Kurt Tucholsky
1890 - 1935
Fromme Gesänge
Seite 1-2 der Erstausgabe
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An Lukianos
Freund! Vetter! Bruder! Kampfgenosse!Zweitausend Jahre – welche Zeit!Du wandeltest im Fürstentrosse,du kanntest die Athenergosseund pfiffst auf alle Ehrbarkeit.Du strichst beschwingt, graziös und eiligdurch euern kleinen Erdenrund –Und Gott sei Dank: nichts war dir heilig,du frecher Hund!
Du lebst, Lucian! Was da: Kulissen!Wir haben zwar die Schwebebahn –doch auch dieselben Hurenkissen,dieselbe Seele, jäh zerrissenvon Geld und Geist – du lebst, Lucian!Noch heut: das Pathos als Gewerbeverdeckt die Flecke auf dem Kleid.Wir brauchen dich. Und ist dein Erbenoch frei, wirfs in die große Zeit.
Du warst nicht von den sanften Schreibern.Du zogst sie splitternackend ausund zeigtest flink an ihren Leibern:es sieht bei Göttern und bei Weibernnoch allemal der Bürger raus.Weil der, Lucian, weil der sie machte.So schenk mir deinen Spöttermund!Die Flamme gib, die sturmentfachte!Heiß ich auch, weil ich immer lachte,ein frecher Hund!
Zuerst erschienen in: Die Weltbühne, 12.12.1918, Nr. 50, S. 563 unter dem Pseudonym Kaspar Hauser |