Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Lerne lachen ohne zu weinen
Seite 303 -321 der Erstausgabe
|
|
____________________________________________________
| |
Das Lottchen
Ankunft
Der Liebhaber: «Guten Tag, Lottchen – na, wie ist es denn –?»Das Lottchen (hintereinanderweg): – «Guntach! Halt mal, warte mal . . . ich muß hier erst . . . wartest du schon lange? Wie? Was? Wie? Mach mir mal die Tür hier auf, wartest du schon lange? Wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Na, wie gefällt dir mein Auto, Lottchen II? Ja, da staunste, was? Beinah ganz abgestottert. Wartest du schon lange? Der soll man hier meinen Koffer . . . nein! Den nicht! Den! Sie! Wo gehn Sie denn damit – ach so . . . Nein, doch nicht! Die Düse ist hier in den Regenerator gerutscht, die ist da reinge . . . . das verstehst du nicht, na, Gott behüte vor einem Mann, der nichts von Autos versteht! Daddy, geh mal weg, ich dreh bloß mal die Felge über die Nabe – Vorsicht! Vorsicht doch! Da hab ich doch mein Obst im Grammophon . . . ja da, natürlich im Hutkarton, wo sonst? Nicht in der Schachtel, – da sind die Akten für Arturs Geschäft, ich denke eben an meinen Mann, das tust du nicht! Sach mal dem Mann, er soll mal dies hier nehm und da hintragen – Gott, ist das ein Ochse! . . . Wart mal, ich muß erst die Handbremse in die Kiste für die Zündung tun, da gehört sie hin. Das verstehst du eben nicht! Na, Daddy, das kannst du dir ja nicht denken . . . wieso hast du dies Hötel genommen, wie? Wartest du schon lange? Daddy, das kannst du dir nicht denken, also, wie ich bei Wittenberge rechts in die Kurve gehe, da ist sone Kurve, da kommt von links, hastdunichtgesehn, ein Amerikaner angetobt, ich aber nichts wie den Volang rumgerissen, verstehste, Lottchen ist doch helle, und links, ja also links – wieso hast du aber wirklich . . . Daddy, jetzt sage mal auf Lottchen, wieso hast du dies Hötel genomm'? Ja, also links war eine Schafherde, paß doch mal auf, und Lottchen rin in die Schafherde. Der Hammel, der Hirt, nein, der nicht . . . aber vier wirkliche Hammel und dreiundachtzig Schafe hab ich . . . wieso bezahlt? Er mir vielleicht . . . ! Der Mann kann sich . . . wo ist denn hier der Fahrstuhl? Ich hab auf der Bürgermeisterei gesacht, na, du kennst doch Lottchen! Lottchen hat gleich dem Gendarmen schöne Augen gemacht, verstehste, und da hat der Schafhirt noch einen mächtigen Anschnauzer bekommen, wegen seinen Hammeln, weil die frei rumgelaufen sind, und Lottchen durfte weiterfahren! Finnste das? Wo ist denn hier der Fahrstuhl? Was? Der funktioniert nicht? Daddy! Ich muß ja noch mal raus! Na, warte doch mal! Na, was denkst du dir denn? Ja, meinste, das Auto kann hier auf der Straße stehnbleiben? Nee, mein Lieber – Sie! Sie! Ham Sie denn hier keine Garage in der Hötelhalle . . . ich meine . . . na, 'n schönes Hötel – laß mich doch – ich sage immer: Hötel, das ist feiner . . . na, ich versteh das ja nicht . . . also, Daddy – wo ist denn Ihre Garage? Was? Wie? Wie? Seh ich gar nicht ein . . . . das hab ich gern: soziales Herz bei Lottchens Auto! Tragen Sie mal das Auto hier rüber, ich meine, und hier haben Sie . . . laß mich doch mal – ich geb ihm gar kein Geld, ich geb ihm bloß meinen kleinen Koffer, den kann er auf die andere Schulter nehmen – natürlich bezahlst du das! Na, ich vielleicht? Na, Daddy, hast du gedacht, ich wer das Auto mit aufs Zimmer nehmen? Na, nimm mirs nicht übel . . . ! Sie –! Jetzt ist er weg. Na, also komm rein. Nu steh hier nicht auf der Straße rum. Na, Lottchen hat ja unterwegs eine piekfeine Eroberung gemacht! Einen Argentinier, schlank, elegant, mit so schwarzen Augen, hat mir gleich seine Adresse gegeben, na, ich bin ja meinem Daddy treu – Daddy, die Garage kost nich teuer, vier Mark den Tag, wie? Ist dir das zuviel? Der Fahrstuhl funktioniert nicht . . . Daddy, finnste das, daß der Fahrstuhl nicht funktioniert? Ist denn kein andrer Fahrstuhl – dazu komm ich extra aus Interlaken, um hier in Bremen die Treppen raufzu . . . Also, Daddy, das ist Quatsch, entweder ich reise als Dame, oder ich reise nicht als Dame, aber als Dame und dann nicht als Dame –? Ja, und der Argentinier, wie der nu gesehen hat, daß ich immer rein in die Hammelherde, da hat er . . . Daddy, wieso hast du denn dies Zimmer genommen und nicht zwei mit einem Bad in der Mitte, was? Legen Sie dahin! Daddy, bestell mal Kaffee für Lottchen, Lottchen hat sonen Durst – na, fahre du mal in einer Tour von Berlin bis Bremen, wo ist denn meine Seife? Hast du Kaffee bestellt? Hast du denn Lottchen auch noch lieb? Gib ihr mal 'n Küßchen – aber 'n schönen dicken Bauch hast du dir in Belgien angefressen, kann man wohl sagen – hm . . . wo bleibt denn der mit dem Kaffee? Klingel mal! Der Direktor soll kommen, ich will mich beschweren! Daddy –! Jetzt hab ich vergessen, den Motor abzustellen! Frag mal, ob sie nicht 'n Chauffeur haben, der Motor muß sofort abgestellt werden, der läuft sonst die ganze Nacht, und mir hat der Mann gesagt, wenn nicht mehr genug Benzin im Öltank ist, dann – ach, hätt ich doch das Auto mit aufs Zimmer, nein, wär ich doch bei dem Auto geblieben! Daddy, wie lange hast du denn nu Zeit? Daddy, was sagst du denn nun, daß Lottchen wieder bei dir ist! Sag mal was! Du sagst ja gar nichts . . . »Der Liebhaber (ersterbend): «Seid einig – einig – einig –!» (Er sinkt hintenüber.)
Zuerst erschienen in: Vossische Zeitung, 06.09.1928 unter dem Pseudonym Peter Panter |