du wahst ein jroßa Meista.

Du hast jesacht, wies is.

 

 

Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 03.09.1929, Nr. 36, S. 366

unter dem Pseudonym Theobald Tiger